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Schornstein muss rauchen den ganzen Tag.

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In den Jahren nach dem schrecklichen Krieg gab es nichts zu rauchen. Bezugscheine ja, aber nicht genug Tabak für leidenschaftliche Raucher wie meinen Vater. Die Pfeife musste qualmen den ganzen Tag. Sonst bekam er schlechte Laune. Not machte erfinderisch. Tabakblätter mussten her. Originalpflanzen kamen erst viel später, als es bei Tabak-Güldner schon wieder Virginia-Krüllschnitt gab. Der aber kostete Geld. „Billiger sind eigene Blätter“ sagte sich mein Vater. Schnitt unserem Kirschbaum die erreichbaren Blätter von den unteren Zweigen. Fermentierte sie in einer Lösung, die jede Drogerie bevorratete. Trocknete sie im Backofen zwölf Stunden, die ganze Nacht.

Schon frühmorgens stand er auf. Gustel, seine Frau in der anderen Hälfte des Doppelbettes hielt noch das Kopfkissen im Arm. Karl, ihr Mann abwesend, in der Küche. Schnitt mit dem Fleischmesser die trockenen Blätter in feine, kleine Streifen. Füllte den so gewonnenen Krüllschnitt in eine Blechdose. Spülte Brett und Messer gründlich im schäumendem Wasser mit der Wurzelbürste. Nach dem Frühstück sahen wir ihn genüsslich im Sessel sitzen. Dampfen wie eine Lokomotive. Hatten große Lust, einen Tabakwaren-Laden zu überfallen.

Schon beim Kommiss, viel und ebenso nichts sagendes Schlagwort für den Militärdienst, begann ich zu rauchen. Zigaretten. Sorten, die es damals gab. Erinnere „Eckstein No 5.“ Kleinste Packung mit drei Zigaretten für 50 Pfennige. Die meisten drehten ihr Rauchzeug selbst, soviel sie brauchten. Tabakbeutel, Zigarettendrehmaschine und Papier gehörten zur Grundausstattung jedes Soldaten. Mir aber schmeckte so etwas nicht. Ließ das Rauchen und schenkte die wöchentliche Ration meinem Unteroffizier. Hoffte auf bessere Behandlung.

Nach der Währungsreform, Jahre später, konnte ich mir echte Zigaretten leisten. Begann mit der mir bekannten „Eckstein No 5“. Vorsichtig, ein oder zwei am Tag. Dann musste ich in die Klinik, Abszess auf dem Kehlkopf. Erinnere, am Tag nach der Operation schlich ich mich in den Gartenhof der Krankenanstalt. Das grüne Klinikhemd am verschwitzten Leib, Zigarettenschachtel und Feuerzeug in der Hand. Die erste reizte mich zum Kotzen. Die dritte aber schmeckte wie immer. Gut.

Später, Jahre später konnte ich ein grafisches Atelier übernehmen, machte daraus eine Werbe-Agentur. Das Einkommen stieg mit der Zahl der Kunden. Genug, sich die besten Zigaretten zu leisten: Kyriazi Orient. Die mit orientalischem Dekor auf der Packung und viel Gold. Dann Nil. In der blauen Schachtel. Blau wurde meine Lieblingsfarbe. Auf dem Schreibtisch signalisierte sie meinen Kunden: Hier ist alles Qualität. Rauchte die flachen Zigaretten aus dem silbern knisternden Innern der Schachtel selbstbewusst wie Sir Winston Churchill seine Zigarre. Zwischen zwei Fingern. „victory“.

Aufträge kamen mehr als erwartet. Mein Grips gefordert bis zum Geht nicht mehr. Der Arbeitstag endete gegen acht, neun Uhr. Zehn, zwölf Stunden brauchten Dampf im Kessel. Zwei bis drei Packungen waren fällig. Inzwischen auf Gauloises um gestiegen. Nach einem Jahr auf Lord Extra, eine leichtere Sorte. Sechzig wurden es auf dem Höhepunkt jeden Tag. Gegen Feierabend Kopfschmerzen, ein dicker Hals. Kein gutes Gefühl. Aber nicht mehr rauchen? Nein! Nichts ist befriedigender, als nach einem guten Essen zu Kaffee und Cognac eine Zigarette zu rauchen. Die Zigarette danach. Manche meinen den Geschlechtsakt. Na ja, suum cuique. Jedem das Seine.

Als es ganz schlimm wurde mit dem Kopf, die Beschwerden nicht nachließen in der Nacht, hörte ich auf. Mein angetrautes Weib ließ auch das Rauchen. Machte es mir leichter. Aber so von heute auf morgen aufhören mit einer Lieblingsbeschäftigung? Einer, die mehr war als bloßes Tun. Leben, Lippen und alles hingen am Glimmstängel.

Lass mal das Liebste, das Du hast! Ich befriedigte mein orales Bedürfnis mit dem Inhalt einer Tüte Karamellbonbons oder Schokolade. Von morgens bis abends, nonstop. Jeden Tag. Wie früher Zigaretten. Ich wurde fetter, bequemer und einfallsloser, sagte mir ein Kollege. Ob es stimmte, wussten meine Kunden besser. Noch keine Klagen.

Lange Zeit trauerte ich den Glimmstängeln nach bei jedem Lutschbonbon. Sie hatten mich jahrelang, was sage ich, jahrzehntelang in Bestform gebracht. Weiß der Kuckuck, was mir in Zukunft alles versagt bleibt. Ohne „Eckstein No 5“. „Nil“. „Lord Extra“. „Adieu“ geliebte.

Adieu

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