Читать книгу Palle - Оскар Мединг - Страница 7

IV.

Оглавление

Das Wohnzimmer des Papstes Sixtus des Vierten in der unmittelbaren Nähe des alten Bibliotheksaales, im Vatikanischen Palast, war im Vergleich zu der blendenden Pracht, welche den Hof des Oberhirten der christlichen Welt umgab, ein einfacher Raum, der in seiner ganzen Ausstattung an den gelehrten General des Franziskanerordens Francesco d'Albescolo della Rovere erinnerte, der unter dem Namen des römischen Märtyrerbischofs Sixtus den apostolischen Stuhl bestiegen hatte.

Auf großen Tischen lagen aufgeschlagene Foliantenbände und aufgerollte Handschriften, an den Wänden hingen neben einigen alten Bildern sorgsam gezeichnete Karten von dem damals in so viele kleine und kleinste Staaten geteilten Italien, neben den Tischen standen kleine Stühle, welche der Papst bei seinem eingehenden Studium aller staatsrechtlichen und theologischen Fragen seiner Zeit benutzte, über die er sich stets selbst bis auf das Kleinste unterrichtete. Neben dem großen Fenster befand sich auf einer Estrade von zwei Stufen der große Armsessel, auf dem der Papst bei Erteilung von Privataudienzen Platz nahm, und seitwärts daneben stand auf einer Staffelei ein fast vollendetes Bild, das den Papst selbst darstellte, wie er auf seinem Stuhl sitzend die Hand gegen einen vor ihm knieenden Prälaten ausstreckt, während hinter ihm einige Herren und Kardinäle stehen.

Sixtus der Vierte war damals vierundsechzig Jahre alt, seine Gestalt war hager, seine Haltung gebückt, und sein blasses Gesicht mit den etwas eckigen welken Zügen ließ ihn bei dem ersten Anblick als einen gebrechlichen Greis erscheinen, und das graue, wie ein Kranz um seinen kahlen Kopf stehende Haar, sowie der kurz gekräuselte, graue Vollbart erinnerten daran, daß er vordem die Mönchstracht des Franziskaner Ordens getragen. Aber in seinen dunklen Augen, welche etwas tief unter der hoch gewölbten Stirn hervorblickten, blitzte ein so feiner, scharf durchdringender Geist, eine so jugendliche Willenskraft, ein so stolzer Mut und sein Mund war eines so lebendig wechselnden Ausdrucks fähig von dem milden freundlichen Lächeln bis zur unerbittlich harten Drohung, daß der Papst sich um Jahrzehnte zu verjüngern schien, wenn er stolz aufgerichtet von der Höhe seiner alles überragenden Stellung Worte der Gnade oder der Verurteilung zu den erfurchtsvoll Lauschenden sprach.

Sixtus war allein in seinem Zimmer und stand sinnend mit ernster, fast finsterer Miene vor der an der Wand hängenden Karte von Italien, auf welcher die einzelnen Staaten mit bunten Farben begrenzt waren und große rote Punkte die einzelnen Städte bezeichneten.

»Es ist traurig« sagte er, – »traurig und beschämend, daß dieses schöne Italien, das allen Völkern voransteht an Kraft und Bildung des Geistes, dessen Waffen einst die Welt beherrschten, heute durch diese verhängnisvolle Zersplitterung seine besten Kräfte im Kampf gegeneinander aufreibt. Wohl ist die Weltherrschaft wieder aufgerichtet durch den apostolischen Stuhl, – aber überall in Frankreich, in Spanien und in Deutschland regt sich der Geist der Auflehnung, und wie soll ich dieses Geistes Herr werden, wenn ich hier im eigenen Lande offenen und versteckten Widerspruch finde? Nicht mit dem Wort allein mehr ist die Welt zu beherrschen, die ganze Waffenmacht Italiens müßte die Grundlage des apostolischen Herrscherwortes sein um die Kaiser und die Könige wieder zu ihrer Pflicht zurückzuführen. Ich muß bitten und bieten, um oft nur den Schein der Oberherrschaft zu erhalten, und überall steht mir vor allen andern dies hochmütig, trotzige Florenz entgegen, das seine Macht immer weiter ausdehnt, durch das Geld und die Waffen, das Mailand und Venedig immer mehr zu sich heranzuziehen weiß, wo es gilt, meine Wege zu kreuzen. Das darf nicht sein – die widerspenstige, eigenmächtige Republik muß gebrochen werden, ich will sie umzingeln mit meinen Getreuen, um sie zu zerschmettern, wenn der Augenblick gekommen sein wird. Neapel und Mailand sind weniger gefährlich – der König Ferrante fühlt sich nicht sicher auf seinem Thron, er fürchtet die Anjous, die der König Ludwig von Frankreich in seiner Hand hält, um mit ihnen zu drohen und zu schrecken und hat mich nötig, und die Mailänder sind stets bereit, für die Aussicht auf das Lombardische Königreich auf meine Seite zu treten. Sie werden sich beugen, diese steifnackigen Florentiner, wenn es nur erst gelingt, die Macht der hochmütigen Medici zu brechen, die stets den Widerstand schüren und mit ihrer kalten Klugheit und dem Einfluß ihres Geldes überall ihre Hand im Spiel haben, wo es gilt, gegen mich Feinde zu erwecken. O, – wie ich ihn hasse, diesen doppelzüngigen Lorenzo, dessen Worte von Ehrfurcht überfließen und dessen Handlungen stets die Auflehnung gegen mein Gebot unterstützen! Soll ich, berufen der ganzen christlichen Welt zu gebieten, zurückweichen vor diesem einen Mann, der es gewagt hat, den von mir eingesetzten Erzbischof von seinem Stuhl in Pisa zurückzuweisen, und den ich doch schonen muß, so lange er in Florenz gebietet? Nein, – nein, haben meine Vorgänger auf Sankt Peters apostolischem Stuhl doch die deutschen Kaiser gebeugt, – ich werde nicht zurückweichen vor einem trotzigen Emporkömmling, der auf den Schultern der Volksmassen emporgehoben ist und das Volk Italiens aufreizt zum Ungehorsam gegen seinen wahren, einzigen Oberherrn! Auch seine Zeit wird kommen – es ist schwer, Geduld zu üben – und doch ist die Geduld nötig, um den Schlag vorzubereiten, damit er nicht abgleitet, sondern zermalmend trifft.«

Seine schmächtige Gestalt richtete sich hoch auf, er erhob die Hand, als ob er den Bannstrahl zu schleudern bereit sei, und ein fast dämonisches Feuer flammte aus seinen Augen. Er war, wie er so dastand, nicht der hohe Priester der Religion der Liebe, welche Frieden und Erlösung der ringenden und leidenden Menschheit entgegenträgt, sondern der oberste Feldherr der streitbaren Kirche, die alle Könige und Völker der Erde unter die Herrschaft ihres Geistes und Willens zu beugen sich waffnet.

Der dienstthuende Kammerprälat trat ein und meldete, das Knie beugend, den Grafen Girolamo Riario.

Des Papstes erhobener Arm sank herab, seine Miene nahm ihre gewöhnliche, ernst freundliche Ruhe wieder an, und er befahl, den Gemeldeten einzuführen. Graf Girolamo knieete vor seinem Oheim nieder, der Papst machte segnend das Zeichen des Kreuzes über des Grafen Haupt und reichte ihm dann die Hand zum Kuß. Aus seinen Blicken leuchtete ein mildes, herzliches Wohlwollen, das sein sonst so ernstes und strenges Gesicht verschönte.

»Steh auf,« sagte er, »es macht mir stets Freude, dich zu sehen – bin ich doch bei dir der treuen und aufrichtigen Ergebenheit gewiß, die sich sonst bei so wenigen findet. Es ist hart und traurig, die Menschen durch die Furcht zu beherrschen, wenn man so gern Liebe geben und Liebe finden möchte! Wer mag es mir verdenken, wenn ich vor allen diejenigen erhöhe und zu Trägern meines Willens mache, die mir durch ihr Blut verwandt sind und bei denen ich Dankbarkeit und Liebe zu finden gewiß bin?«

»Der Liebe und Dankbarkeit sind Eure Heiligkeit wahrlich bei mir gewiß,« sagte Girolamo aufstehend, nachdem er noch einmal des Papstes Hand ehrfurchtsvoll an seine Lippen gedrückt, – »ich habe keinen andern Wunsch und Gedanken, als meinem gnädigsten Oheim den Verlust meines Bruders zu ersetzen, den der Tod in der Blüte seines Lebens dahingerafft, und mein ganzes Denken und Sinnen gehört der großen Aufgabe Eurer Heiligkeit, die Herrschaft des apostolischen Stuhls über Italien und über die ganze christliche Welt wieder fest zu begründen, allen offenen und heimlichen Feinden zum Trotz.«

»Ich weiß das wohl,« erwiderte der Papst, indem er mit dem Ausdruck warmer Herzlichkeit in dem sonst so strengen Gesicht, seinem Neffen auf die Schulter klopfte – »und diese Aufgabe zu erfüllen oder ihrer Erfüllung nahe zu führen, ist das Ziel meines Lebens, ist die heilige Pflicht des Amtes, das Gottes Erbarmung in meine Hände legte – aber du hast recht – es stehen der heiligen Sache der Kirche viele Feinde entgegen – und die offenen sind nicht die schlimmsten.«

»Das habe ich wieder erfahren, heiligster Vater,« sagte Girolamo, »und darum müssen die versteckten Feinde zuerst vernichtet werden, Lorenzo de' Medici vor allen andern, der unter der Maske heuchlerischer Ergebenheit seine Tücke verbirgt.«

»Lorenzo de' Medici,« fragte Sixtus, – »was ist es mit ihm? Hat er seinen Trotz nicht gebeugt und den Erzbischof von Pisa zu seinem Amte zugelassen – nachdem er mir gezeigt, daß er mächtig genug sei, einen von mir ernannten Fürsten der Kirche von seinem erzbischöflichen Stuhl auszuschließen,« fügte er mit bitterem Lachen hinzu. »Doch das wird anders werden, – wenn du erst den eisernen Gürtel um die hochmütige Republik gezogen hast, wenn Imola –«

»Imola!« fiel Girolamo ein, – »das weiß er wohl, der verschlagene Lorenzo, der den Fürstenhut zurückweist, um desto unbeschränkter das verblendete Volk zu beherrschen – und darum verweigert er die Kaufsumme von dreißigtausend Goldgulden, deren Anschaffung Eure Heiligkeit ihm befohlen haben.«

»Er verweigert sie,« rief Sixtus mit hell auflodernder Zornesröte in seinem bleichen Gesicht, – »er wagt es, meinem Befehl den Gehorsam zu versagen?«

»Verschlagen und heuchlerisch wie immer, spielt er verstecktes Spiel, heiligster Vater, und erklärt, daß es ihm unmöglich sei, die Summe zu schaffen.«

»Er lügt,« rief Sixtus, »ein Wort von ihm genügt, um größere Summen zu schaffen! Das ist offene Auflehnung, das ist Hochverrat an mir und der Kirche, das ist ein tückischer Dolchstoß, der meinen wohlangelegten Plan zerstört, – es hat mir schon geschienen, als ob die Sforza den Verkauf von Imola bereuen, und wenn die Zahlung nicht geleistet werden kann, möchten sie daraus einen Vorwand nehmen, das Geschäft aufzuheben, –

»Die Kaufsumme wird gezahlt werden, heiligster Vater,« sagte Girolamo, – »und meine Fahne wird in wenig Zeit auf den Zinnen von Imola wehen zur Ehre und zum Dienst Eurer Heiligkeit.«

»Und wie das?« fragte Sixtus mit ungläubiger Miene, – »wo soll ich das Geld auftreiben, wenn ich bei meinem Schatzmeister keinen Kredit habe?«

»Das Haus Pazzi hat die Zahlung übernommen,« erwiderte Girolamo, – »ich habe gestern mit Francesco de' Pazzi abgeschlossen.«

»Die Pazzi?« fragte Sixtus erstaunt, – »sie sind so stark – und sie wagen es, dem Medici zu trotzen?«

»Sie wagen es in treuer Ergebenheit für Eure Heiligkeit und im Vertrauen auf den Schutz und Beistand des obersten Herrn Italiens.«

»So giebt es doch noch treue Diener der Kirche und ihres Oberhirten – und ich habe sie zurückgestellt hinter die hinterlistigen Feinde. Die neue Auflehnung dieses Lorenzo soll ihre Strafe und das Verdienst der Pazzi seinen Lohn finden. Den Medici soll das Schatzmeisteramt abgenommen werden, und ich verleihe es den Pazzi, – führe Francesco zu mir, daß ich ihm die Würde übertrage, deren jene sich unwürdig zeigten.«

»Francesco de' Pazzi ist im Vorsaal zu Eurer Heiligkeit Befehlen bereit,« sagte Girolamo schnell, »ich wußte wohl, daß die Gerechtigkeit meines gnädigsten Oheims und Beschützers einen treuen und wichtigen Dienst nicht unbelohnt lassen würde. Aber heiligster Vater, das allein genügt nicht, – die tückischen Feinde sind der Langmut unwürdig, – sie müssen vernichtet, für immer vernichtet werden!«

»Vernichtet, mein Sohn?« seufzte Sixtus, – »das geht nicht so schnell und so leicht, diese trotzige, florentinische Republik ist zu mächtig noch –.«

»Nicht die Republik, heiligster Vater, – sie wird sich gehorsam beugen, – aber diejenigen müssen und sollen vernichtet werden, welche die Macht der Republik zu trotzigem Widerstand gegen Eure Heiligkeit benutzen. Die Männer, die zu solchem Werk den Willen und den Mut haben, erbitten nur den Befehl und den Segen des heiligsten Vaters.«

»Und diese Männer,« fragte Sixtus mit flammenden Blicken, – »wo sind sie?«

»Francesco de' Pazzi, – der Erzbischof von Pisa – und mein Kriegshauptmann Giovan Battista de Montesecco, der Eurer Heiligkeit wohl bekannt ist. Die Pazzi und die Saluiati haben großen Anhang in Florenz und ersehnen die Befreiung ihrer Vaterstadt von der Tyrannei der Emporkömmlinge, – und Montesecco wird mit meinen Truppen die Pöbelhaufen der Medici im Zaume halten.«

Der Papst senkte sinnend das Haupt und stand eine Zeitlang in tiefem Nachdenken da.

»Bei Gott,« sagte er dann, »das Werk könnte gelingen, wenn es klug und entschlossen angefaßt wird. – Laß die Männer kommen, die mir so unerwartet ihre Hilfe gegen meinen schlimmsten Feind entgegenbringen.«

Er stieg auf die Estrade und setzte sich auf seinen Armsessel, während Graf Girolamo schnell hinauseilte und nach wenigen Augenblicken mit den Angemeldeten zurückkehrte.

Alle drei knieeten auf die Stufe der Estrade nieder und küßten das Kreuz auf dem weißseidenen Schuh des Papstes. Dieser beugte sich zu dem Erzbischof hinab und gab ihm den Bruderkuß, dann sagte er mit der feierlichen, milden Würde, die ihm eigentümlich war, zu Francesco Pazzi:

»Ich habe mit Freude gehört, mein Sohn, welchen Beweis treuer Ergebenheit du mir zu geben bereit bist, – eine solche, mir wohlgefällige That verdient Lohn und Dank. Ich übertrage dir und deinem Hause das Schatzmeisteramt des apostolischen Stuhls, das ich denen abgenommen habe, die sich meines Vertrauens nicht würdig gezeigt haben. Du wirst die Bestallung darüber ohne Verzug erhalten.«

»Der Dank meines Hauses, heiligster Vater,« erwiderte Francesco in stolzer Freude aufblickend, »wird unauslöschlich sein und wir werden allezeit beweisen, daß wir so hoher Gnade uns würdig zu machen bestrebt sind. Wir würden, hätten wir die Macht dazu, wie es unserem Hause und unseren Freunden gebührt, niemals geduldet haben, daß unsere Vaterstadt Eurer Heiligkeit durch unberechtigten Widerspruch so viel Kummer gemacht hätte, wie es zu unserem Schmerze geschehen ist.«

»Mein väterliches Herz,« sagte der Papst, »ist freilich schmerzlich bewegt gewesen über das Benehmen der florentinischen Republik gegenüber dem vom apostolischen Stuhl eingesetzten erzbischöflichen Oberhirten von Pisa – aber ich weiß wohl,« fügte er mit drohendem Blick hinzu, »daß daran nur der eine Mann Schuld ist, der in Florenz sich die unumschränkte Herrschaft anmaßt – und ich beklage es, daß sich unter Euren Mitbürgern kein Mann findet, der es wagt, so ungerechtem Übermut ein Ende zu machen.«

»Dieser Mann ist gefunden, heiligster Vater,« sagte der Erzbischof, »Ihr seht ihn vor Euch und seine Verwandten und Freunde, wie die meinigen werden ihm zur Seite stehen.«

»Ebenso wie ich,« rief Graf Girolamo, »als treuer Freund und Nachbar der Republik, mit der ich in Frieden und Eintracht leben will, was nicht möglich ist, solange die Medici, auf die Hefe des Volkes gestützt, ihre Vaterstadt in Ketten halten.«

Der Papst neigte zustimmend das Haupt. »Das wird ein Gott wohlgefälliges Werk sein, meiner Zustimmung und meines Segens gewiß – aber wie soll es ausgeführt werden?«

Er winkte mit der Hand, die Drei erhoben sich von den Knieen, und der Erzbischof entwickelte mit klaren Worten den verabredeten Plan.

»Ich freue mich Eures Entschlusses,« sagte Sixtus, als der Erzbischof gesprochen, »wenn alle edlen und treuen Bürger Eurer Stadt zusammenstehen, wie Ihr sagt, könnt Ihr das Werk wohl vollbringen und die unrechtmäßig angemaßte Macht brechen. Eines aber verlange ich: es darf bei dieser Niederwerfung der ungerechten Herrschaft kein Blut fließen, die gute Sache darf durch kein Verbrechen befleckt werden.«

Francesco und der Erzbischof verneigten sich schweigend, Montesecco aber sagte ernst: »Es wird schwer sein, heiliger Vater, eine solche Umwälzung aller Verhältnisse durchzuführen, ohne daß das Leben der Medici und vielleicht noch mancher ihrer Freunde in Gefahr kommt.«

»Das darf nicht sein,« fiel Sixtus streng ein, »mein heiliges Amt verbietet mir, den Tod eines Menschen zu veranlassen oder nur zu dulden. Schlecht und ungerecht hat sich Lorenzo gegen mich und die Kirche betragen, dafür soll er seiner Würde entkleidet und vor Gericht gestellt werden – aber seinen Tod will ich nicht.«

»Eurer Heiligkeit Wille ist uns Gesetz,« sagte Graf Girolamo, »es wird alles geschehen, was möglich ist, um ihn zu erfüllen – aber nicht ohne Kampf werden die Medici überwunden werden können, und sollte dabei jemand das Leben verlieren, so werden Eure Heiligkeit dem verzeihen, der in eigener Notwehr gezwungen würde sich zu verteidigen.«

Sixtus erhob sich von seinem Sessel. Seine Augen blitzten, drohend streckte er die Hand aus und rief mit gewaltig durch das Gemach klingender Stimme: »Du trägst den Haß und die Wildheit des Raubtiers in deiner Brust, ich aber bin Richter ohne Haß und habe mit der Gerechtigkeit auch die Langmut Gottes zu üben. Wage es nicht, mein Gebot zu verachten, oder mein Zorn wird über dich kommen!«

Girolamo neigte zitternd das Haupt, der Erzbischof sagte schnell:

»Eure Heiligkeit hat recht, die Gerechtigkeit darf die Langmut nicht ausschließen, dem gerechten Urteil darf die Missethat des Lorenzo de' Medici nicht entzogen werden, denn er allein ist Schuld an der Auflehnung der Florentiner. Sobald er dort nicht mehr herrscht, so wird die Republik sich in schuldigem Gehorsam dem Oberherrn der christlichen Welt beugen, und von den Alpen bis zu den Küsten Siziliens wird Italien dem Gesetz des heiligen Vaters gehorchen.«

»Du sprichst die Wahrheit, mein Bruder,« erwiderte Sixtus, sich wieder auf seinen Stuhl niedersetzend, – »und darum darf so schwere Schuld dem Gericht nicht entzogen werden.«

»So überlaß es denn uns, heiliger Vater,« sagte der Erzbischof demütig, »diese Barke zu lenken, und seid gewiß, daß wir sie sicher zum Ziele führen werden.«

»Es sei so,« erwiderte der Papst – »aber habt die Ehre des heiligen apostolischen Stuhles in Acht – und du, Girolamo, auch die deinige, auf der ich nicht will, daß ein Flecken haften soll.«

Er machte das Zeichen des Kreuzes mit der ausgestreckten Hand, vor dem alle die Kniee beugten. Der Erzbischof, Francesco Pazzi und Montesecco verließen rückwärts schreitend das Gemach. Girolamo blieb auf des Papstes Befehl.

»Nun,« sagte Sixtus mit freundlicher Herzlichkeit, »du kennst meinen Willen, ich vertraue dir, daß du danach handeln wirst – jetzt laß uns der Sorgen vergessen, die mir die bösen Menschen bereiten, welche in hochmütiger Auflehnung sich von meiner väterlichen Hand nicht leiten lassen wollen und mich zur Strenge zwingen, wo ich Milde und Frieden walten lassen möchte. Geh und befiehl dem Kämmerer, den von mir Erwarteten einzuführen. Ich sehne mich danach, Freude zu verbreiten, wo ich der Liebe und des Dankes sicher bin.«

Girolamo brachte dem dienstthuenden Kämmerer im Vorzimmer des Papstes Befehl, und unmittelbar trat zur sichtlichen Überraschung des Grafen ein junger Mensch von kaum siebzehn Jahren in dem schwarzen Anzug der Weltgeistlichen ein. Seine schlanke Gestalt war knabenhaft zart, seine Haltung schüchtern und unsicher; sein bleiches Gesicht mit den seinen Zügen und den dunkeln großen Augen, von schwarzem lockigen Haar umrahmt, rötete sich freudig beim Anblick des Papstes, der freundlich das Haupt neigte, dann eilte er zu der Estrade hin, beugte das Knie und küßte das Kreuz auf des Papstes Schuh. Sixtus segnete den Knieenden – dann neigte er sich zu ihm herab, küßte ihn auf die Stirn und blickte in sein feines jugendlich zartes Gesicht.

»Wie er deiner Schwester ähnlich sieht, Girolamo,« sagte er – »ganz der sanfte Blick ihrer Augen, das weiche Lächeln ihres Mundes. Sie ist dahingeschieden nach ihrem Gemahl, dem guten Sansoni, und nun ist mir die Sorge geblieben für dies Kind, das sonst allein in der Welt stehen würde. Nun, ich werde für dich sorgen, mein kleiner Rafaello,« sagte er, nochmals mit seinen Lippen des Knaben Stirn berührend, »ich habe eine Überraschung für dich.«

Das Gesicht des Papstes, der kurz vorher noch mit flammend drohenden Blicken seinem Zorn zerschmetternde Worte gegeben, war vollständig verändert. Seine Augen blickten weich und sanft mit inniger Herzlichkeit zu dem Knaben herab, und seine magere dürre Hand streichelte liebkosend dessen glänzendes Haar, das mit seinen vollen Locken die kleine geistliche Tonsur bedeckte.

»Ich habe,« sagte er, »eine Überraschung für dich, mein Kind, die eine Belohnung sein soll für deinen Fleiß und deine gute Führung auf der Hochschule und eine Mahnung, daß du berufen bist, dem Namen deines Oheims und dessen Andenken, wenn ich einmal nicht mehr da sein werde, im Dienst der heiligen Kirche Ehre zu machen. Bringe mir die Kiste, Girolamo, die dort auf dem Ecktisch steht.«

Der Graf brachte dem Befehl folgend eine kofferartige Kiste mit schwarzem Samt überzogen und mit goldenen Spangen verschlossen und hielt dieselbe, das Knie beugend, dem Papste vor.

Dieser öffnete den Deckel und nahm aus dem mit weißer Seide gefütterten inneren Raum den Purpurhut mit den goldenen Quasten, der das Zeichen der höchsten kirchlichen Würde bildet, und seinen Träger in jener Zeit den weltlichen Fürsten voranstellte. Diesen, soviel ersehnten und umworbenen Hut setzte der Papst auf das Haupt des erstaunt zu ihm aufblickenden jungen Rafaello und sagte mit feierlichem Ton:

»Es ziemt sich nicht für meinen Neffen, langsam die Stufen zur höchsten Ehre zu erklimmen. Umringen doch die weltlichen Fürsten ihren Thron in nächster Nähe mit ihren Blutsverwandten, auf deren Treue sie bauen können – um so mehr muß ich dies thun als Oberhirt der Christenheit, denn meine Aufgaben streben höher hinauf als alle weltlichen Ziele, und mein Regiment steht über allen Thronen der Erde, darum bedarf ich mehr als die Kaiser und Könige der Treue und des willigen Gehorsams derer, die berufen sind, mit mir den Kampf zu führen, der alle Macht der Welt beugen soll vor dem Kreuz auf dem Hochaltar der heiligen Kirche. Empfange also diesen Hut aus meiner Hand und erfülle die Pflicht deines hohen Amtes zur Ehre der heiligen Kirche und deines Hauses.«

Er beugte sich herab und küßte die Stirn des jungen Kardinals, der hoch errötend und wieder erbleichend keines Wortes mächtig war, und mit thränenden Augen drückte er inbrünstig seine Lippen auf die Hand des Papstes.

»Ich werde morgen,« fuhr Sixtus fort, »deine Ernennung im Konsistorium aussprechen; gehe jetzt und bereite dich vor, das heilige Kollegium mit ernstbedachten und angemessenen Worten zu begrüßen. Doch höre noch Eines. Ich will, daß der Name Riario nicht unter den ersten Fürsten der Kirche fehle, darum sollst du fortan diesen Namen führen zur Erinnerung an deinen Oheim, dessen Platz du im heiligen Kollegium ausfüllen wirst, und dir, Girolamo, befehle ich, deinen Namen auch auf Rafaello zu übertragen, der ja von deinem Blute stammt.«

»Wie sollen wir alle jemals für so viel Gnade und Ehre danken!« rief Girolamo, neben Rafaello niederknieend und des Papstes Hand küssend.

»Durch Treue und Eifer im Kampf gegen meine Feinde,« erwiderte Sixtus mit funkelnden Blicken – »und,« fügte er mit weicher Innigkeit hinzu, mit der Hand über Rafaellos Haar streichend – »durch Liebe zu Eurem Oheim. Nun geh, mein Sohn, deine Wohnung steht bereit, du betrittst sie zum letztenmal als Knabe und Schüler – morgen wird der Kardinal Riario in der Versammlung des hohen Rates der Kirche seinen Platz einnehmen. Du, Girolamo, rufe den Kämmerer und den guten Bartolomeo, sowie den Maler Melozzo von Forli, welche im Vorzimmer sein werden.«

Rafaello entfernte sich, noch ganz berauscht von der unerwarteten Gnade, die ihm zuteil geworden. Die Gerufenen traten ein. Der Papst befahl Girolamo und dem Kämmerer, hinter seinen Stuhl zu treten, und Monsignore Bartolomeo, eine würdige Erscheinung mit geistvollem Gesicht, von freundlich sanftem Ausdruck, mußte vor ihm auf die Stufe der Estrade niederknieen. Der Maler nahm, nachdem er den Papst durch die Kniebeugung begrüßt, auf dessen freundlichen Wink seinen Platz vor der Staffelei ein und ordnete die Farben auf seiner Palette.

»Ich will,« sagte Sixtus, »den Augenblick, in welchem ich meinen treuen gelehrten Bartolomeo zum Ordner und Hüter der literarischen Schätze meiner Bibliothek bestellte, für meine Erinnerung und für die Nachwelt fest halten; das Bild, das Meister Melozzo hier entwirft, soll als Freske den großen Bibliotheksaal schmücken, damit Bartolomeo für alle Zeit mit der Werkstätte seiner Arbeit verbunden bleibe.

Bartolomeo dankte bewegt für die ihm erwiesene Ehre, der Maler begann seine Arbeit und Sixtus plauderte heiter und freundlich lächelnd über verschiedene Fragen der Kunst und Wissenschaft, so daß niemand in ihm den eifrigen Führer der streitbaren Kirche im Kampf um die Weltherrschaft wieder erkannt hätte, der eben noch das Verdammungsurteil über die weithin über die Grenzen Italiens bewunderten und gefürchteten Medici gesprochen hatte.

Palle

Подняться наверх