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II.

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Francesco de Pazzi war, von seinen Fackelträgern begleitet, davon gestürmt, die frische, etwas rauhe Luft vermochte es nicht, seine heiße Stirn zu kühlen und in schweren Atemzügen arbeitete seine Brust.

»Ha,« sprach er vor sich hin, nur mühsam einen lauten Ausbruch vor den Lakaien zurückhaltend, »dieser elende Bube, kaum der Kinderstube entwachsen, wagt es, sich mir entgegenzustellen und diese Giovanna, von der Natur mit allem Reiz geschmückt, der aus den Blüten emporduftet und im Glanz der Sterne vom Himmel herableuchtet, sie, die Tochter des stolzen Gabriel Malaspina, wendet sich von mir ab und dem thörichten, unreifen Knaben zu, ihm giebt sie die Rose, die ich ihr bot, die ihr ein Zeichen meiner Liebe sein sollte! O, wenn es nicht so lächerlich wäre, mit diesem Cosimino, wie sie ihn nennen, in die Schranken zu treten, so sollte mein Degen sein girrendes Herz durchbohren! Alles, was mit diesen aus dem Staube aufgewachsenen Medici zusammenhängt, wird zum Fluch für uns und für alle alten Geschlechter von Florenz, die das ritterliche Schwert führten, ehe noch die Medici aus ihrem Kramladen hervorgetreten waren! – Vom Pöbel sind sie emporgetragen zur Macht über uns alle, und nun wagt dieser Rucellai gar, mir meine Liebe zu stehlen!«

Er spannte die Hand um den Griff seines Dolches und schritt so schnell vorwärts, daß die Fackelträger ihm kaum zu folgen vermochten.

Er ging über die Brücke, wendete sich vor dem Castell San Angelo links und kam bald zu dem am Ausgange der Via de Longara in der Nähe von St. Peter liegenden Palast des Grafen Girolamo Riario, einem villenartigen Gebäude, hinter dem sich ein großer Garten nach dem Tiber hin ausdehnte.

Der Vorhof und die Fenster des Palastes waren hell erleuchtet, in dem Vestibül standen zahlreiche Diener und führten Francesco sogleich über die Marmortreppe zu der nach dem Garten hin gelegenen Wohnung des Grafen. Alles war hier mit höchster Pracht und verschwenderischer Üppigkeit ausgestattet, es fehlte die edle Einfachheit, welche in Tornabuonis Wohnung herrschte, wenn auch überall ein seiner Geschmack und ein harmonischer Schönheitssinn zu erkennen waren, wie das zu jener Zeit in Rom nicht anders sein konnte, wo die Kunst auch das häusliche Leben und die Wohnstätten der vornehmen Welt so sehr erfüllte, daß der Glanz des Reichtums und des Luxus sich kaum in geschmackloser Weise geltend machen konnte. Bilder der ersten Meister schmückten die Wände und auch die goldschimmernden Rahmen waren Kunstwerke in ihrer Art. In verschwenderischer Fülle strahlten die Wachskerzen von den Kronleuchtern und Girandolen ihr Licht aus, feine orientalische Wohlgerüche durchdufteten alle Räume.

In dem kleinen Speisesaal des Grafen saßen mit diesem noch zwei Personen auf kunstvoll geschnitzten und reich vergoldeten Lehnsesseln an dem runden Tisch.

Die Abendmahlzeit war beendet und abgetragen, in großen goldenen Körben ständen auf dem schneeigen Tafeltuch die seltensten Früchte und die verschiedenen Konfekte, welche die Kochkunst jener Zeit in so großer Vollkommenheit herzustellen verstand, in geschliffenen Krystallkaraffen funkelten die goldgelben und purpurroten Weine der berühmtesten Reben Italiens und vor den drei Herren standen hohe Kelche mit dem Wappen des Grafen geschliffen.

Der eine der Gäste war der Erzbischof von Pisa, Francesco Salviati, ein schlank gewachsener Mann von etwa fünfunddreißig Jahren mit einem feinen bleichen Gesicht, das mit seinem kleinen unter dunklen scharf gezeichneten Brauen hervorblitzenden Augen mehr listige Verschlagenheit als umfassendes und großes geistiges Leben ausdrückte; sein schwarzes Haar war glatt gescheitelt, das violette Gewand mit dem großen von Edelsteinen funkelnden Kreuz, das an einer goldenen Kette auf seiner Brust hing, sowie die feinen weißen Hände gaben ihm das außerordentlich elegante und vornehme Aussehen der hohen Prälaten jener Zeit, welche auf den Luxus ihrer Toilette fast ebenso viel Wert legten, als die Damen der so üppigen und prachtliebenden großen Welt.

Neben ihm saß ein hochgewachsener Mann von athletischer Gestalt, der in seiner Kleidung und Haltung das unverkennbare Bild eines jener Soldaten vom Handwerk zeigte, welche nur vom Kriege lebten und ihre Dienste bald dem einen bald dem anderen Herrn gegen hohe Belohnung zur Verfügung stellten, um in den zahlreichen Fehden der großen und kleinen Staaten die Mannschaften anzuwerben und zu führen, die ihnen um so leichter und bereitwilliger zuströmten, je größer der Siegesruhm der Kondottiere war und je mehr dieselben Plünderung und reiche Beute in Aussicht stellten.

Er trug ein anschließendes Wams von grauem Wollenstoff mit roter Seide besetzt; sein dunkelbraunes Haar war kurz und kraus gelockt und sein wettergebräuntes Gesicht, mit dem spitzgestutzten Bart, zeigte soldatische Entschlossenheit, dabei aber auch eine gewisse freundliche Gutmütigkeit; er trug einen großen Stoßdegen an einem Bandelier von starkem Leder, um dessen Griff er seine nervige Hand gespannt hielt.

Der Graf Girolamo ging Francesco entgegen und führte ihn zu einem für ihn bereit stehenden Sessel.

»Es ist schön von Euch, edler Francesco,« sagte er, »daß Ihr Euer Wort haltet, Ihr kommt früher noch, als ich Euch erwartet, aber gerade zu rechter Zeit, denn bei der Sache, die wir eben besprochen, sind Euere Meinung und Euer Rat von großem Wert. Erlaubt, daß ich Euch hier den tapferen Herrn Giovan Battista de Montesecco vorstelle, der seinen tapferen und berühmten Degen meiner Sache zur Verfügung gestellt hat und die Truppen befehligt, welche ich in der Romagna zusammenziehe, um dort für meine Besitzungen sichere Deckung zu schaffen.«

Francesco begrüßte den ihm seit lange bekannten Erzbischof, der aus einer seinem Hause nahestehenden florentinischen Familie stammte, verbeugte sich mit etwas zurückhaltender Höflichkeit gegen Montesecco und erklärte mit freudiger Bereitwilligkeit, dem erlauchten Grafen in jeder Weise mit Rat und That dienstbar zu sein, wie es ja seine Pflicht und Schuldigkeit gegen den Neffen Seiner Heiligkeit des Papstes sei, »obgleich,« fügte er hinzu, »der heilige Vater, wie es scheint, das Haus Pazzi nicht mit besonders gnädigen Blicken ansieht, da er ja den Medici, die doch wahrlich nichts vor uns voraus haben, das Schatzmeisteramt verliehen hat.«

»Das hat mein gnädigster Oheim gethan,« rief Graf Girolamo, »weil er voraussetzte, daß die Medici sich einer solchen Ehre würdig zeigen würden und weil er den Versicherungen der Ergebenheit Glauben schenkte, die Lorenzo ihm schriftlich und mündlich so oft wiederholte, aber leider hat der heilige Vater sich getäuscht und die Medici haben die Probe nicht bestanden.«

»Und wie das?« fragte Francesco aufhorchend.

»Könnt Ihr Euch denken, Signor Francesco,« rief Girolamo, »daß dieser doppelzüngige Tornabuoni mir erklärt hat, die Mediceische Bank sei außer stande, die dreißigtausend Goldgulden aufzubringen, welche der heilige Vater an Mailand als Kaufpreis für Imola zu zahlen hat, das mein gnadenreicher Oheim mir geschenkt, und ich bin doch gewiß, daß Lorenzo allein in seinen Gewölben mehr als diese Summe liegen hat.«

Eine düstere Freude blitzte in Francescos Augen auf.

»Das hätten die Medici gewagt?« fragte er, »und warum sind sie denn nicht, wenn ihre Mittel nicht ausreichen, zu anderen gekommen –«

»Sie wollen das gethan haben,« fiel Girolamo ein, »aber weder die Altoviti noch die Chigi und die anderen großen Bankhäuser wären im stande gewesen, das Geschäft zu machen.«

»Das ist nicht wahr,« rief Francesco, »und wenn jene Häuser selbst so sprachen, so ist es nur, um den Medici zu gefallen, zu denen sie ja wie zu ihrer Vorsehung aufblicken.«

»So glaubt Ihr,« fragte Niario, »daß die Medici soweit ihre Pflichten verleugnen, um nicht nur selbst dem heiligen Vater diesen Dienst zu verweigern, sondern auch andere davon zurückzuhalten?«

»Das glaube ich gewiß,« sagte Francesco, »denn der beste Beweis ist, daß sie bei mir nicht angefragt haben.«

»Aber welchen Grund sollten sie dazu haben,« sagte der Erzbischof mit einem lauernden Blick, »ein solches Verhalten wäre ja eine Beleidigung des heiligen Vaters, ein Verrat an dem apostolischen Stuhl, dessen Schatzmeisteramt sie führen.«

»Weshalb?« sagte Francesco, »das ist leicht beantwortet, hochwürdigster Herr. – Ist es nicht bekannt und aus allem ersichtlich, daß dieser Lorenzo ganz Italien nach seinem Willen beherrschen möchte, wie er seine eigene Vaterstadt unter eine unerträgliche Tyrannei gebeugt hat? Er will selbst den heiligen Vater die Abhängigkeit von seinem Willen fühlen lassen und ihm zeigen, daß er ohne Lorenzos Zustimmung nichts zu thun vermöge. Und gerade in dieser Angelegenheit ist der böse Wille Lorenzos um so deutlicher erkennbar, er wie sein ganzes Haus streben danach, die Romagna in den Besitz oder die vollständige Botmäßigkeit von Florenz zu bringen, das heißt also in den Besitz des Hauses Medici, das ja nur dahin arbeitet, ein großes toskanisches Herzogtum für sich durch die demokratische Tyrannei aufzurichten. Darum will er gerade Euch, erlauchter Graf, dort an den Grenzen nicht in festem und starkem Besitz Fuß fassen lassen und darum den Erwerb von Imola für Euch unmöglich machen, indem er die Beschaffung der Kaufsumme verhindert. O das ist alles leicht zu durchschauen, wie wir es schon lange durchschaut haben. Wir, die alten vornehmen Geschlechter von Florenz, welche durch die tückische Demagogie der Medici von allem Einfluß zurückgedrängt sind, wir denken anders, wir würden es mit Freuden sehen, wenn an unseren Grenzen starke Verbündete zur Vertretung des Rechts gegen den blinden Pöbel, der die Medici auf seinen Schultern emporhebt, vorhanden wären, und wenn besonders der apostolische Stuhl durch seine Getreuen, wie Ihr es seid, erlauchter Graf, dort einen festen Einfluß erhielte, der überall das Recht schützte und die demokratische Tyrannei unmöglich machte.«

»Der edle Francesco hat in allem Recht, was er sagt,« bemerkte der Erzbischof, »es ist nur der persönliche Ehrgeiz Lorenzos, der die Romagna zu einem florentinischen Vasallenstaat machen möchte und der auch die Macht und den Einfluß des Papstes unseres heiligen Vaters von den Grenzen seiner auf den Pöbel gestützten Herrschaft fern halten möchte. Hat er es doch gewagt, mir, obgleich ich aus florentinischem Hause stamme, den Besitz des erzbischöflichen Stuhls von Pisa, den Seine Heiligkeit mir verliehen, zu verweigern und es ist jetzt erst mit Mühe gelungen, seine Einwilligung zu erlangen, daß ich mich dorthin begeben dürfe, um mein Amt anzutreten.«

»Und das ist erst geschehen,« rief der Graf Girolamo, heftig auf den Tisch schlagend, »nachdem ich dem hochmütigen Medici die schriftliche Versicherung gegeben, daß Seine Heiligkeit bei Eurer Ernennung, hochwürdiger Herr, nicht die Absicht gehabt habe, die florentinische Republik oder das Haus der Medici zu kränken.«

»Eine solche Versicherung,« rief Francesco Pazzi, »ist eine Demütigung des heiligen Stuhls, gegen welche sich alle, die demselben in Wahrheit ergeben sind, erheben sollten. – Wie darf Lorenzo von Medici es wagen, einem Fürsten der Kirche den Einzug in den Sitz des ihm von dem heiligen Vater verliehenen Erzbistums zu verweigern. Daß des heiligen Vaters Weisheit es hier nötig hat erachten müssen, einen solchen Trotz stillschweigend zu dulden, ist tief zu beklagen, denn nun wird der Hochmut der Medici ohne Maß sich steigern, und jeder Versuch, die päpstliche Herrschaft und den päpstlichen Einfluß in Umbrien und der Romagna zu befestigen, wird vor diesem trotzigen Ehrgeiz scheitern.«

»Aber was ist zu thun,« rief Girolamo, »um einen solchen illoyalen Ehrgeiz eines einzelnen von der Hefe des Pöbels emporgetragenen Mannes zu brechen?«

»Zunächst ist es nötig,« erwiderte Francesco, »den heiligen Vater davon zu überzeugen, daß er sich in seinem Vertrauen getäuscht hat, daß die Medici mit ihren Ergebenheitsversicherungen ihn betrügen und die schlimmsten Feinde des heiligen Stuhls und damit des Friedens, der Eintracht und der Macht Italiens sind.«

»Ein solcher Beweis ist schwer zu führen,« sagte der Erzbischof, »da Seine Heiligkeit sich nicht so leicht von so tiefer und unverbesserlicher Schlechtigkeit wird überzeugen lassen. Wenn man beweisen könnte,« fügte er mit lauerndem Blick hinzu, »daß die Medici ihn in der Angelegenheit des Kaufs von Imola betrogen hätten und die Geldnot nur vorschützten, um den Grafen Girolamo und damit die päpstliche Obermacht von der Romagna fern zu halten –«

»Diesen Beweis werde ich führen, hochwürdigster Herr!« rief Francesco Pazzi. »Die Medici haben behauptet, daß die Kaufsumme für Imola auch unter der Mitwirkung anderer Bankhäuser nicht zu beschaffen sei. Nun wohl, sie soll beschafft werden, ich stelle die dreißigtausend Goldgulden nach Ablauf einer Woche Seiner Heiligkeit zur Verfügung und was das Haus Pazzi allein thun kann, das sollten die Medici doch zu stande zu bringen vermögen, wenn sie den Beistand der ihnen Verbündeten Häuser anrufen!«

»Bei Gott,« rief Girolamo, der Beweis ist schlagend und wenn Ihr ihn führen könnt, edler Francesco, so ist Euch meine Dankbarkeit und Freundschaft für alle Zeit gewiß und Seine Heiligkeit wird sich wohl von der heuchlerischen Falschheit der Medici überzeugen müssen.«

»Und ich werde ihn führen, erlauchter Graf,« sagte Francesco, »mein Wort ist verpfändet und noch niemals ist das Wort eines Pazzi uneingelöst geblieben. – Verfügt über diese dreißigtausend Goldgulden, unsere Bank wird sie auf Eure Anweisung zahlen.«

Girolamo sprang auf, schüttelte Francesco die Hände und drückte ihn an seine Brust.

»Ihr seid ein Mann,« rief er, »wie ihn Italien bedarf, um in geschlossener Eintracht unter dem Schutz und der Führung des apostolischen Stuhls zu erstarken und der Welt zu gebieten. Ihr seid Zeuge, hochwürdigster Erzbischof, und Ihr, tapferer Montesecco, daß ich mein Wort verpfände, jeden Wunsch des edlen Francesco zu erfüllen, soweit meine eigene Kraft und mein Fürwort bei meinem geheiligten Oheim reicht.«

»O ich freue mich von Herzen,« sagte der Erzbischof, während Girolamo mit Francesco anstieß und seinen Kelch in einem langen Zuge leerte, »der edlen Gesinnung meines jungen Freundes und Landmannes, die ja in dem Hause der Pazzi erblich ist; um so trauriger aber ist es, daß dies edle Haus in meiner Vaterstadt zurückgedrängt ist von der ihm gebührenden und in einer ruhmreichen Geschichte begründeten Stellung, daß der tückische und treulose Lorenzo unumschränkt gebietet in dem schönen Florenz, das nur noch den Namen der Republik führt.«

»Was ist dagegen zu thun,« sagte Francesco seufzend, »der Pöbel in seiner Masse gehorcht blindlings dem Lorenzo, der ihm schmeichelt, wie es alle Tyrannen schon im Altertum thaten.«

»Und dagegen,« rief Graf Girolamo, »sollten die edlen Geschlechter, die doch von Gott und der Geschichte zur Herrschaft berufen sind, machtlos sein? – Wenn sie nur wollen, so müssen sie doch eine solche Herrschaft ohne Recht und vaterländische Gesinnung zerbrechen können.«

»Das müßten sie wohl,« sagte der Erzbischof, während Francesco finster vor sich niederblickte, »wenn sie den Mut des Wollens und Handelns fänden.«

»Dieser Mut,« rief Francesco auffahrend, »ist vorhanden, hochwürdigster Herr und wenn nirgends anders, so lebt er im Hause der Pazzi! – Von uns wird keiner zurückbleiben uns wohl würden noch manche uns folgen, die, wie wir, knirschend nur das Joch der Emporkömmlinge tragen! – War nicht,« rief er immer feuriger, »Pazzo de Pazzi an der Seite Gottfrieds von Bouillon im heiligen Kreuzzuge nach Jerusalem gezogen und trug nicht Giacomo de Pazzi in der Schlacht von Perti das Banner von Florenz? Glänzen nicht in unserem Schilde die goldenen Fische als heiliges Symbol für des Heilands Namen und die vier Doppelkreuze, welche zeigen, daß wir nur in dem Kreuz unsere Kraft und unsere Ehre suchen? – Und was sind die Medici – wo kommen sie her? Niemand weiß es, niemand vermag es zu sagen, wenn auch die Schmeichelei diese sechs Kugeln in ihrem Schilde, der wahrlich nicht unter der Kreuzesfahne nach Jerusalem getragen wurde, bis zu den Äpfeln der Hesperiden zurückführt, wenn sie selbst auch behaupten, daß diese Kugeln runde Male von der Streitkeule eines Riesen bedeuten, wahr ist es doch, daß diese Kugeln Pillen oder Schröpfköpfe sind und mit dem Namen übereinstimmen, den ein längst vergessener und nicht zu den Priestern des Äsculap emporgestiegener Vorfahr der plebejischen Tyrannen auf seine Nachkommen übertrug. Das wahnsinnige Volk, wenn es nach diesem seltsamen Wappen seinen Abgöttern sein Palle – Palle entgegenbrüllt, denkt nicht daran, welch bitterer Hohn in solchem Ruf liegt, denn reichen sie diesem Volk nicht die überzuckerten Giftpillen, die in seinem Mark den festen Mut und die treue Liebe zum Vaterlande zerstören – setzen sie nicht die Schröpfköpfe an, um aus seinem Blut die Nahrung zu ziehen für ihren Hochmut und ihre prachtschimmernden Feste, mit denen sie die Sinne bethören?«

»Bravo, Signor Francesco, bravo!« rief Girolamo mit lautem Hohnlachen, »was Ihr da sagt ist vortrefflich und so verstanden, werde ich der erste sein, der Seiner Magnificenz dem großen Lorenzo das Palle – Palle entgegenruft!«

»So haben wir das Recht zu denken und zu empfinden,« sagte Francesco, »und mit uns manche andere, die von den Emporkömmlingen in den Schatten herabgedrängt sind, unter denen das Haus des hochwürdigen Erzbischofs, die Salviati nicht zu den letzten gehören! Aber was ist zu thun gegen die Menge des Pöbels, der alle edlen Denkmäler der Vergangenheit überflutet und mit seinem brüllenden: Palle – Palle, jedes Wort der Gerechtigkeit und Wahrheit übertäubt.«

»Ihr sprecht goldene Worte, edler Francesco« sagte der Erzbischof, »und doch habt Ihr nicht Recht in dem was Ihr zuletzt gesagt; jubelte die blöde Menge in gewaltiger Ueberzahl nicht auch dem Cäsar zu, sie konnte es dennoch verhindern, daß seine tyrannische Herrschaft gebrochen wurde durch starken Willen und festen Mut. Und doch führte Cäsar die siegreichen Adler auf seinen Feldzeichen, statt der Pillen und der Schröpfköpfe. Die Menge gehorcht den Mutigsten und Stolzesten und vergißt schnell ihre Idole des Augenblicks.« »Bei Gott, der hochwürdigste Erzbischof hat Recht!« rief Girolama. »Warum wird die Tyrannei dieser engherzigen und feigen Pillenritter geduldet – warum beugen sich die alten edlen Geschlechter in Florenz vor der Pillengesellschaft? Ein kräftiger Entschluß und Florenz ist befreit von seinen Zwingherren und Italien wird nicht mehr der Spielball eines verhängnisvollen Ehrgeizes sein, der selbst dem heiligen Stuhl zu trotzen sich nicht entblödet. Unter dem Volk schreien viele mit, die sich nichts dabei denken und die eben so laut und vielleicht noch lieber einem anderen, Würdigeren zujauchzen möchten.«

»So ist es« sagte der Erzbischof, »aber« fügte er seufzend hinzu, »wo finden sich heut noch die mutigen Herzen, die es wagen möchten über den Tyrannen von Florenz das Urteil zu sprechen und zu vollstrecken wie es einst Brutus that über den Gebieter der Welt?«

»Diese Herzen werden sich finden« rief Francesco, der sich in tiefem Sinnen in seinen Sessel zurücklehnte und dann schnell aufsprang – »sie sind da und bei Gott, ich selbst werde sie erwecken zu mutiger That, wenn es Euch ernst ist mit Eueren Worten edle Herren! Aber der Plan dazu muß wohl erwogen werden und vor allem muß das tiefste Geheimnis ihn umgeben, denn Lorenzos Ohr ist, dem des Dionycius gleich, auch dem leise geflüsterten Worten geöffnet!

Er warf einen mißtrauischen Blick auf Montesecco, der die bisher immer lebhafter geführte Unterhaltung schweigend zugehört hatte.

»Gewiß ist es mir ernst« rief Girolama, »wenn ich dem hochwürdigsten Erzbischof zustimme und gewiß bin ich bereit, wie er selbst annimmt, wichtigen und Gott wohlgefälligen Unternehmen mit voller Kraft mitzuwirken! – So lange die Medici ihre ehrgeizige Macht ausüben, wird mein Besitz an den Grenzen von Florenz nicht gesichert sein und das edle Florenz, diese Perle Italiens, wird immer ein Stein des Anstoßes für alle Patrioten bleiben, die sich unter des heiligen Vaters Führung zur Blüte und zur Macht des Vaterlandes zusammenschließen wollen. Und, edler Francesco, vor diesem Kriegsmann hier, dem braven Battista Montesecco, können wir ohne Scheu sprechen, er ist seiner Heiligkeit treu ergeben, sein Bruder ist Hauptmann der Wache des vatikanischen Palastes und er selbst hat oft schon die päpstlichen Truppen befehligt, wie er jetzt die meinigen führen soll – sprechen wir also ohne Scheu und geloben wir uns einander unbedingtes Stillschweigen zu dem wir auch alle anderen verpflichten wollen, die wir später noch für unsere Befreiungsthat gewinnen müssen.«

»Gewiß edle Herren« sagte Montesecco, »könnt Ihr Euch auf mich verlassen, ich habe noch niemals ein Geheimnis verraten das man mir anvertraut und würde es gewiß am wenigstens thun, wenn es gilt, die Macht des heiligen Vaters zu befestigen und auszudehnen. Ich gelobe« sprach er mit erhobener Stimme die Finger seiner Rechten auf den Kreuzgriff seines Degens legend, »gegen niemand auf Erden ein Wort von all dem zu verraten, was ich von den edlen Herren hier gehört habe und noch hören werde. Aber Ihr Herren« fuhr er fort, während Girolamo ihm herzlich auf die Schulter klopfte – »bedenkt wohl was Ihr thun wollt und überlegt, daß es keine leichte That ist, die Ihr unternehmt. Florenz ist nicht eine Stadt wie eine andere, das Volk dort ist nicht feig und gleichgültig wie der Pöbel von Rom und wenn es zu grimmigem Zorn erwacht, ist es gefährlich wie der brüllende Löwe. – Ich bin wohl zuweilen dort gewesen, Lorenzo hat einen großen Anhang und einen gewaltigen Einfluß auf das Volk wie auch auf die vornehmeren Bürger, wenn der Plan mißlingt, so wäre es schlimmer als wenn er gar nicht gefaßt wäre, denn dann würde Lorenzo unumschränkter herrschen als vorher.«

»Darum muß der Plan gelingen« rief Francesco, »diese Medici müssen fallen, für immer fallen, wenn jemals in Florenz Recht und Gesetz gelten soll. – Haben sie es doch im vorigen Jahre durchgesetzt, das alte Erbschaftsgesetz der Republik zu ändern, nur weil Lorenzo unserem Hause das reiche Erbe der florentinischen Linie der Familie Borromeo entziehen wollte. Solche Willkür darf nicht bestehen und ich kann versichern, daß sie von vielen bitter empfunden wird. Die beiden Medici, Lorenzo und Giuliano müssen verschwinden, vor ihren Leichen« sagte er mit grimmigem, bitterem Lachen, »wird das Palle Palle wohl verstummen und die vollendete That wird bald freudige Zustimmung finden. Die Salviati und die Pazzi allein haben Einfluß genug, um ihn bei festem Zusammenwirken auf die halbe Stadt geltend zu machen und sind die beiden Medici erst niedergeworfen für immer, so werden unsere Freunde das Wort führen und unsere Feinde verstummen. Aber zu aller Vorsicht muß man Truppen nahe an der Grenze bereit halten, die augenblicklich, wenn die That geschehen ist, in die Stadt einrücken, um jeden Widerstand, der sich zeigen könnte, niederzuwerfen.«

»Dazu wird der tapfere Capitano bereit sein«, rief Girolamo, »er kann nach Belieben Truppen anwerben auf meine Rechnung und sie von meinen Besitzungen in der Romagna sehr nahe an die florentinische Grenze bringen, daß sie, wenn er von dem Augenblick der Ausführung benachrichtigt wird, unmittelbar gegenwärtig sind, um sogleich die öffentlichen Gebäude zu besetzen und die Straßen von jeder Volksbewegung frei zu halten.

»Dann« rief Francesco Pazzi, »ist alles gewonnen. Für die Ausführung der That bürge ich, meines Hauses glaube ich in allen seinen Gliedern sicher zu sein, selbst Guiglielmo wird nicht widerstreben, obgleich er mit der Schwester des Lorenzo vermählt ist, freilich wird man ihm nicht gerade sagen, daß es dem Leben der Medici gilt, wir aber edle Herren, dürfen uns darüber nicht täuschen, daß allein der Tod beider Brüder Florenz von der Tyrannei befreien kann.«

»Würde nicht Lorenzo allein genügen?« fragte Girolamo, »er ist es doch allein, der die Regierung führt und sich überall dem päpstlichen Stuhl entgegenstellt; sein Bruder Giuliano ist eine heitere lebensfrische Natur, der, wie ich glaube, wenig an der Tyrannei hängt und uns keine Sorge machen wird.«

»Nein erlauchter Graf« sagte Francesco mit Nachdruck, beide Brüder müssen fallen. Ich weiß wohl, daß Giuliano weniger gefährlich ist als Lorenzo, aber wenn einer der Brüder übrig bleibt, so werden ihre Freunde den Mut und einen Sammelpunkt behalten und wenn die Pöbelhaufen noch einen Medici sehen, so werden sie schwer zu bändigen sein und mindestens wird es zu einem harten, blutigen Kampf in den Straßen kommen. Dann aber ist es doch besser, daß ein Mann, wenn er auch der minder Schuldige ist, dem Wohl des Vaterlandes geopfert wird, als daß das Blut Unschuldiger und nur Verblendeter in Strömen vergossen wird.«

»Ich glaube, Francesco Pazzi hat Recht« sagte der Erzbischof, »ich möchte gewiß lieber das blutige Opfer einer gerechten und heiligen Sache auf den einen Schuldigen beschränken, aber immerhin ist, um diese Sache zum Siege zu führen, das Blut eines Mannes weniger wert, als das von Hunderten; sind beide Brüder verschwunden, dann wird das Volk, dem ein sichtbares Haupt fehlt, keinen ernsten Widerstand wagen und es wird ein Leichtes sein, unmittelbar nach der That die alte Verfassung wieder aufzurichten und den alten Geschlechtern ihr zu Boden getretenes Recht wiederzugeben, wenn zugleich die Truppen des tapferen Capitano die Stadt besetzt haben.«

»Nun so sei es« sagte Graf Girolamo mit kaltem, spöttischem Lächeln, »ich bin wahrlich nicht dazu da, um die Sache eines Medici zu verfechten, wenn er von seinen eigenen Landsleuten zum Tode verurteilt wird. So haltet Euch denn bereit, Giovan Battista, und schafft so viel Truppen als Ihr anwerben könnt nach der Romagna, wozu meine Erwerbung von Imola, die ja nun, Dank dem edlen Hause der Pazzi zweifellos ist, die ganz natürliche Veranlassung bietet.«

»Und ich, edle Herren« sagte Francesco, »werde voraus nach Florenz gehen, sobald ich hier die Geschäfte geordnet habe, um dort alles vorzubereiten. Ich halte es auch für wichtig, daß der hochwürdigste Erzbischof seinerseits nach unserer Stadt kommt, um die etwa Zögernden durch seinen Einfluß zu bestimmen. Es ist ja ganz natürlich, daß der hochwürdigste Herr,« fügte er mit bittrem Lachen hinzu, »dem Lorenzos Gnade den erzbischöflichen Stuhl nun endlich eingeräumt, einen Besuch in seiner Vaterstadt macht, er wird es am Besten verstehen, den ganzen Plan zu regeln und festzustellen, namentlich auch was zu geschehen habe, nachdem die entscheidende Thai ausgeführt. Auch wird es nötig sein, die Anhänger der Medici, die Soderini und Rucellai zu verhaften und zunächst zu verbannen, wenn die neue Ordnung der Dinge oder vielmehr die Herstellung des alten Rechts vor jedem weiteren Widerstand gesichert bleiben soll.«

»Auch damit bin ich einverstanden« sagte der Erzbischof, »ich werde mich bald nach Florenz begeben und Lorenzos heuchlerische Worte, die er für mich ohne Zweifel bereit hat, so erwidern, daß er selbst an eine aufrichtige Versöhnung glauben soll.«

»Was mich betrifft, erlauchter Graf« sagte Montesecco, der sich nachdenklich seinen Bart gestrichen hatte, so stehe ich zu Euren Befehlen bereit, ich werde pünktlich auf den mir gesandten Befehl in Florenz einrücken, halte ich die Stadt einmal in meinen Händen, so soll der Teufel sie mir nicht mehr entreißen und mit den Pöbelhaufen werde ich fertig werden; an der That gegen die beiden Brüder Medici aber kann ich mich nicht beteiligen und ich freue mich, daß bei dem Plan, wie er jetzt vorliegt, daran auch nicht gedacht ist. Ich bin Soldat und thue meine Schuldigkeit, wie sie der Herr, dem ich meinen Degen zu Gebote gestellt, von mir verlangt – ich thue sie gern gegen aufrührerische Pöbelhaufen, wenn es gilt, das alte Recht der vornehmen, ritterlichen Geschlechter wieder herzustellen, mit denen ich in ihrer Abstammung und Gesinnung innerlich verwandt bin, aber zum Tode eines einzelnen wehrlosen Mannes würde ich niemals meinen Degen ziehen.«

»Und wenn ein solcher Mann« fragte Girolamo, die Augenbraunen zusammenziehend, »von den besten seiner eigenen Mitbürger zum Todte verurteilt ist?«

»Auch dann nicht« fiel der Capitano ein, »dann mögen sie sich ihren Henker suchen wo sie wollen, aber Giovan von Montesecco wird es nicht sein.«

»Der Capitano hat Recht« sagte der Erzbischof schnell, ehe Girolamo ein heftiges Wort sprechen konnte, »die beiden Brüder zu beseitigen, das ist Sache der Florentiner selbst!«

»Und Sie werden dafür sorgen, fiel Francesco lebhaft ein. Montesecco thut vollkommen genug, wenn er seiner Pflicht gemäß den Pöbel davon abhält, sich in die Ordnung der Regierung aufrührerisch zu mischen.

»Nun noch eins, edle Herren« sagte Montesecco. »Alles was ich in der Sache thun kann, da ich nun einmal weiß wohin dieselbe geführt werden soll, kann ich selbst auf Befehl des erlauchten Grafen Riario nicht thun, wenn es nicht von Seiner Heiligkeit dem Papste genehmigt wird, ohne diese ausdrückliche Genehmigung kann und werde ich meinen Degen in dieser Angelegenheit nicht ziehen, selbst wenn auch der Graf Girolamo mir bei solcher Weigerung den Befehl seiner Truppen abnehmen sollte.«

»Das wird nicht geschehen, tapferer Capitano« sagte der Erzbischof, »denn Ihr habt vollkommen Recht nichts zu thun in Dingen, die unserm Herrn, dem heiligen Vater, dem wir alle unterthan und zu Gehorsam verpflichtet sind, nicht angenehm sein möchten. – Ihr habt aber auch nicht zu sorgen, denn Seine Heiligkeit ist schwer erzürnt gegen Lorenzo, der ihm unter heuchlerischen Versicherungen überall den Gehorsam versagt und mit den Feinden des heiligen Stuhles Verschwörungen treibt. Seine Heiligkeit wird hoch erfreut sein, wenn die Tyrannei der Medici gestürzt wird und wird auch Dienste, die Ihr ihm bei solchen Unternehmungen geleistet, hoch anrechnen.«

»Und ist das gewiß?« fragte Montesecco. »Hat Seine Heiligkeit Euch dessen versichert?«

»Ganz gewiß« rief der Erzbischof, »er hat zu wiederholten Malen sich bitter über Lorenzo beklagt und nur schwer seinen Zorn überwunden, daß dieser es gewagt, mich von meinem Bischofsitz in Pisa auszuschließen.«

Aber Montesecco schien durch diese Antwort nicht befriedigt.

»Und würde« sagte er, »Seine Heiligkeit selbst die hohe Gnade haben, mir diese seine Willensmeinung kund zu thun und mir das Einrücken in Florenz, mit dem Seine Heiligkeit doch im Frieden lebt, zu befehlen? Verzeiht meine Frage, aber es gilt die heiligsten Pflichten, die ich auf Erden anerkenne und es würde mir nach meinem Gewissen unmöglich sein, ohne den persönlichen und bestimmten Befehl Seiner Heiligkeit in einer so wichtigen und verantwortungsvollen Sache zu handeln.«

»Seine Heiligkeit lebt mit Florenz in Frieden« erwiderte der Erzbischof, »das ist richtig, aber es soll ja nichts gegen die Stadt Florenz unternommen werden, Eure Truppen sollen im Gegenteil nur die würdigsten Vertreter der Republik in ihrem angestammten alten Recht schützen und den aufrührerischen Pöbel zurückwerfen.«

Girolamo hatte sich ungeduldig die Hände gerieben. »Ihr verlangt die Zustimmung und den persönlichen Befehl Seiner Heiligkeit unseres erhabenen Herrn« fiel er ein, »Ihr sollt diese Zustimmung und diesen Befehl haben, haltet Euch bereit vor Seiner Heiligkeit zu erscheinen, er wird Euch alle Zweifel nehmen.«

»Ich habe keine Zweifel erlauchter Graf« sagte Montesecco, »sie würden dem Soldaten nicht anstehen, der nicht zu urteilen, sondern zu gehorchen hat, aber der Befehl muß von daher kommen, wohin das Recht dazu von Gott gegeben ist, damit der Soldat mit leichtem Gewissen und freudigem Mut seine Schuldigkeit thun kann.«

»Nun das wird geschehen« rief Girolamo, seine Verstimmung über Monteseccos Bedenken unter der Miene freundlicher Herzlichkeit verbergend, »es soll nicht lange dauern, so sollt Ihr befriedigt sein und auch Ihr, edler Francesco Pazzi, haltet Euch bereit vor Seiner Heiligkeit zu erscheinen, ich glaube gewiß, daß der Papst, der so gerecht und dankbar ist, Euch in gnädiger Weise den Dienst vergelten wird, den Ihr ihm erwiesen und der von seinen Schatzmeistern, den Medici, unter leeren Vorwänden verweigert wurde.«

Stolze, triumphirende Freude blitzte aus Francescos Augen, indem er sich tief verneigte.

»Nun also« rief Girolamo, »sind wir verbunden zu edler, vaterländischer That, an einem jedem von uns ist es, nun das Seine zu dem Gelingen zu thun und das Geheimnis vor den Feinden bewahren. Laßt uns noch einmal trinken auf gutes Gelingen!«

Er füllte die Becher. Alle leerten sie bis auf den Grund.

Dann zog sich der Erzbischof in seine Wohnung, in Girolamos Palast, zurück.

Auch Francesco verabschiedete sich und kehrte, von seinen Fackelträgern begleitet, nach seiner Wohnung zurück.

Montesecco ging allein durch die dunkle Nacht nach der Osteria hin, in der er sein Quartier genommen.

»Bei Gott« sagte er zum dunklen Himmel aufblickend, »ich würde tausendmal lieber gegen die Franzosen oder gegen den Teufel selbst ausrücken, als gegen eine unbefestigte Stadt, wie das schöne Florenz, um dort die Einen an die Stelle der Anderen zu setzen, von denen beide mir gleichgültig sind. Aber wenn der Graf Recht hat, wenn Seine Heiligkeit es mir befiehlt, so ist meine Pflicht als guter Italiener, als guter Edelmann und guter Christ zu gehorchen und meine Schuldigkeit zu thun – was daraus wird, kann mir gleichgültig sein, das wird Seine Heiligkeit am besten beurteilen. Was wir Soldaten thun, um mit unserem Degen das weltbeherrschende Gold zu gewinnen, das haben die großen Herren zu verantworten und wenn gar der heilige Vater die Verantwortung übernimmt, dann kann ich mich ja leichten Herzens des Lebens freuen, das mir eine so freundliche Blume hat erblühen lassen.

Er hatte die Piazza del Popolo überschritten und wendete sich nach dem damals mit seiner heutigen Gestaltung und Ausschmückung nicht vergleichbaren Monte Pincio hin, an dessen Abhang sich eine unter hohen Baumkronen halbversteckte Osteria befand, welche zwar an einer Seite, des ziemlich lang ausgestreckten Gebäudes, eine Weinschenke hatte, die von den jungen Künstlern aus den Schulen der größeren Maler und auch von den vatikanischen Leibwachen zahlreich besucht wurde, aber auf dem anderen Flügel viele Zimmer enthielt, in denen Fremde mittlerer Stände, die in Rom keine Gastfreunde hatten, Aufnahme und Beköstigung fanden.

Montesecco wandte sich diesem Flügel zu, ging durch einen von einer herabhängenden Lampe freundlich erleuchtenden Flur und öffnete eine der Thüren, welche zu den Gastzimmern führten.

Er trat in einen einfachen aber sauber und behaglich eingerichteten Raum, an den sich ein zweites Zimmer anschloß.

Auch hier hing eine Lampe von der Decke herab und beleuchtete ein eigentümlich malerisches Bild.

Auf einem niedrigen Ruhebett, nach Art türkischer Divans, ruhte neben dem Kohlenbecken, das in der kühlen Jahreszeit zur Erwärmung diente wo man nicht die in den Palästen der Vornehmen vorhandenen Kamine besaß, eine Gestalt, die man beim ersten Anblick für einen Knaben hätte halten mögen. Aber trotz der weichen bis zum Knie heraufreichenden Reitstiefel und dem Gürtel mit dem Wehrgehänge, zeigten die Arme und Schultern, von denen das weite pelzverbrämte Obergewand zurückgeworfen war, weibliche Formen und ließen keinen Zweifel, daß eine junge und schöne Frau sich unter dem männlichen Gewände verbarg. Ihr reiches lockiges Haar fiel nach Männerart geschnitten, über den Nacken herab; ihr seines gebräuntes Gesicht mit den dunklen Augen hatte in diesem Augenblick, in welchem sie wie träumend in den weichen Kissen des Divans ruhte, einen weichen, schmerzlich wehmütigen Ausdruck, den man kaum bei einem Knaben hätte finden können.

Ringsumher lagen Waffen und Kleidungsstücke und auf dem Tisch in der Mitte des Zimmers unter der herabhängenden Lampe standen auf Platten von bemalten und gebranntem Thon, welche etwas später durch den großen Raffael Santi so weltberühmt werden sollten, Früchte, Käse und Brod, sowie eine dickbäuchige, strohbeflochtene, langhalsige Flasche und ein hellglänzender zinnerner Becher.

Montesecco blieb einen Augenblick auf der Schwelle stehen und seine finsteren Züge erhellten sich beim Anblick dieses buntfarbigen freundlichen Bildes.

Die junge Frau fuhr beim dem Geräusch der geöffneten Thür aus ihren träumenden Sinnen auf; mit einem Freudenruf eilte sie dem Eintretenden entgegen, umschlang ihn mit ihren Armen und rief:

»Du bist lange ausgeblieben, mein Battista und wenn ich mich auch so tapfer als ich vermag an das Feld- und Lagerleben zu gewöhnen versuche, das uns ja öfter schon getrennt hat, so fühle ich mich doch immer so ängstlich allein und verlassen, wenn du nicht bei mir bist.«

Montesecco küßte zärtlich ihre Lippen und strich mit der Hand über ihr lockiges Haar.

»Du bist thöricht, meine Claudina« sagte er, »was sollte dir hier geschehen in dem sicheren Hause? Bist du doch schon im Feldlager allein geblieben, wenn ich auf gefährlichen Märschen die Vorposten geführt habe.«

»O es ist nicht Furcht, mein Battista« rief Claudina mit blitzenden Augen, »die Furcht kenne ich nicht und du weißt, daß ich dich stets gebeten habe, mich mit dir zu nehmen, wenn du der Gefahr entgegengingst und mir befahlst, bei den Troß zu bleiben; aber ich fühle mich so verlassen, so unendlich einsam ohne dich! Bist du denn nicht mein Alles in dieser Welt, bin ich ohne dich nicht so hilflos allein, in meiner falschen Gestalt, zurückscheuend vor den Blicken der Menschen – allein« sagte sie finster, »mit meinen Gedanken – mit meinem Gewissen –«

Er drückte sie mit zärtlicher Innigkeit an sich.

»Mit deinem Gewissen?, meine Claudina –« sagte er. »Warum? – Haben wir nicht vor dem Altar während der heiligen Messe uns das Gelöbnis der Treue gegeben und wenn es auch niemand gehört hat, so hat es Gott gehört und vor Gott und der heiligen Kirche bist du mein Weib, ob Menschen davon wissen oder nicht. – Du weißt auch, daß ich dich nie verlassen werde und wenn ich nach einigen Jahren mit meinem Degen mir erworben habe, was ich zu einem freundlichen und sorglosen Leben für dich und mich bedarf, dann werden wir unsern Bund verkünden und auch vor den Menschen bekennen und uns eine stille freundliche Heimat gründen, in der du, wieder in deiner wahren Gestalt, den wilden Montesecco in einen friedlichen Landmann wirst verwandelt sehen.

»O, mein Battista« sagte sie, »es ist nicht das. Dir vertraue ich und wenn ich vor Gott dein Weib bin, so kümmern mich die Menschen nicht, aber daß ich meine Eltern verlassen habe und dir gefolgt bin, daß vielleicht der Fluch des Vaters und der Mutter auf meinem Haupte ruht und auch auf dich des Himmels Zorn herab ziehen möchte, das läßt mir keine Ruhe, dieser Gedanke verfolgt mich in der Einsamkeit wie ein finsterer Schatten, der nur vor dem lichten Strahl deiner lieben treuen Augen weicht.«

»Haben deine Eltern nicht unserer Liebe hart und unerbittlich ihre Zustimmung versagt?« fragte Montesecco finster, »Und hat nicht Gott diese Liebe in unser Herz gelegt? Hatten sie ein Recht, Gottes Fügung sich entgegenzustellen?– Habe ichs nicht gut und treu mit dir gemeint und ihnen versprochen, dich hoch zu halten vor aller Welt und Alles aufzubieten, dir eine Heimat zu schaffen, sobald ich es kann? – Trage ich nicht einen ehrenvollen Namen, an dem kein Makel haftet, bin ich nicht ein frommer und gläubiger Christ, wenn auch das Soldatenhandwerk mein Beruf ist? Bei Gott! auch mir ist es schmerzlich, daß du von den Deinen dich hast wenden müssen, um mir mein Glück zu bringen, aber um so höher halte ich Dich in meinem Herzen, um so heiliger ist mir das Gelöbniß der Treue und wohl wird noch die Zeit kommen, in der Gott mein Gebet erhört und auch dir und mir den Segen deiner Eltern gewähren wird und würden sie in ihrem ungerechten Zorn einen Fluch gesprochen haben, glaube mir, solchen Fluch hört der Gott der Liebe und des Segens nicht! Laß uns in Demut tragen was wir nun nicht mehr ändern können, – laß uns mit frischem Soldatenmut der Zukunft vertrauen und um so fester in Liebe und Treue zu einander halten.«

»O, mein Battista« rief Claudina, »wenn ich deine Stimme höre und deine Augen sehe, wenn ich an deinem Herzen ruhe, dann vergesse ich alles, was ich vielleicht niemals hätte vergessen sollen! Es mußte wohl so sein, ich liebe dich ja so sehr und ohne dich wäre ich gestorben, verwelkt wie eine Blume ohne Sonnenlicht. Aber doch sehne ich mich manchmal so unendlich, meinen Vater und meine Mutter wiederzusehen, die ich um dich verlassen und meine kleine Schwester Fioretta, die eben der Kindheit entwachsen war, als ich sie verließ und die so innig liebevoll an mir hing. Ich weiß nicht, ob die Eltern noch leben, sie waren schwach und kränklich – wenn sie gestorben wären während dieser Jahre, gestorben mit Zorn gegen mich im Herzen. –«

»Sei ruhig, meine Geliebte« unterbrach sie Montesecco, indem er ihre thränenfeuchten Augen küßte, »ich hoffe, dir bald Kunde bringen zu können über die deinen und vielleicht wird sich auch Gelegenheit bieten, dich mit ihnen zu versöhnen. Der Graf Girolamo Riario, der Neffe Seiner Heiligkeit des Papstes, hat mir die Führung seiner Truppen übergeben, die er bei Imola zusammenzieht und bald werden wir dorthin aufbrechen. Dann kommen wir deiner Heimat nahe, dort wird es mir leicht sein, Kundschaft einzuziehen über das Ergehen deiner Eltern und ich verspreche dir, alles was möglich ist zu thun, um sie zu versöhnen; auch der erlauchte Graf, mein Dienstherr, der so hoch in Gnaden steht bei Seiner Heiligkeit und alles bei ihm vermag, wird, wenn ich ihn darum bitte, mir sein Fürwort nicht versagen, das wohl auch deines Vaters starren Sinn zu erweichen vermag.

Claudina, lächelte glücklich, während noch Thränen aus ihren Augen perlten.

»O, wie bist du gut! mein Battista« rief sie, »Ja ich will hoffen, will an dich glauben und an Gottes Gnade – zurückdrängen will ich meine Sorgen in die Tiefe meines Herzens, das ja Dir nur allein gehört, ich will wieder dein fröhlicher Beppo sein und dir dein schweres Kriegshandwerk erleichtern und nur ganz leise für mich beten, daß bald die Zeit kommen möge, in der du das Schwert weglegst, um friedlich und still an der Seite deiner Claudina die Zeit zu erwarten, in welcher unser Haar sich silbern färbt und wir uns ruhig lächelnd an die Tage der Unruhen und Kämpfe erinnern.«

Sie war wie verwandelt. Der schwermütige Ausdruck ihres Gesichts war verschwunden, ihre eben noch thränenden Augen blitzten in frischer Lebenslust und jetzt glich sie wirklich einem fröhlichen, keck in das Leben hineinblickenden Knaben.

Sie füllte den Becher mit dem goldgelben Wein aus der Strohflasche, berührte ihn mit den Lippen und reichte ihn Montesecco, der ihn mit kräftigem Zug leerte, um aus dem duftigen Rebensaft Vergessenheit aller Sorgen zu trinken. Dann nahm sie eine zierliche neapolitanische Mandolina mit vier Saiten zur Hand und begleitete mit geschicktem Spiel ein lustig übermütiges Soldatenlied, während Montesecco, der sich mit dem frisch gefülltem Becher in der Hand auf das Ruhebett niedergelassen hatte, mit dem Kopf den Takt nickend, ihrer frischen und vollen Stimme lauschte und leise vor sich hin das Ritornell mitsang.

Palle

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