Читать книгу Acht Bücher gegen Celsus, Band 1 - Origenes - Страница 5
ОглавлениеVorrede
1.
Unser Heiland und Herr Jesus Christus „schwieg“, als man falsches Zeugnis wider ihn ablegte, und „antwortete nichts“, als man ihn anklagte.1 Denn er war überzeugt, dass sein ganzes Leben und die unter den Juden vollbrachten Taten gewaltiger für ihn sprächen als eine Rede, die das falsche Zeugnis widerlegt hätte, und als Worte der Verteidigung gegen die Anklagen. Ich weiß nun nicht, mein gottliebender Ambrosius, wie du wünschen konntest, dass wir uns gegen die von Celsus schriftlich gegen die Christen vorgebrachten falschen Zeugnisse und gegen die von ihm in seinem Buche gegen den Glauben der Gemeinden erhobenen Anklagen verteidigen sollten. Liegt nicht ein schlagender Beweis in den Sachen selbst, und ist nicht die Lehre, welche die falschen Zeugnisse vernichtet und den Anklagen selbst den Schein der Wahrheit und damit alle Bedeutung nimmt, kräftiger als alle Schriften? Dass aber „Jesus schwieg“, als man falsches Zeugnis wider ihn ablegte, dafür genügt hier die Anführung der Worte des Matthäus; denn was Markus aufgezeichnet hat, ist wesentlich dasselbe. Die Stelle bei Matthäus lautet so: „Der Hohepriester aber und der Rat suchten falsches Zeugnis gegen Jesus, damit sie ihn töten könnten; und sie fanden keines, obwohl viele falsche Zeugen auftraten. Zuletzt aber traten zwei auf und sprachen: Dieser hat gesagt: Ich kann den Tempel Gottes abbrechen und in drei Tagen wieder aufbauen. Da stand der Hohepriester auf und sprach zu ihm: Antwortest du nichts, da diese gegen dich zeugen? Jesus aber schwieg.”2 Dass Jesus aber angeklagt nicht antwortete, erweist die folgende Stelle: „Jesus aber wurde vor den Landpfleger gestellt, und der Landpfleger befragte ihn und sprach: Bist du der König der Juden? Jesus aber sprach zu ihm: Du sagst es. Und als er von den Hohenpriestern und Ältesten angeklagt wurde, antwortete er nichts. Da spricht Pilatus zu ihm: Hörst du nicht, wieviel sie gegen dich bezeugen? Und er antwortete ihm auf kein Wort, so dass der Landpfleger sich sehr verwunderte."3
2.
Denn auch bei Leuten von mittelmäßiger Fassungskraft mußte es Verwunderung erwecken, dass der Angeklagte und durch falsches Zeugnis Bedrohte, obwohl er imstande war, sich zu verteidigen und seine völlige Unschuld darzutun und auf sein ruhmvolles Leben und auf seine herrlichen durch Gott gewirkten Taten hinzuweisen, um so dem Richter die Möglichkeit zu geben, ein richtigeres Urteil über ihn zu fällen, dass er das nicht getan, sondern es verschmäht und die Ankläger in seiner Hoheit keiner Beachtung gewürdigt hat. Jesus wäre aber von dem Richter sofort freigegeben worden, wenn er sich verteidigt hätte. Das erhellt aus jenen Worten der Schrift, wo Pilatus sagt: „Wen von den beiden wollt ihr, dass ich euch freigebe, den Barbaras oder Jesus, der Christus genannt wird?“4, und aus jenen, welche die Schrift weiter hinzufügt: „Denn er wußte, dass sie ihn aus Neid überantwortet hatten.”5 Jesus wird nun immer von falschem Zeugnis bedroht und jederzeit angeklagt, solange die Bosheit unter den Menschen herrscht. Er selbst schweigt diesen Anschuldigungen gegenüber auch jetzt und redet zu seiner Verteidigung kein Wort. Es spricht aber für ihn der Wandel seiner wahren Jünger und redet laut für ihn und ist kräftiger als jedes falsche Zeugnis und widerlegt und vernichtet die falschen Zeugnisse und Anklagen.
3.
Ich wage daher zu behaupten, dass die Verteidigungsschrift, deren Abfassung du von uns begehrst, die in den Tatsachen selbst liegende Verteidigung etwas abschwäche und den Glanz der Macht Jesu verdunkle, die allen die nicht blind sind, in die Augen fallen muß. Trotzdem aber habe ich, um nicht den Schein zu erwecken, als zögerte ich, deinem Auftrage zu entsprechen, nach meinem Vermögen den Versuch gemacht, jeder der von Celsus aufgestellten Behauptungen, die keinen Gläubigen in seiner Überzeugung wankend machen können, eine nach meiner Meinung geeignete Widerlegung entgegenzusetzen. O möchte doch keiner sich finden lassen, der “die Liebe Gottes in Christus Jesus”6 nur in solchem Maße in sich aufgenommen hat, dass er durch die Worte des Celsus oder eines seiner Gesinnungsgenossen im Glauben wankend werden könnte! Paulus zählt zwar viele Dinge auf, die “von der Liebe Christi” und “von der Liebe Gottes in Christus Jesus” zu scheiden pflegen, Dinge, die alle durch die Liebe zu ihm überwunden wurden; aber das Wort hat er nicht mit unter die trennenden Dinge gestellt. Man beachte nämlich, dass er zuerst sagt: “Wer wird uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Bedrängnis oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? Wie geschrieben steht: Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag, sind wir geachtet wie Schlachtschafe7. Aber in allen diesen Dingen obsiegen wir durch den, der uns geliebt hat.”8 Sodann gibt er ein anderes Verzeichnis von den Dingen, die ihrer Natur nach geeignet sind, die in der Gottesverehrung noch Schwankenden (von Gott) zu trennen. Er sagt nämlich: “Denn ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Mächte noch Höhe noch Tiefe noch irgendein anderes Geschöpf imstande sein wird, uns zu scheiden von der Liebe Gottes, die da ist in Christus Jesus, unserem Herrn.”9
4.
Wir dürfen uns in Wahrheit rühmen, dass weder „Trübsal“ noch die weiter angeführten Dinge uns (von der Liebe Gottes) scheiden, nicht so aber Paulus und die Apostel, und wenn jemand ihnen ähnlich gewesen ist, weil Paulus über solche Dinge gänzlich erhaben war, wenn er sagt: „In allen diesen Dingen obsiegen wir durch den, der uns geliebt hat“10, was mehr bedeutet als einfach siegen. Wenn aber auch die Apostel sich rühmen sollen, dass sie sich nicht „scheiden lassen von der Liebe Gottes, die da ist in Christus Jesus, unserem Herrn“, so werden sie sich wohl rühmen, dass „weder Tod noch Leben, weder Engel noch Gewalten“ noch eines von den anderen aufgeführten Dingen sie „scheiden könne von der Liebe Gottes, die da ist in Christus Jesus, unserem Herrn“. Demnach freue ich mich nicht über einen Menschen, der nur 11 an Christus glaubt, dass sein Glaube von Celsus, der nicht einmal mehr unter den Lebenden weilt, sondern schon längst gestorben ist, oder von irgend einem scheinbar richtigen Gedanken in 12 Schrift wankend gemacht werden könnte. Und ich wüßte nicht, was ich von dem halten sollte, der gegenüber den Anschuldigungen des Celsus wider die Christen Gründe nötig hat, die in Büchern aufgezeichnet sind und die ihn nach dem Wanken im Glauben in diesem wieder befestigen können. Da sich jedoch in der Menge derer, die für Gläubige gehalten werden, wohl einige von der Art finden dürften, die durch die Schriften des Celsus wankend gemacht und verführt, aber durch eine Verteidigungsschrift von ihrem Wahn geheilt werden können, wenn diese das von Celsus Vorgebrachte zu wiederlegen und die Wahrheit vorzutragen versteht: so haben wir uns entschlossen, deinem Auftrage nachzukommen und auf die Schrift, die du uns gesandt hast, zu erwidern. Dass diese ein „Wahres Wort“ sei, wie Celsus sie betitelt hat, das dürfte wohl keiner von denen, die auch nur ein wenig wissenschaftlich gebildet sind, zugeben.
5.
Paulus wußte wohl, dass die griechische Philosophie Lehren enthält, die für die große Menge etwas Bestechendes haben, die Lüge als Wahrheit darstellen und darum nicht unbeachtet gelassen werden dürfen. Er gibt uns deshalb hierüber die Belehrung: „Sehet zu, dass euch nicht jemand beraube durch die Philosophie und leeren Trug nach der Überlieferung der Menschen nach den Elementen der Welt und nicht nach Christus“13. Und da er sah, dass sich in den Lehren der Weltweisheit eine gewisse Größe zeigt, sagte er, die Reden der Philosophen seien „nach den Elementen der Welt“ abgefaßt. Von der Schrift des Celsus aber wird wohl kein vernünftiger Mensch behaupten, dass auch sie „nach den Elementen der Welt“14 ausgearbeitet sei. Die Lehren der Weltweisen bezeichnete der Apostel, da sie etwas Trügerisches an sich haben, auch als „leeren Trug“, vielleicht zum Unterschiede von einem Truge, der nicht „leer“ ist, und den Jeremia im Auge hatte, als er Gott mit den Worten anzureden wagte: „Herr, du hast mich betrogen, und ich ließ mich betrügen; du bist stärker gewesen (als ich) und hast es vermocht.“15 Die Schriften des Celsus aber enthalten, wie mir scheint, durchaus keinen „Trug“, folglich auch keinen „leeren“, wie er sich in den Schriften jener Männer findet, die philosophische Systeme geschaffen und nicht gewöhnlichen Verstand16 darauf verwendet haben. Wie man nun nicht jeden beliebigen falschen Satz in der Geometrie einen Trugsatz nennen, oder auch, um Übungen damit anzustellen, unter diesem Namen aufzeichnen würde, so müßte den Lehrmeinungen der Stifter von Philosphenschulen das ähnlich sein, was ebenso wie jene „leerer Trug nach17 Überlieferung der Menschen, nach den Elementen der Welt“ genannt werden sollte.
6.
Ich war in meiner Verteidigung bereits bis zu jenem Punkte gekommen, wo Celsus einen Juden auftreten und mit Jesus reden läßt, als ich mich entschloß, meinem Werke diese Vorrede vorauszuschicken. Der künftige Leser unserer Erwiderung auf die Schrift des Celsus soll nämlich sofort auf sie stoßen und daraus ersehen, dass das vorliegende Buch nicht für vollkommen Gläubige geschrieben ist, sondern für solche, die mit dem Glauben an Christus entweder ganz unbekannt oder, wie der Apostel sich ausdrückt. „im Glauben noch schwach sind“. Er sagt nämlich: „Den Schwachen im Glauben nehmet auf!“18 Diese Vorrede soll mich auch entschuldigen, dass ich den Anfang meiner Widerlegung des Celsus nach einem anderen Vorsatz abgefaßt habe als das, was auf den Anfang folgt. Ich wollte nämlich anfangs nur die Hauptpunkte und mit kurzen Strichen die Widerlegung derselben anmerken und hierauf das Buch zu einem Ganzen gestalten. Später aber legte mir der Gegenstand selbst nahe, mit der Zeit zu sparen und mich daher mit der Entgegnung zu begnügen, wie ich sie im Anfange gegeben habe, im folgenden aber dann möglichst genau auf die Beschuldigungen des Celsus gegen uns zu ihrer Widerlegung einzugehen. Deshalb bitte ich um Nachsicht wegen des ersten Teils meines Buches, der auf die Vorrede folgt. Wenn aber auch das Spätere keinen wirksamen Eindruck auf dich macht, so bitte ich auch hierfür um die gleiche Nachsicht und verweise dich, wenn du doch noch die Entkräftung der von Celsus erhobenen Einwürfe verlangst, an Männer, die mehr verstehen als ich und19 durch Wort und Schrift die Anschuldigungen des Celsus gegen uns abzuweisen imstande sind. Besser ist es übrigens mit dem bestellt, der, selbst wenn er das Buch des Celsus gelesen hat, überhaupt keiner Verteidigungsschrift wider dasselbe bedarf, vielmehr den ganzen Inhalt seines Buches gering schätzt, den ja auch jeder einfache gläubige Christ wegen des in ihm wohnenden Geistes mit vollem Rechte für nichts achtet.