Читать книгу Sisi, Sex und Semmelknödel - Omar Khir Alanam - Страница 7
Wahrheit!!!
Оглавление»Wenn die Armut ein Mann wäre,
hätte ich ihn getötet.« Ali bin Abi Talib
»Die Wahrheit ist ein Fluch.
Suchend nach ihr töten wir einander.«
»Wenn die Wahrheit ein Mann wäre,
hätte ich ihn getötet.«
Die Wahrheit ist weiblich!
»Was noch, Omar?«, fragt mein neugieriger Freund also.
»Essen.«
»Na, was denn sonst. Komm schon, Omar. Ich will einen echten Kracher hören. Einen Hammer.«
»Bürokratie und Bestechung.«
»Immerhin«, murrt mein Freund.
»Woher kommt das Wort?«, frage ich.
»Welches Wort? Immerhin?«
»Nein. Bürokratie. Kommt das von Büro?« Das würde passen, überlege ich. Wenn ich an die vielen Büros denke, die ich schon gesehen habe, ohne sie sehen zu wollen. Amtsstuben nennt man sie hier auch. Mit Stuben verbinde ich eher etwas Gemütliches. Bauernstube zum Beispiel. Oder so eine wie auf einer der Hütten beim Skifahren auf dem Nassfeld. Auch wenn Alena sagt, dass das bloß Folklore ist und nichts echtes Altes, nichts Traditionelles und Gewachsenes, und ich einmal mehr keine Ahnung habe, was sie damit meint.
»Bürokratie?« Mein Freund, der österreichische Journalist, weiß auch nicht so recht. Endlich einmal. Al-hamdu li-Llāh. Gott sei Dank. Nur die Vermutung spricht er aus, dass ich vielleicht gar nicht so weit daneben liege.
Einen Kracher will er also hören. Einen Hammer. Zum Thema Hammer fällt mir auch sofort etwas aus dem Arabischen ein. Aber ich hebe es mir auf. Für später.
Später werde ich übrigens auch auf Wikipedia nachlesen, was es mit der Bürokratie auf sich hat. Bürokratie, steht dort, ist die Herrschaft der Verwaltung. Irgendwann einmal, als Latein kurz davor war, sich von einer lebenden zur toten Sprache zu verabschieden, weil der Mensch ja immer schon dazu neigt, es zu übertreiben in seiner Gier nach immer weiter, immer schneller, immer höher, immer größer … irgendwann also, kurz vor dem Aussterben, hat der spätlateinische Wortstamm burra grober Wollstoff bedeutet.
Eines Tages (da waren die alten Römer nur noch eine kollektive Erinnerung) hat man es auf die Schreibtische bezogen, die mit diesem Stoff burra bezogen wurden. Und wieder später ist nur noch der Schreibtisch übriggeblieben. Das heißt, der Arbeitsplatz an sich. Der Ort, wo Dinge verwaltet werden. Hin und her geschoben und verwaltet und beschriftet und versteckt und wieder verwaltet, bis keiner sich mehr auskennt. Und dann hat irgendjemand in Frankreich die grandiose Idee gehabt, die griechische Nachsilbe -cratie dranzuhängen. Fertig war der künstliche französische Wortsalat.
Bureau-cratie.
Schreibstubenherrschaft. So hat man Bürokratie auch einmal in einem alten Lexikon beschrieben. Und irgendein Forscher wollte sogar durchsetzen, dass Bürokratie ganz neutral verstanden wird. Als Verwaltungskultur. Er ist kläglich gescheitert. Denn mit Kultur im positiven Sinn hat das ja kaum etwas zu tun. Oder sind wir Österreicher da anderer Meinung?
Wir Österreicher.
Ja, das passt wunderbar für mein Buch, sage ich mir. Genau dazu habe ich auch so viel zu berichten. Nach den ersten fünf Jahren hier in meiner neuen Heimat. Aber bleiben wir noch kurz beim Besprechen der Themen.
»Massage und Kabarett«, sage ich. »Dazu habe ich auch ein paar Geschichten.«
»Hhmmhh«, macht mein Freund.
»Genau. Und zum Beispiel auch von Sex. Und Haustieren.«
»Ah! Sex mit Haustieren!«, ruft mein Freund. Es ist, als hätte ich mit der Faust auf einen feuerroten Alarmknopf in seinem Gehirn geschlagen. Wie ein Reflex, der sich ja auch nicht so einfach abstellen lässt, ist seine Sensationslust plötzlich geweckt.
Alena hat dem Gespräch in der Küche unserer Wohnung in Graz bisher gar nicht oder nur am Rande zugehört. Bei Sex mit Haustieren ist jedoch Schluss mit Weghören. Sie kommt ziemlich eilig in den Raum, tritt an den Tisch. Dann sieht sie mich ein bisschen streng an. »Nein, Omar, darüber schreibst du nicht, oder?«
»Ja, schon«, sage ich. »Ich schreibe über Sex. Ich schreibe über Haustiere. Aber nicht in Kombination.«
Darüber weiß ich wirklich nichts. Auch nicht aus meiner alten Heimat. Oder wenigstens kaum etwas. Obwohl auch das eines der vielen Klischees ist, denen ich hier schon begegnet bin, wenn es um Araber geht. Stichwort: Witze mit Kamelen (Dromedaren) und so. Und anderes aus zweiter und dritter Hand. Aber worüber ich berichten kann, sind unglaubliche Dinge, die ich selbst hier erlebt habe. In Österreich. Oder in der näheren Umgebung, mit österreichischer Beteiligung. Auch in punkto Sex. Oder Haustiere. Wirklich unglaubliche Dinge. Für einen Araber jedenfalls.
Als mein neugieriger Freund einigermaßen zufrieden gegangen ist, besprechen Alena und ich das noch recht grobe Konzept des Buches zum wiederholten Male. Es gibt unterschiedliche Zugänge. Wir sind ja auch Mann und Frau. Österreicherin und Araber.
»Idha ma qata fiha qaddum yiqta fiha l munshar«, sage ich.
Alena kann schon ein wenig Arabisch. Aber jetzt sieht sie mich doch aus ziemlich großen Fladenbrotaugen an.
»Alle Wege führen nach Damaskus«, übersetze ich.
»Nach Rom«, sagt Alena.
»Nein, Alena«, sage ich. »Soweit ich informiert bin, liegt Rom nicht in Syrien. Noch nicht.« Dann lachen wir beide und wechseln besser das Thema. Ich verschweige ihr, wie die korrekte Übersetzung gelautet hätte. Nämlich:
Was der Hammer nicht zerbricht, die Säge schneidet es.
Da ist er wieder, der Hammer. Es gibt eben Dinge, die besser nicht restlos ausdiskutiert werden. Das ist wie mit dem gemeinsamen Kochen. Auch da gibt es Grenzen. Wenn eine Erkenntnis alle Kulturen dieser Welt über alle Grenzen hinweg verbindet wie kaum eine andere, dann ist es diese hier:
Wo Mann und Frau gemeinsam am Herd stehen, herrscht Krieg.
Da werden Küchenblock und Kochinsel zum Schlachtfeld und der Raum dazwischen zum Schützengraben. Und Schützengräben sind in der Regel nicht der bevorzugte Aufenthaltsort eines Syrers, oder überhaupt eines Menschen, der vor dem Krieg aus seiner Heimat hat fliehen müssen. Außerdem schneidet Alena die Zwiebel nicht so, wie ich sie gerne hätte. Nein, wie ich sie unbedingt brauche, um perfekt syrisch kochen zu können. Syrisch, manchmal mit einem Hauch steirischen Einschlags. Oder mit anderen Nachlässigkeiten, die ich mir erst hier angewöhnt habe. Damit fängt es nämlich schon an. Also lautet unser Clash-of-Cultures-Kompromiss in der Küche so:
»Omar kocht sehr gut«, sagt Alena, wenn man sie danach fragt.
»Alena kocht sehr gut«, sage ich, wenn man mich danach fragt.
»Alenas Oma kocht bestimmt sehr gut«, sage ich, wenn man mich danach fragt.
Weil Alena und Ruth so sehr und kompromisslos von Omas Essen schwärmen. Und weil ich weiß, dass Oma sich immer so große Mühe gibt, wenn ich zu Gast bin, und sie auf meine schweinelose kulinarische Welt Rücksicht nimmt, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Und das in der Großmacht Österreich. Nicht politisch (da hat es bestimmt bessere Zeiten gegeben, Stichwort Sisi und so), aber eine echte Großmacht im Verzehr von Schweinen.
Alenas Oma verzichtet auf alles Schweinische, wenn ich komme.
»Schweinisch sagt man nur bei Witzen«, sagt Alena. »Zum Beispiel bei Witzen, die von Sex mit Tieren handeln.«
Gut. Alenas Oma verzichtet auf Schwein. Dafür hat sie eine große, fast übermenschliche Mission zu erfüllen, was mich und die österreichische Küche betrifft. Vor allem in Sachen Semmelknödel. Ich möchte nicht allzu weit vorgreifen, aber dazu kann ich jetzt schon so viel sagen: Ziemlich beste Freunde werden wir nicht werden, der Semmelknödel und ich. Spinatknödel, ja. Aber Semmelknödel?
»Es heißt Semmelnknödeln«, sagt Ruth. »Und zwar dann, wenn mehr als eine Semmel verwendet wird und dabei mehr als ein Knödel herauskommt. Semmeln und Knödeln. Also Semmelnknödeln.
»Wer behauptet das?«, fragt Alena.
»Der Karl Valentin«, sagt Ruth.
Karl Valentin?
Dieses Rätsel kann ich nicht auch noch lösen. Niemals. Aber allein schon darum habe ich meine Not mit ihnen, den Semmel(n)knödel(n), ob man sie jetzt mit einem, zwei oder drei n schreibt: Weil ich niemals begreifen werde, warum Menschen sich die viele Arbeit antun, eine Masse aus steinhartem, gewürfeltem Weißbrot und Zwiebeln und Eiern und Petersilie und Mehl und Milch und sonst noch allerlei zu machen, um sie dann ziemlich achtlos einem toten Huhn hinten rein zu stopfen und das alles ins Rohr zu schieben. Und hinterher wird gejubelt, weil es gefülltes steirisches Brathendl gibt.
Was soll’s.
Jedenfalls sage ich, wenn man mich fragt, wie es Alena und mir beim Kochen geht: »Es gibt dieses arabische Sprichwort: Wenn zu viele kochen, wird das Gericht verderben.«
Und Alena sagt: »Es heißt: Zu viele Köche verderben den Brei. Und es ist ganz bestimmt nicht Arabisch.«
Und alle beide sagen wir auf die Frage, wie es uns beim Kochen geht: »Stell nicht so absurde Fragen, gemeinsam kochen wir nicht gut.«
Korrekt müsste der Satz lauten: »Stell nicht so absurde Fragen, gemeinsam kochen wir gar nicht.«
Willkommen, liebe Leserinnen und Leser, in meiner Nicht-Fisch-und-nicht-Fleisch-Welt. Willkommen in der Welt des waschechten Austro-Arab-Hybriden Omar Khir Alanam.