Читать книгу DAS HERZ-SUTRA - Бхагаван Шри Раджниш (Ошо), Osho, Osho . - Страница 7

2. Kapitel SICH HINGEBEN, HEISST VERSTEHEN

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Die erste Frage:

Manchmal, wenn ich einfach in Meditation sitze, kommt mir die Frage hoch: Was ist Wahrheit? Aber wenn ich dann hier bin, stelle ich fest, dass ich nicht fragen kann. Was passiert in solchen Momenten? Diese Frage kommt mit einer solchen Gewalt hoch, dass ich dich, wenn du in meiner Nähe wärst, bei Bart oder Kragen packen und fragen würde: „Was ist Wahrheit, Osho?“

Das ist die wichtigste Frage, die einem überhaupt in den Sinn kommen kann, aber es gibt keine Antwort darauf. Die wichtigste Frage, die letztmögliche Frage, kann keine Antwort haben; eben darum ist sie die letztmögliche.

Als Pontius Pilatus von Jesus wissen wollte: „Was ist Wahrheit?“, schwieg Jesus. Und nicht nur das – es heißt, Pontius Pilatus habe die Antwort nicht einmal abgewartet, nachdem er die Frage „Was ist Wahrheit?“ gestellt hatte. Er verließ den Raum und ging weg! Das ist sehr seltsam. Pontius Pilatus meint ebenfalls, dass es darauf keine Antwort geben könne – darum wartete er nicht die Antwort ab. Jesus schwieg, weil er ebenfalls weiß, dass sie nicht zu beantworten ist.

Aber diese zwei Varianten des Verstehens sind nicht gleich; denn diese beiden Personen sind diametral entgegengesetzt. Pontius Pilatus glaubt, sie könne nicht beantwortet werden, weil es gar keine Wahrheit gebe; wie also kann man dann antworten? Da sieht man den logischen Kopf, den römischen Kopf. Jesus schweigt nicht, weil es keine Wahrheit gibt, sondern weil die Wahrheit so unendlich ist – sie ist nicht definierbar! Die Wahrheit ist so riesig – unermesslich! Sie lässt sich nicht in ein Wort zwängen, sie lässt sich nicht auf Sprache reduzieren. Sie ist da. Man kann sie sein, aber man kann sie nicht sagen.

Aus zwei verschiedenen Gründen haben sie sich praktisch identisch verhalten: Pontius wartete nicht erst die Antwort ab, er wusste bereits, dass es keine Wahrheit gibt. Jesus schwieg, weil er die Wahrheit wusste – und wusste, dass sie nicht gesagt werden kann. Es ist Chidvilas, der diese Frage gestellt hat. Die Frage ist absolut triftig. Es gibt keine höhere Frage als diese, denn es gibt keine Religion, die über der Wahrheit stünde.

Das muss verstanden werden. Die Frage muss analysiert werden. Wenn ihr die Frage analysiert, die Frage selbst zu verstehen sucht, könnt ihr vielleicht einen Einblick gewinnen, was Wahrheit ist. Ich werde es nicht beantworten, ich kann es nicht beantworten. Niemand kann es beantworten. Aber wir können tief in die Frage hineingehen. Indem wir tief in die Frage gehen, wird die Frage langsam verschwinden. Wenn die Frage verschwunden ist, werdet ihr die Antwort finden – dort, im tiefsten Kern eures Herzens, seid ihr Wahrheit, wie könnt ihr sie also verfehlen? Vielleicht habt ihr es vergessen, vielleicht habt ihr es aus den Augen verloren, vielleicht habt ihr vergessen, wie das geht – in sein eigenes Sein, in seine eigene Wahrheit hineingehen.

Die Wahrheit ist keine Hypothese, die Wahrheit ist kein Dogma. Die Wahrheit ist weder hinduistisch noch christlich noch muslimisch. Die Wahrheit gehört weder dir noch mir. Die Wahrheit gehört niemandem, aber jeder gehört der Wahrheit. Wahrheit heißt – das, was ist: das ist die genaue Wortbedeutung. Es kommt aus einer lateinischen Wurzel: Vera. Vera bedeutet: Das, was ist. Im Englischen gibt es ein paar Wörter, die aus der lateinischen Wurzel Vera stammen: ‚was‘ ‚were‘ – die kommen von vera. Das deutsche ‚war‘ – auch das kommt von Vera … Veraheißt: Das, was ist, uninterpretiert. Sobald sich eine Interpretation einschleicht, ist das, was du weißt, Realität, nicht Wahrheit.

Das ist der Unterschied zwischen Realität und Wahrheit: Realität ist interpretierte Wahrheit.

Im selben Moment also, wo du auf „Was ist Wahrheit?“ antwortest, wird Realität draus, ist es nicht länger Wahrheit. Eine Deutung hat sich eingemischt, der Verstand hat sie gefärbt. Und Realitäten gibt es so viele, wie es Köpfe gibt. Es gibt nur Multi-Realitäten – Wahrheit ist eins. Denn Wahrheit wird nur dann erkannt, wenn der Verstand nicht da ist. Der Verstand ist es, der euch von mir getrennt hält, von anderen getrennt hält, von der Existenz getrennt hält. Wenn ihr durch den Verstand schaut, dann ist es der Verstand, der euch ein Bild der Wahrheit geben wird, und es wird nur ein Abbild, ein Foto dessen sein, was ist. Und natürlich hängt das Foto von der Kamera ab, von dem Film, der benutzt wird, von den Chemikalien … davon, wie es entwickelt wurde, wie es abgezogen wurde, wer es gemacht hat. Tausenderlei Sachen treten dazwischen – es wird Realität.

Auch das Wort ‚Realität‘ hat einen schönen Wortsinn. Es kommt aus der Wurzel Res, was ‚Ding‘ oder ‚Dinge‘ bedeutet. Die Wahrheit ist kein Ding. Ist sie aber erst einmal gedeutet, erst einmal vom Verstand aufgegriffen, definiert, abgesteckt worden, wird sie zum Ding.

Wenn du dich in eine Frau verliebst, ist eine gewisse Wahrheit da – wenn es dir absolut unbewusst passiert ist, wenn du es in keiner Weise ‚gemacht‘ hast, wenn du nicht gehandelt, nicht manipuliert, wenn du nicht einmal darüber nachgedacht hast. Plötzlich siehst du eine Frau, schaust ihr in die Augen, sie schaut dir in die Augen, und etwas macht klick. Du bist dabei nicht der Macher, es ergreift einfach Besitz von dir, du plumpst einfach da hinein. Es hat nichts mit dir zu tun. Dein Ego spielt keine Rolle, jedenfalls nicht am allerersten Anfang, wenn die Liebe noch jungfräulich ist. In dem Moment ist Wahrheit da, aber völlig ungedeutet. Eben darum entzieht sich die Liebe jeglicher Definition.

Bald tritt der Verstand auf den Plan, fängt an, alles in die Hand zu nehmen, Besitz von dir zu ergreifen. Du fängst an, von dem Mädchen als ‚deiner Freundin‘ zu denken, du fängst an, ans Heiraten zu denken, du fängst an, von der Frau als ‚deiner Frau‘ zu denken. Nun, das alles sind Dinge: die Freundin, die Ehefrau – das alles sind Dinge. Die Wahrheit ist nicht mehr da, hat sich zurückgezogen. Jetzt werden Dinge wichtiger. Das Definierbare ist sicherer, das Undefinierbare ist unsicher. Du hast angefangen, die Wahrheit zu töten, zu vergiften. Früher oder später wird eine Ehefrau und ein Ehemann da sein – zwei Dinge. Aber die Schönheit ist weg, die Freude ist verschwunden, die Flitterwochen sind vorbei.

Die Flitterwochen sind exakt in demjenigen Moment vorbei, wo die Liebe zur Beziehung wird. Die Flitterwochen sind sehr kurz, leider; wobei ich nicht von den Flitterwochen spreche, die ihr macht. Die Flitterwochen sind sehr kurz. Vielleicht gab es sie nur für einen einzigen Moment – aber welch eine Reinheit, welch eine kristallklare Reinheit, welch eine Göttlichkeit, welch eine Jenseitigkeit … das kommt aus dem Jenseits, das kommt nicht aus der Zeit. Das gehört nicht dieser profanen Welt an, es ist so etwas wie ein Lichtstrahl, der in ein dunkles Loch fällt. Es kommt aus der transzendentalen Welt. Es ist absolut zutreffend, die Liebe ‚Gott‘ zu nennen. Nirgendwo im gewöhnlichen Leben kommt ihr der Wahrheit näher als in der Liebe.

Du fragst: „Was ist Wahrheit?“

Das Fragen muss verschwinden; erst dann erkennst du. Wenn du fragst: „Was ist Wahrheit?“ – was fragst du damit? Wenn ich sage: „A ist die Wahrheit, B ist die Wahrheit, C ist die Wahrheit“, wird das dann die Antwort sein? Wenn ich sage: „A ist die Wahrheit“, dann kann A mit Sicherheit nicht die Wahrheit sein, sondern ist etwas anderes, das ich als Synonym für die Wahrheit gebrauche. Wenn es absolut synonym ist, dann wird es eine Tautologie sein. Dann kann ich auch sagen: „Wahrheit ist Wahrheit“, aber das ist albern, sinnlos. Nichts ist damit gelöst. Wenn es exakt das gleiche ist, wenn A die Wahrheit ist, dann heißt das, dass die Wahrheit die Wahrheit ist. Wenn A etwas anderes ist, nicht exakt die Wahrheit ist, dann verfälsche ich. Dann trifft die Aussage: „A ist die Wahrheit“ nur ungefähr. Und vergiss nicht, da kann es nichts Ungefähres geben. Entweder die Wahrheit ist oder sie ist nicht. Also kann ich nicht sagen: „A ist die Wahrheit.“

Ich kann nicht einmal sagen: „Gott ist die Wahrheit“, denn wenn Gott die Wahrheit ist, dann ist es wieder eine Tautologie: „Wahrheit ist Wahrheit“. Dann ist damit überhaupt nichts gesagt.

Wenn Gott etwas anderes ist als die Wahrheit, dann mag zwar etwas damit gesagt sein, aber dann sage ich etwas Unwirkliches. Dann ist Gott eben etwas anderes, wie kann er also die Wahrheit sein? Wenn ich sage, es ist ungefähr, klingt es linguistisch richtig, aber es ist nicht richtig. „Ungefähr“ heißt, da ist eine Lüge, da stimmt etwas nicht. Denn warum sonst ist es nicht hundert Prozent die Wahrheit? Wenn es neunundneunzig Prozent die Wahrheit ist, dann ist etwas da, das nicht die Wahrheit ist. Und Wahrheit und Unwahrheit können nicht zusammen existieren, genausowenig wie Dunkel und Licht zusammen existieren können – denn Dunkelheit ist nichts als Abwesenheit. Abwesenheit und Anwesenheit können nicht koexistieren, Wahrheit und Unwahrheit können nicht koexistieren. Unwahrheit ist nichts als die Abwesenheit von Wahrheit. Es ist also keine Antwort möglich; darum blieb Jesus still.

Aber wenn ihr es euch mit tiefer Einfühlung anschaut, wenn ihr in die Stille von Jesus hineinschaut, werdet ihr eine Antwort bekommen. Stille ist die Antwort. Jesus sagt damit: „Sei still, so wie ich still bin, und du wirst erkennen“ – ohne es mit Worten zu sagen. Es ist eine Geste, es ist sehr, sehr zenmäßig. In jenem Moment, da Jesus still blieb, kommt er dem Weg des Zen, dem buddhistischen Ansatz, sehr nahe. Er ist ein Buddha in jenem Moment.

Buddha beantwortete Fragen dieser Art nie. Er hatte eine Liste von elf Fragen. Wo immer er hinkam, machten seine Jünger die Runde und erklärten den Leuten: „Stellt Buddha nie folgende elf Fragen …“ – lauter Fragen, die grundsätzlich sind, Fragen, die wirklich bedeutsam sind. Man konnte alles andere fragen, und Buddha war immer bereit zu antworten. Aber fragt nicht nach dem Grundsätzlichen, weil das Grundsätzliche nur erfahren werden kann. Und die Wahrheit ist das Grundsätzlichste überhaupt; die eigentliche Substanz der Existenz – das ist die Wahrheit. Geh in die Frage hinein. Die Frage ist sinnvoll, sie kommt dir aus dem Herzen: „Was ist Wahrheit?“ – ein Verlangen steigt auf zu erkennen, was ist. Schieb es nicht beiseite, geh da hinein. Wann immer es wieder passiert, Chidvilas, dann schließe die Augen, geh hinein in die Frage. Lass den Fokus der Frage ganz, ganz scharf werden – „Was … ist … Wahrheit?“

Lass eine große Konzentration aufsteigen. Vergiss alles andere, als hinge dein ganzes Leben von dieser einfachen Frage ab: „Was ist Wahrheit?“ Lass es zu einer Sache von Leben und Tod werden. Und versuche nicht, sie zu beantworten, denn du weißt die Antwort nicht. Zwar mögen Antworten kommen. Der Verstand versucht immer, Antworten zu liefern. Aber sieh die Tatsache, dass du es nicht weißt; deswegen fragst du ja. Wie kann dein Verstand dir also eine Antwort liefern? Der Verstand weiß keine, also sag dem Verstand: „Halt den Mund! Wenn du es wüsstest, wäre die Frage nicht nötig.“ Du weißt es nicht, daher die Frage.

Lass dich also nicht von den Spielsachen des Verstandes täuschen. Er kommt dir mit Spielsachen. Er sagt: „Sieh doch, in der Bibel steht … Sieh doch, in den Upanishaden steht … hier ist die Antwort! Sieh doch, das hier hat Laotse gesagt, hier ist die Antwort.“ Der Verstand kann dir alle möglichen Schriften hinwerfen. Der Verstand kann zitieren, der Verstand kann dich aus dem Gedächtnis beliefern. Du hast vieles gehört, du hast vieles gelesen, der Verstand schleppt all diese Erinnerungen mit. Er kann mechanisch nachplappern. Aber sieh in dieses Phänomen hinein, dass der Verstand es nicht weiß. Und alles, was der Verstand nachplappert, ist geborgt, und das Geborgte kann nicht helfen.

An einem Bahnübergang passierte folgendes: Die Schranken waren geschlossen, ein Zug sollte durchkommen, und ein Mann saß in seinem Auto, wartete auf den Zug und las dabei ein Buch. Ein Betrunkener, der zufällig neben den Schranken saß, näherte sich, klopfte an das Fenster des klimatisierten Wagens. Der Mann öffnete das Fenster und sagte: „Was kann ich für dich tun? Brauchst du Hilfe?“

Der Penner sagte: „Ja, seit zwei Tagen habe ich keinen Bissen gegessen. Können Sie mir zwei Rupien geben? Das wird mir reichen, nur zwei Rupien.“

Der Mann lachte und sagte: „Verleihe nichts und borg nie Geld!“, zeigte dabei auf sein Buch und sagte: „Shakespeare – Shakespeare sagt nein. Da, sieh!“

Der Penner zog ein schmuddeliges Paperback aus der Tasche, zeigte auf eine Stelle darin und sagte zu dem Mann: „Verdammtes Arschloch – D.H. Lawrence.“

Hüte dich vor dem Verstand. Der Verstand zitiert immer nur, der Verstand weiß alles, ohne das geringste zu wissen. Der Verstand ist ein Hochstapler. Sieh in dies Phänomen hinein – das nenne ich Einsicht! Es ist nicht eine Frage des Denkens. Wenn du darüber nachdenkst, ist es wieder nur der Verstand. Du musst ihn bis auf den Grund durchschauen. Du musst tief in das Phänomen selbst hineinschauen – die Funktionsweise des Verstandes, wie der Verstand funktioniert. Er borgt sich hier was und da was, er borgt immer nur und hamstert. Er ist ein Hamsterer, ein Horter von Wissen. Der Verstand wird sehr neunmalklug. Und dann, wenn du irgendwann eine Frage stellst, die wirklich wichtig ist, gibt der Verstand dir eine völlig belanglose Antwort darauf – sinnlos, oberflächlich, Schrott.

Ein Mann besorgt sich einen Papagei aus dem Zoo-Geschäft. Der Ladenbesitzer versichert ihm, der Vogel werde binnen einer halben Stunde lernen, „Hallo“ zu sagen.

Zu Hause angekommen, macht er eine Stunde lang dem Papagei „Hallo!“ vor, aber kein Wort von dem Vogel.

Als er sich in schierer Verzweiflung abwendet, sagt der Vogel: „Kein Anschluss unter dieser Nummer!“

Ein Papagei ist ein Papagei. Er muss es im Zoo-Geschäft gehört haben. Und dieser Mann war ihm mit seinem ewigen „Hallo! Hallo! Hallo!“ gekommen, und der Vogel hatte zugehört und wollte nur, dass er endlich damit aufhörte. Da fiel ihm ein, dass er „Kein Anschluss unter dieser Nummer“ sagen konnte.

Du kannst den Verstand immerzu fragen: „Was ist Wahrheit, was ist Wahrheit, was ist Wahrheit?“ Und kaum hörst du damit auf, wird der Verstand sofort sagen: „Kein Anschluss unter dieser Nummer“ oder dergleichen. Der Verstand wird dir jedenfalls eine Antwort geben. Hüte dich vor dem Verstand.

Der Verstand ist der Teufel, es gibt keinen anderen Teufel. Und es ist dein Verstand. Diese Einsicht muss entwickelt werden – dieses Durchschauen bis auf den Grund. Hau den Verstand entzwei und geh schnurstracks hindurch, geh über ihn hinaus! Und wenn du durch den Verstand über den Verstand hinausgehen kannst, und es steigt ein Moment des Nicht-Verstandes in dir auf, dann ist die Antwort da – keine Antwort in Worten, kein Schriftzitat, keine in Anführungszeichen, sondern authentisch deine – kurz, eine Erfahrung.

Die Wahrheit ist eine existenzielle Erfahrung.

Die Frage ist ungeheuer triftig, aber du wirst die Frage mit großem Respekt behandeln müssen. Hab es nicht eilig, eine Antwort zu finden, sonst wird irgendwelcher Schrott die Frage töten. Erlaube deinem Verstand nicht, die Frage zu töten. Und der Verstand tötet die Frage damit, dass er Antworten liefert – ungelebte, unerfahrene.

Du bist die Wahrheit! Aber sie kann nur in äußerster Stille kommen, wenn sich kein einziger Gedanke regt, wenn der Verstand nichts zu sagen hat, wenn keine einzige Welle sich in deinem Bewusstsein kräuselt. Wenn dein Bewusstsein spiegelglatt ist, bleibt dein Bewusstsein unverzerrt. Sobald eine Welle es kräuselt, setzt Verzerrung ein.

Geh einfach einmal an einen See, stell dich ans Ufer und schau auf dein Spiegelbild. Wenn Wellen da sind, kleine Kräusel auf dem See, und der Wind bläst, verwackelt dein Spiegelbild. Du kannst nicht erkennen, was was ist, wo deine Nase ist und wo deine Augen sind – du kannst nur raten. Aber wenn der See still ist und der Wind nicht bläst und keine einzige Welle die Oberfläche kräuselt, bist du plötzlich da. In absoluter Vollkommenheit ist das Spiegelbild da, wird der See zum Spiegel.

Wann immer ein Gedanke durch dein Bewusstsein zieht, bringt er Verzerrung. Und es gibt viele Gedanken, Millionen von Gedanken, immer in Hast, und immer ist Stoßverkehr. Vierundzwanzig Stunden lang ist Stoßverkehr, und der Verkehr geht immer und immer weiter, und an jedem Gedanken hängen Tausende von anderen Gedanken. Sie halten sich alle bei den Händen und sind aneinandergekettet, kreuz und quer verkettet, und der ganze Mob keilt dich ein. Wie kannst du da erkennen, was Wahrheit ist? Komm raus aus dem Mob!

Genau das heißt Meditation. Genau darum geht es bei Meditation: ein Bewusstsein ohne Verstand, ein Bewusstsein ohne Gedanken, ein Bewusstsein ohne Schwanken – ein regloses Bewusstsein. Dann ist sie da, und alles ist Schönheit und Segen. Dann ist sie da, die Wahrheit – nenne sie Gott, nenne sie Nirvana oder wie immer du es nennen willst. Sie ist da, und sie ist da als Erfahrung. Du bist in ihr, und sie ist in dir.

Nutze diese Frage. Mache sie dringlicher. Mache sie so durchdringend, setze alles so aufs Spiel, dass der Verstand dich nicht mit seinen oberflächlichen Antworten zum Narren halten kann. Sobald der Verstand verschwindet, sobald der Verstand seine alten Tricks nicht mehr spielen kann, wirst du erkennen, was Wahrheit ist. Du wirst es in Stille erkennen. Du wirst es in gedankenloser Bewusstheit erkennen.

Die zweite Frage:

Hinter meiner Hingabe steckt eine Absicht. Ich gebe mich hin, um Freiheit zu gewinnen; es ist also gar kein wirkliches Hingeben. Ich beobachte es, aber das Problem ist: Ich bin es immer selber, der es beobachtet. Und so ist jede Erkenntnis, die aus diesem Beobachten kommt, eine Stärkung des Egos. Ich fühle mich vom Ego ausgetrickst.

Du hast nicht begriffen, was Hingeben heißt. Das erste, was du dir über das Hingeben merken musst, ist: Du kannst es nicht tun. Es ist kein Tun. Du kannst wohl verhindern, dass es passiert, aber du kannst es nicht so hindrehen, dass es passiert. Deine Macht beim Hingeben ist rein negativ, du kannst es verhindern, aber du kannst es nicht herbeiführen.

Dich hinzugeben ist nicht etwas, das du tun kannst. Wenn du es tust, ist es kein Hingeben, weil der Macher da ist. Sich hinzugeben ist eine große Erkenntnis – dass „ich nicht bin“. Sich hingeben heißt erkennen, dass das Ego nicht existiert, dass du nicht abgetrennt existierst. Sich hingeben ist kein Akt, sondern ein Verstehen. Ohnehin bist du unwirklich. Dein Getrenntsein ist unwirklich! Keinen einzigen Moment lang kannst du getrennt vom Universum existieren. Der Baum kann nicht existieren, wenn er aus der Erde entwurzelt ist. Der Baum kann nicht existieren, wenn die Sonne morgen verschwindet. Der Baum kann nicht existieren, wenn kein Wasser an seine Wurzeln kommt. Der Baum kann nicht existieren, wenn er nicht atmen kann. Der Baum ist in allen fünf Elementen verwurzelt – was die Buddhisten die Skandhas nennen, die fünf Gruppen, über die wir gestern sprachen. Avalokita … Als Buddha die transzendentale Warte erreichte, als er alle Stufen hinter sich hatte, als er alle Sprossen der Leiter hinter sich hatte und zur siebten gelangt war und von dort herabsah, zurückschaute – was sah er da? Er sah nur fünf Haufen mit nichts Substanziellem darin, nur Leere, Shunyata.

Der Baum kann nicht existieren, wenn diese fünf Elemente nicht ständig Energie in ihn einströmen lassen. Der Baum ist nur eine Kombination dieser fünf Elemente. Wenn der Baum zu denken anfängt: „Ich bin“, dann wird es elend für den Baum. Der Baum wird sich selber die Hölle bereiten. Aber Bäume sind nicht so dumm, sie schleppen keinen Verstand mit. Sie sind da, und wenn sie morgen verschwinden, verschwinden sie einfach. Sie klammern sich nicht fest, es ist niemand da, an den sie sich klammern können. Der Baum ist ständig der Existenz hingegeben. Mit „hingegeben“ meint er, er ist niemals getrennt. Er ist nie auf diese dumme Idee mit dem Ego gekommen. Und die Vögel genauso, die Berge genauso, die Sterne genauso. Nur der Mensch hat seine großartige Chance, bewusst zu sein, zu Ich-Befangenheit verkehrt. Der Mensch hat Bewusstsein. Wenn das Bewusstsein wächst, kann es euch die größtmögliche Seligkeit eintragen. Aber wenn etwas schief läuft und das Bewusstsein sauer wird und zu Ich-Befangenheit wird, dann ist die Hölle los, dann schafft es Unglück. Beide Alternativen stehen euch jederzeit offen – ihr habt die Wahl.

Das erste, was es beim Ego zu verstehen gibt, ist, dass es nicht existiert. Niemand existiert getrennt. Ihr seid so sehr eins mit dem Universum wie ich, wie Buddha, wie Jesus. Ich weiß es, ihr wisst es nicht. Der Unterschied liegt nur im Erkennen. Der Unterschied ist nicht existenziell, absolut nicht. Ihr müsst also in diese dumme Einbildung hineinschauen, getrennt zu sein.

Wenn du jetzt also versuchst, dich hinzugeben, schleppst du immer noch die Vorstellung der Getrenntheit mit. Dann denkst du: „Ich will mich hingeben, jetzt will ich mich hingeben“ – aber du gehst davon aus, dass du bist. Wenn du in die Vorstellung der Getrenntheit selbst hineinschaust, wirst du eines Tages entdecken, dass du nicht getrennt existierst – wie also kannst du dich hingeben? Es ist niemand da, der sich hingeben kann. Es ist nie jemand da gewesen, der sich hingeben kann! Das Hingeben ist nicht da, absolut nicht – nirgends zu finden. Wenn du in dich hineingehen kannst, wirst du das Hingeben nirgendwo finden. Im selben Moment ist das Hingeben da. Wenn das Hingeben nicht zu finden ist, ist augenblicklich die Hingabe da. Du kannst es nicht machen. Wenn du es machst, ist es etwas Unwirkliches. Aus Unwirklichem entsteht nur Unwirkliches. Du bist unwirklich, also wird alles, was du tust, unwirklich sein – noch unwirklicher. Und ein Unwirkliches führt zum nächsten, und so weiter und so fort. Und das grundsätzliche Unwirkliche ist das Ego, die Vorstellung „Ich existiere getrennt“.

Du fragst: „Hinter meiner Hingabe steckt eine Absicht.“

Das Ego ist immer voller Absichten. Es ist immer gierig, es ist immer grabschend. Es ist immer auf der Suche nach mehr und mehr. Es lebt im Mehr. Wenn du Geld hast, will es mehr Geld haben. Wenn du ein Haus hast, will es ein größeres Haus haben. Wenn du eine Frau hast, will es eine schöne Frau haben – aber es will immer mehr. Das Ego ist unentwegt hungrig. Es lebt in der Zukunft und in der Vergangenheit. In der Vergangenheit lebt es als Horter – „ich habe dies und dies und dies“. Es zieht eine große Befriedigung daraus: „Ich habe was“ – Macht, Prestige, Geld. Das verleiht ihm eine Art Realität. Das erlaubt die Vorstellung, dass es dich, da du all diese Dinge hast, geben muss. Und in der Zukunft lebt es mit der Vorstellung von Mehr. Es lebt als Erinnerung und als Begierde.

Was ist eine Absicht? – eine Begierde: „Da muss ich hin, das muss ich sein, ich muss es schaffen.“ Das Ego lebt nicht in der Gegenwart – kann es gar nicht, da die Gegenwart das Wirkliche ist und das Ego unwirklich ist – sie begegnen sich nie. Die Vergangenheit ist unwirklich, sie ist nicht mehr. Sie war einmal, aber als sie da war, war das Ego nicht da. Sobald sie verschwunden ist, nicht länger existenziell ist, greift das Ego nach ihr, fängt es an, sie zu horten. Es grabscht und hortet lauter totes Zeug. Das Ego ist ein Friedhof; es sammelt Leichen, tote Knochen.

Oder es lebt in der Zukunft. Wieder dasselbe: Die Zukunft ist noch nicht – sie ist Einbildung, Phantasie, ein Traum. Damit kann das Ego auch leben, ganz leicht. Unwirklichkeiten passen bestens zusammen, elegant zusammen. Man bringe irgendetwas Existenzielles, und das Ego verschwindet.

Darum bestehe ich so sehr darauf, in der Gegenwart zu sein, hier-jetzt zu sein. Einfach nur in diesem Moment … Wenn du intelligent bist, ist es nicht nötig, über das, was ich hier sage, nachzudenken; es ist dir einfach jetzt, genau in diesem Moment einsichtig! Wo ist das Ego? Es ist Stille da, und es ist keine Vergangenheit da, und es ist keine Zukunft da, nur dieser Moment … und dieser bellende Hund. Dieser Moment, – und schon bist du nicht. Lass diesen Moment da sein – und du bist nicht da. Da ist nur eine ungeheure Stille, da ist nur eine tiefe Stille, drinnen wie draußen. Und dann brauchst du dich nicht erst hinzugeben, weil du weißt, du bist nicht. Zu wissen, dass du nicht bist, bedeutet Hingabe.

Es geht nicht darum, dich mir hinzugeben. Es geht nicht darum, dich Gott hinzugeben. Es geht überhaupt nicht ums Hingeben! Hingabe ist eine Einsicht, eine Erkenntnis, nämlich dass „Ich nicht bin“. Du siehst: „Ich bin nicht, ich bin ein Nichts, eine Leere“, und die Hingabe wächst. Die Blüte der Hingabe wächst am Baum der Leere. Sie kann keine Absichten haben.

Das Ego hat Absichten. Das Ego lechzt nach der Zukunft. Es kann sogar nach dem Leben im Jenseits lechzen, es kann nach dem Paradies lechzen, es kann nach dem Nirvana lechzen. Es ist egal, wonach es lechzt – es besteht nur aus Lechzen, es besteht nur aus dem Begehren, es besteht nur aus dem Projizieren in die Zukunft. Sieh es! Sieh hinein! Ich sage nicht: Denke darüber nach. Wenn du darüber nachdenkst, verfehlst du es. Denken heißt wieder Vergangenheit und Zukunft. Wirf einen Blick hinein – Avalokita! – sieh hinein. Das englische Wort look kommt aus derselben Wurzel wie Avalokita. Sieh hinein, und tu es gleich jetzt. Sag dir nicht: „Okay, ich will heimgehen und es tun.“ Dann ist wieder das Ego da, die Absicht dazwischengekommen, die Zukunft eingetreten. Wann immer die Zeit auftritt, stürzt du in die Unwirklichkeit des Getrenntseins. Fühle es, lass es da sein, genau in diesem Moment. Und dann siehst du plötzlich: Du bist, und du bist nicht irgendwohin unterwegs, und du kommst nicht irgendwoher. Du bist schon immer hier gewesen.

Hier ist die einzige Zeit, der einzige Raum. Jetzt ist die einzige Existenz. In diesem Jetzt liegt die Hingabe.

„Hinter meinem Hingeben steckt eine Absicht“, sagst du. „Ich gebe mich hin um Freiheit zu gewinnen.“

Aber du bist frei! Du bist nie unfrei gewesen. Du bist frei, aber wieder taucht dasselbe Problem auf: Du möchtest frei sein, aber du verstehst nicht, dass du nur frei sein kannst, wenn du frei von dir selbst bist – eine andere Freiheit gibt es nicht. Wenn du über Freiheit nur nachdenkst, stellst du es dir so vor, als wärst du dann da – und frei. Du wirst nicht da sein, Freiheit wird da sein. Freiheit heißt Freiheit vom Selbst, nicht Freiheit des Selbst. Im selben Moment, da das Gefängnis verschwindet, verschwindet auch der Gefangene. Denn der Gefangene ist das Gefängnis! Im selben Moment, da du aus dem Gefängnis entkommst, bist auch du nicht. Da ist nur purer Himmel, purer Raum. Dieser pure Raum wird Nirvana, Moksha, Befreiung genannt.

Versuche lieber zu verstehen, statt etwas erreichen zu wollen: Ich gebe mich hin, um Freiheit zu gewinnen. Dann benutzt du die Hingabe als Mittel; und in Wirklichkeit ist die Hingabe das Ziel, der Endzweck. Wenn ich sage, die Hingabe ist das Ziel, meine ich damit nicht, dass die Hingabe irgendwo in der Zukunft vollbracht werden müsse. Ich sage damit, dass die Hingabe kein Mittel ist, sondern ein Zweck in sich. Nicht, dass die Hingabe Freiheit brächte – Hingabe ist Freiheit! Es sind Synonyme, beides bedeutet die gleiche Sache. Du schaust aus zwei verschiedenen Blickwinkeln auf die gleiche Sache.

es ist also gar keine wirkliche Hingabe.

Es ist weder wirkliche noch unwirkliche. Sie ist überhaupt keine Hingabe. Sie ist noch nicht einmal unwirklich.

Ich beobachte es, aber das Problem ist: Ich bin es immer selbst, der beobachtet. Daher ist jede Erkenntnis, die aus diesem Beobachten kommt, eine Stärkung des Egos. Ich fühle mich vom Ego ausgetrickst.

Wer ist dieses Ich, von dem du da redest, und das sich vom Ego ausgetrickst fühlt? Doch nur das Ego selbst! Das Ego ist dergestalt, dass es sich in Fragmente aufsplittern kann, in Teile, und dann geht das Spiel los. Du bist der Jagende und du bist der Gejagte. Es ist wie ein Hund, der seinen eigenen Schwanz zu packen versucht und immer wieder danach springt. Und ihr schaut zu und seht das Absurde daran, aber nur ihr seht das Absurde, der Hund kann es nicht sehen. Je mehr er merkt, dass es schwierig ist, den Schwanz zu packen, desto verrückter wird er, desto mehr springt er. Und je schneller und größer der Sprung, desto schnellere und größere Sprünge macht auch der Schwanz. Und der Hund hat keine Ahnung, was da vor sich geht, und er kann doch sonst alles so toll zu fassen kriegen! Und es ist doch nur ein gewöhnlicher Schwanz, trotzdem kann er ihn nicht zu fassen kriegen?!

Genau dasselbe passiert mit dir. Es ist das Ich, das da zupacken will, und das sowohl der Fänger als auch das Gefangene ist. Sieh das Lächerliche daran, und in diesem bloßen Sehen sei frei davon. Hier braucht nicht das Geringste getan zu werden – nicht das geringste, sage ich. Denn ihr seid bereits das, was ihr werden möchtet. Ihr seid Buddhas, ihr seid nie etwas anderes gewesen. Sehen genügt.

Und wenn du sagst: Ich beobachte es, ist es wieder das Ich. Im Beobachten setzt sich das Ich wiederum fort, denn dieses Beobachten ist wieder ein Tun. Es erfordert Anstrengung: Du bist mit dem Beobachten beschäftigt – wer also beobachtet?

Entspanne dich! In der Entspannung – wenn es nichts zu beobachten gibt und keinen, der beobachtet, wenn du nicht in eine Dualität gespalten bist – ja, dann taucht eine andere Art von Zeugesein auf. Es ist kein Beobachten; es ist einfach passive Bewusstheit; passiv, sage ich – merkt es euch. Es hat nichts Aggressives in sich. Beobachten ist sehr aggressiv: Anstrengung ist nötig, man muss sich anspannen. Aber sei unverkrampft, entspannt. Sei einfach da. In dieser Bewusstheit, wenn du einfach nur da bist, wenn du da sitzt ohne etwas zu tun … der Frühling kommt, und das Gras wächst von allein.

Das ist der ganze buddhistische Ansatz: dass alles, was du tust, den Macher erzeugt und verstärkt – selbst das Beobachten, selbst das Denken, selbst das Sich-hingeben. Was immer du tust – es wird die Falle erzeugen. Nichts braucht von dir aus getan zu werden. Sei einfach … und lass die Dinge geschehen. Versuche nicht einzugreifen, versuche nicht zu manipulieren. Lass die Brise wehen, lass die Sonnenstrahlen kommen, lass das Leben tanzen und lass den Tod kommen und lass auch ihn seinen Tanz in dich hineintanzen.

Das heißt für mich Sannyas: Es ist nicht etwas, das du tust; wenn du alles Tun fallen lässt und die Absurdität allen Tuns siehst … Wer bist du, dass du tust?

Du bist nur eine Welle in diesem Ozean. Den einen Tag bist du, den ändern Tag wirst du verschwinden; der Ozean besteht weiter. Warum solltest du dir Gedanken machen? – du kommst, du verschwindest. Aber dazwischen, in diesem kurzen Intervall, wirst du so sorgenvoll und verspannt und lädst dir allen möglichen Ballast auf die Schultern und schleppst Felsbrocken auf dem Herzen – ohne jeglichen Grund!

Ihr seid in genau diesem Augenblick frei! Ich erkläre euch in genau diesem Augenblick für erleuchtet. Aber ihr vertraut mir nicht. Ihr sagt: „Schon recht, Osho, aber sag uns doch nur, wie wir erleuchtet werden können!“

Dieses Werden, dieses Erreichen, dieses Wünschen stürzt sich auf jedes Objekt, das ihr nur finden könnt. Mal ist es Geld, mal ist es Gott. Mal ist es Macht, mal ist es Meditation – aber gleich welches Objekt, ihr fangt an, danach zu greifen. Nicht-Zupacken, das ist die Art, das wirkliche Leben zu leben, das wahre Leben – Nicht-Zupacken, Nicht-Besitzen.

Lass also alles geschehen. Lass das Leben sich ereignen, und die Freude ist da, der Jubel ist da – weil es dann keine Frustration gibt, nimmermehr. Weil du von vornherein mit nichts gerechnet hattest und weil dann alles, was kommt, gut ist. Dann gibt es kein Scheitern, kein Gelingen. Dieses Spiel von Scheitern und Gelingen ist weggefallen. Morgens kommt die Sonne und weckt dich auf, und abends kommt der Mond und singt dir ein Wiegenlied, und du gehst schlafen. Es kommt Hunger, und du isst … und so weiter und so fort. Das genau meinen die Zen-Meister, wenn sie sagen: „Bist du hungrig, dann iss! Bist du müde, dann schlaff Sonst gibt es nichts zu tun.“

Und ich lehre euch damit keine Tatenlosigkeit. Ich sage damit nicht, geht nicht zur Arbeit. Ich sage damit nicht, verdient euch nicht euer Brot. Ich sage damit nicht, kehrt euch ab von der Welt und fallt andern zur Last und werdet zu Ausbeutern. Nein, absolut nicht. Aber seid keine Macher. Ja, wenn ihr hungrig seid, dann müsst ihr essen, und wenn ihr essen müsst, dann müsst ihr euch euer Brot verdienen – aber da ist niemand, der es tut.

Es ist der Hunger selbst, der aktiv wird; da ist sonst niemand am Werk. Es ist der Durst selbst, der dich zum Brunnen führt oder zum Fluss. Es ist der Durst selbst, der hingeht. Da ist niemand, der durstig ist. Lasst die Nomen und Pronomen in eurem Leben weg, und lasst die Verben leben.

Buddha sagt: In Wahrheit seht ihr, wenn ihr einen Tänzer seht, keinen Tänzer, sondern nur ein Tanzen. Wenn ihr einen Fluss seht, dann ist da kein Fluss, sondern nur ein Flussen. Wenn ihr einen Baum seht, dann ist da kein Baum, sondern nur ein Baumen. Wenn ihr jemanden lächeln seht, dann ist da niemand, der lächelt, sondern nur ein Lächeln. Wenn ihr Liebe seht, ist da niemand, der liebt, sondern nur ein Lieben. Das Leben ist ein Prozess. Aber wir sind es gewohnt, in statischen Nomen zu denken. Das bringt Schwierigkeiten. Und es gibt nichts Statisches – alles ist Fluxus und Fließen. Fließe mit, ströme mit diesem Fluss mit, und sei nie ein Macher. Selbst wenn du etwas tust, sei nicht du es, der es tut. Wenn diese Erkenntnis erst einmal in dich eingesunken ist, gibt es nichts weiter.

Erleuchtung ist nicht so etwas wie ein Ziel, das erreicht werden muss. Sie ist das ganz gewöhnliche Leben, dieses einfache Leben, das dich umgibt. Aber wenn du nicht kämpfst, wird dieses gewöhnliche Leben außergewöhnlich schön. Dann sind die Bäume grüner, dann singen die Vögel in reicheren Tönen, dann ist alles um dich herum kostbar … dann sind gewöhnliche Kieselsteine Diamanten. Akzeptiere dieses einfache, gewöhnliche Leben. Gib den Macher auf. Und wenn ich sage, gib den Macher auf, dann werde nicht zum Aufgeber! Du erkennst einfach das Wirkliche daran, und es verschwindet.

Die dritte Frage:

Besteht ein Unterschied zwischen dem „Shunyavada“ des Nagarjuna und dem „Avyakritopadesh“ – der „unsagbaren und undefinierbaren Lehre“ des Gautam Buddha?

Da ist überhaupt kein Unterschied. Wenn ein Unterschied da zu sein scheint, dann nur aufgrund der Formulierung. Nagarjuna ist ein großer Philosoph, einer der größten der Welt. Nur wenige Menschen auf der Welt, ganz wenige, haben diesen Tiefblick, den Nagarjuna hat. Seine Art sich auszudrücken ist also sehr philosophisch, logisch, absolut logisch. Buddha ist ein Mystiker, kein Philosoph. Seine Art, die Dinge zu sagen, ist eher poetisch als philosophisch. Der Ansatz ist anders, aber Nagarjuna sagt genau das gleiche wie Buddha. Ihre Formulierungen unterscheiden sich, gewiss, aber man muss verstehen, was sie damit sagen wollen. Die Frage ist von Omanath Bharti. Du fragst: Besteht ein Unterschied zwischen dem „Shunyavada“…

Mit Shunyavada ist die Theorie, die Philosophie des Nichts gemeint. Im Englischen gibt es kein Wort, das dem Wort Shunya gleichkäme, und zwar adäquat gleichkäme. Shunya bedeutet Leere, aber keine negative Leere. Eine sehr positive Leere. Es bedeutet das Nichts, aber nicht einfach nur nichts. Es bedeutet Nicht-Etwas. Shunya bedeutet leerer Raum, leer von allem. Aber die Leere selbst ist da, mit absoluter Präsenz, sie ist also nicht einfach leer. Sie ist wie der Himmel, der leer ist, der reiner Raum ist, aber dennoch ist. Alles kommt in ihn hinein und geht wieder, und er selbst bleibt. Shunya ist wie der Himmel … reine Präsenz. Du kannst es nicht berühren, obwohl du darin lebst. Du kannst es nicht sehen, obwohl du nie ohne es sein kannst. Du existierst darin. Genauso wie der Fisch im Ozean existiert, so existierst du im Raum, in Shunya. Shunyavada bedeutet, dass alles aus Nicht-Etwas entsteht.

Erst vor wenigen Minuten habe ich euch den Unterschied zwischen Wahrheit und Realität erklärt. Realität bezeichnet die Welt der Dinge, und Wahrheit bezeichnet die Welt des Nicht-Dings, des Nichts – Shunya. Alle Dinge entstehen aus dem Nichts und lösen sich wieder ins Nichts auf.

In den Upanishaden gibt es eine Geschichte:

Swetaketu ist vom Hause seines Meisters wieder heimgekehrt zu seinen Eltern. Er hat alles gelernt. Sein Vater, Uddalaka, ein großer Philosoph, schaut ihn an und sagt: „Swetaketu, geh hinaus und bringe mir eine Frucht von jenem Baum dort.“

Er geht hinaus, bringt eine Frucht. Und der Vater sagt: „Brich sie auf. Was siehst du darin?“ Und es sind viele Kerne darin. Und er sagt: „Nimm einen Kern und brich ihn auf. Was siehst du darin?“ Und er sagt: „Nichts.“ Und der Vater sagt: „Alles entsteht aus diesem Nichts. Dieser große Baum, so groß, dass tausend Ochsenkarren unter ihm ausruhen können, ist aus nur einem Saatkorn entstanden. Und du brichst das Saatkorn auf und findest dort nichts. Dies ist das Mysterium des Lebens – alles entsteht aus nichts. Und eines Tages verschwindet der Baum, und du weißt nicht wohin. Du kannst ihn nirgends mehr finden.“ So auch der Mensch. Wir entstehen aus nichts, und wir sind nichts, und wir lösen uns in nichts auf. Das ist Shunyavada.

Und was ist Buddhas Avyakritopadesh, die unsagbare und undefinierbare Lehre? Es ist das gleiche. Er hat es nie so philosophisch klargestellt, wie es Nagarjuna getan hat. Darum hat er nie darüber gesprochen. Darum sagt er, dass es undefinierbar ist. Es lässt sich nicht auf die Ebene der Sprache holen. Er hat sich darüber ausgeschwiegen.

Habt ihr von seiner Blumenpredigt gehört? Eines Tages kommt er mit einer Lotusblume in der Hand und setzt sich hin, schweigend, ohne ein Wort zu sagen. Und die zehntausend Jünger sind da, die zehntausend Bhikkhus sind da, und sie warten darauf, dass er etwas sagt, und er schaut immerfort nur auf die Lotusblume. Es herrscht große Stille und dann auch eine große Unruhe. Die Leute fangen an, nervös zu werden – „Was macht er nur? Das hat er ja noch nie gemacht.“ Und dann lächelt plötzlich einer der Jünger, Mahakashyapa.

Buddha ruft Mahakashyapa zu sich, gibt ihm die Lotusblume und sagt zu der Versammlung: „Was gesagt werden kann, das habe ich euch gesagt. Und was nicht gesagt werden kann, das habe ich Mahakashyapa gegeben.“

Das ist Avyakritopadesh, das ist die undefinierbare Botschaft. Hier haben wir den Ursprung des Zen-Buddhismus – die Übertragung. Irgendetwas wurde von Buddha auf Mahakashyapa übertragen, etwas, das nichts ist, auf der sichtbaren Ebene nichts – kein Wort, keine Schrift, keine Theorie. Aber irgendetwas wurde da übertragen. Was?

Die Zen-Mönche meditieren seit zweitausendfünfhundert Jahren darüber: „Was – was wurde übertragen? Was genau wurde weitergegeben?“ Tatsächlich wurde nichts von Buddha an Mahakashyapa weitergegeben; Mahakashyapa hat nur plötzlich etwas verstanden: Er verstand die Stille, er verstand die durchdringende Stille. Er verstand jenen Moment der Klarheit, jenen Moment äußerster Gedankenlosigkeit. Er wurde in jenem Moment eins mit Buddha. Genau das heißt sich hingeben. Nicht, dass er es getan hätte. Buddha war still, und er war still, und beide Stillen begegneten sich, und beide Stillen lösten sich ineinander auf.

Und die beiden Stillen sind nicht zu trennen, denkt daran. Denn eine Stille hat keine Grenze, eine Stille ist unbegrenzt, eine Stille ist einfach offen, offen nach allen Seiten. In dieser großen Versammlung von zehntausend Mönchen gab es an jenem Tag zwei Stillen – Buddha und Mahakashyapa. Alle anderen blieben draußen vor. Mahakashyapa und Buddha begegneten sich: Das ist der Grund, warum er lächelte – weil dies die größte Predigt war, die Buddha je gehalten hatte.

Ohne ein einziges Wort zu sagen, hatte er doch alles gesagt: Alles, was gesagt werden kann, und alles, was nicht gesagt werden kann – auch das! Mahakashyapa verstand und lachte. In diesem Lachen löste sich Mahakashyapa endgültig auf, wurde er zum Buddha. Die Flamme von Buddhas Licht sprang auf Mahakashyapa über. Das nennt man „die Übertragung jenseits der Schriften“ – die Blumenpredigt. Sie ist einmalig in der Geschichte des menschlichen Bewusstseins. Das ist es, was man Avyakritopadesh nennt – das ungesagte Wort, das unausgesprochene Wort. Die Stille wurde so substanziell, so konkret, die Stille wurde so real, so existenziell, die Stille wurde so greifbar in jenem Moment! Buddha war ein Nichts, und Mahakashyapa verstand ebenfalls, was es heißt, ein Nichts zu sein, absolut leer zu sein.

Es besteht kein Unterschied zwischen Nagarjunas Shunyavada und Buddhas unausgesprochener Botschaft. Nagarjuna ist einer der größten Jünger Buddhas, und einer der scharfsinnigsten Intellekte überhaupt. Nur sehr wenige Menschen – ab und zu ein Sokrates, ein Shankara – lassen sich mit Nagarjuna vergleichen. Er war sehr, sehr intelligent.

Das Höchste, was der Intellekt tun kann, ist, Selbstmord zu begehen; das Größte, das größte Crescendo, das dem Intellekt begegnen kann, ist, über sich selbst hinauszuwachsen. Und genau das hat Nagarjuna getan. Er hat alle Bereiche des Intellekts durchwandert – und überschreitet die Grenze.

Die logischen Positivisten sagen, das Wort „nichts“ sei nur die Verallgemeinerung von lauter Einzelbeispielen negativer Aussagen, von Negierungen … etwa wie: „dies ist nicht süß; ich bin nicht gesund; ich war nicht da; er mochte mich nicht“ und so weiter. Solche Aussagen enthalten keine Substanz – sagen die logischen Positivisten.

Buddha ist da anderer Meinung. Nagarjuna ist anderer Meinung. Martin Heidegger, einer der scharfsinnigsten Intellekte der Neuzeit, ist da anderer Meinung. Heidegger sagt, es gibt eine unmittelbare Nichts-Erfahrung, es ist nicht nur etwas rein sprachlich Erfundenes. Es gibt eine tatsächliche Erfahrung des Nichts, sie ist untrennbar mit dem Sein verknüpft. Die Erfahrung, die das untermauert, ist die des Grauens. Kierkegaard, der dänische Philosoph, fragt ebenfalls: „Was bewirkt das Nichts?“, und antwortet: „Es bewirkt Grauen.“

„Das Nichts“ ist eine konkrete Erfahrung. Entweder kannst du ihm in tiefer Meditation begegnen oder wenn der Tod kommt. Tod und Meditation sind die zwei Möglichkeiten, es zu erfahren. Ja, manchmal kann man es auch in der Liebe erfahren. Wenn du dich in tiefer Liebe auflöst in jemandem, kannst du eine Art Nichts erfahren. Das ist es, warum Menschen Angst vor der Liebe haben – sie gehen nur bis zu einem bestimmten Punkt, dann kommt Panik, dann sind sie verschreckt. Darum sind nur sehr wenige Menschen orgasmisch geblieben. Der Orgasmus beschert euch nämlich eine Erfahrung des Nichts. Ihr verschwindet, ihr schmelzt in irgendetwas dahin, aber ihr wisst nicht, was es ist. Ihr geratet ins Undefinierbare – Avyakrit. Ihr verlasst das Gesellschaftliche. Ihr fallt in eine Vereinigung, wo keine Trennung mehr gilt, wo Ego nicht existiert. Und das macht Angst, denn es ist wie der Tod. Es ist also eine Erfahrung.

Entweder in der Liebe – was die Leute zu meiden gelernt haben … Wie viele Leute verzehren sich nicht ständig nach Liebe, zerstören aber aus dieser Angst vor dem Nichts jegliche Möglichkeit, dass sie kommen kann! Oder in tiefer Meditation, wenn das Denken stillsteht: Du siehst einfach, dass innen nichts ist, aber dies Nichts eine Präsenz hat, nicht einfach eine Abwesenheit von Denken ist, sondern eine Anwesenheit von etwas Unbekanntem, Mysteriösem, etwas Riesigem ist. Oder aber im Tod – wenn du wach dabei bleibst. Die Leute sterben meist in Unbewusstheit. Aus ihrer Angst vor dem Nichts werden sie unbewusst. Wenn du bewusst stirbst … Und du kannst nur dann bewusst sterben, wenn du das Phänomen des Todes akzeptierst; aber dazu muss man sein Leben lang lernen, muss sich vorbereiten. Man muss lieben können, um zum Sterben bereit zu sein, und man muss meditieren können, um zum Sterben bereit zu sein. Nur ein Mensch, der geliebt und meditiert hat, wird bewusst sterben können. Und wenn du einmal bewusst stirbst, dann brauchst du nicht wieder zurückzukehren, weil du die Lektion des Lebens gelernt hast. Dann löst du dich im Ganzen auf: Das heißt Nirvana.

Die logischen Positivisten erscheinen sehr logisch, aber sie übersehen etwas – weil die Wirklichkeit sehr viel mehr ist als Logik. In der gewöhnlichen Erfahrung kommen wir nicht über Logik hinaus. Sie sagen: „Dieser Sessel ist da. Nehmt ihn weg, und ihr werdet sagen, es ist kein Sessel da. Also wird damit eine bloße Abwesenheit bezeichnet. Der Sessel ist fortgenommen worden.“ Dies sind gewöhnliche Beispiele für „nichts“ – einst war hier ein Haus, dann wurde es abgerissen, jetzt ist es nicht da. „Nicht da“ bezeichnet nur eine Abwesenheit.

Aber es gibt Formen des Nichts, tief in eurem Sein, mitten im Kern … Im genauen Kern des Lebens existiert der Tod. Der Tod ist das Auge des Zyklons. In der Liebe kommt ihr ihm nahe, in der Meditation kommt ihr ihm nahe, im körperlichen Tod kommt ihr ihm ebenfalls nahe. Im Tiefschlaf, wenn die Träume verschwinden, kommt ihr ihm nahe. Es ist sehr lebensspendend, es ist lebensbestärkend. Ein Mensch, der nicht tief schlafen kann, wird krank werden, weil er nur im tiefen Schlaf, wenn er in seine tiefsten Tiefen hineinstirbt, wieder Leben, Energie, Vitalität schöpft. Am Morgen ist er wieder frisch und voller Saft und Kraft – pulsierend, wieder pulsierend. Lernt zu sterben! Das ist die größte Kunst, die es zu lernen gilt, das größte Know-how.

Heidegger sagt … Sein Standpunkt kommt demjenigen Buddhas sehr nahe, aber seine Sprache ist sehr modern. Das ist der Grund, warum ich ihn hier zitiere: „Jedes Sein, insofern es ein Sein ist, besteht aus nichts.“ Es gibt dazu auch eine parallele christliche Doktrin, wenn auch sehr gemieden – denn die christlichen Theologen können nichts damit anfangen, sie fühlen sich von ihr überfordert: nämlich die Doktrin der creatio ex nihilo – dass die Schöpfung aus dem Nichts kommt.

Fragt ihr den modernen Physiker, wird er Buddha recht geben: Je tiefer man in die Materie eindringt, desto mehr löst sich alles auf. Es kommt der Moment – wenn man das Atom spaltet –, wo die Dinglichkeit vollends verschwindet. Dann gibt es noch Elektronen, aber das sind keine Dinge mehr, sondern Nichtse. Es ist sehr schwierig zu verstehen. Aber die Physik, die moderne Physik, ist der Metaphysik sehr nahe gekommen – weil sie mit jedem Tag der Wirklichkeit immer näher kommt. Sie nimmt ihren Weg durch die Materie, aber kommt beim Nichts an. Ihr wisst, es gibt in der modernen Physik keine Materie mehr.

Materie ist nur eine Illusion: Sie scheint nur da zu sein, ist es aber nicht. Ihre ganze Solidität, ihre ganze Stofflichkeit – alles nur Illusion, nichts ist stofflich, alles ist Fluxus und Energie. Die Materie ist nichts als Energie. Und je tiefer man in die Energie hineingeht, desto mehr ist Energie nicht ein Etwas, sondern ein Nicht-Etwas.

Der Tod ist der Punkt, wo alles Wissen scheitert und wir offen werden für das Sein. Das ist auch seit Jahrhunderten die buddhistische Erfahrung. Buddha schickte seine Jünger, wenn jemand gestorben war, immer zum Zuschauen – sie sollten sich anschauen, wie die Leiche auf dem Scheiterhaufen verbrennt: „Meditiert dort, meditiert über die Nichtigkeit des Lebens.“ Der Tod ist der Punkt, an dem alles Wissen scheitert, und wo das Wissen scheitert, scheitert der Verstand. Und wenn der Verstand scheitert, besteht eine Möglichkeit, dass die Wahrheit zu dir durchdringt. Aber die Leute wissen es nicht. Wenn jemand stirbt, wisst ihr nicht, was ihr tun sollt, werdet ihr sehr verlegen. Wenn jemand stirbt, ist das ein großartiger Moment zu meditieren.

Ich denke immer, dass jede Stadt ein Sterbezentrum braucht. Wenn jemand stirbt und sein Tod ganz, ganz nah ist, sollte er ins Sterbezentrum gebracht werden. Es sollte ein kleiner Tempel sein, wo Menschen, die tief in Meditation gehen können, um den Sterbenden herumsitzen sollten, ihm helfen sollten zu sterben und an seinem Sein teilhaben sollten, wenn es ins Nichts übergeht. Wenn jemand sich ins Nichts auflöst, wird eine enorme Energie freigesetzt. Die Energie, die da war, die ihn umgab, wird freigesetzt. Wenn ihr in schweigendem Zustand um ihn herumsitzt, werdet ihr auf eine phantastische Reise gehen. Kein psychedelisches Mittel kann euch da hinbringen. Der Sterbende setzt auf natürlichem Wege eine enorme Energie frei. Wenn ihr diese Energie absorbieren könnt, werdet auch ihr quasi mit ihm sterben. Und ihr werdet das Höchste sehen – den Ursprung und das Ziel, den Anfang und das Ende.

„Der Mensch ist dasjenige Wesen, durch das das Nichts in die Welt kommt“, sagt Jean-Paul Sartre. Bewusstsein ist nicht dieses oder jenes Objekt, es ist überhaupt kein Objekt. Aber es ist doch zumindest es selbst? „Nein“, sagt Sartre, „genau das ist es nicht. Bewusstsein ist nie identisch mit sich selbst. Daher ist das reflektierte Selbst, wenn ich über mich selbst reflektiere, etwas anderes als das reflektierende Selbst. Wenn ich versuche auszusprechen, was ich bin, scheitere ich, weil das, worüber ich spreche, während des Sprechens in die Vergangenheit entgleitet und zu dem wird, was ich war. Ich bin meine Vergangenheit und meine Zukunft, und dennoch bin ich nicht. Ich war das eine, und ich werde das andere sein. Aber in der Gegenwart ist da ein Nichts.“

Wenn jemand dich fragt: „Wer bist du?“, was wirst du sagen? Entweder wirst du aus der Vergangenheit heraus antworten – die nicht mehr ist; oder du kannst aus der Zukunft heraus antworten – die noch nicht ist. Aber wer bist du genau in diesem Moment? – ein Niemand, ein Nichts. Dieses Nichts ist der wahre Kern, das Herz … das Herz deines Seins.

Der Tod ist nicht die Axt, die den Baum des Lebens umhaut, sondern die Frucht, die an ihm heranwächst. Der Tod ist die eigentliche Substanz, aus der du gemacht bist. Das Nichts ist dein eigentliches Sein. Dringe zu diesem Nichts vor, entweder durch Liebe oder durch Meditation, und sieh es immer wieder blitzhaft aufleuchten. Das ist es, was Nagarjuna mit Shunya meint. Das ist es, was Buddha an jenem Tag übertrug, als er die Blumenpredigt hielt. Das ist es, was Mahakashyapa verstand, als er lachte. Er sah das Nichts und seine ganze Reinheit, seine ganze Unschuld, seine ganze unberührte Unschuld, seinen ganzen Glanz, seine ganze Unsterblichkeit – denn das Nichts kann nicht sterben. Dinge sterben; das Nichts ist unsterblich, ewig. Wenn ihr mit etwas identifiziert seid, egal was es ist, werdet ihr den Tod erleiden. Aber wenn ihr wisst, dass ihr der Tod seid, wie könnt ihr dann den Tod erleiden? Dann kann euch nichts zerstören; das Nichts ist unzerstörbar.

Eine buddhistische Parabel erzählt, dass der König der Hölle einen frisch angekommenen Geist fragte, ob er während seines Lebens den drei himmlischen Boten begegnet sei. Und als dieser antwortete: „Nein, Herr, ich bin ihnen nicht begegnet“, fragte er, ob er je einen alten, altersgebeugten Mann, oder je einen armen, kranken, freundlosen Mann, oder je einen toten Mann gesehen habe.

Diese drei Dinge nennen die Buddhisten „die Botschafter Gottes“: Alter, Krankheit, Tod – die drei Boten Gottes. Warum? Weil man nur durch diese Erfahrungen im Leben den Tod gewahr wird. Und wenn man sich des Todes bewusst wird und man zu lernen anfängt, wie man in ihn hineingehen, wie man ihn willkommen heißen, wie man ihn empfangen kann, befreit man sich von den Fesseln, vom Rad des Lebens und des Todes. Heidegger sagt – und Sören Kierkegaard auch: Das Nichts erregt Grauen. Das ist aber nur die Hälfte der Geschichte. Denn diese beiden Leute sind lediglich Philosophen, darum erregt es Grauen.

Wenn ihr dagegen Buddha, Mahakashyapa, Nagarjuna fragt, wenn ihr mich fragt, erregt der Tod nur solange Grauen, wie ihr nur den einen Teil von ihm seht. Wenn ihr ihn absolut, total seht, befreit er euch von allem Grauen, von aller Qual, von aller Angst, befreit er euch vom Samsara. Denn wenn ihr nur halb hinschaut, dann erzeugt er Angst – dass ihr sterben müsst, dass ihr zu nichts werden müsst, dass ihr euch irgendwann auflösen müsst. Und natürlich fühlt ihr euch nervös, entsetzt, entwurzelt. Wenn ihr dem Tod total ins Auge seht, dann wisst ihr, dass ihr Tod seid, dass ihr aus ihm besteht. Also wird sich weder etwas auflösen noch etwas dableiben. Nur das Nichts ist.

Der Buddhismus ist keine pessimistische Religion, wie so viele Menschen immer glauben. Der Buddhismus ist der Weg, sich sowohl von Optimismus wie Pessimismus freizumachen, sich von der Dualität zu befreien.

Fangt an, über den Tod zu meditieren. Und wo immer ihr den Tod in der Nähe spürt, geht in ihn hinein – durch die Tür der Liebe, durch die Tür der Meditation, durch die Tür eines Menschen, der gerade stirbt. Und wenn ihr dann eines Tages selbst sterbt – und der Tag wird eines Tages kommen –, dann empfangt ihn mit Freude, mit Segnungen. Und wenn ihr den Tod mit Freude und Segnungen empfangen könnt, werdet ihr den größten Gipfel erreichen, weil der Tod der Höhepunkt des Lebens ist. In ihm verborgen liegt der größte Orgasmus – weil in ihm die größte Freiheit verborgen liegt.

Der Tod ist dein Liebesakt mit Gott – oder Gottes Liebesakt mit dir. Der Tod ist ein kosmischer, totaler Orgasmus. Lasst also alle Vorstellungen fallen, die ihr über den Tod mitschleppt – sie sind gefährlich. Sie machen euch feindselig gegenüber der größten Erfahrung, die ihr nötig habt. Wenn ihr den Tod verfehlt, werdet ihr wiedergeboren. Solange ihr noch nicht richtig zu sterben gelernt habt, werdet ihr wieder und wieder und wieder geboren werden. Das ist das Rad – Samsara, die Welt. Sobald ihr den größten Orgasmus kennengelernt habt, braucht ihr es nicht mehr. Man löst sich auf und man bleibt für immer in diesem Orgasmus. Du bleibst nicht als du, du bleibst nicht als Wesenheit, du bleibst nicht definiert, nicht mit irgendetwas identifiziert, sondern du bleibst als das Ganze, nicht als ein Teil. Dies ist Nagarjunas Shunyavada, und dies ist Buddhas unausgesprochene Botschaft, das unsagbare Wort. Beides ist das gleiche.

Die letzte Frage:

Ich habe Angst, Sannyas zu nehmen, obwohl ich mich ungeheuer angezogen fühle. Ich habe Angst wegen meines Mannes. Ich glaube nicht, dass er es verstehen wird.

Du hast nicht sehr viel Achtung vor deinem Mann! Hältst du ihn für dumm, oder was? Warum sollte er es nicht verstehen können? Wenn er dich liebt, wird er es verstehen. Liebe ist Verstehen. Wenn er dich nicht liebt, dann wird er dich nicht verstehen, egal ob du Sannyasin wirst oder nicht.

Das zweite: Wenn er dein Sannyas nicht versteht, ist es sein Problem. Du musst dein Leben leben. Mache nie Kompromisse, sonst wird dir vieles entgehen. Mache nie Kompromisse! Wenn dir dein Gefühl sagt, Sannyas zu nehmen, dann nimm Sannyas. Geh das Risiko ein. Wenn er dich liebt, gibt es kein Problem, dann wird er dich verstehen – denn Liebe schenkt Freiheit.

Wenn er dich nicht liebt, dann wird er sich schwer tun, denn er wird das Gefühl haben, dass du aus seinem Besitz entweichst, dass du unabhängig wirst, dass du du selbst zu sein versuchst. Aber sich solchen Erwartungen zu beugen, ist selbstmörderisch. Das ist sein Problem. Du musst dein Leben leben, er muss sein Leben leben. Niemand sollte versuchen, dem anderen etwas aufzuzwingen.

Aber mein Gefühl ist, dass du ihm offenbar auch etwas aufzwingst – darum hast du Angst. Wenn du ihm gar nichts aufzwingst, kannst du unabhängig sein. Aber es ist ein Kuhhandel: Die Menschen sind sich gegenseitig Sklaven. Und immer wenn du jemanden zum Sklaven machst, dann vergiss nicht, dass du damit auch jemanden zu deinem Herrn machst. Es beruht auf Gegenseitigkeit.

Ich wette, du versuchst, deinen Mann zu manipulieren, ich wette, du versuchst, ihm gewisse Dinge aufzuzwingen, ich wette, du verkrüppelst ihn. Jetzt möchtest du unabhängig sein, aber tief drinnen hast du Angst, dass er, wenn du unabhängig wirst, ebenfalls seine Unabhängigkeit erklärt. Dann würde er seinen eigenen Weg gehen wollen, und das kannst du dir nicht leisten. Das ist es, was du eigentlich fürchtest.

Aber wenn du etwas nicht tust, das du tun möchtest, das du tun wolltest, das du sein wolltest, dann wirst du ihm nie verzeihen können. Und du wirst Rache nehmen und du wirst böse sein und du wirst wüten – denn du wirst ständig daran denken, dass du Sannyasin werden wolltest und du nur diesem Mann zuliebe … Und du wirst dich eingesperrt, gefangen fühlen. Niemand mag es, gefangen zu sein. Dann hasst man die Person, die für deine Gefangenschaft die Ursache ist, dann versucht man, sich auf subtile Weise zu rächen. Das wird deine Ehe zerstören. Stelle nie eine Situation her, in der du dem anderen nicht verzeihen kannst. Nur zwei unabhängige Menschen können einander verzeihen. Sklaven können nicht verzeihen. Und wer weiß? – vielleicht hilft es ja auch ihm auf irgendeine Weise.

Ich las gestern eine Anekdote …

Zwei Forscher treffen sich im Urwald des Amazonas. Folgendes Gespräch findet statt: Erster Forscher: „Ich bin hier, weil ich den Wandertrieb im Blut habe. Die Zivilisation macht mich krank. Ich möchte die Natur in ihrer primitiven Form erleben. Ich möchte meinen Fuß hinsetzen, wo bisher noch kein Mensch war. Und Sie? Was hat Sie hierher verschlagen?“

Zweiter Forscher: „Meine Frau ist in Pune Sannyasin geworden und macht morgens Dynamische Meditation und abends Kundalini – darum!“

Aber gut! Wenn dein Mann zum Amazonas geht und Forscher wird, dann ist das eine gute Gelegenheit, etwas aus sich zu machen.

DAS HERZ-SUTRA

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