Читать книгу Acht Bücher gegen Celsus, Band 1 - Origenes - Страница 6

Erstes Buch

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1.

Der erste Hauptpunkt des Celsus bei seiner Absicht, das Christentum zu verleumden, lautet:** “Die Christen schlössen im Gegensatz zu den gesetzlichen Ordnungen untereinander heimliche Verbindungen. Von den Verbindungen seien die einen offenkundig, so viele nach den Gesetzen erlaubt seien, die anderen aber verborgen, so wie im Gegensatz zu den gesetzlichen Ordnungen zustande kämen.”** Celsus will das sogenannte gemeinsame “Liebesmahl” der Christen verleumden, das nach ihm “seinen Bestand von der gemeinsamen Gefahr her hat und mehr vermag als Eidschwüre”. Er führt also “das gemeinsame Gesetz” im Munde, gegen das“, wie er sagt,”die Verbindungen der Christen verstoßen sollen“. Wir antworten ihm darauf: Wenn jemand unter die Skythen, die abscheuliche Gesetze haben, geraten wäre und keine Möglichkeit fände zu entkommen, sondern genötigt wäre, unter ihnen zu leben, so dürfte er wohl mit gutem Grunde wegen des Gesetzes der Wahrheit20, das bei den Skythen Gesetzwidrigkeit ist, auch gegen die bei jenen bestehenden Gesetze mit Gleichgesinnten Verbindungen schließen. Ebenso sind vor dem Richterstuhle der Wahrheit die Gesetze der Heiden über die Götterbilder und die gottlose Vielgötterei Gesetze der Skythen, und wenn es noch etwas Gottloseres als die Skythen gibt. Es ist also nicht unvernünftig,”Verbindungen im Gegensatz zu den gesetzlichen Ordnungen zu schließen“, wenn sie der Wahrheit dienen. Würden nicht diejenigen sittlich gut handeln, die”heimliche Verbindungen schließen würden“, um einen Tyrannen, der die Herrschaft im Staate widerrechtlich an sich gerissen hat, zu beseitigen? Ebenso”schließen" nun auch die Christen, da der Teufel, wie er bei ihnen heißt, und die Lüge die Herrschaft hat, “Verbindungen”, die vom Teufel verboten sind, gegen den Teufel und zum Heil und Schutz anderer, die sie vielleicht zum Abfall von den gleichsam skythischen und tyrannischen Gesetzen bewegen können.

2.

Hierauf sagt Celsus: “Die Lehre der Christen sei von ihrem Ursprung her barbarisch”21, er meint natürlich das Judentum, mit dem das Christentum zusammenhängt. Und recht edeldenkend macht er unserem Glauben den “barbarischen Ursprung” nicht zum Vorwurf; er lobt vielmehr “die Barbaren wegen ihrer Geschicklichkeit, neue Lehren zu erfinden”,fügt aber dem bei, “die Griechen verstünden es besser, die von den Barbaren gefundenen Lehren zu beurteilen, zu begründen und für die Übung der Tugend zu befolgen”. Diesen Satz des Celsus können wir nun zur Verteidigung der christlichen Wahrheiten verwenden. Wenn nämlich jemand von griechischen Lehren und Übungen her zu der christlichen Lehre käme, so würde er nach Celsus diese22 nicht nur als wahr “beurteilen”, sondern auch “befolgen” und dadurch als wahr erweisen und, was nach dem Maßstab griechischer Beweisführung mangelhaft erschiene, ergänzen und damit zugleich die Wahrheit des Christentums dartun. Ferner ist hier noch zu sagen, dass es für unseren Glauben einen besonderen Beweis gibt, der ihm allein zukommt und viel höher steht als der mit Hilfe der Dialektik geführte griechische. Diesen höheren Beweis nennt der Apostel “den Beweis von Geist und Kraft”23 : den Beweis “von Geist” wegen der Weissagungen, die geeignet sind, in dem Leser besonders an Stellen, die von Christus handeln, den Glauben zu erzeugen; den Beweis “von Kraft” wegen der außerordentlichen Wunder, deren Tatsächlichkeit sich sowohl durch vieles andere als auch besonders durch den Umstand erweisen läßt, dass sich Spuren davon noch bei denen erhalten haben, die ihr Leben nach dem Willen des Wortes einrichten.

3.

Hierauf bemerkt Celsus, „die Christen täten und lehrten im geheimen, was ihnen gefiele, und täten das nicht ohne Grund, da sie so die ihnen drohende Todesstrafe abwehren wollten“, und vergleicht „diese Gefahr mit den Gefahren, in die Philosophen wie Sokrates geraten sind“; Er hätte hier auch den Pythagoras und andere Philosophen nennen können. Darauf ist zu sagen: Die Athener haben die Verurteilung des Sokrates bald darnach bereut und keinen Groll im Herzen gegen ihn bewahrt, auch nicht gegen Pythagoras; wenigstens hatten die Anhänger des Pythagoras noch lange Jahre hindurch Schulen in dem Teil von Italien, welcher Großgriechenland hieß. Was aber die Christen betrifft, so bekämpften der römische Senat, die jedesmaligen Kaiser, die Truppen, die Gemeinden, ja die Verwandten der Gläubigen selbst die christliche Lehre, und sie hätte infolge der Nachstellung so gewaltiger Mächte zuletzt unterliegen müssen, wenn sie nicht durch göttliche Kraft alle Verfolgungen überlebt und überdauert und so die ganze ihr feindliche Welt überwunden hätte.

4.

Wir wollen sehen, wie Celsus auch “die christliche Sittenlehre” verleumden zu können glaubt. Er sagt: “sie sei dieselbe wie die der anderen Philosophen und keine ehrwürdige noch neue Wissenschaft.” Wir antworten darauf: Bei Annahme eines gerechten göttlichen Gerichtes würde die Bestrafung der Sünden ausgeschlossen sein, wenn nicht in der gemeinsamen Anschauung aller der richtige Begriff “des Sittengesetzes” vorhanden wäre. Deshalb ist es gar nicht wunderbar, wenn derselbe Gott, das, was er durch die Propheten und den Heiland verkündigen ließ, auch den Seelen aller Menschen eingepflanzt hat, auf dass dem göttlichen Gerichte gegenüber kein Mensch “eine Entschuldigung” habe, da einem jeden der Sinn und Inhalt des Gesetzes ins Herz geschrieben ist“24 . Das deutet auch die von den Heiden für ein Märchen gehaltene Erzählung der Schrift rätselhaft an, wenn sie Gott mit eigenem”Finger" die Gebote aufschreiben und dem Moses übergeben läßt, die dann durch die Schlechtigkeit der Verfertiger des (goldenen) Kalbes “zertrümmert”, es hätte auch heißen können: durch die Flut der Sünden weggeschwemmt wurden25. Zum zweitenmal aber schrieb Gott Gesetze und gab sie wiederum dem Moses, nachdem dieser Steintafeln zugehauen hatte26, da gleichsam das prophetische Wort die Seele nach der ersten Sünde für eine zweite Schrift Gottes wieder aufnahmefähig macht.

5.

Die Ansicht von der Verwerflichkeit des Götzendienstes führt Celsus als den Christen eigentümlich an und macht sich dies zurecht, indem er sagt: “Deshalb hielten sie nichts von den mit Händen gemachten Göttern, weil es nicht vernünftig sei anzunehmen, dass die von ganz schlechten und sittenlosen Künstlern, oft auch von ungerechten Menschen verfertigten Arbeiten Götter seien” Im folgenden will er dartun, dass dies die allgemeine Anschauung, und nicht zuerst von der christlichen Lehre27 gefunden sei, und führt deshalb einen Ausspruch des Heraklit28 an, welcher sagt:“Ähnlich, wie wenn jemand mit den Häusern ein Gespräch führten wollte, handelten die Leute, die zu den leblosen (Bildern) wie zu Göttern heranträten.” Also auch hierüber ist zu sagen, dass in gleicher Weise wie bei den andern Artikeln der Sittenlehre den Menschen Vorstellungen eingepflanzt worden sind, welche den Heraklit und vielleicht noch andere Griechen oder Barbaren zu solchen Feststellungen geführt haben. Celsus gibt nämlich an, dass " auch die Perser ebenso dächten“, und beruft sich dabei auf das Zeugnis ”des Herodot, der dies berichte"29. Dem können wir noch beifügen, dass sich auch Zeno aus Kition in seinem Buch über den Staat so äußert: “Tempel zu bauen wird gar nicht nötig sein. Denn einen Tempel muß man für nichts achten, auch nicht für wertvoll und heilig, da er das Werk von Bauleuten und Handwerkern ist.”30 Also ist klar: Auch hinsichtlich dieser Lehre steht “in den Herzen” der Menschen mit der Schrift Gottes “geschrieben”31 , was zu tun ist.32

6. 33

Hierauf macht Celsus, ich weiß nicht, wodurch veranlaßt, die Bemerkung, „die Christen verdankten die Kraft, die sie zu haben schienen, der Anrufung und Beschwörung gewisser Dämonen“; er weist damit wohl verblümt auf diejenigen hin, welche (bei uns) die bösen Geister beschwören und austreiben. Es ist dies offenbar eine Verleumdung unseres Glaubens. Denn die Christen „verdanken die Kraft, die sie zu haben scheinen, nicht Beschwörungen“, sondern der Anrufung des Namens Jesu zugleich mit der Verkündigung der Geschichten von ihm. Diese Mittel haben oftmals die Trennung der bösen Geister von den von ihnen Besessenen bewirkt, besonders wenn die, welche sie anwenden, einen verständigen Sinn und einen echten Glauben haben. Der Namen Jesu übt indessen solche Gewalt über die bösen Geister aus, dass er bisweilen diese Wirkung hervorbringt, auch wenn er von schlechten Menschen ausgesprochen wird. Das wollte Jesus lehren, als er sprach: „Viele werden an jenem Tage zu mir sagen: Wir haben in deinem Namen Dämonen ausgetrieben und Wunder getan.“34 Ob Celsus dies absichtlich und böswilligerweise mit Stillschweigen übergangen, oder ob er es wirklich nicht gekannt hat, weiß ich nicht. Im folgenden klagt er auch den Heiland an und sagt: „Jesus habe seine scheinbaren Wundertaten durch Zauberei zu vollbringen vermocht; und weil er vorausgesehen, dass auch andere dieselben Kenntnisse sich aneignen und dann gleiche Dinge vollbringen und dabei sich rühmen könnten, sie vollbrächten sie durch die Kraft Gottes, darum schließe er solche Menschen aus seinem Staate aus“ Celsus erhebt nun die Anklage gegen ihn: „Wenn er sie mit Recht ausschließt, obwohl er ebenfalls derselben Handlungen schuldig ist, so ist er schlecht; wenn er selbst aber, indem er dies tut, nicht schlecht ist, dann sind es auch die nicht, die ebenso handeln wie er.“ Könnten wir aber auch selbst nicht dartun, durch welche Kraft Jesus seine Wunder vollbracht habe, so ist doch so viel klar, dass die Christen keine Zauberformeln gebrauchen, sondern nur den Namen Jesu verbunden35 mit andern Worten des Glaubens aus der Heiligen Schrift, aussprechen.

7.

Wenn Celsus dann unseren Glauben wiederholt eine „Geheimlehre“ nennt, so müssen wir auch diesen Vorwurf zurückweisen; kennt doch fast die ganze Welt die Predigt der Christen besser als die Ansichten der Philosophen. Denn wer hat noch nicht gehört von der Geburt Jesu aus einer Jungfrau, von seiner Kreuzigung und Auferstehung, woran so viele glauben, und von dem angedrohten Gericht, in welchem den Sündern die gebührende Strafe, den Gerechten aber der verdiente Lohn zuteil wird? Bildet nicht auch das Geheimnis der Auferstehung, weil nicht verstanden, bei den Ungläubigen fortwährend den Gegenstand ihres Gespräches und ihres Spottes? Bei solcher Sachlage ist die Behauptung, unser Glaube sei eine „Geheimlehre“ ganz abgeschmackt. Wenn es aber gewisse Lehren gibt, die gleichsam auf die exoterischen (= die allen verkündigten) folgen und nicht zu der großen Menge dringen, so ist dies nicht nur eine Eigentümlichkeit der Lehre der Christen, sondern findet sich auch bei den Philosophen; diese haben nämlich teils exoterische Lehren (welche alle), teils esoterische Lehren (welche nur die Eingeweihten wissen dürfen36). So mußte das Wort „Er selbst hat es gesagt“ einigen Schülern des Pythagoras genügen; andere dagegen wurden im geheimen über jene Dinge belehrt, die nicht zu unheiligen und noch unreinen Ohren dringen durften. Alle die Geheimdienste überall in Griechenland und bei den Barbaren bleiben, obwohl sie doch im geheimen betrieben werden, von dem Angriff des Celsus verschont; deshalb hat Celsus keinen Grund, „das Geheime“ des Christentums, das er nicht einmal genau kennt, zu verdächtigen.

8.

Es scheint fast, als ob sich Celsus mit Nachdruck derjenigen annehmen wolle, die ihren Glauben an das Christentum selbst mit dem Tode bezeugen. Er sagt nämlich: “Ich will nicht behaupten, dass der Anhänger einer trefflichen Lehre, wenn er ihretwegen bei den Menschen Gefahr laufen würde, von ihr abfallen oder vorgeben dürfe, er sei von ihr abgefallen, oder sie verleugnen dürfe.” Mit diesen Worten verurteilt Celsus das Benehmen solcher Leute, die zwar innerlich dem Christentume zugetan sind, äußerlich aber so tun, als wären sie es nicht, oder geradezu leugnen; er sagt ja, der Anhänger einer Lehre “dürfe nicht vorgeben, er sei von ihr abgefallen, oder sie gar verleugnen”. Wir müssen nun hier dem Celsus einen Widerspruch mit sich selbst nachweisen. Denn aus seinen anderen Schriften37 ergibt sich, dass er Epikureer ist; hier aber glaubt er die christliche Lehre mit wahrscheinlicheren Gründen anklagen zu können, wenn er seinen Epikureismus nicht eingesteht, und tut deshalb so, als nähme er an, dass “in dem Menschen etwas Höheres als das Irdische” , ein mit der Gottheit Verwandtes vorhanden sei. Er sagt nämlich; “Bei welchen es damit gut steht”, d.h. mit der Seele, “die streben38 durchaus nach dem Verwandten”, er meint aber nach Gott, **“und begehren immer etwas von jenem zu hören und sich daran zu erinnern.** Man beachte nun die Falschheit seiner Seele. Er hatte vorher gesagt:”Der Anhänger einer trefflichen Lehre dürfe, auch wenn er ihretwegen bei den Menschen Gefahr laufen würde, von ihr nicht abfallen oder vorgeben, er sei von ihr abgefallen, oder auch sie verleugnen", und tut nun selbst das gerade Gegenteil davon. Er wußte nämlich, dass er mit seiner Beschuldigung von Leuten, die irgendeine Art Vorsehung und göttliche Weltregierung annehmen, keinen Glauben finden würde, wenn er sich offen als Epikureer erklärte39. Nun berichtet uns die Geschichte von zwei Epikureern mit dem Namen Celsus, von denen der ältere unter Nero, dieser aber unter Hadrian und noch später lebte.

9.

Hierauf mahnt uns Celsus, „wir sollten der Vernunft und einem vernünftigen Führer bei der Annahme von Lehren folgen; denn wer ohne diese Vorsicht manchem zustimme, fiele durchaus dem Betrug anheim“. Er zieht zum Vergleiche „Leute heran, die Bettelpriestern und Zeichendeutern unvernünftig Glauben schenken, und (angeblichen) Dienern des Mithras und Sabazios und (Wunderdingen) von irgendwelcher Art, auf die einer gestoßen ist, Erscheinungen der Hekate oder einer anderen Göttin oder anderer Götter.“ Denn wie bei jenen Dingen oft schlechte Menschen die Unkenntnis der Leichtgläubigen benutzen und sie dahin führen, wohin sie wollen, so„ sagte Celsus, “ gehe es auch bei den Christen zu„. Er behauptet: “einige von ihnen hätten gar nicht die Absicht, von dem, was sie glaubten, Rechenschaft zu geben oder zu nehmen, sie folgten dem Grundsatz: ‘Prüfe nicht, sondern glaube!’ und ‘dein Glaube wird dich retten’40 Er legt ihnen auch die Worte in den Mund: [*„Ein Übel ist die Weisheit in der Welt, ein Gut aber die Torheit.“41 Wir antworten darauf: Wenn es möglich wäre, dass alle Menschen sich von den Geschäften des Lebens freimachen und ihre ganze Zeit auf das Studium der Philosophie verwendeten, so dürften sie keinen anderen Weg einschlagen als diesen allein. Denn im Christentum wird sich, damit ich mich nicht zu derb ausdrücke, keine geringere Prüfung der Glaubenslehren, keine geringere Auslegung der dunklen Stellen in den Propheten und der Gleichnisse in den Evangelien und von tausend anderen symbolischen Tatsachen oder gesetzlichen Anordnungen finden lassen als anderswo. Wenn aber dies nicht möglich ist, wenn wegen der Sorgen und Mühen, die das Leben mit sich bringt, und wegen mangelnder geistiger Begabung sich nur wenige der Wissenschaft widmen, welcher andere Weg, um der großen Menge zu helfen, dürfte wohl gefunden werden, der besser wäre, als der Weg, den Jesus den Völkern überliefert hat?

Wir fragen hinsichtlich der Menge der Gläubigen, die sich von der großen Flut des Lasters, in der sie früher sich wälzten, frei gemacht haben, ob es für sie besser ist, dass sie, ohne die Vernunft zu befragen, geglaubt und ihr sittliches Leben in Ordnung gebracht, und wegen ihres Glaubens, dass die Sünden bestraft, die guten Werke aber belohnt werden, geistlichen Nutzen erfahren haben, oder dass ihre mit einfachem Glauben verbundene sittliche Besserung nicht eher anerkannt wird, als bis sie die Glaubenslehren gründlich geprüft hätten? Offenbar nämlich würde diese Prüfung der Gesamtheit mit ganz wenigen Ausnahmen nicht einmal das gewähren, was der einfache Glaube verleiht; die Mehrzahl würde ihr lasterhaftes Leben fortsetzen. Wenn es nun irgendeinen anderen Beweis dafür gibt, dass „die Menschenliebe“ des Wortes42 nach Gottes Absicht in das Leben der Menschen eingetreten ist, so muß man auch diesen Beweis mit dazu rechnen. Denn der Fromme wird nicht einmal glauben, dass ein Arzt, der vielen Kranken zur Gesundheit des Leibes verholfen hat, ohne göttliche Schickung in die Städte und zu den Leute gekommen ist; unter den Menschen geschieht ja nichts Gutes ohne Gottes Willen. Wenn aber der, welcher vielen Kranken körperliche Gesundheit oder Besserung verschafft, dies nur nach Gottes Willen tut, um wieviel mehr wird dies bei dem der Fall sein, der sie Seelen vieler geheilt und bekehrt und gebessert und von dem über allen waltenden Gott abhängig gemacht und angeleitet hat, jede Handlung nach Gottes Wohlgefallen einzurichten und alles bis zu dem geringsten Wort oder der geringsten Handlung oder dem geringsten Gedanken zu meiden, was ihm mitßfällt!

10.

Weil nun unsere Gegner so viel über „den Glauben“ reden, so gestehen wir zu, dass wir denen, die nicht alle ihre Geschäfte aufgeben und sich mit der Untersuchung der Lehre befassen können, den Glauben auch ohne Heranziehung der Vernunft lehren, da wir aus Erfahrung wissen, wie förderlich er für die große Menge ist. Unsere Gegner geben das zwar nicht zu, in der Tat aber machen sie es auch so. Wer sich nämlich der Philosophie zuwendet und einer bestimmten philosophischen Schule anschließt, entweder aufs Geratewohl oder weil er einen geeigneten Lehrer dieser Schule gefunden hat, läßt der sich in seinem Verhalten durch etwas anderes bestimmen als durch „den Glauben“, dass jene Schule die bessere sei? Er wartet nicht, bis er zuvor die Lehren aller Philosophen und der verschiedenen Schulen und die Widerlegung der einen und die Begründung der anderen gehört hat, um erst dann seine Wahl zu treffen und sich zu entscheiden, ob er Stoiker oder Platoniker oder Peripatetiker oder Epikureer sein oder irgendeiner andern philosophischen Schule beitreten will; sondern einer gewissen vernunftlosen Neigung folgend, wenn er das auch nicht gestehen mag, widmet er sich z.B. der stoischen Lehre und läßt die übrigen beiseite, oder der platonischen, indem er die andern als unbedeutender verschmäht43, oder der peripatetischen, weil sie den menschlichen Bedürfnissen am besten entspräche und mehr als die übrigen Schulen die Güter des menschlichen Lebens einsichtsvoll gelten lasse. Ja, manche werden, wenn sie das Los der Guten und Schlechten auf Erden betrachten, im ersten Augenblick in ihrem Glauben an eine Vorsehung irre und schließen sich zu voreilig der Ansicht an, dass es gar keine Vorsehung gebe, und entscheiden sich dann für die Lehre des Epikur und des Celsus.

11.

Wenn man also, wie meine Darlegung gezeigt hat, irgend einem Stifter einer philosophischen Schule bei den Griechen oder Barbaren „Glauben“ schenken darf, warum sollte man dann nicht weit mehr dem über allen waltenden Gotte glauben und dem, welcher lehrt, dass man diesen allein verehren müsse44, dagegen alle anderen Wesen und Dinge gering zu achten habe, da sie entweder nichts sind oder, wenn sie wirklich etwas sind, dann höchstens eine ehrende Würdigung, aber keine Anbetung und Verehrung beanspruchen können? Wer aber nicht nur glauben, sondern die Dinge auch wissenschaftlich betrachten will, der wird hiervon die Beweise angeben, die ihm von selbst beifallen und durch eindringende Forschung entdeckt werden. Läßt sich aber der Glaube bei allen menschlichen Dingen nun einmal nicht umgehen, dann ist es doch wohl vernünftiger, Gott mehr zu glauben als jenen Philosophen! Denn wer begibt sich aufs Meer oder tritt in die Ehe oder zeugt Kinder oder streut den Samen auf die Erde aus, der nicht glaubt, dass es ihm zum Guten ausschlagen werde, obgleich auch das Gegenteil45 davon möglich ist und zuweilen auch eintritt? Aber trotzdem wagen sich alle Menschen im Glauben, dass es gut und nach Wunsch gehen werde, selbst an Dinge, die ungewiß sind und ebensowohl gut als schlimm ausfallen können. Wenn aber im Leben bei jeder Handlung, deren Ausgang zweifelhaft ist, die Hoffnung und der Glaube, der sich von der Zukunft das Beste verspricht, den Menschen trägt und hält, dann sind doch mehr als diejenigen, welche das Meer befahren, das Land bestellen, ein Weib nehmen oder sonst ein menschliches Geschäft besorgen, zu diesem Glauben die andern berechtigt, die Gott vertrauen, der dies alles erschaffen hat, und dem, der mit unendlichem Hochsinn und göttlicher Seelengröße diese Lehre allen Menschen auf dem bewohnten Erdkreis kund zu tun gewagt hat unter großen Gefahren und Erduldung eines für ehrlos geltenden Todes, der dies alles für die Menschen gelitten, der auch seine ersten Jünger und Schüler gelehrt hat, sie sollten sich von den großen Gefahren und der stets drohenden Todesstrafe nicht abschrecken lassen, für das Heil der Menschen mutig in alle Welt hinauszugehen.

12.

Celsus sagt dann wörtlich: „Wenn sie nun (d.h. die Christen), auf meine Fragen antworten wollen, die ich nicht stelle, um sie auszukundschaften - denn ich weiß alles -, sondern weil ich für alle gleichmäßig besorgt bin, so mag es gut sein. Wenn sie dies aber nicht wollen, sondern mit ihrem gewohnten Schlagwort kommen: Prüfe nicht, usw., so müssen sie mir doch angeben, was das für Dinge sind, die sie lehren, und aus was für einer Quelle diese geflossen sind“, usw.46, Wir erwidern darauf: Das Wort; „Denn ich weiß alles“ . ist eine höchst gewagte und großsprecherische Behauptung von Celsus. Hätte er vor allem die Bücher der Propheten gelesen, die anerkanntermaßen eine Menge von Rätseln und Worten enthalten, die der großen Menge dunkel bleiben, hätte er sich mit den evangelischen Gleichnissen und dem übrigen Teile der Schrift, dem Gesetz und der jüdischen Geschichte sowie den Worten der Apostel beschäftigt, hätte er dies alles mit Einsicht und Verstand gelesen und in den Sinn der Ausdrücke einzudringen sich bemüht: dann würde er nicht so dreist sein zu sagen: „Denn ich weiß alles.“ Selbst wir, die wir uns mit diesen Dingen gründlich befaßt haben, möchten nicht sagen: „Denn ich weiß alles“. Wir lieben die Wahrheit. Keiner von uns wird sagen: „Denn ich weiß alles“ von den Lehren des Epikur, keiner wird so kühn sein zu behaupten, „er wisse alles“, was Plato aufgestellt und vorgetragen habe, da selbst die Erklärer dieser Philosophen gar sehr voneinander abweichen. Wer ist so verwegen zu sagen: „Denn ich weiß“ alle die Lehren der Stoiker oder alle der Peripatetiker? Vielleicht hat Celsus den Satz: Denn ich weiß alles von einigen stumpfsinnigen Laien gehört, die von ihrer eigenen Unwissenheit gar nichts merken, und ist dann zu der Meinung gekommen, er habe durch Lehrer von solcher Art „alles“ erfahren. Er scheint mir da ähnlich gehandelt zu haben wie ein Mann, der nach Ägypten reiste - wo die mit den Überlieferungen der Vorfahren vertrauten ägyptischen Weisen eingehende Untersuchungen über die bei ihnen für göttlich geltenden Dinge anstellen, während das gewöhnliche Volk nur von einigen Sagen hört, deren Bedeutung es nicht versteht, auf die es aber doch stolz ist -, und der nun meinte, er habe „alle“ Lehren der Ägypter kennen gelernt, nachdem er hierüber nur ungelehrte Leute befragt hatte, ohne mit einem der Priester zusammengekommen zu sein oder von einem derselben Belehrung über die ägyptischen Geheimnisse empfangen zu haben. Was ich aber von den gelehrten und ungelehrten Ägyptiern sagte, das kann auch von den Persern gelten. Auch diese haben Geheimnisse, die von den Gebildeten unter ihnen mit Verständnis begangen, von der großen Menge und den oberflächlich Gebildeten aber nur (äußerlich und) sinnbildlich vollzogen werden. Dasselbe ist auch von den Syrern und Indern, sowie von allen Völkern zu bemerken, welche Sagen und außerdem eine (geheime) Wissenschaft besitzen.

13.

Celsus behauptet: viele Christen stellten den Satz auf: “Ein Übel ist die Weisheit im Leben, ein Gut aber die Torheit”47 Wir sagen darauf: Celsus klagt unsere Lehre fälschlich an, denn er hat nicht die wirklich bei Paulus stehende Stelle angeführt, die so lautet: “Wenn jemand unter euch sich weise zu sein dünkt, der werde erst in dieser Welt ein Tor, um weise zu werden. Denn die Weisheit dieser Welt ist Torheit bei Gott.”48 Der Apostel sagt also nicht einfach: “Die Weisheit ist Torheit bei Gott”, sondern er sagt: “Die Weisheit dieser Welt (ist Torheit bei Gott); und ferner sagt er nicht:”Wenn jemand unter euch sich weise zu sein dünkt, der werde einfach ein Tor“, sondern:” der werde erst in dieser Welt ein Tor, um weise zu werden." Als “Weisheit dieser Welt” nun bezeichnen wir jede Philosophie, welche falsche Lehren enthält und deshalb von der Schrift als eitel und nichtig erklärt wird49, und “ein Gut” nennen wir S.21 “die Torheit” nicht schlechthin, sondern nur die allein, deren Jünger von dieser Welt als ein Tor betrachtet wird. Wie wenn wir auch von einem Platoniker, der an die Unsterblichkeit der Seele und die Lehren von ihrer Einkörperung glaubt, sagen würden, seine Ansicht sei Torheit, Torheit in den Augen der Stoiker, Peripatetiker und Epikureer: der Stoiker, welche die Billigung dieser Lehren verspotten, der Peripatetiker, die von “dem Geträller”50 Platos reden, und der Epikureer, welche den Leuten Aberglauben vorwerfen, die eine Vorsehung annehmen und einen Gott an die Spitze des Weltalls stellen.

Ferner ist es aber auch nach dem Sinne der christlichen Lehre weit besser, wenn man den Lehrsätzen mit Vernunft und Weisheit zustimmt, als wenn man sie nur mit einfachem Glauben festhält. Dass das Wort dies nur unter Umständen gewollt habe, um die Menschen nicht ganz ohne Hilfe zu lassen, macht Paulus, dieser wahre Jünger Jesu, in den Worten deutlich: “Weil nämlich in der Weisheit Gottes die Welt Gott nicht erkannte durch die Weisheit, so gefiel es Gott, durch die Torheit der Verkündigung diejenigen zu retten, welche glauben.”51 In diesen Worten wird deutlich ausgesprochen, dass “Gott in der Weisheit Gottes hätte erkannt werden sollen”; weil dies aber nicht geschehen ist, “gefiel es Gott sodann, die zu retten, welche glauben”, nicht durch Torheit schlechtweg, sondern durch eine “Torheit”, soweit sie in der “Verkündigung” gegeben ist. Denn von vornherein ist “die Verkündigung des gekreuzigten Jesus Christus” eine “Torheit der Verkündigung”. So versteht es Paulus selbst und spricht es aus, wenn er sagt: “Wir dagegen verkündigen Jesus Christus, den Gekreuzigten, der den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit ist, den Berufenen aber, Juden und Griechen: Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit.”52

14.

Celsus nimmt „bei vielen Völkern das Vorhandensein einer Glaubensverwandtschaft“ an und zählt alle die Völker bei Namen auf, die nach seiner Ansicht ursprünglich eine solche Glaubenslehre gehabt haben. Ich weiß nicht, warum er hierbei den Juden allein Unrecht tut, indem er ihr Volk nicht mit zu den übrigen rechnet als ein solches, das entweder zusammen mit jenen tätig und gleichgesinnt gewesen sei, oder doch in vielen Beziehungen ähnliche Lehren gehabt habe. Billigerweise nun könnten wir ihn fragen, warum er eigentlich den Berichten der Barbaren und Griechen über das Altertum der von ihm aufgeführten Völker Glauben geschenkt hat und nur die Erzählungen dieses Volkes als lügenhaft erklärt? Denn wenn alle Schriftsteller die Sitten und Gebräuche ihrer Völker wahrheitsliebend dargestellt haben sollen, warum halten wir die jüdischen Propheten allein für nicht glaubwürdig? Wenn aber Moses und die Propheten parteiisch und zugunsten ihrer eigenen Lehre vieles über die bei ihnen herrschenden Zustände aufgezeichnet haben, warum wollen wir das gleiche nicht auch von den Schriftstellern bei den übrigen Völkern sagen? Oder verdienen die Ägypter, wenn sie in ihren Geschichtsbüchern von den Juden Schlimmes erzählen, Glauben für ihre Berichte über die Juden, während die Juden lügen müssen, wenn sie es mit den Ägyptern ebenso machen und aufzeichnen, dass diese ihnen viel Unrecht getan und deshalb von Gott gestraft worden seien? Und dies gilt nicht bloß von den Ägyptiern allein; wir werden nämlich auch in den alten Chroniken der Assyrier Berichte von feindlichen Zusammenstößen dieses Volkes mit den Juden finden. Ebenso haben auch die Geschichtsschreiber der Juden - um nicht voreingenommen zu scheinen, sage ich nicht53: die Propheten - in ihren Büchern die Assyrier als ihre Feinde bezeichnet. Man beachte nun hier sofort die Selbstsucht dieses Mannes, der den einen Völkern, da er sie für weise hält, Glauben schenkt, die andern aber geringschätzt, weil sie ganz unverständige Leute seien. Man höre nämlich den Celsus reden: „ Es ist eine alte, aus früheren Zeiten stammende Lehre, womit sich stets die weisesten Völker und Städte und weise Männer beschäftigt haben.“ Die Juden aber wollte er nicht als eines „der weisesten Völker“ bezeichnen oder auch nur ungefähr „den Ägyptiern, Assyriern, Indern, Persern, Odrysen, Samothrakern und Eleusiniern“ in diesem Punkt an die Seite stellen.

15.

Viel billiger als Celsus ist der Pythagoreer Numenios, der seine große Gelehrsamkeit durch viele Schriften erwiesen, zahlreiche Glaubenslehren geprüft und dann aus der großen Zahl zusammengestellt hat, was er für wahr hielt. In seinem ersten Buch Über das (höchste) Gut spricht er über alle die Völker, welche Gott für ein körperliches Wesen halten, und reiht unter diese auch die Juden ein. Ja, er trägt kein Bedenken, in seiner Schrift auch die Aussprüche der Propheten zu verwenden und bildlich zu deuten54. Ferner soll Hermippos in seinem ersten Buch über die Gesetzgeber berichtet haben, dass Pythagoras seine Philosophie von den Juden zu den Griechen gebracht habe55. Auch ist von dem Geschichtsschreiber Hekataios ein Buch über die Juden vorhanden56, in welchem die Weisheit dieses Volkes noch mehr und in solchem Grade gelobt wird, dass sogar Herrennios Philo in seinem Werke über die Juden anfangs zweifelt, ob das Buch den Historiker zum Verfasser habe, dann aber erklärt, wenn es wirklich von diesem herrühre, so sei er wahrscheinlich von der Glaubwürdigkeit der Juden gewonnen worden und habe deshalb ihrer Lehre beigestimmt.

16.

Es wundert mich, wie Celsus “die Odrysen, Samotzhraker, Eleusinier und Hyperboleer” unter die ältesten und weisesten Völker gestellt, die Juden aber der Aufnahme unter die weisen oder alten Völker nicht für würdig gehalten hat, obwohl doch bei den Ägyptiern, Phöniziern und Griechen viele Schriften im Umlauf sind, die das hohe Alter der Juden bezeugen; ich habe es für überflüssig gehalten, diese Schriften hier anzuführen. Wer dazu Neigung hat, kann das Werk des Flavius Josephus über das hohe Alter der Juden in zwei Büchern57 nachlesen; dort wird eine große Liste von Schriftstellern angeführt, welche das hohe Alter der Juden bezeugen. Auch von Tatian, der später gelebt hat, ist die Rede an die Griechen vorhanden, wo der kenntnisreiche Verfasser die Schriftsteller angibt, die über das hohe Alter der Juden und des Moses berichtet haben. Die Darstellung des Celsus scheint also weniger wahrheitsliebend als gehässig zu sein, da er die Absicht hat, den Ursprung des Christentums, der an die Juden anknüpft, herabzuwürdigen. Er nennt sogar “die Galaktophagen des Homer58, die Druiden der Galater und die Geten” “sehr weise und alte Völkerschaften, die den jüdischen Lehren verwandte Lehren erörtern” sollen; ob von diesen Völkern Schriften vorhanden sind, weiß ich nicht. Nur den Hebräern spricht Celsus, soweit es ihm möglich ist, das hohe Alter und die Weisheit ab.

Wenn Celsus dann weiter ein Verzeichnis von alten und weisen Männern gibt, die ihren Zeitgenossen (durch ihre Tätigkeit) und der Nachwelt durch ihre Schriften genützt haben, so nimmt er den Moses in dieses Verzeichnis der Weisen nicht auf. Von “Linos”, den er an erster Stelle nennt, sind weder Gesetzt noch Schriften vorhanden, durch welche die Völker bekehrt und gebessert worden wären; die Gesetze des Moses aber gelten bei einem gesamten Volke, das über die ganze Erde zerstreut ist. Man urteile nun, ob er nicht geradezu boshaft gehandelt hat, dass er in seinem Verzeichnis der Weisen selbst den Moses überging, während er von “Linos, Musaios, Orpheus, Pherekydes, dem Perser Zoroaster und von Pythagoras” behauptete, dass sie “über diese Dinge verhandelt und ihre eigenen Lehrsätze in Büchern niedergelegt haben, und dass diese noch bis auf den heutigen Tag bewahrt werden.” Absichtlich vergaß er die besonders von Orpheus aufgezeichnete Sagengeschichte der vermeintlichen Götter zu erwähnen, in der diesen menschlichen Leidenschaften und Schwächen beigelegt werden.

17.

Im folgenden erhebt Celsus Anklage gegen die Geschichtserzählung des Moses und macht denen, die sie im geistigen und bildlichen Sinne auslegen, daraus einen Vorwurf. Man möchte da den braven Mann, der seinem Buche den Titel „Wahres Wort“ gegeben hat, doch fragen: Warum denn, mein Bester, findest du die Götter so trefflich, die in so großes Mißgeschick geraten, wie es deine weisen Dichter und Philosophen berichten, die fluchbeladene Verbindungen eingehen, die gegen ihre Väter Kriege führen und sie entmannen? Warum machst du so viel Rühmens davon, dass erzählt wird, sie hätten solche Dinge gewagt, getan und erlitten? Wenn aber Moses solche Dinge von Gott nicht berichtet und auch nicht von den heiligen Engeln, und von den Menschen bei weitem nicht so Schlimmes - denn keiner hat bei ihm gewagt, was Kronos gegen Uranos, oder was Zeus gegen seinen Vater, oder was er damals gewagt hat als59 „der Vater der Götter und Menschen60“ seiner eigenen Tochter beiwohnte -, da glaubst du61, dass er die, welche Gesetze von ihm erhalten hatten, getäuscht und in die Irre geführt hat? Mir scheint Celsus hierin ähnlich zu handeln, wie Thrasymachos bei Plato, der dem Sokrates nicht gestattet, die an ihn gestellte Frage über das Wesen der Gerechtigkeit so, wie er will, zu beantworten, sondern zu ihm sagt: Siehe zu, dass du nicht behauptest, das Nützliche sei das Gerechte, oder das Notwendige sei es, oder etwas anderes der Art62. Denn indem Celsus die Erzählungen bei Moses willkürlich vor Gericht stellte und ihre allegorische Erklärung tadelte, wobei er diesen zugleich auch ein gewisses Lob spendete, dass sie „maßvolleren Leute“ seien: wollte er durch seine willkürliche Anklage nicht gleichsam die, welche als Verteidiger darzulegen imstande waren, wie sich die Dinge wirklich verhalten, daran hindern`?

18.

Wir könnten ihn da auffordern, dass er Bücher mit Büchern vergleiche, und zu ihm sagen: Bringe doch, mein Bester, uns die Gedichte „des Linos, Musaios und Orpheus“, bring uns die Schrift des Pherekydes her und prüfe sie zusammen mit den Gesetzen des Moses, indem du Geschichten mit Geschichten und Sittenlehren mit Gesetzen und Anordnungen vergleichst, und dann sieh zu, welche nicht imstande sind, die Hörer ohne weiteres zu bessern, und welche davon etwa den Zuhörer verderben können, dann erwäge, dass die Schar deiner Schriftsteller um die Leute wenig besorgt gewesen ist, die ohne Vorbereitung auf ihre Schriften stoßen würden, sondern „allein für die zur geistigen und bildlichen Deutung Befähigten ihre eigene Philosophie“,- wie du sagst- „verfaßt hat“. Moses dagegen ist in seinen fünf Büchern ähnlich verfahren wie ein trefflicher Redner, der die Form der Darstellung erwägt und überall den Doppelsinn des Ausdrucks mit Bedacht anwendet; er hat weder der großen Mehrheit der Juden, welche die Gesetze erhielten, Veranlassung zu einer Schädigung im Bereiche der Sittlichkeit gegeben, noch eine Schrift ohne einen des Nachdenkens würdigen Inhalt der gebildeten Minderzahl der Leser, welche den Sinn derselben zu erforschen vermag, in die Hand gelegt. Und von deinen weisen Dichtern sind, wie es scheint, nicht einmal ihre Schriften mehr erhalten; sicherlich aber hätte man sie aufbewahrt, wenn der Leser Nutzen davon verspürt hätte. Die Schriften des Moses dagegen haben viele und darunter auch solche, die eine von der jüdischen abweichende Erziehung empfangen hatten, zu dem Glauben gebracht, dass, wie die Schrift berichtet, Gott, der Schöpfer der Welt, es war, der zuerst diese Gesetze aufgestellt und dem Moses übergeben hat. Es ziemte sich auch in der Tat, dass der Schöpfer des Weltalls, der der ganzen Welt Gesetze gegeben, seinen Worten auch eine Kraft verlieh, welche ihnen überall Geltung zu verschaffen vermochte. Und dies sage ich, indem ich die Untersuchung noch nicht auf Jesus ausdehne, sondern noch zeige, dass Moses, der tief unter dem Herrn steht, doch, wie die Vernunft erweisen wird, deine weisen Dichter und Philosophen bei weitem übertrifft.

19.

Im folgenden will Celsus versteckterweise den Bericht des Moses von der Erschaffung der Welt angreifen, nach welchem „die Welt noch nicht zehntausend Jahre alt sei, sondern weit dahinter zurückbleibe“; er verhehlt zwar seine Ansicht, doch tritt er denen bei, die die Welt für „unerschaffen“ erklären. Denn seine Bemerkung, „seit uralter Zeit habe es viele Weltbrände und viele Überflutungen gegeben und die Überschwemmung unter Deukalion sei jünger und eben erst eingetreten“, läßt für die, welche seine Worte zu verstehen vermögen, deutlich erkennen, dass die Welt nach seiner Ansicht „unerschaffen“ sei. Der Ankläger des Christenglaubens mag uns nun sagen, durch welche Beweisgründe er zu der Annahme genötigt worden ist, dass „viele Weltbrände und viele Überschwemmungen“ stattgefunden haben, dass aber „jünger“ als alle (anderen) „die Überschwemmung unter Deukalion“ und „der Weltbrand unter Phaethon“ sei. Wenn er sich hierfür auf die Dialoge Platos beruft63, so wollen wir ihm entgegnen: Auch wir dürfen glauben, dass in der reinen und frommen Seele des Moses, der sich über alle gewordenen Dinge erhob und sich dem Schöpfer des Weltalls ganz hingab, ein göttlicher Geist gewohnt habe, der das Wesen und die Werke Gottes weit klarer als Plato und die Weisen unter den Griechen und Barbaren darlegte.64 Wenn aber Celsus von uns Gründe für diesen Glauben fordert, so möge er zuvor solche von dem angeben, was er selbst ohne Beweis aufgestellt hat; dann werden auch wir dartun, dass unsere Behauptungen richtig sind.

20.

Übrigens begegnete es dem Celsus, dass er wider seinen Willen dafür Zeugnis ablegte, dass die Welt jünger und noch nicht zehntausend Jahre alt sei. Er sagt nämlich: „auch die Griechen hielten diese Dinge für alt, weil sie wegen der Überschwemmungen und Weltbrände ältere Zustände nicht in Erwägung ziehen noch aus der Erinnerung mitteilen können“. Celsus mag aber als Lehrer der Sage von den Weltbränden„ und Wasserüberflutungen seine hochweisen “Ägyptier haben. Die Spuren ihrer Weisheit traten herrlich zutage in der Anbetung unvernünftiger Tiere und in ihren Lehren, die einen solchen Gottesdienst als vernünftig, ja tiefsinnig und geheimnisvoll hinstellen wollen. Wenn nun die Ägyptier, um ihrer Lehre Würde zu verleihen, die Verehrung ihrer Tiere theologisch zu begründen suchen, so sind sie weise; wenn aber jemand, der dem Gesetz und dem Gesetzgeber der Juden zustimmt, alle Dinge allein auf Gott, den Schöpfer der Welt, zurückführt, so steht er in den Augen des Celsus und seiner Gesinnungsgenossen tiefer als einer, der die Gottheit nicht bloß zu vernünftigen und sterblichen, sondern sogar bis zu den unvernünftigen Wesen herabzieht und noch mehr erniedrigt als die fabelhafte Lehre von der Seelenwanderung, nach welcher die Seele von dem Himmelsgewölbe herabfällt und bis zu den unvernünftigen Tieren, nicht nur den zahmen, sondern auch den wildesten, herabsteigt.65 Wenn die Äpyptier solche Märchen erzählen, so glaubt man, sie hätten ihre philosophischen Meinungen in Rätsel und geheimnisvolle Worte gekleidet; wenn aber Moses, der für ein ganzes Volk schreibt, ihm seine Geschichte und seine Gesetze hinterlässt, so werden „seine Worte“ für „leere Fabeln“ angesehen, „die nicht einmal, allegorische Auslegung zulassen“; denn dies scheint dem Celsus und den Epikureern richtig zu sein.

21.

Celsus sagt: „Diese Lehre also hat Moses bei weisen Völkern und gelehrten Männern vorgefunden und sich angeeignet und dadurch einen göttlichen Namen (d.h. den Namen eines Gottgesandten) erhalten.“ Wir antworten darauf: Zugegeben, dass Moses eine ältere Lehre bei anderen vorgefunden und den Hebräern mitgeteilt habe. War nun diese Lehre, von der er Kenntnis bekam, falsch und weder weise noch ehrwürdig, so ist er tadelnswert, wenn er sie angenommen und seinem Volke überliefert hat; wenn er aber, wie du sagst, weisen und wahren Lehren zustimmte und seine Volksgenossen in diesen unterwies, was hat er dann strafbares getan? Hätten doch auch Epikur und Aristoteles, der gegen die Vorsehung weniger als jener frevelt, und die Stoiker, welche die Körperlichkeit Gottes behaupten, von dieser Lehre vernommen! Dann wäre nicht die Welt von einer Lehre erfüllt, welche die Vorsehung leugnet oder einschränkt oder ein vergängliches Urwesen, eben das körperliche, annimmt. So halten ja die Stoiker Gott für ein körperliches Wesen und scheuen sich nicht zu lehren, er sei wandelbar und jedem Wechsel und jeder Veränderung unterworfen, ja er könnte einfach vernichtet werden, wenn einer da wäre, der ihn vernichtete und er sei glücklicherweise der Vernichtung nur deshalb entgangen, weil nichts vorhanden sei, das ihn vernichten könnte.66 Die Lehre der Juden und Christen dagegen, die an der Unwandelbarkeit und Unveränderlichkeit Gottes festhält, wird für gottlos gehalten, weil sie nicht mit denen freveln will, die von Gott frevelhaft denken, sondern in ihren Gebeten an die Gottheit spricht: „Du aber bist derselbe.“67 Wir glauben aber auch, dass Gott gesagt hat: „Ich ändere mich nicht.“68

22.

Hierauf verwirft Celsus die bei den Juden übliche „Beschneidung“ nicht, sagt aber, sie wäre zu den Juden „von den Ägyptiern gekommen“ . Er glaubt hier den Ägyptiern mehr als dem Moses, welcher berichtet, dass zuerst unter den Menschen Abraham beschnitten worden sei.69 Abrahams Namen aber überliefert nicht nur Moses, der ihn zum Freunde Gottes machte, sondern auch viele Geisterbeschwörer gebrauchen in ihren Sprüchen den Ausdruck „der Gott Abrahams“ und erzielen zwar 70 wegen des Namens und der Vertrautheit Gottes mit diesem gerechten Manne, weshalb sie eben die Bezeichnung „der Gott Abrahams“ annehmen, wissen aber nicht, wer Abraham ist. Dasselbe gilt von den Namen Isaak und Jakob und Israel, sie sind, wie allgemein bekannt, hebräisch, haben aber auch vielfach in die ägyptische Wissenschaft, die eine gewisse Kraftwirkung verheißt, Eingang gefunden. Die Lehre von der Beschneidung aber, die mit Abraham begann, von Jesus aber aufgehoben wurde, da er ihre Beobachtung von seinen Jüngern nicht forderte, diese Lehre jetzt zu erklären, ist nicht unsere Aufgabe. Denn der jetzige Zeitpunkt ist nicht für eine Belehrung hierüber geeignet, sondern für den Kampf bestimmt, der die von Celsus gegen die Lehre der Juden erhobenen Vorwürfe zunichte machen soll. Celsus ist nämlich der Meinung, er könne das Christentum schneller der Lüge überführen, wenn er seinen in der jüdischen Religion liegenden Ursprung anklagen und dann auch jenes als unwahr erweisen würde.

23.

Hierauf sagt Celsus: „Ihrem Führer Moses sind die Ziegenhirten und Schafhirten gefolgt und haben sich durch plumpen Trug einreden lassen, es gebe nur einen einzigen Gott.“ Wenn nun diese „Ziegenhirten und Schafhirten“ ohne allen vernünftigen Grund, wie er meint, die Verehrung von Göttern aufgegeben haben, so möge er zeigen, wie er selbst die Annahme der Menge von Göttern bei den Griechen oder den übrigen nichtgriechischen Völkern rechtfertigen kann. Er weise uns also das Dasein und die Wirklichkeit der Mnemosyne nach, mit welcher Zeus die Musen, oder der Themis, mit welcher er die Horen gezeugt hat, oder er lege dar, dass die stets unbekleideten Grazien wirklich existieren könnten. Aber er wird nicht imstande sein, diese Phantasiegebilde der Griechen, die scheinbar körperlich gestaltet sind, nach ihren Handlungen als wirkliche Götter zu erweisen. Warum sollten denn die Sagen der Griechen von ihren Göttern wahrer sein als z.B. die der Ägyptier, deren Mundart von Mnemosyne, der Mutter der neun Musen, oder von Themis, der Mutter der Horen, oder von Eurynome, einer der Grazien, oder von den übrigen griechischen Namen nichts weiß? Wie viel wirkungsvoller nun und besser als alle diese Phantasiegebilde ist es, aus den sichtbaren Dingen die Überzeugung von der guten Ordnung der Welt zu gewinnen und ihren Schöpfer, den einen der einen Welt, zu verehren, die ganz mit sich selbst zusammenstimmt und deshalb nicht das Werk von vielen Schöpfern sein kann: wie es auch nicht denkbar ist, dass sie von vielen Seelen, die den gesamten Himmel bewegen müßten, zusammengehalten werde; es genügt ja die eine, die die ganze Fixsternwelt vom Aufgang bis zum Untergang hinführt und alles nicht Selbständige, dessen die Welt bedarf, in sich umfaßt. Denn alle Dinge sind Teile der Welt, Gott aber ist kein Teil des Ganzen, da Gott nicht unvollkommen sein darf, wie der Teil unvollkommen ist. Eine tiefere Untersuchung wird aber vielleicht zeigen, dass tatsächlich Gott, wie er nicht ein Teil ist, so auch nicht ein Ganzes, da das Ganze aus Teilen besteht; die Vernunft läßt die Annahme nicht zu, dass der über allen waltende Gott aus Teilen bestehe, von denen ein einzelner das nicht leisten kann, was die anderen Teile vermögen.

24.

Hierauf sagt Celsus: „Die Ziegenhirten und Schafhirten haben nur einen einzigen Gott angenommen, sei es nun, dass sie ihn den Höchsten oder Adonai oder den Himmlischen oder Sabaoth, oder sei es, dass sie diese Welt so oder so zu nennen belieben; und eine weitere Erkenntnis haben sie nicht gewonnen.“ Und im folgenden sagt er, „ es mache nichts aus, ob man den über allen waltenden Gott Zeus nenne, wie die Griechen es tun, oder ob man ihm den zum Beispiel bei den Indern oder den bei den Ägyptiern üblichen Namen gebe.“ Wir erwidern darauf: Bei der vorliegenden Frage kommt die tiefe und geheimnisvolle Lehre von dem Wesen der Namen in Betracht; ob, wie Aristoteles meint, die Namen ihr Dasein dem Übereinkommen verdanken71, oder, wie die Stoiker glauben, einen natürlichen Ursprung haben, wonach die ersten Laute die Dinge, für die die Namen bestimmt waren, nachgeahmt hätten, weshalb sie auch gewisse Grundlehren der Worterklärung nach Wurzeln oder Stämmen einführen; oder ob, wie Epikur, abweichend von den Stoikern, lehrt, die Namen daher einen natürlichen Ursprung haben, dass die ersten Menschen bei (dem Anblick) der Gegenstände gewisse Laute ausgestoßen hätten. Wenn wir nun in einer besonderen Untersuchung die Natur wirksamer Namen darlegen können, von denen einige die Weisen der Ägyptier anwenden oder die Gelehrten unter den persischen Magiern oder unter den indischen Philosophen die Brachmanen oder Samanäer, und so bei jedem der Völker; und wenn wir imstande sind nachzuweisen, dass auch die sogenannte Magie nicht, wie die Schule des Epikur und Aristoteles meint, in jeder Hinsicht ungereimt und nichtig, sondern vielmehr, wie ihre genauen Kenner dartun, eine sichere und wohlgeordnete Kunst ist, auf Gründen und Regeln beruhend, die indessen nur sehr wenigen (Eingeweihten) bekannt sind: dann werden wir sagen dürfen, dass die Namen Sabaoth, Adonai und alle die andern, die bei den Hebräern mit großer Feierlichkeit überliefert werden, nicht für beliebige und gewordene Dinge, sondern mit Rücksicht auf eine gewisse geheimnisvolle Theologie gebildet worden sind, die sich auf den Schöpfer des Weltalls bezieht.

Deshalb kann man auch diese Namen, wenn sie in dem mit ihnen fest verknüpften Zusammenhang72 ausgesprochen werden, und andere, die in ägyptischer Sprache verbreitet sind, bei einigen Dämonen, deren Macht sich nur auf diese Gebiete erstreckt, und andere in der Mundart der Perser bei anderen Geistesmächten, und so bei jedem Volke, zu bestimmten Bedürfnissen gebrauchen. Und so wird man finden, dass die Namen der auf Erden weilenden Dämonen, die verschiedene Orte zugeteilt erhalten haben, stets mit den Mundarten der betreffenden Orte und Völker Verwandtschaft aufweisen.73 Wer demnach mit weiterem Blick auch nur geringe Einsicht in diese Dinge gewonnen hat, der wird sich in acht nehmen, die einen Namen diesen, die andern jenen Verhältnissen willkürlich anzupassen, damit es ihm nicht ähnlich ergehe wie den Leuten, die den Namen „Gott“ verkehrterweise auf leblosen Stoff übertragen, oder die Benennung „gut“ der ersten Ursache aller Dinge74 oder der Tugend und dem Sittlichen versagen, dem „blinden Reichtum“75 aber und dem mit Gesundheit und Wohlbefinden verbundenen Ebenmaß von Fleisch und Blut und Knochen im Körper oder der angeblichen edlen Geburt zusprechen.

25.

Und vielleicht ist es ebenso gefährlich, den Namen Gottes oder des (höchsten) Gutes auf Dinge anzuwenden, denen er nicht gebührt, als die in einer gewissen geheimen Lehre gebräuchlichen Namen zu verwechseln und die den geringeren Wesen gebührenden Namen den höheren, oder die den höheren Wesen gebührenden den geringeren zu geben. Ich will nicht erwähnen, dass man bei den Namen Zeus sofort auch an den Sohn des Kronos und der Rea denkt, an den Gemahl der Hera, an den Bruder des Poseidon, an den Vater der Athene und Artemis, an den Schänder seiner Tochter Persephone, oder bei dem Namen Apollo sofort auch an den Sohn der Leto und des Zeus, an den Bruder der Artemis und den Bruder des Hermes, da beide denselben Vater haben, und was sonst noch alles die weisen Erfinder der Glaubenssätze des Celsus und alle griechischen Theologen zu berichten wissen. Wie wäre denn die Auswahl möglich, dass zwar Zeus mit Recht so genannt würde, aber sein Vater nicht Kronos, und seine Mutter nicht Rhea wäre? Das gleiche gilt auch von den andern, die Götter genannt wurden. Dieser Vorwurf aber haftet keineswegs denen an, die nach einer gewissen geheimnisvollen Lehre Gott den Namen Sabaoth oder Adonai oder einen der übrigen Namen beilegen.

Wer aber die geheimnisvolle Lehre von den Namen philosophisch behandeln kann, der wird auch in der Benennung der Engel Gottes gar viel ausgedrückt finden. Von diesen heißt einer Michael, ein anderer Gabriel, ein dritter Raphael; sie führen diese Namen mit Rücksicht auf die Ämter, die sie nach dem Willen des allmächtigen Gottes in dem Weltganzen zu verwalten haben. Zu derselben Wissenschaft, die sich mit den Namen befaßt, gehört auch der Name unseres Jesus, der vor aller Welt schon unzählige Dämonen aus den Seelen und Leibern ausgetrieben und seine wirksame Kraft an den Besessenen ausgeübt hat.

Ferner ist noch dies über das Kapitel von den Namen zu sagen. Die des Gebrauchs der Beschwörungen kundigen Leute erzählen, dass dieselbe Beschwörungsformel in der eigenen Mundart ausgesprochen das bewirke, was sie verheiße, aber in irgendeine beliebige andere Mundart übertragen, ihre Kraft, wie man sehen könne, verliere und unwirksam sei. Es liegt also nicht in den bloßen Bezeichnungen der Dinge, sondern in den Eigenschaften und Eigentümlichkeiten der Laute (und Worte) eine innere Kraft, die dieses oder jenes bewirkt. Mit solchen Gründen werden wir auch die Christen verteidigen können, die entschlossen sind, lieber zu sterben, als ihren Gott Zeus zu nennen oder ihm einen jener Namen zu geben, die sich in den andern Sprachen finden. Denn entweder bekennen sie ohne nähere Bestimmung den gemeinsamen Namen „Gott“, oder sie geben diesem Namen einen Zusatz: „Gott, der Urheber aller Dinge, der Schöpfer Himmels und der Erde, der dem Menschengeschlecht diese und jene erleuchtete Männer gesandt hat“, deren Name verbunden mit dem Namen Gottes bei den Menschen eine gewisse Kraftwirkung vollbringt.76

Zu dem Kapitel der Namen aber könnte man noch vieles andere denen gegenüber vorbringen, die der Meinung sind, man brauche in der Anwendung derselben nicht wählerisch zu sein. Wird Plato bewundert, wenn er im Philebos sagt: „Meine Furcht, lieber Protarchos, bezüglich der Namen der Götter ist nicht gering“, nachdem Philebos, der mit Sokrates das Gespräch führt, die Lust eine Göttin genannt hatte77, um wie viel mehr werden wir dann den Christen wegen ihrer frommen Scheu Beifall schenken, da sie keinen der in der griechischen Sagengeschichte verwendeten Namen mit dem Schöpfer der Welt verknüpfen! Doch über diesen Punkt ist jetzt genug gesagt.

26.

Wir wollen nun sehen, auf welche Weise Celsus, der „alles zu wissen“ ankündigt, die Juden verleumdet, indem er sagt: Sie verehren Engel78 und treiben eifrig Zauberei, worin sie Moses unterwiesen hat„ Celsus erklärt, die Schriften der Christen und Juden zu kennen“; so mag er angeben, an welcher Stelle der Schriften des Moses er gefunden hat, dass der Gesetzgeber „die Verehrung von Engeln“ vorschreibt. Wie kann es aber auch „Zauberei“ bei den Leuten geben, die das Gesetz des Moses angenommen und da auch dies gelesen haben: „Den Beschwörern sollt ihr nicht anhangen, um nicht an ihnen verunreinigt zu werden?“79 Celsus verkündet aber, im folgenden lehren zu wollen, „wie auch die Juden infolge ihrer Unwissenheit gänzlich betrogen, dem Irrtum verfallen sind“ . Würde er nun „die Unwissenheit“ der Juden darin finden, dass sie Jesus als Christus nicht erkennen, da sie den Prophezeiungen über ihn nicht Gehör gegeben haben, so hätte er wahrhaft „gelehrt, wie die Juden dem Irrtum verfallen sind“. Nun aber hat er daran gar nicht denken wollen und nimmt deshalb als Irrtümer der Juden an, was keine Irrtümer sind.

Nachdem dann Celsus „eine Darstellung des jüdischen Glaubens für später“ in Aussicht gestellt hat, handelt er zuerst von unserem Heiland als dem Stifter der Gemeinschaft, durch die wir Christen sind, und sagt: „Dieser hat erst vor ganz wenigen Jahren diese Lehre eingeführt und ist von den Christen für den Sohn Gottes gehalten worden“ Was den Punkt betrifft, dass Jesus „erst vor wenigen Jahren“ aufgetreten sei, so wollen wir dies dazu bemerken: Ist es etwa ohne göttliche Hilfe geschehen, dass Jesus, der in so wenigen Jahren sein Wort und seine Lehre auszubreiten sich entschloß, soviel bereits erreicht hat, dass überall auf unserer bewohnten Erde nicht wenige Griechen und Barbaren, Gelehrte und Ungelehrte, zu seiner Lehre bekehrt worden und entschlossen sind, in der Verfolgung eher zu sterben als das Christentum zu verleugnen, was, wie die Geschichte uns zeigt, für eine andere Lehre noch niemand getan hat? Da ich nun nicht meinem Glauben schmeicheln, sondern lediglich versuchen will, die Dinge gründlich zu prüfen, so möchte ich behaupten, dass nicht einmal die Männer, welche viele Kranke heilen wollen, ohne Gottes Hilfe ihr Ziel, nämlich die Gesundheit der Körper, erreichen. Wenn aber einer sogar die Seelen von dem Schmutz der Sünde von Ausschweifungen und ungerechten Taten und von der Gleichgültigkeit gegen die Gottheit befreien könnte und als Erweis einer solchen Wirksamkeit die Besserung von hundert Personen - um so viele mag es sich handeln - vorbrächte, könnte da vernünftigerweise auch von diesem jemand sagen, er habe ohne Gottes Hilfe den hundert Menschen eine von so großen Übeln befreiende Lehre mitgeteilt? Wenn man aber bei billiger Betrachtung dieser Tatsachen zugeben wird, dass unter den Menschen nichts Gutes ohne Gottes Hilfe geschehen sei, mit wie viel größerem Rechte wird man dann solches80 zuversichtlich von Jesus sagen können! Man braucht nur das frühere Leben vieler, die sich seiner Lehre zuwandten, mit ihrem späteren Leben zu vergleichen und dabei wahrzunehmen, wie groß die Zügellosigkeit, die Ungerechtigkeit und Habgier eines jeden von diesen gewesen ist, ehe sie nach dem Ausdruck des Celsus und seiner Gesinnungsgenossen „betrogen wurden und eine, wie jene sagen, das menschliche Leben verderbende Lehre annehmen“, und in wie hohem Grade sie mit Annahme der christlichen Lehre sittlicher, ernster und beständiger geworden sind, so dass einige aus Liebe zu einer ganz außerordentlichen Reinheit, und um der Gottheit in reinerer Weise zu dienen, selbst nicht einmal die von dem Gesetz erlaubten Freuden der Liebe genießen wollen.

27.

Wer die Tatsachen prüft, wird erkennen, dass Jesus Größeres, als menschliche Natur vollbringen kann, unternommen, und dass er das Unternommene auch ausgeführt hat. Denn obwohl von Anfang an alle der Ausbreitung seiner Lehre über den ganzen bewohnten Erdkreis entgegen traten, die jedesmaligen Kaiser, deren Oberfeldherren und Statthalter und mit einem Wort alle, denen irgendeine Gewalt übertragen war, ferner auch die Obrigkeiten in den Städten, die Truppen81, die Gemeinden, so errang er doch den Sieg, da er seiner Natur nach als Gottes Wort nicht gehemmt werden konnte; und da er stärker war als so viele gewaltige Gegner, so bezwang er ganz Griechenland und einen großen Teil der übrigen Länder und bekehrte unzählige Seelen zu der von ihm verkündeten Gottesverehrung. Notwendigerweise mußten aber unter der großen Masse der von Gottes Wort Unterworfenen „die einfältigen und ungelehrten Leute“ weit zahlreicher als die Gebildeten sein, je82 zahlreicher eben die einfältigen und ungelehrten Leute sind im Vergleich zu den wissenschaftlich gebildeten. Doch dies wollte Celsus nicht sehen; darum hält er die menschenfreundliche Lehre, die sich zu jeder Seele „vom Aufgange der Sonne her“83 hinwendet, für „einfältig und glaubt, sie habe nur bei einfältigen Leuten Herrschaft gewonnen, da sie selbst einfältig sei und wissenschaftlichen Charakters entbehre“. Indessen sagt auch er nicht, dass bloß „einfältige“ Leute durch diese Lehre der von Jesus geforderten Gottesverehrung zugeführt worden seien; er gibt nämlich zu, dass „sich unter ihnen auch einige bescheidene, maßvolle und verständige Personen und solche fänden, die zu allegorischer Deutung geschickt wären“.

28.

Da Celsus aber auch eine Person auftreten läßt, indem er gewissermaßen ein von einem Rhetor eingeführtes Kind nachbildet, und einen Juden einführt, der gegen Jesus in kindischer und eines ergrauten Philosophen unwürdiger Weise einiges vorbringt, so wollen wir nach Kräften auch dies prüfen und beweisen, dass er nicht einmal überall der Person des Juden die für sie passenden Worte beigelegt hat. Hierauf läßt Celsus einen Juden auftreten, der sich mit Jesus selbst unterredet und ihn, wie er meint, wegen vieler Dinge zur Rechenschaft zieht.84 Zuerst wirft er ihm vor, „dass er sich fälschlich als den Sohn einer Jungfrau ausgegeben habe“, er schmäht ihn aber auch, „dass er aus einem jüdischen Dorf und von einer einheimischen armen Handarbeiterin stamme“. Er sagt dann, „diese sei von ihrem Manne, der seines Zeichens ein Zimmermann gewesen, verstoßen worden, als des Ehebruchs schuldig“. Weiter bringt er vor, „von ihrem Manne verstoßen und unstet und ehrlos umherirrend, hätte sie den Jesus heimlich geboren. Dieser habe aus Armut sich nach Ägypten als Tagelöhner verdungen und dort sich an einigen Zauberkräften versucht, auf die die Ägyptier stolz seien; er sei dann zurückgekehrt und habe sich viel auf diese Kräfte eingebildet und sich ihretwegen öffentlich als Gott erklärt“. Dies alles scheint mir, da ich nichts von dem, was die Ungläubigen vorbringen, ungeprüft lassen kann und die Dinge gründlich erforschen will, damit zusammenzustimmen, dass Jesus würdig der Vorhersage, „er sei der Sohn Gottes“85 geworden ist.

29.

Edle Abstammung, angesehene und vornehme Eltern, welche die Mittel haben, auf die Ausbildung ihres Sohnes etwas verwenden zu können, eine große und berühmte Vaterstadt sind Dinge, die jemandem zu einer hervorragenden Stellung, zum Ruhm und zu einem großen Namen bei den Menschen verhelfen. Wenn aber einer, bei dem von allen diesen Dingen das gerade Gegenteil vorhanden ist, doch trotz aller Hindernisse sich Geltung verschaffen und die von ihm Hörenden erschüttern und bei der ganzen Welt, die doch ungleich über ihn urteilt, bekannt und berühmt werden kann: muß man da nicht eine solche Persönlichkeit ohne weiteres bewundern, die groß und edel in sich, große Dinge angreift und keinen geringen Freimut besitzt?

Wenn man aber die Lebensumstände eines solchen Mannes etwas eingehender erforschen wollte, wird man da nicht fragen, wie es gekommen ist, dass er, in einfachen und ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, nicht unterwiesen in den allgemeinen Wissenschaften, auch ohne Unterricht in Redekunst und Philosophie, Wissenschaften, die ihn befähigt hätten, einschmeichelnd und gewinnend zu den Massen zu sprechen, ein Volksführer zu werden und zahlreiche Zuhörer an sich zu ziehen, dass er trotzdem als Verkünder neuer Lehren auftritt und dem Menschengeschlecht einen Glauben bringt, der die religiösen Gebräuche der Juden abschafft, dabei aber zugleich die Ehrwürdigkeit ihrer Propheten betont, und der die Gesetz der Griechen, besonders die über die Gottesverehrung, außer Kraft setzt? Wie konnte ein solcher Mann, der so aufgewachsen war, der, wie auch seine Verleumder zugeben, von niemandem ernsten Unterricht empfangen hatte, wie konnte er so erhabene Lehren verkünden von dem Gerichte Gottes, von den Strafen für die Sünde und von den Ehren für die Tugend, dass seine Worte nicht bloß „bäuerische und ungelehrte Leute“ überzeugten, sondern auch nicht wenige von den Gebildeten, die imstande sind, in die Verhüllung der scheinbar einfacheren86 Ausdrücke hineinzuschauen, welche in sich, wie man sagen darf, etwas Geheimnisvolles umschließt?

Der Seriphier, welcher bei Plato dem durch seine Feldherrnkunst berühmt gewordenen Themistokles vorwarf, er verdanke seine Berühmtheit nicht seinem eigenen Charakter, sondern dem glücklichen Umstande, dass die angesehenste Stadt von ganz Griechenland seine Vaterstadt sei, erhielt von dem einsichtsvollen Themistokles, der einsah, dass zu seinem Ruhm auch seine Vaterstadt das Ihrige beigetragen habe, die treffende Antwort: „Wäre ich zu Seriphos geboren worden, so wäre ich nicht zu so großem Ruhme gelangt; und hättest du das Glück gehabt, als Athener geboren zu sein, du wärest kein Themistokles geworden.“87 Unser Jesus dagegen, dem es zum Vorwurf gemacht wird, dass er aus einem Dorfe stammt, das zudem auch nicht in Griechenland gelegen ist, und auch nicht einem Volke angehört, das bei der großen Menge in Ansehen steht, und der geschmäht wird, weil er „der Sohn einer armen Handarbeiterin“ war und „wegen Armut“ sein Vaterland verließ und „in Ägypten um Lohn diente“, und der gleichsam nach dem gewählten Beispiel nicht bloß ein Seriphier war, ein Sohn der kleinsten und unbedeutendsten Insel, sondern sogar, wie man sagen darf, der Geringste unter den Seriphiern - er hat es vermocht, die ganze von Menschen bewohnte Erde im höherem Grade in Bewegung zu setzen, nicht bloß als der Athener Themistokles, sondern auch als Pythagoras und Plato und einige andere Weisen oder Könige oder Feldherren irgend welchen Landes der Erde.

30.

Wird nicht jeder, der der Natur der Dinge nicht bloß oberflächlich nachspürt, sich darüber wundern, dass Jesus alle Dinge, die sonst Unehre bringen, überwunden und durch seinen Ruhm die berühmten Männer aller Zeiten zu übertreffen vermocht hat? Und dann ist es selten, dass die Männer, die in der Welt einen großen Namen haben, ihren Ruhm auf Grund mehrerer88 verdienstvoller Taten zugleich haben gewinnen können. Denn der eine wurde wegen seiner Weisheit, ein anderer wegen seiner Feldherrnkunst, einige von den Barbaren wurden wegen der wunderbaren Kraftwirkungen, die sie mit ihren Zaubersprüchen vollbrachten, der eine wurde wegen dieses, der andere wegen jenes Vorzuges oder Verdienstes bewundert und berühmt, und keiner wegen vieler Verdienste und Vorzüge zugleich. Jesus aber wird, abgesehen von seinen anderen großen Eigenschaften, bewundert wegen seiner Weisheit, wegen seiner Wunder und wegen seiner Herrschergröße. Denn er gewann Anhänger nicht wie ein Tyrann, der andere zum Abfall von den Gesetzen mitverleitet, nicht wie ein Räuber, der seine Gesellen zum Kampfe gegen die Menschen einübt, nicht wie ein Reicher, der den Unterhalt der Leute bestreitet, die zu seiner Partei übergehen, nicht wie einer, dessen Verfahren allgemeinen Tadel erregt, sondern als ein Lehrer der Erkenntnis des allmächtigen Gottes und seiner Verehrung und des ganzen Sittengesetzes89, das imstande ist, jeden zur Gemeinschaft mit dem über allen waltenden Gott zu führen, der dieses Gesetz zur Richtschnur seines Lebens gemacht hat. Und während Themistokles und die sonstigen berühmten Männer durch nichts gehindert wurden, sich einen berühmten Namen zu erwerben, trat bei Jesus zu den angeführten Gründen, die an sich schon ausreichen konnten, um eine noch so edle Natur in den Schatten der Ruhmlosigkeit zu stellen, noch sein Kreuzestod hinzu, der für schimpflich galt und genügte, um auch den bereits erworbenen Ruhm gründlich zu vernichten und die nach der Meinung der Gegner seiner Lehre „vorher getäuchten Leute“ zum Abfall von „dem Betrug“ und zur Verurteilung „des Betrügers“ zu veranlassen.

31.

Außerdem dürfte man sich wundern, woher die Jünger Jesu zu dem Entschluß kamen, furchtlos dasselbe wie ihr Meister leiden zu wollen, mutig allen Gefahren entgegenzugehen und die Heimat zu verlassen, um die ihnen von Jesus überlieferte Lehre nach seinem Willen zu verkünden, ohne dass sie doch, wie die Verleumder Jesu sagen, seine Auferstehung von den Toten gesehen, oder die Überzeugung gewonnen hatten, dass jener etwas Göttliches sei. Meines Erachtens dürfte nämlich der verständige Beurteiler der Dinge90 wohl nicht sagen, die Jünger hätten sich um der Lehre Jesu willen einem gefahrvollen Leben ausgesetzt, ohne durch Jesus fest davon überzeugt zu sein, dass sie verpflichtet wären, nicht bloß selbst nach seinen Geboten zu leben, sondern auch andere dazu zu veranlassen, da doch, wie es bei den Menschen nun einmal zuzugehen pflegt, der Untergang für den gewiß ist, der überall und allen neue Lehren zu verkünden und es mit allen zu verderben wagt, die an den alten Satzungen und Gebräuchen festhalten wollen. Oder sahen 91 die Jünger Jesu nicht voraus, welche den Mut hatten, nicht nur den Juden aus den prophetischen Büchern darzulegen, dass Jesus der von den Propheten Angekündigte sei, sondern auch die übrigen Völker zu belehren, dass der erst kürzlich Gekreuzigte freiwillig diesen Tod für das Menschengeschlecht auf sich genommen habe, ähnlich wie jene, die für ihr Vaterland gestorben sind, um es von drückenden Seuchen oder von Mißwuchse oder von Stürmen, welche die Schiffahrt bedrohten, zu befreien? Es scheint nämlich in der Natur der Dinge nach gewissen geheimnisvollen und für die große Menge schwer verständlichen Gesetzen begründet zu sein92, dass der freiwillige Tod eines gerechten Mannes für das allgemeine Wohl die Vertreibung der bösen Geister bewirkt, welche Seuchen, Mißwuchs, Stürme und dergleichen Dinge über die Menschen bringen.

Wer also nicht glauben will, dass Jesus für die Menschen den Kreuzestod gestorben sei, der mag erklären, ob er auch die vielen Erzählungen der Griechen und Barbaren nicht annehmen will, die davon handeln, dass einige für das allgemeine Wohl gestorben sind, um ihre Städte und Völker von den Übeln zu befreien, die sie bedrückten. Oder sollen diese Dinge tatsächlich geschehen sein, während nur Jesus darin der Glaubwürdigkeit entbehrt, dass er als Mensch gestorben ist, um den großen Dämon und Herrscher der Dämonen93 , der alle auf die Erde gekommenen Seelen der Menschen unterworfen hatte, zu vernichten? Diese und noch viele andere Dinge, die ihnen Jesus wahrscheinlich im geheimen gelehrt hatte, sahen seine Jünger offenbar voraus, ferner waren sie auch ausgerüstet mit höherer Kraft, da ihnen nicht eine vom Dichter geschaffene Jungfrau, sondern die wahre Erkenntnis und Weisheit Gottes „Stärke und Mut“ gegeben hatte, als sie hinaus eilten, „damit sie offenbar würden unter allen“, nicht nur unter Argivern, sondern auch unter allen Griechen zugleich und Barbaren, „und edlen Ruhm sich gewännen.“94

32.

Doch wir wollen uns nun wieder zu den Worten zurückwenden, die Celsus den Juden sagen läßt, zu der Behauptung nämlich, „die Mutter Jesu sei von dem Zimmermann, mit dem sie verlobt war, verstoßen worden, weil sie des Ehebruchs überführt worden sei und von einem Soldaten namens Panthera95 geboren habe“. Wir wollen sehen, ob nicht die Fabeldichter ins Blinde hinein, „den Ehebruch der Jungfrau mit Panthera“ und „die Vertreibung durch den Zimmermann“, dies alles erfunden haben, um so die wunderbare Empfängnis vom Heiligen Geiste zu beseitigen. Sie hätten ja doch auf andere Weise die Geschichte wegen ihrer Unbegreiflichkeit verdächtigen können und nicht gleichsam wider Willen die Tatsache zuzugeben brauchen, dass Jesus nicht aus einer gewöhnlichen ehelichen Verbindung hervorgegangen ist. Und es war folgerichtig, dass die Leute, die die wunderbare Geburt Jesu nicht gelten lassen wollten, irgendeine Lüge ausdachten. Sie verfuhren aber dabei mit wenig Geschick: sie machten nämlich die Beobachtung, dass nicht von Joseph die Jungfrau Jesus empfangen habe. Darum mußten alle Leute, welche Erdichtungen zu erkennen und zu widerlegen vermögen, ihre Lüge bemerken.

Denn wie wäre es begründet, dass derjenige, der so Großes für das Menschengeschlecht gewagt hat, damit, so viel an ihm läge, alle, Griechen und Barbaren, in Erwartung des göttlichen Gerichts von der Sünde abließen und all ihr Tun in Einklang mit dem Schöpfer der Welt brächten, dass dieser nicht einen wunderbaren Ursprung gehabt habe, sondern den gesetzwidrigsten und schimpflichsten von allen? Ich wende mich an die Griechen und besonders an Celsus, der jedenfalls Stellen aus Plato, mag er sie nun begreifen oder nicht, anführt, und frage: Konnte wohl der, welcher die Seelen in die Körper der Menschen herabsendet, ihn, der so Großes wagen, der so viele belehren und viele Menschen aus der Flut der Sünde zur Besserung zurückführen sollte, in einen Ursprung hineinstoßen, der schimpflicher war als alle, und ihn nicht einmal durch eine rechtmäßige Ehe in das Menschenleben einführen? Oder ist es nicht viel begründeter, dass eine jede Seele, wenn sie nach gewissen verborgenen Gesetzen - ich sage das aber jetzt im Sinne des Pythagoras, Plato und Empedokles, die Celsus oft angeführt hat - in einen Körper eingefügt wird, ihre Wohnung nach Würdigkeit und mit Rücksicht auf ihren früheren Charakter erhält? Es ist also wahrscheinlich, dass diese Seele, die bei ihrem Verweilen im Leben der Menschen mehr Nutzen96 gebracht hat als viele Menschen - um nicht anmaßend zu scheinen, wenn ich sagen würde „alle“ -, eines Körpers bedurfte, der sich nicht nur unter den Menschenkörpern auszeichnete, sondern auch besser und edler als alle war.

33.

Denn wenn die eine Seele, die aus verborgenen Gründen einerseits nicht verdient hat, dass sie in den Körper eines völlig vernunftlosen Wesens eingeschlossen werde, andererseits aber auch nicht, dass sie den Körper eines ganz vernünftigen Wesens zur Wohnung erhalte, mit einem mißgestalteten Körper verbunden wird, so dass nicht einmal die Vernunft in einem so gestalteten Leibe zur vollen Entwicklung gelangen kann, dessen Kopf viel zu klein ist und nicht im rechten Verhältnis zu den übrigen Teilen steht; und wenn eine andere Seele einen solchen Körper erhält, dass sie ein wenig vernünftiger werden kann als die vorige, und wieder eine andere noch vernünftiger, je nachdem die Natur des Leibes der Entgegennahme der Vernunft mehr oder weniger widerstrebt; warum soll es dann nicht auch eine Seele geben können, die einen durchaus wunderbaren Körper annimmt, der zwar etwas Gemeinsames mit den Menschen hat, um unter ihnen sein und mit ihnen umgehen zu können, aber auch etwas Ausgezeichnetes an sich trägt, damit die Seele von der Sünde frei bleiben kann? Wenn aber auch die Ansichten der Physiognomiker, sei es des Zopyros, oder des Loxos, oder des Polemon, oder irgend eines andern Schriftstellers auf diesem Gebiete, der ein wunderbares Wissen in dieser Sache beansprucht, Gültigkeit haben, wenn es also richtig ist, dass jeder Leib dem Charakter der zugehörigen Seele angepaßt sei: durfte dann die Seele, die wunderbar in diese Welt kommen und Großes vollbringen sollte, einen Leib erhalten, der, wie Celsus meint, sein Dasein der Verbindung eines „Ehebrechers Panthera und einer zum Ehebruch verführten Jungfrau“ verdankt? Denn aus einer solchen verbrecherischen Verbindung mußte eher ein unvernünftiges und schädliches Glied des Menschengeschlechtes, eher ein Lehrer der Zuchtlosigkeit und des Unrechts und der übrigen Laster hervorgehen, als ein Lehrer der reinen Sitte, der Gerechtigkeit und der anderen Tugenden. Vielmehr mußte diese Seele, wie dies auch die Propheten vorausgesagt haben, ihren Leib von einer „Jungfrau“ erhalten, die dem verheißenen Zeichen gemäß den gebären sollte, der seinen Namen nach seinem Wirken erhielt, indem dieses erweist, dass wegen seiner Geburt „Gott mit den Menschen sein werde.“97

34.

Es scheint mir nun passend zu sein, den Worten, die Celsus dem Juden in den Mund legt, die Weissagung des Jesaja gegenüberzustellen, welche verkündet, „der Emanuel werde von einer Jungfrau geboren werden“. Diese Weissagung hat Celsus nicht angeführt, sei es, weil er sie nicht kannte, obwohl er doch „alles zu wissen“ behauptet, sei es, dass er sie zwar gelesen, aber absichtlich verschwiegen hat, um nicht den Schein zu erwecken, als bestätige er wider Willen die seiner Absicht entgegenstehende Lehre. Die Weissagung aber lautet so: „Und der Herr fuhr fort zu Achaz zu reden und sprach: Begehre dir ein Zeichen von dem Herrn, deinem Gott, in der Tiefe oder in der Höhe. Und Achaz sprach: Ich will keines begehren und den Herrn nicht versuchen. So höret nun, ihr vom Hause Davids: Ist es euch zu wenig, Menschen zu ermüden, dass ihr auch den Herrn ermüdet? Darum wird der Herr selbst euch ein Zeichen geben: Siehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, und seinen Namen wird man Emanuel nennen, das heißt: Gott mit uns.“98 Dass aber Celsus aus böser Absicht diese Prophezeiung nicht angeführt hat, das wird mir daraus klar, dass er vieles aus dem Evangelium nach Matthäus erwähnt, wie „den Stern, der bei der Geburt Jesu aufgegangen ist“99 , und andere wunderbare Begebenheiten, dieser Stelle aber überhaupt nicht gedenkt. Wenn aber ein Jude in seiner Wortklauberei behaupten würde, in der Schrift heiße es nicht: „Siehe, die Jungfrau“, sondern statt dessen: „Siehe, das Mädchen“100, so wollen wir ihm darauf entgegnen, dass das Wort „aalma“, welche die Siebenzig mit „Jungfrau, andere aber mit “Mädchen„ übersetzt haben, auch im Deuteronomium, wie man sagt, eine “Jungfrau„ bezeichnet. Es heißt dort nämlich: “Wenn ein Mann sich verlobt hat mit einem Mägdlein, einer Jungfrau, und jemand in der Stadt trifft sie und liegt bei ihr, so sollt ihr sie beide zum Tore ihrer Stadt hinausführen und sie steinigen, dass sie sterben, das Mägdlein, weil es nicht geschrieen, da es doch in der Stadt war, den Mann, weil er das Weib seines Nächsten entehrt hat.„ Und dann: Wenn aber ein Mann das Mägdlein, das verlobt ist, auf dem Felde trifft und er tut ihr Gewalt an und liegt bei ihr, so sollt ihr den Mann, der bei ihr gelegen hat, allein töten und dem Mägdlein nichts antun, sie ist des Todes nicht schuldig.“101

35.

Damit man aber nicht glaube, wir wollten durch Herbeiziehung eines hebräischen Wortes Leuten, die nicht wissen, ob sie zustimmen sollen oder nicht, die Überzeugung beibringen, der Prophet habe verkündigt, dass derjenige von einer Jungfrau werde geboren werden, bei dessen Geburt es heißt: „Mit uns ist Gott“102, so wollen wir aus dem Wortlaut der Stelle103 selbst die Wahrheit des Gesagten erweisen. Der Herr, sagt die Schrift, sprach zu Achaz: „Begehre dir ein Zeichen von dem Herrn, deinem Gott, in der Tiefe oder in der Höhe!“104 Hierauf folgt das gegebene Zeichen: „Siehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären.“105 Was für ein Zeichen wäre es nun, wenn ein „Mädchen“, nicht aber eine „Jungfrau“ geboren hat? Und welcher kommt es mehr zu, den „Emanuel, d.h.: Mit uns ist Gott“106, zu gebären, einem Weibe, das Geschlechtsverkehr gepflegt und infolge ihrer weiblichen Natur empfangen hat, oder einer noch reinen und unberührten Jungfrau? Einer solchen steht es zu, ein Kind zu gebären, bei dessen Geburt es heißt: „Mit uns ist Gott“. Wenn aber [der Jude] auch so noch Ausflüchte suchen und betonen würde, zu Achaz seien die Worte gesprochen worden: „Begehre dir ein Zeichen von dem Herrn, deinem Gott“107, so wollen wir ihm erwidern: Wer ist denn zu den Zeiten des Achaz geboren worden, bei dessen Geburt man sagen kann: „Emanuel. d.h. Mit uns ist Gott“108? Denn wenn sich niemand finden läßt, so gelten natürlich die zu Achaz gesprochenen Worte dem Hause Davids, da der Schrift zufolge „der Heiland aus dem Samen Davids geworden ist nach dem Fleische.“109 Aber auch von diesem Zeichen heißt es, es solle „in der Tiefe oder in der Höhe“ sein, weil „Der, der hinabstieg, derselbe ist, der auch hinauffuhr über alle Himmel hinaus, damit er alles erfüllte.“110

Ich rede hier so, als hätte ich den Juden vor mir, der an die Wahrheit der Weissagung glaubt. Celsus oder irgend einer seiner Freunde möge nun aber sagen, mit welchem Geiste der Prophet diese oder andere Dinge, welche in seinen Weissagungen aufgezeichnet sind, über die Zukunft verkündet hat: mit einem Geiste, der die Zukunft vorauswußte, oder mit einem, dem sie unbekannt war? Wenn nämlich mit einem, der die Zukunft vorauswußte, so hatten die Propheten einen göttlichen Geist, wenn aber mit einem, dem die Zukunft unbekannt war, so erkläre er uns, welcher Art der Geist dessen ist, der so kühn von künftigen Dingen spricht und wegen seiner Prophezeiung bei den Juden in hohem Ansehen steht.

36.

Weil wir aber nun einmal auf die Propheten zu sprechen kamen, so wollen wir einige Bemerkungen beifügen, die nicht nur für die Juden, welche glauben, dass die Propheten mit göttlichem Geiste geredet haben, von Nutzen sein werden, sondern111 auch für die verständig Denkenden unter den Griechen. Diesen sagen wir: Man muß notgedrungen annehmen, dass auch die Juden Propheten hatten, wenn sie wirklich in dem Gehorsam gegen das empfangene Gesetz erhalten werden, den überlieferten112 Glauben an den Schöpfer bewahren, und soweit es von dem Gesetz abging, keine Gelegenheit zum Abfall in heidnische Vielgötterei finden sollten. Diese Notwendigkeit aber wollen wir so darlegen. Es steht in dem Gesetz der Juden selbst geschrieben: „Die Heiden werden auf Götterstimmen und Weissagungen hören“, dem jüdischen Volke aber ist gesagt: „Dir aber hat es der Herr, dein Gott, nicht so verliehen.“113 Darauf folgen die Worte: „Einen Propheten wird der Herr, dein Gott, dir aus deinen Brüdern erwecken.“114 Nun bedienten sich die Heiden der Weissagungen, sei es durch „Götterstimmen“ oder durch Vorzeichen oder durch Vogelflug oder durch Bauchredner oder durch solche, die ihre Opferkunst anpreisen, oder auch durch Chaldäer, die das Horoskop stellen. Alle diese Dinge waren den Juden untersagt. Hätten sie nun kein tröstliches Mittel gehabt, die Zukunft kennen zu lernen, so hätten sie, fortgerissen von dem menschlichen Drange nach Kenntnis der Zukunft, ihre Einrichtungen verachtet, weil diese nichts Göttliches besäßen; sie hätten keinen Propheten nach Moses angenommen, auch die Weissagungen der Propheten nicht aufgezeichnet, sondern wären zu den heidnischen Wahrsagern und Orakelgebern übergelaufen, oder hätten versucht, etwas Ähnliches bei sich selbst einzuführen. Es darf daher nicht auffallen, dass ihre Propheten auch über nebensächliche Dinge geweissagt haben, um Leute zufrieden zu stellen, die solches verlangten. Daher prophezeit Samuel auch „über die verlorenen Eselinnen“115 und „von der Krankheit des Königssohnes“, der, von dem das dritte Buch der Königreiche berichtet116. Wie hätten sonst die Vertreter des jüdischen Gesetzes dem Vorwürfe machen können, der von den Götzenbildern eine Weissagung nehmen wollte? Wie man z.B. findet, dass Elia dem Ochozias Vorwürfe macht mit den Worten: „Ist denn kein Gott in Israel, dass ihr hingehet, den Baal zu befragen, (den Herrn der) Fliegen, den Gott Akkarons?“117

37.

Hiermit glaube ich nun so ziemlich bewiesen zu haben, nicht nur, dass unser Heiland aus einer Jungfrau geboren werden sollte, sondern dass es auch Propheten unter den Juden gab, die nicht nur das allgemein Wichtige über die Zukunft voraussagten, wie über Christus und die Weltreiche und die künftigen Geschicke Israels und den Glauben der Heiden an den Erlöser und viele andere Dinge, die über ihn gesagt worden sind, sondern auch solche Dinge, die nur einen einzelnen angingen, z.B. über „die verlorenen Eselinnen des Kis“ und „wie sie wiedergefunden werden würden“118, und über „die Krankheit des israelitischen Königssohnes“119 oder über irgendeine andere derartige Begebenheit, die in der Heiligen Schrift aufgezeichnet ist.

Ferner müssen wir den Griechen, die an die Geburt Jesu aus der Jungfrau nicht glauben wollen, noch sagen, dass der Schöpfer in der Entstehungsart der verschiedenen lebenden Wesen gezeigt hat, es steht in seiner Macht, das, was er bei einem Wesen getan, auch bei andern und selbst bei den Menschen zu tun, wenn er nur wollte. Es gibt nun unter den Tieren einige Weibchen, die sich nicht mit einem Männchen verbinden wie die Tierschriftsteller dies von den Geiern behaupten; und zwar pflanzt dieses Tier ohne geschlechtliche Vermischung seine Gattung fort120. Warum soll es also unglaublich sein, dass Gott in der Absicht dem Menschengeschlecht einen göttlichen Lehrer zu schicken, diesen auf eine andere Weise ins Leben hat eintreten lassen, als die übrigen Menschen, die ihre Geburt der Verbindung von Mann und Weib verdanken? Und nach Ansicht der Griechen selbst sind ja nicht alle Menschen aus der Verbindung von Mann und Weib entstanden. Ist nämlich die Welt geschaffen worden, wie auch viele Griechen annehmen, so verdanken die ersten Menschen ihr Dasein notwendigerweise nicht der Verbindung von Mann und Weib, sondern den zeugenden Kräften, die sich in der Erde verbanden. Dies ist aber nach meinem Dafürhalten viel unwahrscheinlicher als die Geburt Jesu, welche der Geburt der anderen Menschen zur Hälfte ähnlich ist. Weil wir es aber mit Griechen zu tun haben, so dürfte es nicht unangemessen sein, auch griechische Erzählungen anzuführen, damit es nicht den Anschein hat, als ob nur unsere Geschichte von einer solchen wunderbaren Tatsache berichte. Es wollten nämlich einige Schriftsteller, nicht da, wo sie alte und dem Heldenzeitalter angehörige Geschichten, sondern wo sie Tatsachen aus der jüngsten Vergangenheit erzählen, es als möglich hinstellen, dass auch Plato von Amphikitone geboren wurde, nachdem Ariston gehindert worden war, ihr beizuwohnen ehe sie den von Apollo empfangenen Sohn geboren hätten.121 Es sind dies offenbar Fabeln, die Veranlassung gaben, etwas Derartiges über einen Mann auszudenken, der, wie man glaubte, die meisten an Weisheit und Geisteskraft übertraf, und von dem man darum annahm, er verdanke sein leibliches Dasein einem höheren und göttlicherem Ursprung als die übrigen Menschen, weil dies solchen zukäme, die über das gewöhnliche menschliche Maß hinausragten. Da aber Celsus seinen Juden mit Jesus sich unterreden und dessen Geburt aus der Jungfrau als eine Erdichtung -dafür hält er sie- verspotten und dabei die griechischen Sagen von **„der Danae, Melanippe, Auge und Antiope“*] vorbringen läßt, so müssen wir sagen, dass solche Reden sich wohl für einen Possenreißer schickten, nicht aber für einen Mann, der es mit seinem Bericht ernst meint.

38.

Celsus benutzt ferner die in dem Evangelium nach Matthäus erzählte Geschichte von der Flucht Jesu nach Ägypten122, schenkt aber den wunderbaren Vorgängen, die hiermit verbunden waren, keinen Glauben, er läßt weder gelten, dass ein Engel sie verkündet, noch dass das Fortgehen Jesu aus Judäa und sein Aufenthalt in Ägypten eine tiefere Bedeutung habe. Dagegen erdichtet er etwas anderes: er gibt die wunderbaren Taten, die Jesus vollbrachte, und durch welche das Volk bewogen wurde, ihm als dem Messias nachzufolgen, gewissermaßen zu, sucht sie aber dadurch herabzusetzen, dass er sagt, sie seien nicht durch göttliche Kraft, sondern mittels Zauberei geschehen. „Jesus wurde“ nämlich nach seiner Angabe „im geheimen erzogen, verdang sich nach Ägypten als Tagelöhner, versuchte sich dort an einige Zauberkräften und kehrte darauf wieder zurück, indem er sich wegen jener Kräfte öffentlich als Gott erklärte.“123 Ich weiß nicht wie ein Zauberer sich hätte abmühen sollen, eine Lehre zu verkündigen, welche den Menschen zur Pflicht macht, alles im Gedanken daran zu tun, dass Gott einen jeden wegen jeder seiner Taten zur Rechenschaft ziehen werde, und diese Überzeugung auch seinen Jüngern einzuprägen124, die er zu Verkündigern seiner Lehre verwenden wollte. Gewannen auch diese nun die Zuhörer, weil sie (von ihm) die Kunst gelernt hatten, Wunder zu wirken oder brachten sie dies ohne Wunder zustande? Wollte man nun behaupten, sie hätten durchaus keine Wunder gewirkt, sonder, ohne ihr Vertrauen in eine der dialektischen Weisheit der Griechen ähnliche Redefertigkeit zu setzen, es unternommen, die neue Lehre überall zu predigen, wohin sie kamen, so wäre dies sehr unvernünftig. Was gab ihnen denn Zuversicht, die Lehre zu verkündigen und einen neuen Glauben einzuführen? Wenn aber auch jene Wunder vollbrachten125 ist es dann glaubwürdig, dass Zauberer sich so großen Gefahren ausgesetzt hätten einer Lehre wegen, die Zaubereien verbietet?

39.

Es scheint mir nun nicht nötig zu sein, die folgenden Worte des Celsus zu bekämpfen, da sie nicht im Ernst, sondern im Spott gesagt sind: „Ob nun die Mutter Jesu schön war, und Gott sich wegen ihrer Schönheit mit ihr verband obwohl er seiner Natur nach keinen sterblichen Körper lieben konnte? Indessen126 war es gar nicht wahrscheinlich, dass der Gott sie lieben würde, da sie weder begütert noch von hoher Geburt war, denn niemand kannte sie, nicht einmal ein Nachbar. Als sie sich den Hass des Zimmermannes zuzog und von ihm verstoßen wurde“, fügte er höhnisch bei, „hat ihr weder göttliche Macht, noch die Gabe der Überredung127 Rettung verschafft. Diese Dinge also“, fährt er fort, „habe gar keine Beziehung auf das Reich Gottes.“ Unterscheiden sich solche Reden wohl von dem Geschwätz jener Leute, die auf öffentlicher Straße andere schmähen und nichts sagen, was der Aufmerksamkeit wert ist?

40.

Im folgenden entnimmt Celsus aus dem Evangelium nach Matthäus, vielleicht auch aus den übrigen Evangelien, den Bericht über “die Taube”, die während der Taufe des Heilandes “bei Johannes” über jenen hingeflogen ist"128, und will den Bericht als Erfindung verwerfen. Nachdem er aber die Geschichte von der Geburt unseres Heilandes aus einer Jungfrau, wie er meinte, dem Gespötte preisgegeben hat, hält er sich bei Anführung des Folgenden nicht an Reihe und Ordnung, wie denn Leidenschaft und Hass auch keine Ordnung kennen. Im Groll und Hass machen die Menschen denen, welche sie hassen, Vorwürfe, die ihnen gerade in den Sinn kommen, da ihnen die Leidenschaft nicht gestattet, ihre Anklagen mit ruhiger Erwägung und in richtiger Ordnung vorzubringen. Hätte nämlich Celsus Ordnung einhalten wollen, so hätte er das Evangelium in der Absicht, es anzuklagen, vornehmen und die erste Geschichte tadeln und von dieser dann zur zweiten und so zu den andern übergehen sollen. Jetzt aber erhebt er, der “alle” unsere Lehren und Schriften “kennen” will, nach seinem Angriff auf die Geburt aus der Jungfrau sofort einen andern gegen die Erscheinung des Heiligen Geistes in Gestalt einer Taube bei der Taufe; darauf bekämpft er die Weissagung von der Ankunft unseres Erlösers auf Erden129; dann aber kehrt er zu dem zurück, was im Anschluss an die Geburt Jesu aufgezeichnet ist, zu dem Berichte von dem Stern und den Weisen, die aus dem Morgenlande kamen “das Kind anzubeten”130. Der Leser wird bei einiger Aufmerksamkeit selbst finden, dass Celsus in seinem ganzen Buche vielfach gegen die Ordnung verstößt. Wer Ordnung zu wahren und zu suchen versteht, kann auch hieraus die große Anmaßung und Prahlerei des Celsus nachweisen, der seinem Buche den Titel “Wahres Wort” gegeben hat; von den hervorragenden Philosophen hat dies keiner getan. Plato sagt, “es sei nicht die Art eines verständigen Mannes, über solche und noch dunklere Dinge bestimmte Behauptungen aufzustellen”131 und Chrysippos legt an vielen Stellen seine Beweggründe dar und verweist uns dann an solche, die nach unserer Meinung bessere Aufschlüsse als er geben könnten. Celsus aber ist weiser als diese und als die andern Griechen; übereinstimmend mit seiner Behauptung, “alles zu wissen”, hat er sein Buch “Wahres Wort” betitelt.

41.

Damit es aber nicht den Anschein hat, als könnten wir nichts erwidern und übergingen deshalb absichtlich die Haupteinwürfe des Celsus, so haben wir uns entschlossen, eine jeder seiner Aufstellungen nach Kräften zu widerlegen, wobei wir jedoch auf den im Wesen der Dinge begründeten Zusammenhang und ihre Abfolge keine Rücksicht nehmen, sondern uns lediglich an die Reihenfolge halten wollen, in der Celsus in seinem Buche seine Einwürfe vorbringt. Wir wollen also nun sehen, was er zur Bekämpfung der Tatsache, dass “der Heilige Geist in Gestalt132 einer Taube gleichsam körperlich von dem Heiland gesehen worden ist”, anführen kann. Es ist aber sein Jude, dem gegenüber wir Jesus als unseren Herrn bekennen, und der zu ihm noch folgende Worte spricht: “Als du dich”, sagt er, “bei Johannes badetest, da behauptest du, dass die Gestalt eines Vogels aus der Luft über dich hingeflogen sei.” Dann stellt sein Jude folgende Fragen; “Welcher glaubwürdige Zeuge hat diese Gestalt gesehen, oder wer hat eine Stimme vom Himmel gehört, der dich für den Sohn Gottes erklärte?133 Außer dass du es sagst und noch eines einzigen von denen herbeibringst, die mit dir zugleich bestraft worden sind?”134

42.

Bevor wir nun die Verteidigung beginnen, müssen wir sagen, dass es in der Regel sehr schwierig und in einigen Fällen unmöglich ist, die Tatsächlichkeit einer jeden Begebenheit, auch wenn sie wahr ist, erweisen und eine packende Vorstellung von ihr geben zu wollen. Gesetzt den Fall, es leugne einer, dass es jemals einen trojanischen Krieg gegeben habe, besonders deshalb, weil dabei unmögliche Dinge berichtet sind, (zum Beispiel) dass ein gewisser Archilleus eine Meergöttin (Thetis) zur Mutter und Peleus einen Menschen, zum Vater gehabt habe; oder dass Sarpedon ein Sohn des Zeus, dass Askalaphos und Ialmenos Söhne des Ares seien, und Äneas ein Sohn der Aphrodite; wie könnten wir die Tatsächlichkeit solcher Dinge beweisen, wie uns von dem Drucke solcher Fabeln befreien, die, ich weiß nicht wie, mit der Geschichte von dem Kriege zwischen den Griechen und den Trojanern vor Ilion verflochten sind, dessen Wirklichkeit doch allgemein angenommen wird? Oder gesetzt auch, jemand wollte die Dinge nicht glauben, die von Ödipus und Iokaste und deren Söhnen Eteokles und Polyneikes berichtet werden, weil mit ihrer Geschichte die Sage von der Sphinx verwoben ist, einem Wesen, das halb Tier und halb Jungfrau war; wie könnten wir ihm die Wahrheit einer derartigen Geschichte nachweisen? Geradeso steht es auch mit der Erzählung von den Epigonen, wenn auch mit dieser nichts Ähnliches verknüpft ist, oder mit der Rückkehr der Herakliden, oder mit tausend andern Ereignissen dieser Art. Wer nun diese Geschichten billig beurteilen, sich aber doch dabei keiner Täuschung aussetzen will, der wird entscheiden können, welchen er Glauben schenken darf, welche er sinnbildlich zu deuten hat, indem er die Absicht derer, die sie ausgedacht haben, zu erforschen sucht, und welchen er den Glauben versagen muß, als solchen, die nur zugunsten gewisser Leute aufgezeichnet sind. Diese Bemerkung haben wir wegen der ganzen Darstellung des Lebens Jesu in den Evangelien vorausgeschickt, nicht um die verständigen Leute zu einem einfachen und prüfungslosen Glauben zu veranlassen, sondern um darzulegen, dass für die Leser derselben gesundes Urteil, eingehende Prüfung und, um mich so auszudrücken, ein Zugang zu den Gedanken der Schriftsteller nötig erscheint, um ausfindig zu machen, in welcher Absicht jeder Satz niedergeschrieben worden ist.

43.

Wir wollen nun zuerst dies bemerken. Wenn geschrieben stände, dass der, welcher die Erscheinung des Heiligen Geistes in Gestalt einer Taube bestreitet ein Schüler des Epikur, Demokrit oder Aristoteles sei, so würden seine Worte im Einklang mit der redend eingeführten Person und am Platze sein. Jetzt aber hat der hochweise Celsus nicht einmal dies bemerkt, dass er einen Juden, der doch viele Dinge in den Schriften der Propheten glaubt, die wunderbarer sind, als die Geschichte von der Erscheinung in Gestalt einer Taube, solche Worte in den Mund gelegt hat. Dem Juden, der an die Erscheinung nicht glaubt und sie als eine Erdichtung angreifen zu dürfen meint, könnte man sagen: Woher, mein Bester, wolltest du denn wohl beweisen, dass Gott der Herr zu Adam, Eva, Kain, Noah oder zu Abraham, Isaak, Jakob das gesagt habe, was die Schrift berichtet? Um aber mit dieser Geschichte (von der Taube) eine andere zu vergleichen, so möchte ich zu dem Juden sagen: Auch dein Ezechiel hat die Worte geschrieben: “Es öffneten sich die Himmel, und ich sah ein Gesicht Gottes”135; er erzählt es und fügt dann bei: “Dies war das Gesicht von dem Abbild der Herrlichkeit des Herrn. Und er sprach zu mir.”136 Sind nun die Dinge, die von Jesus berichtet werden, deshalb unwahr, weil wir nach deiner Meinung ihre Tatsächlichkeit nicht klar beweisen können, da sie nur von ihm allein gesehen oder gehört wurden und, wie du beobachtet zu haben glaubtest, auch noch von einem der (mit ihm) Bestraften“, so können wir mit noch größerem Rechte behaupten, dass auch Ezechiel nur Phantasiebilder erzählte, wenn er sagt:”Es öffneten sich die Himmel“137 usw. Und wenn Jesaja sagt:”Ich sah den Herrn Sabaoth sitzen auf einem hohen und erhabenen Throne; und die Seraphim umstanden ihn; sechs Flügel hatte der eine, und sechs Flügel hatte der andere“138 usw.: wie willst du beweisen, dass er dies wirklich gesehen habe? Denn du glaubst doch, Jude, dass diese Dinge untrügliche Wahrheit, und durch Vermittlung göttlichen Geistes vom Propheten nicht nur geschaut, sondern auch gesagt und aufgeschrieben sind. Wem aber ist billig mehr Glauben zu schenken, dem, der behauptet, dass sich ihm”die Himmel geöffnet hätten“, und dass er eine Stimme gehört oder”den Herrn Sabaoth auf einem hohen und erhabenen Throne sitzend geschaut hätte“, dem Jesaja und Ezechiel, oder Jesu? Denn von jenen beiden findet sich keine so große Tat berichtet; die edle Wirksamkeit Jesu trat aber nicht allein in den Zeiten seiner Menschwerdung hervor, sondern bis heute bewirkt die Kraft Jesu bei denen, die durch ihn an Gott glauben, die Bekehrung und die Besserung. Dass aber dies durch seine Kraft geschieht, wird durch die Tatsache klar erwiesen, dass, wie er selbst sagt und die Erfahrung beweist, trotz des Mangels an”Arbeitern" für “die Ernte” der Seelen “die Ernte”139 derer dennoch so groß ist, die allenthalben in “die Tennen” Gottes, in die Kirchen, zusammengebracht und gesammelt werden.140

44.

Wenn ich nun dem Juden diese Antwort gebe, so versage ich als Christ nicht dem Ezechiel und Jesaja den Glauben, sondern will nur den Juden auf Grund der von uns gemeinsam geglaubten Wahrheit widerlegen und dartun, dass Jesus weit mehr141 Glauben verdient als die Propheten, wenn er sagt, dass er solche Dinge gesehen, und wenn er, wie natürlich, seinen Jüngern von dem Gesichte, das er geschaut, und von der Stimme, die er vernommen, Kunde gab. Ein anderer könnte vielleicht einwenden, dass die Berichterstatter über “die Erscheinung in Gestalt einer Taube” und “die Stimme, die vom Himmel erscholl”, nicht alle dies aus dem Munde Jesu selbst gehört hätten. Aber derselbe Geist, der den Moses über die ältere Geschichte belehrte, die vor ihm lag, von der Schöpfung der Welt angefangen bis zu der Geschichte Abrahams, seines Stammvaters, hat auch die Verfasser des Evangeliums über den wunderbaren Vorgang zur Zeit der Taufe Jesu belehrt. Wer aber mit der Gnadengabe, die “Wort der Wahrheit”142 genannt wird, geschmückt ist, wird auch den Grund angeben können, warum “die Himmel sich öffneten”, warum die Gestalt der Taube" herab kam, und warum der Heilige Geist Jesu “in der Gestalt eine Taube”, und nicht in der143 eines anderen lebenden Wesens erschien. Ich sehe mich jetzt nicht veranlaßt, hierüber Aufschluß zu geben, denn unsere Aufgabe besteht nur darin, nachzuweisen, dass Celsus einen Mißgriff beging, wenn er den Juden mit solchen Gründen eine Tatsache bestreiten läßt, die viel wahrscheinlicher ist als die Dinge, die ein Jude glaubt.

45.

Ich erinnere mich, einmal in einer Unterredung mit anerkannten jüdischen Gelehrten in Gegenwart mehrerer Personen, die über unsern Streit ein Urteil fällen sollten, folgende Beweisführung gebracht zu haben: “Gebt mir doch, meine Gegner, hierüber Aufschluß! Es sind zu dem Menschengeschlechte zwei Männer gekommen, von denen wunderbare und übermenschliche Dinge berichtet sind, Moses nämlich, euer Gesetzgeber, der über sich selbst geschrieben hat, und Jesus, unser Lehrer, der über sich nichts Schriftliches hinterlassen hat, aber von seinen Jüngern in den Evangelien bezeugt ist. Wodurch ist nun der Unterschied berechtigt, die Aussage des Moses für wahr zu halten und ihr Glauben zu schenken, obgleich die Ägypter ihn als einen Betrüger bezeichnen und als einen Menschen hinstellen, der durch Zauberei seine Wunder gewirkt zu haben scheine, den Worten Jesu dagegen den Glauben zu versagen, weil ihr Anklagen gegen ihn erhebt? Beide haben das Zeugnis ganzer Völker für sich: Moses hat das Zeugnis der Juden; die Christen nehmen die Wunder Jesu, die seine Jünger von ihm berichten, als wahr an, leugnen jedoch den prophetischen Charakter des Moses so wenig, dass sie sich vielmehr auf Moses berufen, um ihren Glauben an Jesus zu rechtfertigen. Verlangt ihr also144 Rechenschaft von uns wegen (unseres Glaubens an) Jesus, so gebt diese vorher wegen (eures Glaubens an) Moses, der vor ihm gelebt hat, dann wollen auch wir euch den Grund angeben, weshalb wir an Jesus glauben. Wenn ihr aber zurückweicht und die Beweise für die Glaubwürdigkeit des Moses ablehnt, so tun wir für jetzt dasselbe wie ihr und geben keinen Beweis. Nichtsdestoweniger gesteht zu, dass ihr für Moses keine Beweise habt, und schenket dafür den aus dem Gesetz und den Propheten entnommenen Beweisen für Jesus geneigtes Gehör. Und wunderbar, gerade die Abschnitte im Gesetz und in den Propheten, die uns für Jesus Zeugnis ablegen, liefern den Nachweis, dass Moses und die Propheten wirklich Propheten Gottes gewesen sind.”

46.

Das Gesetz und die Propheten sind ja voll von wunderbaren Dingen ähnlicher Art wie das über Jesus bei seiner Taufe aufgezeichnete Wunder von „der Taube“ und „der Stimme aus dem Himmel“. Und dass es der Heilige Geist war, der damals „in Gestalt einer Taube“ erschien, das beweisen meines Erachtens „die Wunder”, die durch Jesus geschehen sind, und die Celsus dadurch zu verkleinern sucht, dass er sagt, Jesus “habe sie gewirkt, da er dies bei den Ägyptern gelernt habe.” Doch ich will mich nicht nur auf diese Wunder berufen, sondern, wie recht und billig, auch auf jene, die die Apostel Jesu gewirkt haben. Denn ohne Kraftwirkungen und Wunder hätten sie die Hörer neuer Worte und neuer Lehren nicht dazu bestimmen können, die Religion ihrer Väter zu verlassen und trotz der drohenden Todesgefahren die Lehren der Apostel anzunehmen. Und auch noch145 haben sich Spuren des Heiligen Geistes, der “in Gestalt einer Taube” gesehen wurde, bei den Christen erhalten; denn sie treiben Dämonen aus, vollbringen viele Krankenheilungen und tun nach dem Willen Gottes146 manchen Blick in die Zukunft. Und mag auch Celsus oder der Jude, den er redend einführt, meine Worte verspotten, so sollen sie doch ausgesprochen werden: Viele sind gleichsam wider ihren Willen dem Christentum beigetreten, weil eine geistige Macht ihren Sinn plötzlich so umwandelte, dass sie für den bisher gehaßten Glauben zu sterben bereit waren, und im Wachen oder im Traume auf ihr Vorstellungsvermögen einwirkte. Wir haben viele solcher Fälle in Erfahrung gebracht. Wollten wir sie aber, da wir doch selbst als Augenzeugen darauf gestoßen sind, aufzeichnen, so würden wir ein schallendes Gelächter bei den Ungläubigen hervorrufen. Denn sie würden von uns annehmen, dass wir es ebenso machten wie die Leute, von denen sie glauben, dass sie solche Geschichten erfunden haben. Aber Gott ist ja Zeuge für unser gutes Gewissen, dass wir nicht mit falschen Angaben, sondern mit mannigfachen klaren Tatsachen die göttliche Lehre Jesu erhärten wollen.

Da es aber ein Jude ist, der die Erzählung der Schrift von der Herabkunft des Heiligen Geistes auf Jesus in Gestalt einer Taube„ in Zweifel zieht, so müssen wir ihn wohl fragen: Mein Bester, wer ist es denn, der bei Jesaja sagt: “Und jetzt hat der Herr mich abgesandt und sein (oder: seinen) Geist?”147 . Während hier der Ausdruck es unentschieden läßt, ob der Vater und der Heilige Geist den Jesus gesandt haben, oder ob der Vater den Christus und den Heiligen Geist gesandt hat, so ist das zweite richtig. Weil nun der Erlöser zuerst und dann der Heilige Geist abgesandt worden war, auf dass sich die Weissagung des Propheten erfüllte148, und weil die Erfüllung der Weissagung auch den späteren Geschlechtern bekannt werden sollte149, deshalb schrieben die Jünger Jesu die Geschichte auf.

47.

Ich wünschte, ich könnte den Celsus, der seinen Juden die Taufe Jesu durch Johannes als Täufer so ziemlich annehmen läßt, darauf aufmerksam machen, dass ein Schriftsteller, der nicht lange nach Johannes und Jesus lebte, von dem Täufer Johannes und seiner Taufe zur Vergebung der Sünden150 berichtet. In dem achtzehnten Buche seiner „Jüdischen Altertümer“ bezeugt nämlich Josephus, dass Johannes ein Täufer gewesen sei und den Täuflingen Entsühnung verheißen habe.151 Und wenn auch dieser selbe Schriftsteller Jesus nicht als Messias anerkennt und bei der Untersuchung der Ursache des Falls von Jerusalem und der Zerstörung des Tempels hätte sagen müssen, dass die Feindschaft gegen Jesus dieses Unheilt über das Volk gebracht habe, da sie den geweissagten Messias getötet hatten: so kommt er doch, wenn auch wider Willen, der Wahrheit ziemlich nahe, wenn er sagt, diese Dinge seien über die Juden gekommen zur Sühne für Jakobus, den Gerechten, der „ein Bruder des Christus genannten Jesus“ war, da sie diesen so gerechten Mann getötet hatten.152 Von diesem Jakobus erzählt Paulus, der wahre Jünger Jesu, er habe ihn gesehen als „einen Bruder des Herrn“153, der diesen Namen nicht sowohl wegen ihrer Blutsverwandtschaft oder ihrer gemeinsamen Erziehung, als wegen des Charakters und Geistes verdiente. Wenn nun der genannte Schriftsteller sagt, wegen des Jakobus sei die Zerstörung Jerusalems über die Juden verhängt worden, ist es dann nicht vernünftiger zu behaupten, dies sei wegen Jesus, der der Messias war, geschehen? Sind doch Zeugen seiner Göttlichkeit so viele Gemeinden derer, die sich von der Flut der Sünden bekehrt haben, um sich ganz dem Schöpfer zu weihen und ihr ganzes Tun und Lassen nach seinem Wohlgefallen einzurichten.

48.

Wenn nun auch der Jude sich wegen Ezechiel und Jesaja nicht wird verteidigen können, da wir die Erzählung von der Öffnung der Himmel bei Jesus und von der von ihm gehörten Stimme154 einer Vergleichung unterziehen und Ähnliches im Ezechiel und im Jesaja155 oder auch in einem anderen Propheten aufgezeichnet finden, so werden wir wenigstens unsere Sache nach besten Kräften vertreten. Wir sagen deshalb: Alle, die an eine Vorsehung glauben, sind offenbar der Ansicht, dass viele im Traume Gesichte gehabt haben, die sich bald auf göttliche Dinge bezogen, bald künftige Lebensverhältnisse teils klar und deutlich, teils dunkel und rätselhaft verkündeten. Wie soll es dann undenkbar sein, dass die nämliche Kraft, die die Seele im Traume beeinflußt, ihr auch im Zustande des Wachens durch Gesichte Dinge mitteilen könne, deren Kenntnis für den Empfänger selbst oder für die Leute, welche später von ihm davon hören, nützlich ist? Und wie wir im Traum uns einbilden, dass wir hören, dass wir eine Einwirkung auf unsern Gehörsinn erfahren, und dass wir mit unseren Augen sehen, obwohl doch weder unsere leiblichen Augen noch Ohren in Tätigkeit versetzt sind, und solches nur in unserer Seele vorgeht; so ist es gar nicht undenkbar, dass Derartiges auch bei den Propheten stattgefunden habe, wenn geschrieben steht, dass sie einige wunderbare Gesichte gehabt, oder Worte des Herrn gehört, oder den Himmel offen gesehen hätten. Ich nehme ja nicht an, dass der sichtbare Himmel sich wirklich geöffnet, und sein Körper bei der Öffnung sich geteilt habe, damit Ezechiel solche Dinge berichten könnte. Muß nun aber nicht auch bei dem Heiland ein verständiger Leser der Evangelien das gleiche annehmen, wenn auch die einfacheren Christen, die in ihrer großen Einfalt die Welt sich in Bewegung setzen und den so großen, fest zusammengefügten Körper des ganzen Himmels sich spalten lassen, daran Anstoß nehmen sollten?

Wer aber tiefer in solche Untersuchungen eindringt, wird sagen: Es gibt, wie die Schrift sich ausdrückt, eine gewisse generelle „göttliche Erkenntnis“, die nur der Selige „zu finden“ weiß. wie es auch bei Salomo heißt: „Du wirst göttliche Erkenntnis finden.“156 Von dieser Erkenntnis aber gibt es verschiedene Arten: ein Sehen, welches Dinge zu schauen vermag, die höher stehen als die körperlichen Wesen, wie das bei den Cherubim oder Seraphim offenbar der Fall ist; ein Gehör, das fähig ist, Stimmen zu vernehmen, die ihr Dasein nicht in der Luft haben; einen Geschmackssinn, der „lebendiges Brot kostet, das vom Himmel herabgestiegen ist und der Welt das Leben gibt“157; ebenso einen Geruchssinn, der solche Dinge wahrnimmt, um derentwillen Paulus von sich sagt, dass „er für Gott ein Wohlgeruch Christi sei“158; und ein Gefühl, wie es Johannes hatte, welcher sagt, dass „er das Wort des Lebens mit seinen Händen betastet habe“159. Die seligen Propheten haben diese „göttliche Erkenntnis“ gefunden; es war demnach ihr Sehen und Hören und Schmecken göttlicher Art, sie rochen sozusagen mit einem nicht wirklichen Sinne, sie ergriffen mittelst des Glaubens das Wort so, dass dessen Fülle sich über sie ergoß, um ihnen Heilung zu bringen. So sahen sie die Dinge, die sie nach ihrer Aufzeichnung gesehen haben, so hörten sie die Worte, von denen sie mitteilen, dass sie diese vernommen; und so war es bei ihnen mit den andern ähnlichen Dingen, die sie berichten, der Fall, zum Beispiel mit dem „Essen einer dargereichten Schiftrolle“160. Auf diese Weise „roch auch Isaak den Geruch“, der von seines Sohnes göttlichen „Kleidern“ ausging, und erteilte ihm geistlichen Segen mit den Worten: „Siehe, der Geruch meines Sohnes ist wie der Geruch eines vollen Feldes, das der Herr gesegnet hat“161. Auf ähnliche Art, in einer mehr geistigen als sinnlichen Weise, „berührte“ Jesus den Aussätzigen162, um ihn in doppelter Hinsicht, wie ich glaube, rein zu machen, nämlich so, dass er ihn nicht nur, wie die meisten die Stelle verstehen, von körperlichem Aussatze durch körperliche Berührung befreite, sondern auch von dem anderen Aussatze (dem der Seele) durch seine wahrhaft göttliche Berührung erlöste.

In diesem Sinne nun „bezeugte Johannes: Ich habe den Geist geschaut herabfahrend wie eine Taube vom Himmel, und er blieb auf ihm. Und ich kannte ihn nicht; aber der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, der sprach zu mir: Auf welchen du den Heiligen Geist herabfahren und auf ihm bleiben sehen wirst, dieser ist es, der mit heiligem Geiste tauft. Und ich habe es gesehen und bezeugt, dass dieser der Sohn Gottes ist“163. Für Jesus öffneten sich die Himmel; und damals hat, wie geschrieben steht164, außer Johannes keiner die Himmel geöffnet gesehen. Der Heiland aber sagt seinen Jüngern voraus, dass auch sie dereinst die Himmel offen sehen würden, indem er spricht: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, ihr werdet den Himmel offen und die Engel Gottes hinauf- und herabsteigen sehen auf den Sohn des Menschen“165. Und so wurde Paulus, weil er ein Jünger Jesu war, „in den dritten Himmel entrückt“166, nachdem er ihn vorher offen gesehen hatte, Warum aber Paulus sagt: „Ob (es geschah) im Leibe, ich weiß es nicht, ob außer dem Leibe, ich weiß es nicht, Gott weiß es“167, dies jetzt zu erklären gehört nicht zu der vorliegenden Aufgabe.

Ferner will ich meiner Erörterung auch dies noch beifügen, dass Celsus meint, Jesus selbst habe erzählt, wie die Himmel sich öffneten und der Heilige Geist „in Gestalt einer Taube“ auf ihn beim Jordan herabkam, während die Schrift davon nichts erwähnt, dass er selbst gesagt habe, er hätte dies gesehen. Der gute Mann merkt nicht, dass der, welcher seinen Jüngern bei der Erscheinung auf dem Berge das Gebot gegeben hat: „Saget dieses Gesicht niemanden, bis der Sohn des Menschen von den Toten auferstanden ist“168, nicht wohl seinen Jüngern das beim Jordan von Johannes Gesehene und Gehörte mitgeteilt haben kann. Man darf aber auch auf den Charakter Jesu hinblicken, der überall vermied, von sich selbst zu reden, und deshalb sagt: „Wenn ich von mir selbst zeuge, so ist mein Zeugnis nicht wahr“169. Und da er es vermied, von sich selbst zu reden, und mehr durch seine Werke als durch seine Worte kund tun wollte, dass er der Messias sei, deshalb sagen die Juden zu ihm: „Wenn du der Christus bist, so sag es uns frei heraus!“170 Da es aber ein Jude ist, der bei Celsus zu Jesus über die Herabkunft des Heiligen Geistes „in Gestalt einer Taube“ bemerkt: „Außer dass du es sagst und noch einen einzigen von denen herbeibringst, die mit dir zugleich bestraft worden sind“ so müssen wir unsern Gegner darauf hinweisen, dass er auch diese Worte ganz ungeschickt seiner jüdischen Person in den Mund gelegt hat. Denn die Juden stellen den Johannes gar nicht mit Jesus zusammen und auch nicht „die Bestrafung“ des Johannes mit „der Bestrafung“ Jesu. Und so zeigt es sich hier, dass Celsus, der von sich prahlt, dass er „alles wisse“, nicht gewußt hat, welche Worte er der Person des Juden Jesus gegenüber beilegen sollte.

49.

Hierauf läuft Celsus, ich weiß nicht wie, an dem wichtigsten Zeugnis für die Entstehung Jesu, seine Vorausverkündigung durch die jüdischen Propheten, durch Moses und die heiligen Männer, die vor und nach diesem gelebt haben, absichtlich vorbei. Vielleicht tat er es deshalb, weil er auf den Hinweis nichts zu sagen wußte, dass weder die Juden noch irgendeine Sekte es leugnet, dass der Messias171 vorausverkündigt worden sei. Doch vielleicht kannte er die Weissagungen gar nicht einmal, die von Jesus handeln. Denn wenn ihm bekannt gewesen wäre172, dass die Christen behaupten, viele Propheten hätten die Ankunft des Erlösers vorausgesagt, so hätte er die Person des Juden nicht Worte sprechen lassen, die sich für einen Samariter oder Sadduzäer besser schickten; sein Jude, den er redend auftreten läßt, würde dann nicht sprechen: „Aber es sagte mein Prophet einmal in Jerusalem, dass ein Sohn Gottes kommen werde, die Frommen zu richten und die Ungerechten zu bestrafen“** Denn es ist nicht ein einziger Prophet nur, der von Christus geweissagt hat. Und wenn die Samariter oder die Sadduzäer, die nur die Bücher des Moses gelten lassen, behaupten, dass jene Bücher Weissagungen auf den Messias enthalten, so sind diese Weissagungen jedenfalls nicht „in Jerusalem“ gegeben worden, da man von dieser Stadt in den Tagen des Moses noch nichts wußte. Möchte es also doch der Fall sein, dass alle Gegner und Bekämpfer des Christentums sich in so großer Unwissenheit wie Celsus befänden, nicht bloß über die Tatsachen, sondern auch über die einfachen Angaben der Schrift, und dass sie unseren Glauben in einer Weise angriffen, dass ihre Worte nicht die geringste Überredungskraft besäßen, und dass sie nicht imstande wären, die Unbeständigen und nur „für den Augenblick“ Glaubenden173 zwar nicht vom Glauben, aber von ihrem”geringen Glauben"174 abzubringen. Ein Jude aber würde wohl gar nicht zugeben, dass „irgendein Prophet gesagt habe, ein Sohn Gottes werde kommen“; denn was sie sagen, lautet: „der Christus (= der Gesalbte) Gottes werde kommen“. Und gar oft stellen sie an uns geradezu die Frage nach dem Sohne Gottes, als ob es einen solchen gar nicht gäbe und niemand von ihm geweissagt hätte. Wir wollen das nicht behaupten, dass „ein Sohn Gottes“ nicht geweissagt worden sei175, sondern nur, dass Celsus der Person des Juden, der so etwas nicht zugibt, höchst ungeschickt die Worte in den Mund gelegt hat: „Es sagte mein Prophet einmal in Jerusalem, dass ein Sohn Gottes kommen werde“**

50.

Als ob nun die Propheten von Jesus nur dies vorausgesagt hätten, „dass er die Frommen richten und die Ungerechten bestrafen werde“, und nicht auch den Ort seiner Geburt, noch sein Leiden, das er von den Juden erdulden sollte, noch seine Auferstehung, noch seine Wunder, die er wirken würde, fährt dann Celsus fort: Warum sollte diese Prophezeiung mehr auf dich gegen als auf tausend andere, die nach ihr gelebt haben? Und in der Absicht, glaublich zu machen, dass diese Weissagung auch auf „andere“ bezogen werden könnte, stellt er, ich weiß nicht wie, die Behauptung auf: „ Die einen erklären gottbegeistert, die andern, um zu betteln, dass von oben herab der Sohn Gottes gekommen sei“ Dass etwas Derartiges bei den Juden geschehen wäre, haben wir nirgends bestätigt gefunden. Zuerst nun haben wir zu bemerken, dass viele Propheten ihre Weissagungen von Christus auf mannigfache Art gegeben haben, die einen in dunklen Worten, die andern in bildlichem Ausdruck oder auf andere Weise, einige auch mit klaren und deutlichen Worten. Da nun Celsus im folgenden176 durch die Person des Juden dessen gläubig gewordenen Volksgenossen in schlimmer und böswilliger Weise vorhält, „die Prophezeiungen, welche auf Christus bezogen werden, könnten ebensogut auch auf andere Dinge passen“ so wollen wir von den vielen Prophezeiungen hier nur einige wenige anführen. Wer Lust hat, eine andere Beziehung derselben nachzuweisen, und zwar mit zwingenden Gründen, die erfahrenen Gläubigen177 von ihrem Glauben abwendig machen könnten, der möge dies versuchen.

51.

Was nun den Geburtsort des Christus betrifft. so sagt die Schrift, „dass von Bethlehem ausgehen wird der Führer“178, mit diesen Worten: „Und du, Bethlehem, Haus Ephratha, du bist am kleinsten unter tausenden Judas, aus dir wird mir hervorgehen der Herrscher in Israel, dessen Ausgang von Anbeginn ist, von Ewigkeit her.“179 Diese Weissagung dürfte wohl für keinen „der gottbegeisterten und bettelnden Männer“ passen, von denen der Jude bei Celsus sagt, dass „sie erklärten, von oben herab sei 180 gekommen“, wenn man nicht bestImmt nachweisen wird, dass er in Bethlehem geboren oder, nach anderer Auslegung, von Bethlehem181 ausgegangen ist, über das Volk zu herrschen. Wer aber für die Tatsache der Geburt Jesu in Bethlehem außer der Prophezeiung des Micha und dem Berichte seiner Jünger in den Evangelien noch andere Beweise will, der möge erwägen, dass man, in Übereinstimmung mit dem Bericht über seine Geburt in dem Evangelium, die Höhle in Bethlehem zeigt, wo er geboren wurde, und in dieser Höhle die Krippe, in die er in Windeln gewickelt gelegt wurde.182 Und was dort gezeigt wird, ist in diesen Gegenden auch bei den Nichtchristen eine bekannte Sache, so dass sie wissen, in dieser Höhle sei der von den Christen angebetete und bewunderte Jesus geboren. Ich bin aber der Ansicht, dass vor der Ankunft Christi die Hohenpriester und Schriftgelehrten der Juden wegen der Klarheit und Deutlichkeit der Weissagung lehrten, der Messias werde in Bethlehem geboren werden. Diese Lehre verbreitete sich auch unter der Mehrzahl der Juden. Daher erhielt Herodes, wie die Schrift berichtet, auf seine Anfrage von den jüdischen Hohenpriestern und Schriftgelehrten die Antwort, Christus werde in Bethlehem, einer Stadt in Judäa, geboren werden. woher David stammte.183 Ferner wird auch in dem Evangelium nach Johannes erzählt, dass die Juden sagten, der Messias werde in Bethlehem, woher David stammte, geboren werden.184 Nach der Ankunft Christi aber bemühten sich einige, die Annahme zu zerstören, dass über seine Geburt von alter Zeit her geweissagt worden sei, und beseitigten daher eine solche Lehre im Volke. Sie handelten ähnlich wie jene Juden, die die Soldaten der Grabeswache, welche Augenzeugen der Auferstehung Jesu von den Toten gewesen waren und dann dies meldeten, bestachen, indem sie diesen Augenzeugen 185 zu ihnen sprachen: „Ihr müßt sagen, seine Jünger haben ibn in der Nacht gestohlen, da wir schliefen. Und wenn dies dem Statthalter zu Ohren kommen sollte, so wollen wir ihn bereden und euch sicherstellen.“186

52.

Rechthaberei und Voreingenommenheit sind gefährlich, denn sie hindern die Leute, die damit behaftet sind187, selbst augenscheinliche Dinge zu sehen, nur um liebgewordene Ansichten nicht aufgeben zu müssen, die ihrer Seele Farbe und Gestalt verliehen haben. Leichter dürfte wohl ein Mensch andere Gewohnheiten, wenn er sich auch schwer von ihnen trennt, aufgeben, als seine Lieblingsmeinungen. Indessen macht man sich auch nicht leicht von jenen Dingen los, an die man sich gewöhnt hat, man trennt sich nicht gern von dem Haus, von der Stadt oder dem Dorf, von den Personen, die man lieb gewonnen hat. Dies ist also auch für viele Juden damals Ursache geworden, dass sie die offenkundigen Weissagungen und die Wunder, die Jesus wirkte, und sein Leiden, wie es aufgezeichnet ist, nicht klar erkennen konnten.188 Dass aber der menschlichen Natur etwas Derartiges widerfahren kann, wird bei der Erwägung klar werden, dass die Leute nicht leicht von Ansichten, die sie von Vorfahren und Mitbürgern übernommen haben und für die sie voreingenommen sind, ablassen, mögen diese auch ganz schmählich und einfältig sein. So wird man z.B. einen Ägyptier nicht leicht dahin bringen, dass er die von den Vätern übernommenen Anschauungen verachtet, dass er aufhört, dieses oder jenes unvernünftige Tier für Gott zu halten und lieber sterben zu wollen, als Fleisch von einem solchen Tiere zu genießen. Wenn wir nun diesen Punkt auch etwas ausführlicher geprüft und uns etwas länger bei Bethlehem und der Weissagung aufgehalten haben, die von Bethlehem handelt, so glauben wir hierin nur dem Gebote der Notwendigkeit zu gehorchen. Wir wollen uns nämlich gegen solche Leute verteidigen, die etwa sagen könnten: Wenn die unter den Juden verbreiteten Weissagungen über Jesus so klar waren, weshalb haben denn die Juden nach seiner Ankunft seine Lehre nicht angenommen, und weshalb haben sie sich nicht dem von Jesus ihnen gezeigten bessern Zustand zugewandt? Niemand aber soll den Gläubigen von uns etwas Ähnliches zum Vorwurf machen, wenn er sieht, dass für den Glauben an Jesus von dessen gelehrten Verteidigern nicht zu verachtende Gründe vorgebracht werden.

53.

Wenn es aber nötig ist, so wollen wir noch eine zweite Weissagung anführen, die sich unseres Erachtens deutlich auf Jesus bezieht, nämlich die, welche viele, viele Jahre vor der Ankunft Jesu von Moses aufgezeichnet worden ist. Dieser berichtet, Jakob habe vor seinem Hinscheiden jedem seiner Söhne eine Weissagung gegeben und da zu Juda unter anderem folgendes gesagt: „Nicht wird ausbleiben ein Herrscher aus Juda, noch ein Führer von seinen Lenden, bis das kommt, was ihm aufbewahrt ist.“189 Wenn jemand diese Prophezeiung liest, die in Wirklichkeit viel älter ist als Moses, von der aber ein Ungläubiger argwöhnen könnte, sie sei von Moses ausgesprochen, so dürfte er sich wohl wundern, wie dieser voraussagen konnte, dass die Könige der Juden, die künftigen Beherrscher des Volkes, aus dem Stamme Juda hervorgehen würden, da es doch zwölf Stämme unter ihnen gäbe, und dass deshalb auch das ganze Volk nach dem herrschenden Stamme „Juden“ genannt werden sollte. Und zweitens dürfte dem verständigen Leser dieser Prophezeiung an ihr auffallen, wie Moses nach der Verkündigung, dass die Herrscher und Führer des Volkes aus dem Stamme Juda sein würden, auch das Ende dieser Herrschaft in den Worten bestimmte: „Es werde nicht ausbleiben, ein Herrscher aus Juda, noch ein Führer von seinen Lenden“, „bis das kommt, was ihm aufbewahrt ist; und er ist die Erwartung der Völker“. Denn es „kam, dem es aufbewahrt ist“, der Gesalbte Gottes, „der Herrscher“, von dem die göttlichen Verheißungen reden. Und offenbar ist er allein von allen, die vor ihm kamen, und auch, wie ich zuversichtlich behaupten möchte, von allen, die nach ihm kommen werden, „die Erwartung der Völker“. Denn aus allen Völkern stammen sie, die durch ihn an Gott glauben, und auf seinen Namen haben die Völker ihre Hoffnung gesetzt nach dem Worte des Jesaja, welcher sagt: „Auf seinen Namen werden die Völker hoffen.“190 Er ist es auch, der zu „den Gefangenen“ insofern „ein jeder durch die Ketten seiner eigenen Sünden gefesselt wird“191, das Wort gesprochen hat: „Gehet heraus“, und zu denen, die sich in (der Nacht) der Unwissenheit befanden, die Mahnung, „ans Licht zu kommen“192. Solches aber ist vorausgesagt in den Worten: „Und ich habe dich gegeben zum Bunde der Völker, um das Land aufzurichten und die Erbschaft des verwüsteten Gebietes anzutreten und den Gefangenen zu sagen: Gehet heraus, und denen in der Finsternis: Kommt ans Licht!“193 Man kann auch sehen, dass bei der Erscheinung Jesu an den in frommer Einfalt Glaubenden überall auf der Erde das Wort erfüllt wird: „Und an allen Straßen ist ihr Weidegrund.“194

54.

Weil aber Celsus, der „alle“ Lehren unseres Glaubens kennen will, den Erlöser wegen seines Leidens verhöhnt, „als wäre ihm nicht von dem Vater geholfen worden, oder er selbst habe sich nicht helfen können“, so müssen wir daran erinnern, dass sein Leiden zugleich mit der Ursache des Leidens vorhergesagt war,195 dass es nämlich für die Menschen heilsam wäre, wenn er für sie starb und die Wunden bei seiner Verurteilung erduldete.196 Es war aber auch vorausverkündet worden, dass ihn die Heiden, bei denen die Propheten nicht gelebt haben, „vernehmen würden“197, und es war gesagt worden, dass er „mit einer Gestalt“ gesehen werden würde, die bei den Menschen als „ungeehrt“ erscheint.198 So aber lautet die Stelle: „Siehe, mein Knecht wird es recht verstehen, er wird erhöht und gepriesen werden und sehr erhaben sein. Gleich wie sich viele über dich entsetzen werden - so unrühmlich wird deine Gestalt sein unter den Menschen und so nichtig dein Ruhm unter den Menschenkindern -, ebenso werden viele Völker über ihn staunen, und Könige werden ihren Mund verschließen. Denn die, denen nichts von ihm verkündigt worden ist, werden (ihn) sehen, und die nichts (von ihm) gehört haben, werden ihn vernehmen. Herr, wer hat dem, was wir gehört haben, geglaubt? Und der Arm des Herrn, wem ward er kund? Wir verkündeten ihn als ein Kind vor dem Herrn, als eine Wurzel in dürrem Lande. Gestalt und Ansehen hat er nicht. Und wir sahen ihn, und er hatte nicht Gestalt noch Schönheit; sondern seine Gestalt war ungeehrt und verschwindend gegenüber allen Menschen. Ein Mann in Leiden, der gelernt hat, Schwachheit zu tragen. Denn sein Antlitz war abgewendet, mit Schmach war er bedeckt, und man achtete seiner nicht. Dieser trägt unsere Sünden und duldet Schmerzen um unseretwillen, und wir hielten ihn für einen Mann in Not und in Leiden und in Erniedrigung. Aber er ist verwundet um unserer Sünden willen und zerschlagen wegen unserer Missetaten; unseres Friedens wegen liegt Züchtigung auf ihm, und durch seine Wunden wurden wir geheilt. Wir alle gingen in der Irre wie Schafe, ein jeglicher wich ab nach seinem Wege; und der Herr hat ihn hingegeben für unsere Sünden. Und er öffnet seinen Mund nicht ob des Bösen, das man ihm antut. [Wie ein Schaf wurde er zur Schlachtbank geführt, und wie ein Lamm vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf.] In seiner Erniedrigung wurde sein Gericht hinweggenommen. Wer kann sein Geschlecht erklären? Denn sein Leben wird hinweggenommen von der Erde, um der Missetaten meines Volkes willen wurde er zum Tode geführt.“199

55.

Ich erinnere mich, wie ich einmal in einer Disputation mit Juden, die als große Gelehrte galten, von diesen Weissagungen Gebrauch gemacht habe. Mein jüdischer Gegner sagte, diese Weissagungen, die scheinbar von einer Person handelten, seien von dem ganzen Volke zu verstehen, das in der Zerstreuung gelebt habe und geschlagen worden sei, damit infolge der Zerstreuung der Juden unter den andern Völkern viele neue Bekenner des Glaubens gewonnen würden. In diesem Sinne erklärte er die Worte: „Unrühmlich wird deine Gestalt sein unter den Menschen“200 und die andern: „Die, denen nichts von ihm verkündigt worden ist, werden (ihn) sehen“201, sowie auch die: „Ein Mann in Leiden.“202 Es wurden damals in der Disputation (von mir) viele Gründe angegeben, um zu erweisen, dass sich diese Prophezeiungen auf eine einzelne Person beziehen und von jenen mit Unrecht auf das ganze Volk gedeutet werden. Ich fragte sie, welche Person es wäre, die spricht: „Dieser trägt unsere Sünden und duldet Schmerzen um unsertwillen“203, und: „Aber er ist verwundet um unserer Sünden willen und zerschlagen wegen unserer Missetaten“204 wessen Person es war, die sagt: „Durch seine Wunden wurden wir geheilt.“205 Offenbar sprechen bei dem Propheten, der die Zukunft voraussah und auf Eingebung des Heiligen Geistes den Redenden die Worte in den Mund legte, diejenigen so, welche in Sünden befangen waren und durch das Leiden des Erlösers geheilt wurden, mochten sie nun de, jüdischen Volke angehören oder (bekehrte) Heiden sein. Ganz besonders aber schienen wir den Gegner durch die folgende Stelle in die Enge zu treiben: „Um der Missetaten meines Volkes willen wurde er zum Tode geführt.“206 Denn wenn nach der Meinung jener Juden diese Weissagung auf das Volk zu beziehen ist, wie kann es dann heißen, „dass dieser wegen der Missetaten des Volkes Gottes zum Tode geführt sei“, wenn er vom Volke Gottes nicht verschieden, sondern mit ihm eins ist? Und wer anders als Jesus Christus ist dieser Mann, „durch dessen Wunden wir geheilt wurden“, die wir an ihn glauben, der „die Herrschaften und Mächte, die uns unterjocht hatten, entwaffnete und sie freimütig am Kreuz an den Pranger stellte“207? Jeden einzelnen Punkt der Prophezeiung aber klar zu legen und nichts hiervon ungeprüft zu lassen, das heben wir für eine andere Gelegenheit auf. Diesen Gegenstand haben wir schon zu ausführlich erörtert, jedoch, wie ich glaube, durch die Äußerungen des Juden bei Celsus dazu genötigt.

56.

Nicht bemerkt haben aber Celsus und sein Jude, sowie alle, die nicht an Jesus glauben, dass die Weissagungen von einer zweimaligen Ankunft Christi reden: von der früheren in menschlicher Schwäche und Niedrigkeit, um durch seinen Wandel unter den Menschen den Weg, der zu Gott führt, zu lehren und keinem der im irdischen Leben stehenden Menschen die Möglichkeit der Entschuldigung zu lassen, dass er von dem künftigen Gerichte nichts erfahren hätte; und von einer anderen Ankunft in Herrlichkeit und nur in göttlicher Art, die kein menschliches Leiden mehr, verflochten mit der Göttlichkeit, kennt. Es würde uns allzusehr aufhalten, wenn wir 208 die Weissagungen anführen wollten; es mag für jetzt genügen, die eine aus dem vierundvierzigsten Psalm mitzuteilen, dessen Überschrift unter anderem auch die Bezeichnung enthält: „Ein Lobgesang auf den Geliebten“, und in dem er deutlich Gott genannt wird in den Worten:”Anmut ist ausgegossen über deine Lippen; darum hat dich Gott gesegnet in Ewigkeit. Gürte dein Schwert um deine Hüfte, Gewaltiger, in deiner Jugendkraft und deiner Schönheit! Und strenge dich an und habe guten Fortgang und herrsche um der Wahrheit und Sanftmut und Gerechtigkeit willen, so wird dich wunderbar führen deine Rechte.

Deine Pfeile sind scharf, Gewaltiger, Völker werden unter dir fallen; (sie gehen) ins Herz der Feinde des Königs.“209 Betrachte dann aufmerksam die folgenden Worte, in denen er Gott genannt wird! Sie lauten: “Dein Thron, o Gott, steht immer und ewig, ein Szepter der Gerechtigkeit ist das Szepter deines Reiches. Du liebtest Gerechtigkeit und haßtest Ungesetzlichkeit; deshalb hat dich, o Gott, dein Gott mit Freudenöl gesalbt, mehr als deine Genossen.”210 Beachte, wie der Prophet seine Worte an Gott richtet, von dem er sagt, “dass sein Thron immer und ewig steht, und dass das Szepter seines Reiches ein Szepter der Gerechtigkeit ist”, und wie er trotzdem sagt, dass “dieser Gott gesalbt worden ist von Gott, der sein Gott war”; dass er aber gesalbt ist, “weil er mehr als seine Genossen Gerechtigkeit geliebt und Ungesetzlichkeit gehaßt hat”. Und ich erinnere mich, wie ich jenen Juden, der für einen Gelehrten galt, mit dieser Stelle gar sehr in die Enge trieb. Da er nicht wußte, was er mit ihr anfangen sollte, gab er entsprechend seinem jüdischen Standpunkt die Antwort. Er sagte 211, dass an den Gott der Welt diese Worte gerichtet seien: “Dein Thron, o Gott, steht immer und ewig, ein Szepter der Gerechtigkeit ist das Szepter deines Reiches”212, an den Messias dagegen die folgenden: “Du liebtest Gerechtigkeit und haßtest Ungesetzlichkeit, deshalb hat dich, o Gott, dein Gott gesalbt usw.213

57.

Ferner sagt der Jude des Celsus zu dem Heiland: „Wenn du das sagst, dass jeder Mensch, den die göttliche Vorsehung entstehen ließ, ein Sohn Gottes ist, was hast du dann wohl vor einem anderen voraus?“ Darauf erwidern wir ihm: Jeder ist „ein Sohn Gottes“, der nach dem Ausspruch des Paulus nicht mehr von Furcht getrieben wird, sondern das Gute um seiner selbst willen wählt.214 Zwischen dem aber, der wegen seiner Tugenden „Sohn Gottes“ wird und zwischen Jesus ist ein großer und weiter Abstand; denn dieser ist gleichsam Quelle und Ursprung solcher Kindschaft. Die Stelle bei Paulus lautet aber so: „Denn ihr habt nicht empfangen einen Geist der Knechtschaft wiederum zur Furcht, sondern ihr habt empfangen einen Geist der Sohnschaft, in welchem wir rufen: Abba, Vater“215. Einige aber - <oder216> „Unzählige“, wie Celsus seinen Juden sprechen läßt -„werden dann auch gegen Jesus mit der Behauptung auftreten, dass die Weissagungen, die auf ihn bezogen würden, über sie ausgesprochen wären“. Wir wissen nun nicht, ob Celsus einige kannte, die, nachdem sie auf die Welt gekommen, solche Werke wie Jesus vollbringen und sich auch für „Söhne Gottes“ oder „Gottes Kraft“ ausgeben wollten.217 Da wir aber aus Liebe zur Wahrheit alle Angaben prüfen, so können wir erwidern: Vor der Geburt Jesu lebte unter den Juden ein gewisser Theudas, der sich „für einen Großen“ ausgab. Nach seinem Tode aber zerstreuten sich die von ihm Betrogenen.218 Und nach jenem, „in den Tagen der Schatzung“, damals, wie mir scheint, als Jesus geboren wurde, bewog ein gewisser Judas aus Galiläa viele mit ihm zum Abfall von dem Judenvolke, da er im Ruf eines weisen Mannes stand, der einige Neuerungen vornahm. Als auch ihn die Strafe ereilt hatte, ging seine Lehre zugrunde, und nur ganz wenige und ganz unbedeutende Leute blieben ihr treu.219

Nach den Tagen Jesu wollte Dositheus aus Samaria220 die Samaritaner zum Glauben bringen, dass er der von Moses angekündigte Messias221 sei, und schien auch einige durch seine Lehre gewonnen zu haben. Es dürfte hier aber ganz am Platze sein, den weisen Ausspruch des Gamaliel, den wir in der Apostelgeschichte lesen222 anzuführen und zu zeigen, dass sich die Weissagung nicht auf die genannten Personen bezog, da sie weder „Söhne Gottes“, noch „Kräfte Gottes“ waren, während dagegen der Christus Jesus in Wahrheit „Sohn Gottes“ war. Gamaliel sagte nämlich dort: „Denn wenn dieser Ratschluß und diese Lehre von Menschen ist, so wird sie zunichte werden“, wie auch die Werke der oben Erwähnten nach ihrem Tode zunichte wurden; „ist sie aber von Gott, so werdet ihr dessen Lehre nicht zerstören können, um nicht gar als Widersacher Gottes erfunden zu werden.“223 Auch der Zauberer Simon aus Samaria wollte durch seine Zauberkünste Anhänger gewinnen.224 Und damals verstand er (manchen) zu täuschen; gegenwärtig aber beträgt die Zahl aller Simonianer, die man auf der ganzen Erde finden kann, nach meiner Meinung kaum dreißig225 und vielleicht ist diese Ziffer schon zu hoch gegriffen. Es gibt nur äußerst wenige in Palästia, auf dem übrigen Erdkreis aber, über den er seinen Ruhm ausbreiteten wollte, ist sein Name völlig unbekannt. Denn wo er bekannt ist, ist er nur aus der Apostelgeschichte bekannt, nur Christen sind es, die noch von ihm reden; und der Augenschein hat bezeugt, dass Simon nichts Göttliches war.

58.

Hierauf setzt der Jude bei Celsus an Stelle der im Evangelium genannten „Magier“226 „Chaldäer“ ein und sagt: „Nach der Angabe Jesu hätten sich diese bei seiner Geburt aufgemacht und seien gekommen, um ihn in seiner zartesten Kindheit als Gott anzubeten227; sie hätten ihr Vorhaben dem Vierfürsten Herodes mitgeteilt228; der aber hätte Leute ausgeschickt und die Kinder töten lassen, die zur selben Zeit geboren worden waren, in der Meinung, auch diesen zugleich mit ihnen umgebracht zu haben, damit er nicht, wenn er das nötige Alter erreicht hätte, zur Königswürde gelange229“ Man beachte nun hier den Irrtum dieses Menschen, der „Magier“ und „Chaldäer“ nicht auseinander zu halten weiß, ihre verschiedene Berufstätigkeit nicht in Betracht zieht und deshalb den evangelischen Bericht entstellt und verleumdet. Ich weiß nicht, warum er die Veranlassung, welche die Magier zu ihrer Reise bestimmte, verschwiegen und nicht angegeben hat, dass dies nach dem Bericht der Schrift „ein von ihnen gesehener Stern im Osten“ gewesen ist230. Wir wollen nun sehen, was wir auch hierzu zu sagen haben. Wir sind der Meinung, dass „der im Osten gesehene Stern“ ein neuer war und keinem der gewöhnlichen glich weder einem der Fixsterne, noch einem in den unteren Sphären, dass er vielmehr jener Art von Sternen angehörte, die von Zeit zu Zeit erscheinen und Kometen oder Schweifsterne oder Bartsterne oder Faßsterne heißen, oder wie nur immer die Griechen ihre verschiedene Gestalt zu bezeichnen pflegen. Unsere Behauptung aber beweisen wir auf diese Art.

59.

Man hat die Beobachtung gemacht, dass bei dem Eintritt großer Ereignisse und gewaltiger Veränderungen auf Erden solche Sterne erscheinen, um entweder den Umsturz von Königreichen oder den Ausbruch von Kriegen oder irgendwelche andere menschliche Vorkommnisse anzuzeigen, die die irdischen Verhältnisse zu erschüttern vermögen. In der Abhandlung des Stoikers Chaimeron Über die Kometen haben wir aber gelesen, wie die Kometen manchmal auch bei dem Eintritt glücklicher Ereignisse erschienen seien; für diese Behauptung legt er auch den Bericht über diese Ereignisse vor231. Wenn nun beim Entstehen neuer Reiche oder oder anderen wichtigen Begebenheiten auf Erden Kometen oder andere Sterne ähnlicher Art erscheinen, wen darf es dann wundernehmen, wenn die Erscheinung eines Sternes die Geburt desjenigen begleitete, der in dem Menschengeschlechte eine Neugestaltung vollziehen und seine Lehre nicht bloß den Juden, sondern auch den Griechen und vielen barbarischen Völkern kundmachen sollte? Ich möchte nun sagen, dass über die Kometen keine Prophezeiung vorliege, nach welcher bei Errichtung dieses oder jenes Reiches oder zu dieser oder jener Zeit ein solcher Komet erscheinen würde; von dem Stern aber, der bei der Geburt Jesu erschienen ist, hat Balaam geweissagt in den Worten, die wir bei Moses lesen: „Es wird ein Stern aufgehen aus Jakob und ein Mann aufstehen aus Israel.“232 . Wenn ich aber auch die Erzählung des Evangeliums von den Magiern und von der Erscheinung des Sternes bei der Geburt Jesu prüfen muß, so möchte ich darüber teils zu den Griechen, teils zu den Juden folgendes sagen.

60.

Zu den Griechen nun dies: Die Magier stehen mit den Dämonen im Verkehr, sie rufen diese an, um Beistand bei den Dingen, die sie nach den Regeln ihrer Wissenschaft vollbringen wollen, und erreichen dann ihre Absichten, solange kein göttlicheres und stärkeres Wesen als die Dämonen und die Beschwörung, durch die sie gerufen werden, erscheint oder genannt wird. Wenn aber eine göttlichere Erscheinung eintritt, dann verlieren die Dämonen ihre Kraft, da sie das göttliche Licht nicht ertragen können. Wahrscheinlich wurden nun auch bei der Geburt Jesu, „als die Menge des himmlischen Heeres“, wie Lukas erzählt und wie ich glaube, Gott lobte und sprach: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden, unter den Menschen Wohlgefallen“233, weshalb die Dämonen schlaff und ohnmächtig, denn ihr Trug war aufgedeckt und ihre Wirksamkeit vernichtet, sie waren nicht nur durch die wegen Jesu Geburt auf der Erde weilenden Engel überwunden, sondern auch durch die Seelenkraft Jesu und die in ihm waltende Göttlichkeit. Als nun die Magier die gewohnten Wirkungen erzielen wollten, die sie früher durch gewisse Beschwörungsformeln und Zauberkünste vollbrachten, <damals aber nicht erzielen konnten234>, so forschten sie nach der Ursache, die ihrer Meinung nach eine außerordentliche sein mußte. Und da sie ein göttliches Zeichen am Himmel bemerkten, so wollten sie dessen Bedeutung erfahren. Nach meiner Ansicht kannten sie die auch von Moses aufgezeichneten Weissagungen Balaams, der in solchen Sachen ebenfalls bewandert war, und fanden da auch diese Prophezeiung von dem Stern: „Ich werde ihm zeigen, und nicht jetzt; ich preise ihn, und nicht wird er nahe sein“235.

Da vermuteten sie, es müsse der Mensch ins Leben eingetreten sein, welcher mit dem Stern verkündet war; und weil sie ihn für mächtiger hielten als alle Dämonen, auch als die, die ihnen gewöhnlich erschienen und dienten, so sollten sie ihm ihre „Anbetung“ erweisen236. Sie kamen also nach Judäa mit der Überzeugung, dass „ein König geboren sei“; oder in der Erkenntnis, wo er geboren werden würde, aber ohne zu wissen, welches Reich er beherrschen sollte. Sie brachten „Geschenke“ mit, welche sie, um mich so auszudrücken, jemandem „darbringen“ wollten, der aus Gott und sterblichen Menschen zusammengesetzt war, „das Gold“, um seine Königswürde, „die Myrrhen“, um seinen Tod, „den Weihrauch“, um seine Gottheit sinnbildlich anzudeuten237. Diese Geschenke brachten sie ihm dar, nachdem sie den Ort seiner Geburt erfahren hatten. Weil aber der Retter des Menschengeschlechtes Gott war, erhaben über die Engel, welche den Menschen hilfreich zur Seite stehen, so belohnte ein Engel die bei der Anbetung238 Jesu bewiesene Frömmigkeit der Magier, indem er ihnen Bescheid gab, sie sollten nicht wieder zu Herodes gehen, sondern auf einem andern Weg in ihre Heimat zurückkehren.

61.

Wenn aber Herodes dem Neugeborenen nach dem Leben trachtete239, so ist dies nicht wunderbar, mag auch der Jude bei Celsus die Wahrheit dieser Tatsache bezweifeln. Denn die Bosheit ist eine gewisse blinde Macht, sie hält sich für stärker als das Schicksal und will es bezwingen. Das war auch bei Herodes der Fall, er war des Glaubens, dass ein König der Juden geboren sei, und faßte trotzdem einen Entschluß, der diesem Glauben widersprach; er übersah, dass das Kind entweder in jedem Fall ein König sei und zum Throne gelangen würde, oder dass es nicht König sein würde, und seine Ermordung also unnötig wäre. Er wollte ihn nun töten in seiner Bosheit von Gedanken beherrscht und geleitet, die sich widersprachen und von dem blinden und argen Teufel angetrieben, der dem Heiland bereits von Anfang an nachstellte, da er sich sagte, dass dieser etwas Großes sei und sein würde. Ein „Engel“, der die Abfolge der Ereignisse beobachtete, gab nun, wenn Celsus dies auch nicht glauben will dem Joseph die Weisung, er solle mit dem Kind und dessen Mutter „nach Ägypten fliehen“240. Herodes aber ließ „alle Kinder in Bethlehem und in der nächsten Umgebung dieser Stadt ermorden“,in der Meinung, er werde so auch den neugeborenen König der Juden mit umbringen.241 Er sah ja die Macht nicht, die rastlos über jenen wacht, die des Schutzes und der Erhaltung für das Heil der Menschheit würdig sind.

Unter diesen allen war aber Jesus der erste und größte an Ehre und Würde, berufen, ein König zu sein, jedoch nicht so, wie Herodes es meinte, sondern wie es sich für einen gebührte, den Gott mit dem Königtum betraute, um den vom Könige Regierten Gutes zu tun, ein König, der sozusagen keine mittelmäßige und gleichgültige Wohltätigkeit gegen seine Untertanen üben, sondern sie durch wahrhaft göttliche Gesetze erziehen und gewinnen sollte. Dessen war sich auch Jesus bewusst; deshalb sagte er, er sei kein König in dem Sinne, wie der große Haufe es erwartete und wies auf den außerordentlichen Charakter seines Reiches mit den Worten hin: „Wäre mein Reich von dieser Welt, so würden wohl meine Diener kämpfen, dass ich den Juden nicht ausgeliefert würde; nun aber ist mein Reich nicht von dieser Welt“242. Wenn Celsus dies beachtet hätte, so würde er nicht sagen: „ Wenn (dies aber Herodes tat), damit du nicht herangewachsen in seiner Stadt König wärst, warum bist du, nachdem du herangewachsen warst, nicht König, sondern bettelst so unmännlich, du, der Sohn Gottes, und versteckst dich aus Furcht und ziehst in Jammer und Elend herum?“ Aber es ist nicht „unmännlich“ den Gefahren nach Heilsveranstaltung auszuweichen und sich ihnen nicht auszusetzen, nicht aus Furcht die dem Tode, sondern in der Absicht, den Menschen durch ein längeres Leben Gutes zu erweisen, bis die geeignete Stunde gekommen war, dass der, welcher menschliche Natur angenommen hatte, den Tod eines Menschen starb, der ein großes Heil für die Menschen bedeutete. Dies ist klar für jeden, der erkannt hat, dass Jesus für die Menschen gestorben ist. Hierüber haben wir, so gut wir es konnten, bereits oben243 gesprochen.

62.

Hierauf sagt Celsus, der nicht einmal die Zahl der Apostel kennt: „ Jesus habe zehn oder elf verrufene Menschen an sich gefesselt, ganz nichtswürdige Zöllner und Schiffer; mit diesen sei es dann hierhin und dorthin weggelaufen und habe sich schimpflich und kümmerlich Lebensunterhalt verschafft“ Wir wollen auch diese Behauptung nach Kräften widerlegen. Den Lesern der evangelischen Schriften, die Celsus nicht einmal eingesehen zu haben scheint, ist bekannt, dass Jesus sich zwölf Apostel erwählte244, und dass nur einer ein „Zöllner“ war, nämlich Matthäus245. Wenn er einige von ihnen irrtümlich „Schiffer“ nennt, so meint er damit vielleicht den Jakobus und Johannes, da diese ihr Schiff und „ihren Vater Zebedäus“ verlassen hatten, um Jesus nachzufolgen246. Denn Petrus und sein Bruder Andreas, die mit ihren Netzen den nötigen Unterhalt verdienten247 dürfen nicht zu den Schiffern, sondern müssen vielmehr nach den Worten der Schrift zu den „Fischern“ gerechnet werden248. Auch der „Zöllner“ Levi mag Jesus nachgefolgt sein, aber zur Zahl der Apostel gehörte er nicht, außer nach einigen Handschriften des Evangeliums nach Markus249. Welches Gewerbe die übrigen trieben, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ehe sie Jünger Jesu wurden, das wissen wir nicht.

Gegenüber solchen Aufstellungen bemerke ich: Wer das Wirken der Apostel Jesu verständig und ohne Vorurteil zu betrachten vermag, kommt zu der Ansicht, dass sie mit göttlicher Kraft das Christentum lehrten und es so erreichten, die Menschen dem Worte Gottes zu gewinnen. Denn es war bei ihnen nicht der Besitz jener Redegewandtheit und schönen Ordnung des Ausdrucks wie die dialektische oder rhetorische Kunst der Griechen es fordert, was ihre Zuhörer gefangen nahm. Und ich bin der Meinung, wenn Jesus zur Verkündigung seiner Lehre Männer ausgewählt hätte, die nach der Auffassung der großen Menge weise und geeignet waren, nach Gefallen des Volks zu denken und zu reden, so würde man wohl mit Fug und Recht geargwöhnt haben, Jesus habe sich eines ähnlichen Verfahrens bedient250, wie die Gründer einer Philosophenschule: es wäre dann auch die Erfüllung der Verheißung von der Göttlichkeit seiner Lehre nicht mehr sichtbar zutage getreten, da „das Wort und die Verkündigung“ in „Überredungskunst der Weisheit“ bestanden hätte, die sich auf (schönen) Ausdruck und (gefällige) Darstellung stützt; und so würde dann „der Glaube“ geradeso wie es bei dem Glauben der Weltweisen an ihre Lehren der Fall ist, auf „Menschenweisheit“ und nicht auf „Gottes Kraft“ sich gründen251. Wenn man aber sieht, wie „Fischer“ und „Zöllner“, welche „nicht einmal die Anfangsgründe der Wissenschaft kennen“252 - so schildert sie uns das Evangelium, und Celsus glaubt ihnen darin, dass sie nämlich die Wahrheit sagen, wenn sie sich als ungelehrte Leute bezeichnen -, unerschrockenen Mutes nicht nur vor Juden von dem Glauben an Jesus reden, sondern ihn auch bei den übrigen Völkern mit Erfolg verkündigen, wird man dann nicht fragen, woher die überzeugende Kraft ihrer Worte stammte, da sie doch anders geartet war als die bei der großen Menge geltende?

Wer wollte auch in Abrede stellen, dass Jesus das Wort: „Folget mir nach, und ich will euch zu Menschenfischern machen“253 durch eine göttliche Kraft an seinen Aposteln erfüllt hat? Auf diese Kraft weist auch Paulus, wie wir bereits oben bemerkt haben, hin, wenn er sagt: „Und mein Wort und meine Verkündigung bestand nicht in Überredungskunst menschlicher254 Weisheit, sondern in Erweisung von Geist und Kraft, damit unser Glaube nicht auf Menschen-Weisheit, sondern aus Gottes Kraft beruhe“255. Denn wie wir bei den Propheten, die die Predigt des Evangeliums vorausverkünden, lesen, „gab der Herr das Wort den Verkündigern der frohen Botschaft mit großer Kraft, der König der Heerscharen des Vielgeliebten“256, damit auch die andere Weissagung: „Mit Schnelligkeit wird sein Wort laufen“257 erfüllt würde. Wir sehen es ja, „dass in alle Lande ausgegangen ist die Stimme“ der Apostel Jesu, „und bis zu den Enden des Erdkreises ihre Worte“258. Deshalb werden auch die, welche das mit Kraft verkündete Wort hören, selbst mit Kraft erfüllt und erweisen diese durch ihre Gesinnung und ihr Leben und ihr Kämpfen für die Wahrheit bis zum Tode. Einige aber bleiben innerlich leer, wenn sie auch von sich ausgeben, dass sie durch Jesus an Gott glauben, Leute, die ohne göttliche Kraft zu besitzen, doch meinen, Zugang zu dem Worte Gottes zu finden.

Ich habe bereits oben259 einen Ausspruch des Heilands aus dem Evangelium angeführt, nichtsdestoweniger will ich ihn auch jetzt an passender Stelle verwenden und auf das dort herrlich offenbarte Vorherwissen unseres Heilandes über die Verkündigung des Evangeliums und die Kraft seines Wortes hinweisen, welche die Unterstützung von Lehrern nicht braucht, um die Gläubigen durch die mit göttlicher Kraft verbundene Überzeugung zu beherrschen. Jesus sagt nun: „Die Ernte ist zwar groß, aber der Arbeiter sind wenige; bittet also den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter hergebe zu seiner Ernte“260.

63.

Celsus sprach auch von „verrufenen Menschen“, indem er die Apostel als „ganz nichtswürdige Zöllner und Schiffer“ bezeichnete. Wir haben darauf zu bemerken: Um gegen die christliche Lehre Beschuldigungen erheben zu können, scheint er der Schrift nur da zu glauben, wo es ihm gefällt, um aber die deutlich gezeigte und in denselben Büchern offenbarte Gottheit nicht annehmen zu müssen, scheint er den Evangelien den Glauben zu versagen. Und doch hätte er die Wahrheitsliebe der Schriftsteller daraus ersehen sollen, dass sie auch die geringeren Dinge aufzeichnen, und hätte ihnen deshalb auch bei den göttlichen Dingen Glauben schenken müssen. Nun steht in dem katholischen Briefe des Barnabas, woher vermutlich Celsus seine Behauptung entnommen hat, die Apostel seien „verrufene und ganz nichtswürdige“ Menschen gewesen, folgendes geschrieben: „Jesus erwählte zu seinen Aposteln Leute, die an Gesetzlosigkeit alle ihre Mitmenschen übertrafen“261 Und in dem Evangelium nach Lukas sagt Petrus zu Jesus: „Gehe hinaus von mir, da ich ein sündiger Mensch bin, Herr!“262 Aber auch Paulus, der in späterer Zeit ebenfalls ein Apostel Jesu wurde, sagt im Brief an Timotheus: „Gewiß ist das Wort, dass Jesus Christus gekommen ist in die Welt, Sünder zu retten, von denen ich der erste bin.“263 Ich weiß nun nicht, wie Celsus es vergessen oder übersehen hat, etwas von Paulus zu erwähnen, der nach Jesus die Gemeinden in Christus begründet hat. Er sah vielleicht, dass, wenn er von Paulus reden würde, eine Erklärung nötig wäre, wie dieser zwar früher die Kirche Gottes verfolgte und die Gläubigen heftig bekämpfte, so dass er die Jünger Jesu selbst zum Tode schleppen wollte, später aber sich so gründlich bekehrte, dass er „von Jerusalem bis Illyrien die Verkündigung von Christus erfüllte und seine Ehre darein setzte, das Evangelium so zu predigen, dass er nicht auf fremdem Grunde bauen wollte, sondern dort, wo das Evangelium Gottes im Namen Christi noch nicht gepredigt worden war.“264 Ist es nun sinnlos, wenn Jesus, um dem Menschengeschlechte darzutun, eine wie große Heilkraft der Seelen er besitze, diese „verrufenen und ganz nichtswürdigen Leute“ erwählte und es mit ihnen so weit brachte, dass sie Muster der reinsten Gesinnung für die waren, die durch sie zum Evangelium Christi geführt wurden?

64.

Wenn wir aber den Bekehrten die Sünden ihres früheren Lebens vorwerfen wollten, so müßten wir auch gegen Phädon, obwohl er sich der Philosophie zugewandt hatte, Klage erheben. Denn Sokrates nahm ihn, wie die Geschichte berichtet, aus einem schlechten Hause heraus und führte ihn dem Studium der Philosophie zu.265 Auch die Ausschweifungen des Polemon266, des Nachfolgers des Xenokrates, werden wir dann der Philosophie zur Last legen dürfen, während wir doch gerade dies an ihr billigen müssen, dass ihre Lehre im Mund ihrer Anhänger die Kraft besaß, Männer, die vorher in so großen Sünden befangen waren, davon zu befreien. Bei den Griechen nun finden wir nur einen Phädon, ich wenigstens weiß von keinem zweiten, und einen Polemon, die ein unsittliches und lasterhaftes Leben aufgaben und sich dem Studium der Philosophie zuwandten; bei Jesus aber sind es nicht nur die Zwölf in jenen Tagen, sondern auch zu allen Zeiten Unzählige, die zu einem Chor von Weisen geworden von ihrem früheren Leben sagen können; „Denn auch wir waren einst unverständig, ungehorsam, irrend, Sklaven von mancherlei Begierden und Lüsten, lebten in Bosheit und Neid, waren hassenswert und haßten einander. Als aber die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Heilandes, erschien“, da sind wir „durch ein Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des Geistes, den er267 auf uns ausgegossen hat“268, das geworden, was wir jetzt sind.

Denn Gott „sandte sein Wort aus“, wie der Prophet in den Psalmen lehrt, „und heilte sie und errettete sie aus ihrem Verderben“269. Dem Gesagten270 möchte ich noch beifügen, dass Chrysippos in seinem Buche Von der Heilung der Leidenschaften den Versuch macht, den menschlichen Leidenschaften Einhalt zu tun und die Opfer derselben nach den Grundsätzen der verschiedenen philosophischen Schulen zu heilen, ohne selbst zu erklären, welches denn die wahre Lehre sei. Er sagt: „Ist die Lust das höchste Gut, so sind die Leidenschaften auf solche Art zu heilen. Gibt es aber drei Arten von Gütern, dann hat man eben auf diese Lehre Rücksicht zu nehmen und nach ihr die Menschen von den Leidenschaften zu befreien, von denen sie beherrscht werden.“271 Die Ankläger des Christentums aber wollen nicht sehen, in wie vielen durch die Wirksamkeit seiner Lehre die Leidenschaften beruhigt werden, in wie vielen die Flut der Sünde niedergehalten, in wie vielen die sittliche Roheit bezähmt wird; jene Leute, die auf ihr Gemeinschaftsgefühl stolz sind,272 sollten unserem Glauben Dank wissen, dass er auf eine neue Art die Menschen von vielen Übeln befreit hat, und ihm zum wenigsten bezeugen, dass er, wenn auch nicht wahr, so doch jedenfalls dem Menschengeschlechte nützlich sei.

273

65.

Um seine Jünger vor unbesonnenem Eifer zu warnen, sprach Jesus zu ihnen: „Wenn sie euch in dieser Stadt verfolgen, so fliehet in die andere; und wenn sie euch auch in dieser verfolgen, so fliehet wieder in eine andere.“274 Und mit seiner Lehre gab er ihnen das Beispiel eines wohlbegründeten Lebens, indem er sich in acht nahm, nicht planlos und nicht zur Unzeit oder unvernünftig den Gefahren entgegenzugehen. Dies benutzt Celsus wieder zu einem boshaften Vorwurf, und sein Jude spricht demnach zu Jesus: "Mit deinen Jüngern läufst du hierhin und dorthin weg." Ein ähnliches Verhalten, wie das hier an Jesus und seinen Aposteln getadelte, ist, so werden wir sagen, auch von Aristoteles berichtet. Denn als dieser merkte, dass gegen ihn ein Gericht eingesetzt werden sollte, da er wegen einiger seiner Lehren, welche die Athener für gottlos hielten, selbst als gottlos galt, verließ er Athen und nahm seinen Aufenthalt in Chalkis. Dies verteidigte er bei seinen Freunden damit, dass er sagte: “Wir wollen von Athen weggehen, damit wir den Athenern keine Veranlassung geben, eine zweite Blutschuld, ähnlich der bei Sokrates, auf sich zu laden und an der Philosophie sich ein zweites Mal zu versündigen.”275 Weiter sagt Celsus, “Jesus sei mit seinen Jüngern umhergezogen und habe sich schimpflich und kümmerlich seinen Lebensunterhalt verschafft” Er möge uns sagen, woher er „das Schimpfliche und Kümmerliche des Erwerbs“ entnommen hat; denn nach den Berichten der Evangelien gewährten „einige Frauen“, die „von ihren Krankheiten geheilt“ worden waren, unter denen sich auch „Susanna“ befand, den Jüngern „aus ihrem Vermögen“ Lebensunterhalt.276 Welcher Philosoph aber, der sich die Förderung seiner Schüler angelegen sein läßt, nahm nicht von diesen, was er zum Leben brauchte? Oder handelten diese hierin geziemend und gut; wenn aber die Jünger Jesu dies tun, so darf ihnen Celsus den Vorwurf machen, dass „sie sich schimpflich und kümmerlich ihren Lebensunterhalt verschafften“?

66.

Im Anschluss hieran richtet der Jude bei Celsus an Jesus die Frage: “Warum mußtest du auch noch als kleines Kind nach Ägypten gebracht werden, damit du nicht getötet würdest? Ein Gott durfte doch wegen des Todes billigerweise keine Furcht haben. Aber ein Engel kam vom Himmel und gebot dir und den Deinen, zu fliehen, damit ihr nicht, im Stich gelassen, sterben müßtet. Konnte aber der große Gott, der doch deinetwegen bereits zwei Engel gesendet hatte277, den eigenen Sohn nicht an Ort und Stelle schützen?” Nach diesen Worten glaubt Celsus, dass in dem menschlichen Leib und in der Seele Jesu nicht etwas Göttliches gewesen sei, sondern dass auch sein Leib Eigenschaften besessen habe, wie sie die Gedichte Homers kennen. Wenigstens sagt er spottend von dem am Kreuze vergossenen “Blute Jesu”: “Es war nicht Ichor, wie er ja fließt in den Adern der seligen Götter.”278 Wir aber glauben dem, was Jesus selbst bezeugt, wenn er über die in ihm wohnende Göttlichkeit sagt: “Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben”279, und wenn er eine dieser ähnliche Äußerung gibt, wir glauben ihm auch, wenn er darüber, dass er in einem menschlichen Körper war, sich so ausspricht: “Nun aber suchet ihr mich zu töten, einen Menschen, der ich euch die Wahrheit gesagt habe”280. Er ist also nach unserer Lehre ein zusammengesetztes Wesen. Da er aber für einen Eintritt in die Welt sorgen mußte, um hier wie ein Mensch zu leben, so durfte er sich nicht vor der Zeit der Todesgefahr preisgeben. So mußte er sich auch der Leitung seiner Erzieher überlassen, die der Weisung eines göttlichen Engels folgten. Zuerst nämlich gab der Bote den Auftrag: “Joseph, Sohn Davids, scheue dich nicht, Maria, dein Weib zu dir zu nehmen; denn was in ihr gezeugt worden ist, das ist vom Heiligen Geiste”281, und dann den andern: “Stehe auf, nimm das Kind und seine Mutter und fliehe nach Ägypten und weile dort, bis ich dir’s sage; denn Herodes schickt sich an, das Kind zu suchen, um es zu verderben.”282

Hier scheint mir der Bericht gar nicht sehr wunderbar zu sein. Denn nach beiden Stellen der Schrift soll der Engel dem Joseph dies im Traume gesagt haben. Aber auch bei zahlreichen anderen Leuten trifft es zu, dass ihnen im Traume angezeigt wird, dies <oder jenes283> zu tun, sei es nun, dass ein Engel oder dass irgendein anderes Wesen in ihrer Seele den Gedanken hervorruft. Ist es also befremdlich, dass der einmal Mensch Gewordene auch nach menschlicher Erziehung angewiesen wird, Gefahren zu vermeiden? Nicht etwa, weil solches284 auf andere Art unmöglich gewesen wäre, sondern weil das, was nach Art und Ordnung für die Rettung Jesu möglich war, eingerichtet werden mußte, Und es war in der Tat besser, dass das Kind Jesus der Nachstellung des Herodes auswich und mit seinen Eltern “nach Ägypten floh und daselbst”bis zum Tode" seines Widersachers285 verweilte, als dass entweder die über Jesus wachende Vorsehung den Herodes an der Ausführung seines Vorhabens, das Kind zu töten286, hinderte, oder dass Jesus mit dem von den Dichtern erwähnten “Helm des Hades”287 oder einem ähnlichen Gegenstand ausgerüstet wurde, oder dass die Leute, welche zu seiner Ermordung ausgeschickt waren, in ähnlicher Weise (mit Blindheit) geschlagen wurden wie die Einwohner von Sodom288. Ein so außerordentliches und weithin auffallendes Eingreifen zu seinen Gunsten wäre seinem Wunsch nicht förderlich gewesen, als von Gott bezeugter Mensch zu lehren, dass er in seinem sichtbaren Menschen etwas Göttliches habe, was eben der wahre Sohn Gottes, Gott, das Wort, Gottes Kraft und Gottes Weisheit289 war, nämlich der, welcher Christus genannt wird. Doch es ist hier nicht der Ort, eine Erklärung, wie der Mensch gewordene Jesus zusammengesetzt war und woraus er bestand, zu geben; denn die Gläubigen besitzen auch eine Untersuchung zu diesem Punkte, die sozusagen ihre häusliche Angelegenheit ist.

67.

Wie ein lernbegieriger Grieche, der in griechischer Wissenschaft unterwiesen ist, äußert hierauf der Jude bei Celsus: „ Die alten Sagen, die dem Perseus, Amphion, Aiakos und Minos göttlichen Ursprung zuschrieben - wir schenken ihnen aber keinen Glauben -, zeigten doch an ihnen bedeutende und bewundernswerte und wahrhaft übermenschliche Taten auf, um nicht unglaubwürdig zu scheinen. Du aber, was hast du Schönes oder Bewundernswertes in Tat oder Wort vollbracht? Nichts Derartiges hast du uns sehen lassen, obgleich man dich im Tempel aufforderte, durch ein deutliches Zeichen darzutun, dass du der Sohn Gottes wärest.“290 Darauf entgegnen wir: Die Griechen mögen uns von einem der genannten eine heilsame <und291> glänzende und für die künftigen Geschlechter bedeutsame Tat aufweisen, eine Tat von solcher Größe, dass sie der Sage von ihrem göttlichen Ursprung Glaubwürdigkeit verleihen könnte. Allein sie werden bei den bei Celsus genannten Männern nichts anführen können, auch nicht weit geringere Taten292, als die von Jesus vollbrachten. Wenn uns also die Griechen nicht auf ihre Sagen und die bei ihnen erzählten Geschichten verweisen wollen, in der Absicht, dass wir jenen vernunftlosen Glauben schenken, unsern Berichten dagegen, obwohl ihre Wahrhaftigkeit klar und deutlich ist, mißtrauen, …293 Wir sagen also, dass das Werk Jesu sich über den ganzen von Menschen bewohnten Erdkreis erstreckt, auf dem die durch Jesus geschaffenen Gottesgemeinden wohnen, gebildet aus den von zahllosen Sünden bekehrten Menschen. Und noch immer beseitigt der Name Jesu bei den Menschen Zerrüttung des Verstandes und Besessenheit und heilt Krankheiten; ebenso flößt er eine wunderbare Sanftmut, Bescheidenheit, Menschenfreundlichkeit, Güte und Friedensliebe denen ein, die nicht um weltlicher Vorteile willen oder aus gewissen menschlichen Rücksichten Glauben nur heucheln, sondern vielmehr aus voller Überzeugung die Lehre von Gott und von Christus und von dem künftigen Gericht annehmen.

294 295

68.

Im folgenden blickt Celsus argwöhnisch auf den künftigen Nachweis der von Jesus vollbrachten Großtaten, über die wir nur wenig Worte statt vieler gesagt haben, und tut so, als gäbe er zu, dass alles wahr sei, was die Überlieferung „von Krankenheilungen“ berichtet oder von “Totenerweckung” oder von “wenigen Broten, die eine große Menge Volkes genährt haben, wobei noch viele Speisereste übrig blieben”296, oder wovon er sonst glaubt, dass es “erst in der Erzählung der Jünger den Charakter des Wunderbaren erhalten habe” und fügt dann hinzu: „Wohlan, wir wollen glauben, du habest diese Werke vollbracht.“ Aber sofort stellt er sie auf gleiche Stufe mit „den Taten der Gaukler“, die nach ihm „noch wunderbarere Dinge versprechen“ und mit „den Kunststücken von Schülern der Ägyptier, die mitten auf den Märkten um wenige Groschen ihre erhabene Wissenschaft abgeben297, Dämonen von den Menschen austreiben, Krankheiten wegblasen, die Seelen der Heroen beschwören, kostbare Mahlzeiten und Tische mit Näschereien und Leckerbissen, die gar nicht wirklich vorhanden sind, zeigen und Dinge in Bewegung setzen, als wären es lebende Wesen, obgleich sie dies nicht sind, sondern nur in der Einbildung als solche erscheinen.“ Und dann wirft er die Frage auf: „Da jene Leute solche Dinge vollbringen können, müssen wir sie dann für Gottes Söhne halten? Oder müssen wir sagen, dass dies die Betätigungen von schlechten und gottlosen Menschen sind?“

Aus diesen Worten läßt sich ersehen, dass Celsus gewissermaßen das Vorhandensein einer Magie annimmt. Ich weiß nun nicht, ob er derselbe Celsus ist, der wider die Magie mehrere Bücher geschrieben hat. Indessen war eben die Gleichstellung der Berichte über Jesus mit den Werken, die mit Hilfe der Magie vollbracht werden, seinem Zwecke dienlich. Ähnlichkeit wäre dann vorhanden, wenn Jesus seine Wunder so wie die Zauberer nur zum Erweis seiner Kraft gezeigt hätte. Nun fällt es aber keinem Zauberer ein, seine Zuschauer durch seine Kunststücke zur sittlichen Besserung zu bestimmen, oder zur Gottesfurcht anzuleiten, wenn sie durch seine Schaustellungen ergriffen werden, noch versucht er es, sie dahin zu bringen, dass sie in ihrem Leben und Wandel das künftige Gericht Gottes vor Augen haben. Nichts hiervon tun die Zauberer, entweder weil sie nicht können, oder weil sie gar nicht den Willen oder die Absicht haben, Maßnahmen zur Besserung der Menschen zu treffen, da sie selbst von den schändlichsten und abscheulichsten Lastern strotzen. Wenn aber Jesus seine Wunder nur darum wirkte, um die Augenzeugen derselben zur Besserung zu rufen, versteht es sich dann nicht von selbst, dass er nicht nur seinen eigentlichen Jüngern, sondern auch allen andern in seinem Wandel das Vorbild eines vollkommenen Lebens gab: seinen Jüngern, damit sie veranlaßt würden, die Menschen nach dem Willen Gottes zu unterweisen, und den andern, damit sie ebensosehr298 durch seine Lehre wie durch seinen Wandel und seine Wunder lernten, wie sie leben und bei ihrem ganzen Tun und Lassen nur das Wohlgefallen des über allen waltenden Gottes im Auge haben müßten? Wenn aber das Lebensziel Jesu von dieser Art war, mit welchem Rechte könnte man es dann der Denkungsart der Gaukler gleichstellen, anstatt zu glauben, dass er nach der Verheißung <Gottes299> als Gott in menschlichem Leibe erschienen ist, um der Wohltäter unseres Geschlechtes zu werden?

69.

Hierauf wirft Celsus Dinge, die voneinander verschieden sind, zusammen, erklärt die Irrtümer irgendeiner Sekte für die gemeinsame Lehre der Christen und wendet sich an alle, die an das göttliche Wort glauben, mit dem Vorwurf: „Ein solcher Leib, wie der deinige dürfte wohl kaum der Leib eines Gottes sein.“ Darauf entgegnen wir: Jesus hat bei seinem Eintritt in die Welt einen menschlichen und des menschlichen Todes fähigen Leib angenommen, wie er ihn eben von einem Weib empfangen konnte. Deshalb sagen wir, dass er zu allem übrigen auch ein großer Kämpfer gewesen ist, der wegen seines menschlichen Körpers ebenso wie alle Menschen „in allem versucht wurde“, nur nicht wie die Menschen mit Einschluß der Sünde, sondern durchaus „ohne Sünde“300. Denn es erscheint uns sicher, „dass er keine Sünde getan hat, und dass kein Trug in seinem Munde gefunden wurde“301, und dass ihn „der keine Sünde kannte“302, Gott als reines Opfer für alle Sünden dahingegeben hat. Weiter sagt Celsus: „Nicht dürfte das wohl der Leib eines Gottes sein, der so gezeugt wurde, wie du, Jesus, gezeugt wurdest“ Er mußte jedoch ahnen, dass, wenn es sich mit der Menschwerdung Jesu so verhält, wie die Schrift berichtet, dann sein Leib wohl göttlicher sein kann gegenüber der großen Menge303 und im gewissen Sinne die Bezeichnung: „Gottes Leib“ verdient. Aber er mißtraut ja den Berichten über seine Empfängnis aus dem Heiligen Geist304 und glaubt, er sei von einem gewissen „Panther“, der die Jungfrau verführt hätte, „erzeugt worden“. Deshalb eben sagt er: „Nicht dürfte wohl der Leib eines Gottes so gezeugt sein, wie du gezeugt wurdest.“ Aber darüber haben wir ja oben305 ausführlicher gesprochen.

70.

„Der Leib eines Gottes“, fährt Celsus fort, „nimmt auch nicht solche Nahrung zu sich“, als ob er aus den Evangelien dartun könnte, dass er „Nahrung zu sich genommen habe“, und von welcher Art diese Nahrung war. Nun wohlan, wir lassen es gelten, wenn er sagt, Jesus habe mit seinen Jüngern das Osterlamm gegessen, er habe nicht nur gesprochen: „Mich hat herzlich verlangt, dieses Osterlamm mit euch zu essen“306, sondern auch wirklich gegessen; wir widersprechen auch nicht, wenn Celsus vorbringt, Jesus habe Durst gehabt und am Jakobsbrunnen getrunken307. Was hat dies aber mit dem zu schaffen, was wir von dem Leibe Jesu behaupten? Es ist bekannt, dass Jesus nach seiner Auferstehung „von einem Fisch“ gegessen hat308; er hat eben nach unserer Ansicht einen Leib angenommen, wie wir ihn haben, da er „vom Weibe geboren ward.“309 „Der Leib eines Gottes“, sagt Celsus weiter, „bedient sich auch nicht einer solchen Stimme noch solcher Überredung.“ Auch diese Äußerung ist wohlfeil und ganz ohne Bedeutung, Denn man kann ihm entgegenhalten, dass der pythische und didymäische Apollo, ein Gott nach dem Glauben der Griechen, „sich einer solchen Stimme bedient“, wenn er durch die Pythia zu Delphi oder durch seine Prophetin zu Milet Orakel gibt: und doch bestreiten die Griechen die Gottheit des pythischen oder didymäischen Apollo oder die eines anderen griechischen Gottes, der an irgendeinem bestimmten Orte wohnt und verehrt wird, deshalb nicht. Es war aber jedenfalls weit besser, dass der Gott (selbst) „sich einer Stimme bediente“, die, mit Macht erklingend, in den Herzen der Zuhörer eine gewisse unaussprechliche „Überzeugung“ bewirken konnte310.

71.

Dann spricht dieser Mensch, der wegen seiner Gottlosigkeit und wegen seiner nichtswürdigen Lehren, wenn ich so sagen darf, „gottverhaßt“ sein muß, folgende Schmähung gegen Jesus aus: „Das waren die Taten eines gottverhaßten und nichtswürdigen Zauberers“. Indessen, wenn man die Worte und die Dinge nach ihrer wirklichen Bedeutung prüft, so wird „ein gottverhaßter Mensch“ eine Unmöglichkeit sein. Denn Gott „liebt alles, was da ist, und hat gegen keines der von ihm geschaffenen Dinge Abscheu, denn nichts hat er im Hasse bereitet“311. Wenn aber in einigen Stellen der Propheten derartige Ausdrücke vorkommen, so werden sie ihre Erklärung nach diesem allgemeinen Grundsatze finden, dass die Schrift von Gott redet, als wäre er menschlichen Gefühlen und Empfindungen unterworfen312. Doch was soll ich hier noch weiter zur Verteidigung unseres Glaubens einem Menschen gegenüber vorbringen, der Schmähungen und Verleumdungen gegen Jesus als gegen einen „nichtswürdigen“ Menschen und „Zauberer“ vorbringen zu dürfen meint in einer Schrift, die nach seiner Ankündigung nur wahrheitsgetreue Angaben enthalten sollte? Das heißt nicht verfahren wie (ein Philosoph), der mit Beweisen arbeitet, sondern wie ein Mensch ohne Erziehung und Bildung, der sich von einer Leidenschaft fortreißen läßt. Seine Aufgabe wäre es gewesen, den Sachverhalt darzulegen, ihn verständnisvoll zu prüfen und nach Kräften die Gründe und Bemerkungen, die ihm einfielen, dagegen vorzubringen.

Da aber hiermit der Jude bei Celsus seine Rede gegen Jesus abschließt, so wollen auch wir hier das erste Buch, das wir zu seiner Widerlegung geschrieben haben, schließen. Gewährt mir aber Gott (noch ferner) die (Gnade seiner) Wahrheit, welche alle Lügen zunichte macht, wie in dem Gebete geschrieben steht: „In deiner Wahrheit mache sie zunichte“313,so wollen wir im folgenden mit dem zweiten Teile der Personifikation des Celsus beginnen, wo sein Jude denen, die den Glauben an Jesus angenommen haben, hierauf diese Vorwürfe macht.

Acht Bücher gegen Celsus, Band 1

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