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Vorwort von Wladimir Kaminer

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Meine Frau hat die ganze Zeit mit ihren russischen Frauen angegeben, als wären sie eine Kaste, als würden diese Frauen irgendwie anders sein, sich vom Rest der Welt unterscheiden.

Ihr Äußeres ist besonders gepflegt, ihr Inneres widersprüchlich. Oft tun sie nichts, sie schlafen gern bis Nachmittag, doch wenn sie aufstehen, sind ihrem Lebensgestaltungswillen keine Grenzen gesetzt. Olga bestand darauf: Diese „russischen Frauen“ seien nicht an ihrer Nationalität festzumachen, es müssten nicht unbedingt Russinnen sein, jede Frau, egal woher, könnte als „russische Frau“ durchgehen. In manchen Zeiten passiert es, dass die meisten aus Amerika kommen, umgekehrt seien nicht viele Frauen Russlands dieses Namens würdig. So wie Olga davon erzählt, haben diese Frauen oft übermenschliche Qualitäten, Eigenschaften, die nicht zusammen passen. So können sie schwach und zärtlich sein, gleichzeitig aber die Welt retten, sie können kleine gemütliche Nester bauen und gleichzeitig große Militäreinheiten befehlen, Liebesgedichte schreiben und wilde Pferde reiten. Sie können auf der Suche nach ihrem Freund dreimal um die Welt joggen – ohne ihre Stöckelschuhe auszuziehen. Vor allem aber warten diese klugen Frauen nicht, bis der Richtige kommt, sondern bauen sich an Ort und Stelle aus dem vorhandenen Material einen Richtigen zurecht. Die Erfahrung sagt, man kann mit Lust und Liebe aus jedem Mist einen Prinzen machen.

Außerdem ziehen sie ihre Kinder ohne erzieherische Konzepte groß, ohne ihnen den Lebensweg zu weisen und Ratschläge oder Anweisungen zu geben – nur mit Liebe, Verständnis und unendlicher Geduld. In der Regel schaffen sie das auch viel besser als jeder professionelle Erzieher.

Eine Pflanze muss bloß begossen werden, am besten regelmäßig, damit sie Früchte bringt. Das Gleiche gilt auch für Prinzen. Die russischen Frauen sorgen sich, dass ihre Mitmenschen erfolgreich und glücklich sind, sie selbst bleiben im Schatten. Sie sind ziemlich unsportlich, würden nie einen Berg besteigen, interessieren sich nicht für Politik, haben keine Ahnung von Wissenschaft. Die Männer solcher Frauen werden aber oft große Politiker, berühmte Sportler oder Nobelpreisträger. Dafür bekommen sie zu Hause Liebe, Geduld und Zuneigung serviert. So ungefähr habe ich das Buch meiner Frau verstanden. Wenn diese Beschreibung stimmt, dann muss ich zugeben, hatte ich die ganze Zeit nur mit russischen Frauen zu tun.

Mit sechs Jahren hat mich das gleichaltrige Mädchen Mascha aus Liebe in den Busch geschubst, um zu sehen, ob ich vielleicht eine Heulsuse bin. Die Narbe auf meinem linken Knie erinnert mich noch heute an diesen Vorfall. Mascha war von mir enttäuscht und hat sich später, in der zehnten Klasse, sehr ernst in einen Jungen aus unserer Schule verliebt, der vier Jahre jünger als sie war. Wegen ihres Altersunterschieds lachte die ganze Schule die beiden aus. Sie wollten zusammen durchbrennen, Mascha erklärte ihrer Liebe, was er auf die lange Reise mitnehmen sollte. Die Eltern des kleinen Jungen konnten jedoch die Absichten des Liebespaares rechtzeitig aufdecken, sie beschwerten sich bei Maschas Eltern. Diese schlossen Mascha in ihrem Zimmer ein, sie durfte die Wohnung nicht mehr verlassen. Mascha machte es den Musketieren nach, sie band mehrere Bettlaken zusammen und kletterte aus dem vierten Stock vom Balkon runter. Leider war ihr Junge eine noch schlimmere Heulsuse als ich, er verriet sie an die Eltern, ein gemütliches Leben mit seiner Mama zog er dem Abenteuer mit einer echten russischen Frau vor. Später spielte Mascha in einer Punkband Bass, die Band hieß Nacht vor Weihnachten, ein großes Versprechen steckte in diesem Namen. Laut dem russischen Volksglauben können in der Nacht vor Weihnachten wundersame Dinge geschehen, jeder Zauber kann wahr werden und einfache Menschen können an den Sternen ihre Zukunft ablesen. Mascha pflegte ihr Hexen-Image nicht nur auf der Bühne, auf der Schwelle des Erfolgs heiratete sie einen Holländer und verließ das Land. Sehr oft nämlich werden russische Frauen zu einer begehrten Exportware, viele von ihnen sind ins Ausland gegangen. Seitdem lernte ich eine Menge russische Frauen kennen. Ich lernte welche kennen, die ganzkörperparfümiert auf hohen Absätzen in den Wald zu den wilden Tieren gingen – nur um ihrem Mann, der ein leidenschaftlicher Jäger war, zu Gefallen zu sein. Ich habe russische Frauen kennengelernt, die mit der Waffe in der Hand ihre Männer gegen Banditen verteidigten, oder die für ihre Männer schwer arbeiten gingen, damit diese Männer Zeit hatten, sich künstlerisch zu entfalten. Dabei gehen echte russische Frauen nie arbeiten – ohne einen triftigen Grund. Ich kannte auch mal welche, die Drogen nehmen mussten, um die Welt ihrer Kinder besser zu verstehen. Es gibt nichts auf der Welt, was eine russische Frau nicht tun würde, um Menschen, die sie liebt, zu helfen.

Gleichzeitig ist sie oft egoistisch, schläft bis halb zwölf und hat am frühen Vormittag überhaupt keine Lust zu reden. Ich kenne das von meiner eigenen Frau. Sie habe ich in Berlin kennengelernt, wir zogen zusammen und sieh an, was sie in den einigen Jahren vollbracht hat. Aus mir, der hoffnungslos im Dickicht des Theaterlebens verlaufen war und von einer künstlerischen Offerte in die nächste torkelte, machte sie einen erfolgreichen Schriftsteller. Sie hat eine Tochter gemacht, die bereits mit zehn Jahren hundert Gedichte auswendig kann und mit vierzehn aus Die Brüder Karamasow zitiert. Später hat sie einen Sohn auf die Welt gebracht, der bereits in der Grundschule zu einem Kung-Fu-Kämpfer und geschickten Schwarzweiß-Fotografen heranreifte. Sie hat drei Katzen, fünf Bäume und eine Unzahl von Pflanzen hochgezogen. Das geht ihr leicht von der Hand, denn sie kennt das richtige Rezept. Man muss immer rechtzeitig gießen.

Russische Frauen

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