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Die Hauptlichtarten mit kleinen Lichtquellen

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Andrej Kleer

Andrej Kleers Version der Mona Lisa zeigt wie das Original hochfrontales Licht. Es ist ein wenig seitlich versetzt, wodurch das Gesicht leicht asymmetrisch erscheint. Es steht so steil, dass die Augen gerade noch im Licht liegen. Zusätzlich erstrahlt das Haar dank eines kleinen Gegenlichtes, das in Leonardos Original noch nicht angelegt ist, von der linken Seite aus. Als Hauptlichtquelle diente ein kleiner Schirm mit ca. 50 cm Durchmesser aus etwa zweieinhalb Meter Abstand. Das Bild kommt, in Anlehnung an das Original der Renaissance, ohne Aufhellung aus, wodurch die Schatten bis hinab zum tiefen Schwarz reichen. Und beachten Sie die Regie: Das berühmteste Lächeln der Kunstgeschichte finden Sie in einem Porträt mit hochfrontalem Licht!


Uta Konopka

Uta Konopka zitiert in Ihrem Bild die Bildsprache des Barock, in der das – hier perfekt gesetzte – Rembrandtlicht seinen Siegeszug antrat. Als Hauptlichtquelle diente auch hier ein kleiner Schirmreflektor mit ca. 50 cm Durchmesser aus etwa drei Meter Abstand, was zu recht deutlich umrissenen Schattenkanten führt. Zusätzlich wurde mit der Verlängerungsmethode ca. 145° von der Lampe zur Ochsenschnur und darüber hinaus um das Modell herum aufgehellt, also mit leicht plastischer Restwirkung, wodurch die Schattenbereiche nicht komplett schwarz wiedergegeben werden. Die aufgehellten Schatten passen besser zur Bildidee mit der Strahlenkrone, die ja etwas Strahlendes vermitteln soll. Mehr über die unterschiedlichen Aufhellmethoden lernen Sie in Kapitel 4.


Peter Schwöbel

Die Eva von Peter Schwöbel zeigt den weiteren dramatischen Verlauf der bekannten Geschichte der Vertreibung aus dem Paradies – dank des entsprechend eingesetzten Rembrandtlichts. Es ist mit einem kleinen Normalreflektor aus einigem Abstand gesetzt und erzeugt scharf umrissene Schattenkanten. Wenn Sie die Schatten auf Armen und Beinen genau betrachten, sehen Sie, wie diese durch einen flächigen Aufheller in Zangentechnik von links erfasst werden. Dieser flächige Reflektor nutzt das von der Hauptlichtquelle kommende Licht zur Aufhellung. Dabei werden die Beine stärker als das Gesicht aufgehellt, was den künstlichen und theatralen Charakter des Bildes unterstreicht.


Tobias Müller

In Tobias Müllers Neufassung des Sündenfalls, frei nach Magritte, wird für den dramatischen Ausgang des Treffens das Rembrandtlicht eingesetzt. Auch wenn der Apfel einen Großteil von Adams Gesicht verdeckt, so lugt das Lichtdreieck unter dem Auge der Schattenseite doch noch hervor. Die Schattenseite ist aufgehellt. Wenn Sie das Gesicht oder den rechten Ärmel betrachten, können Sie auf die verwendete Methode schließen. Es handelt sich um eine Zangenaufhellung. Der störende dunkle, das Gesicht splittende Schatten in der Nasengegend ist normalerweise das Ergebnis dieser Methode, wird aber geschickt durch den Apfel verdeckt.


Horst Mumper

Horst Mumpers Doppelselbstporträt zeigt ihn als Fotografen und als »Vertreter«. In dieser ironischen Interpretation eines Businessporträts nutzte er das dafür typische hochfrontale Licht. In der Version des Fotografen verhindert der Helm, dass das Licht die Augen erreicht. Dank der Aufhellung durch Verlängerung des Hauptlichtes, das aus einem Schirmreflektor mit ca. zwei Meter Durchmesser aus nur etwa eineinhalb Meter Entfernung stammt, erhalten die Augen noch genügend Licht, um erkennbar zu bleiben. Die Aufhellung erfolgte durch zwei Styroporplatten, die unter dem Objektiv die Verlängerung der Hauptlichtquelle darstellten. Der Hintergrund ist ohne weitere Lichtquelle gestaltet. Der Reflektorschirm des Hauptlichtes ist mit seinem Hotspot nicht auf das Modell gerichtet, sondern weist fast senkrecht nach unten in Richtung Boden. Dadurch wird der Hintergrund nur noch im unteren Bereich vom Licht des Schirmes erfasst. Mehr dazu erfahren Sie im nächsten Kapitel.



Peter Schwöbel

In diesen beiden Porträts setzt sich Peter Schwöbel geschickt mit der Bildsprache der Aufnahmen von Hollywooddiven der 1930er-Jahre auseinander. Entsprechend der damals üblichen Technik verwendet er eine sehr kleine Lichtquelle, die als hochfrontales Licht eingesetzt ist. Es handelt sich um einen Normalreflektor mit Grid, der für das Hauptlicht eingesetzt wurde. Dem nichtfrontalen Blick des Modells entsprechend ist das Licht ein kleines bisschen zur kurzen Seite versetzt aufgebaut, wodurch das Ohr des Modells im Schatten liegt und keinen Störakzent mehr darstellt. Die kleine Hauptlichtquelle erzeugt scharfe, wie mit dem Messer geschnittene Schatten unter der Nase des Modells. Diese Schatten sind nicht aufgehellt. Dadurch wird eine sehr markante Strukturwiedergabe erreicht, die jede Falte der Kleider und die samtige Oberfläche der Handschuhe herausarbeitet. Das bei dieser Beleuchtung unweigerliche Glanzlicht auf der Stirn ist nicht zu erkennen, einem guten Make-up sei Dank. Beide Aufnahmen sind mit nur einer Lichtquelle aufgenommen. Der Hotspot ist hier wie dort in etwa auf den Brustbereich des Modells gelegt. Aus dem zusätzlichen Abstand der Knie zur Lichtquelle resultiert ein starker Hell-Dunkel-Verlauf auf dem Modell. Der Abstrahlwinkel der Lichtquelle ist so klein, dass der Lichtkegel auf dem Hintergrund einen starken Verlauf als gestalterisches Element wirksam werden lässt. Dass der Schatten des Modells vor dem weißen Hintergrund nicht komplett schwarz ist, liegt am Hintergrund selbst: Er reflektiert so viel Licht, dass er diesen Schatten wieder aufhellt.


Konstantin Nemerov

Die moderne Variante des hochfrontalen Lichtes wird in der Modefotografie immer noch mit sehr kleinen Lichtquellen realisiert, nur dass das Licht deutlich flacher und damit fast schattenfrei eingesetzt wird, wie die Aufnahme von Konstantin Nemerov zeigt. Hierdurch geht die Plastizität im Gesicht, aber auch die Strukturwiedergabe der Kleidung weitestgehend verloren. Dafür gestattet diese Technik dem Fotografen, weit brutaler und lebendiger mit Akzenten und Farben zu arbeiten. Besäße das Modell die Schattenwürfe der vorangegangenen Diven-Aufnahmen, würde es im Hintergrund völlig untergehen. Betrachten Sie die Lichtgestaltung also nie für sich alleine, sondern immer im Kontext der weiteren Bildgestaltung.



Tobias Müller

Tobias Müller setzt sich in diesen beiden Bildern, wieder ein Auszug aus einer größeren Serie, mit klinischen Ängsten von Menschen auseinander. Der Mann hat Angst vor Gewitter, die Frau vor Umweltzerstörung. Beides wird dargestellt durch tatsächliche Eingriffe im Bild, die im wahrsten Sinne des Wortes das Weltbild der Betroffenen zu zerstören drohen. Der Bedrohung des aufreißenden Himmels entsprechend ist der Mann in Seitenlicht dargestellt, das aus dem Himmel zu kommen scheint. Die Frau stellt sich der Zerstörung ihrer Umwelt entgegen und wird in dieser guten Absicht engelhaft mit hochfrontalem Licht dargestellt. Dieses wird durch Gegenlicht in seiner Wirkung gesteigert. Das Gegenlicht ist so stark, dass die Frau in die »Zange« genommen wird. Der Mann stand bei der Aufnahme auf der Straße und die Hauptlichtquelle war ein Studioblitz. Der Normalreflektor mit Grid erzeugte einen schmalen Lichtkegel, der sich auf dem Boden abzeichnet und einen Verfolgerspot nachahmt. Die Aufhellung erfolgte durch das diffuse Tageslicht des bewölkten Himmels. Die Lampe wurde anschließend aus dem Bild herausretuschiert, das fertige Bild dann ausgedruckt, eingerissen und erneut fotografiert.



Rolf Franke

Die beiden Bilder von Rolf Franke zeigen einen eher symbolischen Einsatz von Licht. Der Mann vor dem Fahrstuhl wird von einem niedrigen, leicht zur kurzen Seite versetzten hochfrontalen Licht erleuchtet, als ob es ihm einen Weg weisen wolle. Das Licht als ein Hinweis auf den richtigen Weg ist ein sehr altes Symbol, das bereits bei den Ägyptern auftritt und nicht zuletzt in der katholischen Kirche verankert ist. In der anderen Aufnahme symbolisiert das Licht eher die »Erleuchtung« durch eine Idee, ebenfalls ein in unserer Kultur tief verwurzelter Gedanke. Beide Bilder sind komplett ohne Aufhellung entstanden, wodurch die Schatten sehr schwarz und dramatisch zur Geltung kommen.



Tobias Müller

Ebenfalls mit der Bildsprache des Films setzt sich Tobias Müller in dieser verkürzt dargestellten Bildergeschichte auseinander. Er zitiert Lichteffekte, die auf Friedrich Wilhelm Murnau zurückgehen. Der Schatten der Hand im Lichtkegel tauchte bereits 1922 in »Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens« auf und hat sich tief im kollektiven Gedächtnis verankert. So ist die Lichtwirkung und damit die Lichtgestaltung unter anderem auch kulturell bedingt. Bei dem Porträt wird der spannungsreichen Lektüre entsprechend ein dramatisches, dynamisches Rembrandtlicht eingesetzt. Das Licht der Stehlampe würde aber nur ein Seitenlicht auf dem Modell erzeugen, ohne das Auge der Schattenseite beleuchten zu können. Der Standpunkt der Lampe und die Kopfhaltung verbieten das. So steht das tatsächliche Hauptlicht für das Modell knapp neben dem rechten Bildrand, der Schatten des Beines auf dem Sofa weist Ihnen die Richtung. Die Schatten sind ohne Plastizität durch die weißen Wände des Raumes aufgehellt.


Kathrin Kolbow

Das Doppelporträt von Kathrin Kolbow zeigt eher die seelischen Abgründe und verwendet dementsprechend das Seitenlicht. Es spiegelt den inneren Zustand des Modells wider. Lichtquelle war ein Wohnzimmerfenster, das bei geschickter Kopfhaltung und Ausrichtung auch für jede andere Lichtart und damit Stimmung genutzt werden kann. Die Aufhellung erfolgte wieder durch die weiß gestrichenen Zimmerwände.


Melanie Jörns

Dieses Porträt von Melanie Jörns halte ich für ungemein stark – und zwar obwohl oder gerade weil das Licht leicht erhöht, aber im Wesentlichen doch frontal aus Kamerarichtung auf die lange Seite des Modells fällt. Damit werden alle Grundregeln gebrochen, die ich Ihnen in diesem Buch zunächst ans Herz lege. Das Gesicht erscheint nahezu schattenfrei und damit unplastisch. Es erinnert eher an einen Scherenschnitt, und das macht einen Teil des Bildwitzes aus. Melanie Jörns vermeidet das bei dieser Ausleuchtung unvermeidliche Glanzlicht auf der Haut durch ein ausgetüfteltes Make-up. Mittels entsprechender Lidschatten und dezentem Rouge wird zudem die fehlende Plastizität im Augenbereich wiederhergestellt. Der durch die Ausleuchtung von der langen Seite unvermeidliche Störakzent des Ohres wird durch die Haube vermieden. Der Akzent liegt durch den Lippenstift auf dem Mund. So begegnet Melanie geschickt allen Problemen, die diese Ausleuchtung mit sich bringt, und nutzt die Vorteile der makellosen, schattenfreien Darstellung der porzellanartigen Haut.

Gestalten mit Licht und Schatten

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