Читать книгу Adieu - Otto W. Bringer - Страница 8
Weiß ist die Kunst.
ОглавлениеIn der WAZ lesen wir eine Rezension über das Jasmina Rezas Theaterstück „Kunst“. Aufgeführt im Schlosstheater von Moers. Regisseur ein junger Mann: Holk Freitag. Macht viel von sich reden. Stellt Sprache in den Mittelpunkt, nicht aufwändige Szenerie. Beschränkt sich auf minimale Ausstattung. Draußen ist der mächtige Ahornbaum im Schlosshof einziges Requisit. Die Akteure turnen auf Ästen und sprechen ihre Texte aus luftiger Höhe. Shakespeares „Sommernachtstraum“ sahen wir mit großem Vergnügen. Jetzt wollen wir uns seine Inszenierung von Yasmina Rezas „Kunst“ ansehen. Mal sehen. Es soll sehr skurril sein, lesen wir.
Fernand kauft das Gemälde eines unbekannten Künstlers. Das Motiv: weiße Leinwand mit weißen Streifen. Was sieht man denn? Fragt sich jeder. Soll das Kunst sein? Logisch, dass seine beiden Freunde es für Nonsens halten. Jaques, der jüngere von beiden, schimpft wie ein Rohrspatz. „So viel Geld für nichts.“ Serge zahlte bare 200000 Franc für dieses Nichts vom Nichts. „Nichts ist große Kunst“ titelte die WAZ. „Du bist nicht gescheit Serge, ich sehe keine Streifen.“ Serge wehrt sich. „Das ist meine Sache. Mit meinem Geld kann ich sehen was ich will. Ich finde das Motiv einmalig. Geradezu toll. Sehe es schon über meinem Bett.“ Träume von gestreiften Pferden, Häusern, Frauen.
„Das kann auch nur Dir passieren, Du Idiot! Warum zeigst Du uns dieses primitive Machwerk überhaupt? Dieses Nichts von einem Nichts?“ Wiederholt sich. „Mich beleidigst Du mit so einem Bild. Mein Kunstverständnis ist an den Klassikern geschult. Schwachsinnig, Weiß in Weiß für Kunst zu halten, blöder Egomane.“ Aus dem Duell wird ein Dreikampf. Fernand, der dritte im Bunde versucht zu vermitteln. Sieht ihre Freundschaft in Gefahr. Weil einer von ihnen kaufte, was er für gut hält. Die Zeitung lässt offen, wie es ausgeht. Wir wollen uns heute Abend selber ein Bild machen. Karten gekauft. Köppers getroffen.
Lange nicht mehr gesehen. „Hallo“. „Hallo“. „Wie geht´s?“ „Wie steht’s?“ Halb Sieben, noch Zeit. „Essen wir eine Kleinigkeit zusammen? Wir wollen ins Theater anschließend.“ „Was gibt es?“ „Kunst“ von der bekannten französischen Autorin Yasmina Reza. Ein hochinteressantes Stück.“
Wir steigen die steile Wendeltreppe hinauf ins Restaurant „Kurlbaum“. Sitzen am Fenster, schauen hinab auf die da unten. Die eilen, rennen, als kämen sie zu spät. Wir haben eine gute Stunde Zeit. Es wird mehr als eine Kleinigkeit. Sehr lecker das Rumpsteak mit grünen Bohnen. Der Rote aus Burgund. Wir erzählen und vergessen die Uhr. Reden von vergangenen Reitstunden, Spaziergängen im Park, den Hunden. „Ohgottogottogott. Zwei Minuten vor Acht. Das Theater!!!“
Stehen hastig auf, bezahlen, schnell, schnell. Laufen hinüber zum Schloss. Die Türe offen. An der Kasse eine Frau: „Das Stücke hat begonnen. Kann Sie nicht mehr hinein lassen. Erst in der Pause.“ Wir betteln, versprechen, uns ganz ruhig zu verhalten und schieben diskret einen Zwanziger über den Tisch. Richtung Frau. „Nein, nein, es geht nicht.“
Köppers sind nicht so verärgert wie wir. Hatten noch keine Karten. Unsere werden wir eintauschen für die nächste Aufführung. Pustekuchen. Am Eingang das Plakat: heute letzte Vorstellung.
Köppers laden uns zu sich nachhause ein. Sitzen auf beigegepolstertem Sofa. Trinken Wein und weinen Tasminas Kunst keine Träne nach. Aber der Kunst, keine Kunst zu sein. Dem verpassten Vergnügen, Teilnehmer eines absurden Welttheaters zu sein. Und das tut weh. „Adieu!“