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Das erste Verhör

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Es wurde also beschlossen mit dem Verhör zu beginnen. Der Kreisrichter wünschte kein eigentliches gerichtliches Verhör, nur ein vorläufiges Polizeiverhör, und er machte kein Hehl daraus, daß ihm die Anwesenheit des Kriminalassessors Klem besonders angenehm war. Der gute Heiden war kein schlechter Beamter; er hatte die Gabe des Kanzleibeamten, sich in eine Sache hineinzuversetzen.

Er konnte ein sehr verständiges Urteil abgeben, und er erledigte die laufenden Sachen ordentlich und sorgfältig. Aber er war weltfremd, in einem Grade, der jede wirkliche Tüchtigkeit im Abhalten von Verhören ausschloß. Seine schöne reine Auffassung der Menschen, als gute Vernunftwesen, die auf Worte und Handlungen anderer nach verschiedenen, der Erfahrung zugänglichen Gesetzen reagieren, hatte nicht das mindeste mit den Erscheinungen zu tun, die in der Praxis eines Gerichtsbeamten das tägliche Brot sind. Er sprach gebildet zu Vagabunden, die ihn auslachten; er sprach so höflich zu den Bauern, daß sie meinten er halte sie zu Narren, kurz er traf den rechten Ton nicht. Wären die Menschen gewesen, wie sie sein sollten, so wäre Heiden das Ideal eines Kreisrichters gewesen, – aber dann hätte man ja überhaupt keine Kreisrichter gebraucht! – –

Jetzt stand er mit Assessor Klem und Busgaard in der Wohnstube zu Braendholt, wo der Diebstahl begangen war. Und wahrhaftig, er hatte die größte Lust, Thomas das Ganze zu überlassen. Es galt nur die am wenigsten kompromittierende Form zu finden. Die Gemeinde durfte den Respekt vor der von Gott und dem König eingesetzten Obrigkeit nicht ganz verlieren!

Der Kreisrichter rieb sich die seinen schmalen Hände: »Ja, so wollen wir das Gericht auftun; da ich als Kanzleibeamter ohne größere Erfahrung bin, und Sie, lieber Assessor, lange Übung vom Kriminalgericht her haben, möchte ich Sie bitten, mir behilflich zu sein.«

Thomas blinzelte schlau zu Busgaard hinüber. »Ja, wenn Onkel Bus nichts dagegen hat.«

Der Gutsbesitzer warf ihm einen bösen Blick zu. »Du weißt, ich habe alles gegen Dich, aber in diesem Falle ist es vielleicht doch möglich, daß Du mir von Nutzen sein kannst.«

»Ich bin stolz, aber nicht hochmütig; aber da ich ohne Waffe in der Hand nicht arbeiten kann, will ich hinauf gehen und mir mein Notizbuch und einen Bleistift holen. Ich will Ihnen sagen, Herr Kreisrichter, es ist bei den Untersuchungsrichtern wie bei den Taschenspielern, der Zauberstab ist unentbehrlich.« Und mit einer leichten Verbeugung vor den Herrschaften drehte sich Thomas auf dem Absatz herum.

Die Tür ging auf und herein trat Polizeidiener Hansen; er blieb mit einem Ruck stehen und schlug die Hacken zusammen.

Thomas nickte freundlich. »Hansen, O. B. 37 Hansen –« und indem er sich Onkel Bus zuwandte und Hansen die Hand reichte, führte er den Polizisten wie zur Vorstellung in die Stube hinein.

»Onkel Bus, Deine Aktien steigen. – Und Sie, Herr Kreisrichter, ich will Sie nicht beleidigen, Sie sind ein bescheidener Mann und haben meine ungeteilte Sympathie gewonnen, ganz abgesehen von der Musik. Aber Hansen, das war ein Verlust für die 8. Kammer, als der Mann uns verließ.«

Hansen verneigte sich verlegen und drehte seinen flachsfarbenen Schnurrbart. »Herr Assessor sind zu freundlich,« sagte er.

Thomas lächelte: »So kennen Sie mich wohl nicht von dort oben, Hansen? Aber ich will Ihnen etwas sagen, ich trete hier als Gast auf, mit drei Sternen auf der Etikette, wie ein besserer Kognak.«

Der Polizeidiener lieferte eine reguläre Unteroffiziersverbeugung, und Thomas ging.

Als die Thür sich hinter ihm geschlossen hatte, sagte Heiden mit einem Lächeln: »Alte Bekannte,« und Hansen verbeugte sich mit der komischen Mischung von offizieller Höflichkeit und freundlicher Nachsicht, die seine Haltung seinen Vorgesetzten gegenüber kennzeichnete.

Onkel Bus brummte: »Wollen Sie rauchen, Herr Kreisrichter?«

»Nein danke,« antwortete Heiden, »ich rauche nie.«

Onkel Bus brummte wieder; er fand, alle Männer müßten rauchen, und es setzte den Kreisrichter wieder in seiner Achtung etwas herab, daß die brave Obrigkeitsperson nicht rauchte.

»Sie haben wohl nichts dagegen, daß ich meine Pfeife hole?« fragte er etwas ironisch, und als Heiden ruhig und freundlich lächelte, machte Onkel Bus sich daran seine Pfeife zu holen.

Heiden wandte sich an Hansen, der da stand und dem Gutsbesitzer nachblickte.

»Was denken Sie über ihn, der eben fort ging?« fragte Heiden.

»Den Gutsbesitzer?«

»Nein, den Assessor!«

»Ein Rasiermesser,« lautete die Antwort, und Hansen sah aus wie ein Landtagsabgeordneter, der draußen in seinem Wahlkreis über das Königliche Theater spricht. Heiden lächelte:

»Tüchtig?«

»Das langt nicht. Der Herr Kreisrichter müssen viel höher hinauf. Aber man muß ihn kennen, versteht sich, das ist schwer, aber es kann gelernt werden. Der Herr Kreisrichter sind ein sehr kluger Mann, ein Mann, der mit sich reden läßt – aber der – den muß man gewähren lassen, ganz wie er will. Wir verstehen nicht ein Tüpfelchen davon – anfangs, aber am anderen Ende sitzt das Richtige, das schlägt niemals fehl.«

Heiden blickte auf – er genoß Hansen. »Glauben Sie?« sagte er neckend.

Der Polizeidiener war mitten in der Bewunderung seines alten Vorgesetzten und stolz auf die Bekanntschaft.

»Das ist sicher,« erwiderte er.

»Ja, wenn Sie dafür garantieren,« sagte der Kreisrichter im gleichen Ton.

»Das tue ich,« versicherte Hansen. »Er wird garnicht dergleichen tun und scheinbar alles dem Herrn Kreisrichter überlassen. Er tut einfältig, wenn es ihm paßt. Aber es entgeht ihm kein Wort.«

»Sie sehen wohl Assessor Klem für einen Zauberer an, Hansen?« Er fand die Bewunderung ein bißchen reichlich und wollte ihn ein wenig necken.

»Sie nennen ihn den Mann mit dem sechsten Sinn,« bemerkte Hansen mit tiefem Ernst. »Davon verstehe ich übrigens nichts und das ist etwas Mystiphistisches. Aber gleichgültig, ehe die Uhr zwölf geschlagen hat, haben wir den Dieb, da will ich ziemlich viel darauf wetten.«

»Na, ja, ja,« sagte der Kreisrichter ein wenig gestoßen. Der Kreisrichter machte sich doch geltend in ihm, und die Bewunderung war zu intensiv.

Hansen richtete sich in die Höhe: »Der Herr Kreisrichter fragten, und ich war so frei zu antworten.«

Es waren Oberklasse und Unterklasse, die mit leichtem Gekränktsein von einander wegglitten.

Jetzt kam Onkel Bus zurück.

Heiden wandte den Kopf nach ihm: »Polizeidiener Hansen sieht ihren Neffen für einen Hexenmeister an.«

»Ein Kopenhagner Laffe ist er,« polterte Onkel Bus los, »ein großmäuliger Kopenhagner.«

Und schwere Wolken umwogten den Herrn des Hauses.

Der Polizeidiener verbeugte sich sarkastisch: »Der Herr Gutsbesitzer müssen ihn wohl kennen, er ist ja von der Familie.«

So kriegte Onkel Bus den kleinen Gifttropfen, den Hansen nicht auf seinen Vorgesetzten zu träufeln wagte.

Onkel Bus merkte den Stachel nicht, doch aus seiner dichten Tabakswolke stieß er die Worte hervor: »Ihn kennen, ja weiß Gott kenne ich ihn – sogar allzugut.«

Die Tür knarrte und Thomas trat mit einer leckeren hellbraunen Havanna zwischen dem Gehege der Zähne ein.

»Hier bin ich – Du gestattest vielleicht, daß ich eine von meinen eigenen Zigarren rauche.«

Onkel Bus feuerte einen Kanonensalut von dickem Knasterrauch gegen den Assessor.

»Ich habe Dich überhaupt nicht eingeladen . . .«

»Und ich komme überhaupt nicht Deinetwegen –,« ein leichter blauer Rauch begegnete dem dicken grauen.

»Das ist eine Probe von dem Ton, der zwischen mir und meinem gestrengen Onkel herrscht,« fügte Thomas hinzu, indem er sich mit einem Lächeln an den Kreisrichter wandte – »als Salut zu betrachten, wie ihn freundlich gesinnte Mächte wechseln, ehe es losgeht – Also zur Sache.«

»Wollen Sie die Leitung übernehmen, Herr Kreisrichter?«

Heiden schüttelte den Kopf: »Nein, ich würde es lieber sehen, wenn Sie es tun wollten.«

»Nein wahrhaftig, das will ich nicht,« antwortete Thomas, und suchte Schutz hinter dem Klavier. »Tun Sie das Richtige, so ist meine Wirksamkeit überflüssig, und finde ich, daß Sie etwas Verkehrtes tun, so waren Sie ja so freundlich mich zu bitten, Sie auf den rechten Weg zu weisen. Es erscheint mir als der richtige Geschäftsgang, wenn die bestellte Obrigkeit das Schwert führt – dafür werden Sie ja außerdem bezahlt. Also . . .«

Heiden nickte und nahm Platz in einem Lehnstuhl am Familientisch. »Es macht sich also notwendig die Sache zu rekapitulieren,« sagte er und rückte seine Brille zurecht. »Die 2500 Kronen lagen in einem Kuvert dort im Schubfach. Sie hatten sie am selben Tag bekommen; wann war das?«

»Sonnabend,« sagte Onkel Bus aus seiner Wolke heraus. »Sie kamen um 2 Uhr mit der Post.«

»Und Sie legten sie gleich hier in das Fach?« fragte der Kreisrichter.

»Nein,« lautete die Antwort, »erst um vier.«

»Und wann vermißten Sie das Geld?«

»Montag morgen«

»War das Fach verschlossen?«

»Ja – das tue ich immer. Ich habe die Schlüssel bei mir. Das heißt nicht den Schlüssel zum Sekretär, der liegt in meinem Schreibtischfach, das mit einem Schlüssel verschlossen ist, der an meinem Bund hängt.«

»Onkel Bus ist schlau,« tönte es vom Flügel herüber, »er verwahrt sein Geld nicht im Schreibtisch, wo Diebe drauf verfallen könnten es zu suchen, er verwahrt es in diesem alten Gerümpel von Sekretär. Das ist furchtbar fein ausgeklügelt, und das ist günstig, denn es indiziert, daß die Diebe mörderlich schlau sein – oder Bescheid wissen müssen.«

»Gibt es jemand, der weiß, daß Sie Ihr Geld im Sekretär aufbewahren, Herr Gutsbesitzer?« fragte der Kreisrichter.

»Ja, meine Frau,« antwortete Onkel Bus.

»Da haben wir den Dieb – Tante Mus,« ertönte es vom Flügel her.

Onkel Bus fuhr in die Höhe: »Willst Du Deine Zunge hüten Du . . .«

»Du hast recht, Onkel,« sagte Thomas friedlich, »Tante Mus ist von vorn herein frei von Verdacht. Aber oben, im Gericht würden wir Dich festsetzen, weil Du im Verdacht stehst, bei Dir selber Einbruch verübt zu haben. Du bist doch gegen Diebstahl versichert, nicht wahr? Gut. Sehn Sie, Herr Kreisrichter, Sie sollten sich des Anmelders versichern. Das tun wir bisweilen, allerdings nicht immer mit Glück, aber es spricht manches dafür.«

»Der Herr Assessor hat nicht ganz unrecht,« meinte Heiden und schüttelte bedenklich den Kopf.

Onkel Bus fuhr empor und stampfte auf den Flügel zu.

»Was sagt Ihr, beschuldigt Ihr mich?«

»Wen beschuldigst Du?« fragte Thomas freundlich.

»Den Dieb, zum Satan – dies hier ist Ernst.«

»Selbstverständlich,« kam es mild und freundlich von den Lippen des Kreisrichters. »Aber da Sie sagen, Herr Gutsbesitzer, daß niemand sonst das Versteck kennt, so sieht es doch wirklich etwas merkwürdig aus.«

»Ja,« fuhr Thomas mit seiner mildesten Stimme fort, »es sieht mehr als merkwürdig aus. Können Sie sich erinnern, Hansen,« fügte er zu dem Polizeidiener gewandt hinzu, »daß wir schon früher einmal einen wegen derselben Sache arretiert haben?«

»Jawohl, den Doktor, Herr Assessor,« erwiderte der Polizist.

»Richtig, den Doktor, und er gestand. Er saß lange im Arrest und schließlich kam er damit heraus, daß er selber den Einbruch arrangiert hatte, um das Geld von der Versicherungsgesellschaft zu verdienen. Das war eine Geschichte, die viel Aufsehen machte, ich verdiente mir die Sporen dabei, und ich will Dir sagen, Onkel Bus, ich gewann ein Teil Erfahrung bei dieser Sache, die ich mit Freuden der lokalen Obrigkeit zur Disposition stelle. Du kannst versichert sein, mein lieber Onkel, daß ich der Sache freien Lauf lassen werde. Wir beginnen mit der Verhaftung . . .«

»Willst Du mich verhaften – da soll doch der Teufel . . .« Onkel Bus wurde ganz blau vor Zorn und der Kopf wirbelte ihm, während er wilde Blicke auf die beiden Richter warf.

»Ruhig, ruhig,« sagte Heiden.

»Nein, mein guter Mann. Sie können nicht verlangen, daß ich ruhig sitzen und anhören soll, daß Sie mich verhaften wollen. Das hat mir, hol mich der Teufel, noch niemand in meinem eigenen Hause geboten, und das soll zum Henker . . .«

»Lieber Onkel,« unterbrach ihn Thomas – »Du verletzt meine empfindliche Seele mit Deinen fürchterlichen Flüchen. In der Schrift steht: Eure Rede sei Ja, Ja, Nein, Nein, aber von hol mich der Teufel und zum Henker schweigen die Quellen. Seid Ihr, Tante und Du, die einzigen, die um das Versteck gewußt haben, so müßt Ihr verhört werden. Und Du mußt Dich darein finden. Also Hansen hole die gnädige Frau.«

Hausen schlug die Hacken zusammen, machte kehrt und schritt auf die Eßzimmertür zu.

»Was sagst Du,« brüllte Onkel Bus.

»Ruhig, ruhig,« sagte der Kreisrichter beschwichtigend.

Thomas genoß die Wut des Onkels, und während dieser fauchend mitten im Zimmer stand, ging er an den Sekretär und zog das Fach auf. »Was lag in dem Fach?«

»Einige Papiere, eine Stange Siegellack, ein altes Petschaft, ein paar alte Münzen und anderer Kram,« antwortete der Gutsbesitzer. Die Pfeife war ihm ausgegangen und er stand mitten im Zimmer wie ein Stier, der stoßen will, aber nicht weiß, gegen welchen von den zwei Feinden er die Hörner richten soll.

»Alte Münzen,« fragte Heiden interessiert.

»Wie viele?«

»Ein halbes Dutzend,« lautete die mürrische Antwort.

»Wir wollen das Fach herausziehen,« schlug der Kreisrichter vor.

Thomas zog das Fach heraus und setzte es mit einer zierlichen Verbeugung vor den Kreisrichter auf den Tisch.

»Das ist ganz richtig,«' sagte er. »Hier liegen Papiere, ein paar alte Münzen, zwei Uhrschlüssel und ein Stück eines Manschettenknopfes.«

»Fehlt eine von den Münzen?« fragte der Kreisrichter.

»Im Gegenteil,« erwiderte Thomas, »es sind zwei mehr als es sein sollen.«

»Es kann gut sein, daß es 8 waren,« zischte Busgaard.

»Es gilt in einem Verhör genau zu sein; wenn angegeben wird, ein halbes Dutzend, so bedeutet es 6. Wir stellen also fest, daß es 8 waren.«

»Ist das nicht gleichgültig,« schob Heiden ein.

»Nichts ist gleichgültig in einem Verhör,« dozierte der Assessor, »sehen Sie diesen Plunder, Herr Kreisrichter, ein alter Nagel und ein Messer.«

»Das Messer gehört mir,« schnob Busgaard.

»Und der Nagel?« fuhr Thomas fort. »Könnte man sich nicht denken, der Dieb habe dieses Werkzeug als Nachschlüssel benutzt?«

Heiden blickte auf. »Das Werkzeug, das im Fach lag?«

Onkel Bus warf den Kopf zurück. – »Da sehen Sie selbst den klugen Kopenhagner! Ja, das ist klar. Der Dieb hat einen Nagel benutzt, der im Fach lag, und . . .«

Thomas richtete sich in die Höhe und sah den Gutsbesitzer streng an. »Du vergißt, daß wir vorläufig garnicht an einen Dieb glauben. Wir befinden uns noch in dem Stadium, wo wir mit vollem Recht den beargwöhnen, der den Diebstahl angezeigt hat, und das bist Du . . .«

»Da soll doch der Teufel . . .«

»Nein, er soll nicht,« sagte Thomas ruhig, »aber Du solltest Dir den Nagel ansehen, das Fach ist damit aufgezogen worden, es ist Lack an der Spitze des Nagels und Kratzer an dem Fach in der Umgebung des Schlüssellochs. Das Messer da ist zum schneiden gebraucht worden, es sitzen noch Holzsplitter an der kleinen Klinge.«

»Und was bedeutet das alles?« brummte Onkel Bus.

»Daß ich Eure Herrlichkeit nicht arretieren will, alldieweil Du nicht nötig hattest, einzubrechen, wenn Du den Schlüssel hattest. Und ich habe einen gewaltigen Respekt vor Deiner gesunden und natürlichen Begabung, aber ich will Dir, und ohne daß Du mich deshalb aufzufressen brauchst, doch nicht die Abgefeimtheit zutrauen, daß Du die Geschichte mit dem Nagel und dem Messer arrangiert hast. Nicht wahr, Herr Kreisrichter, ein Richter soll sich wohl vor genialen Hypothesen hüten! Man kann berühmt damit werden, man kann aber auch niederträchtig in die Tinte geraten damit. So ging es neulich einem überbegabten Kollegen von mir, den wir jedoch in diesem Zusammenhang ungenannt bleiben lassen wollen. Wenn Du dagegen angezeigt hättest, es sei ein Dietrich benutzt worden, so wärst Du es selbst gewesen. Lerne daraus, daß man vorsichtig sein soll, ehe man in einem wohlgeordneten Staat einen Diebstahl anmeldet.«

»Ja, das kann ich bei Gott merken,« brummte der Gutsbesitzer. »Aber sonst verstehe ich kein Wort von der ganzen Geschichte.«

»Nein,« sagte Thomas, »und das ist Dein Glück. – Du bist unschuldig.«

»Willst Du mich verschonen . . .«

Thomas lachte. »Du wirst doch nicht etwa auch zornig werden, weil wir sagen, daß Du unschuldig bist. Deine Entwicklung hat Dich in den letzten Jahren wirklich etwas von der geordneten Gesellschaft entfernt. Willst Du Dein Geld wieder haben, oder nicht?«

»Selbstverständlich,« schrie Onkel Bus.

Heiden blickte ärgerlich in die Höhe: »Dann müssen Sie ruhig sein.«

Polizeidiener Hansen kam mit Frau Busgaard zurück; er hatte sie im ganzen Hause gesucht. Sie war im Keller. Tyr und Tut zeigten sich in der Tür mit großen Augen und roten Köpfen, sie fanden es furchtbar spannend, aber sie wurden nicht zum Verhör zugelassen, sondern im Gegenteil von ihrem Vater ziemlich unsanft vor die Tür gesetzt.

Tante Mus fühlte sich bei der feierlichen Zurüstung ein wenig schwach in den Knien, aber sie wußte ja nichts und konnte nur beteuern, daß sie die Benutzung des Sekretärs als Schatzkammer keiner Menschenseele gegenüber erwähnt hatte, und damit war man um keinen Schritt weiter.

Thomas wühlte weiter in dem Fach, besonders interessierte er sich für das Bruchstück des Manschettenknopfes, das darin lag. Es war eine gebogene Metallplatte, mit dem geprägten Bild der Haupthalle von der Ausstellung zu Aarhus 1908. Es fuhr Thomas durch den Kopf, daß der Dieb diese Platte verloren haben könnte, und es galt daher zu konstatieren, ob sich ein Seitenstück zu dem Knopf im Hause fand.

»Onkel,« sagte Thomas scharf, in richtigem Untersuchungsrichterton, »darf ich Deine Manschettenknöpfe sehen?«

»Willst Du nicht lieber meine Hosenknöpfe sehen,« lautete die mürrische Antwort.

»Danke, nein, vorläufig nicht, laß mich die Manschettenknöpfe sehen.«

Er bekam sie zu sehen. Sie waren von Gold und glatt. »Onkel,« fragte er weiter, »kennst Du das Stück hier? Es lag im Fach.«

Onkel Bus schüttelte den Kopf. »Nein, das habe ich nie gesehen. Ich habe es nicht in das Fach gelegt, und ich kann Dir nicht sagen, wie es dahin gekommen ist.«

Thomas nickte. »Nein, das habe ich mir gedacht.« Er wendete sich an Frau Busgaard. »Danke, Tante, Du kannst gern wieder gehen.«

»Danke,« sagte sie. »Ihr habt mich furchtbar erschreckt.«

Heiden stand auf und verbeugte sich. – »Das war absolut nicht beabsichtigt. Sie müssen entschuldigen, gnädige Frau, aber wir halten Verhör.«

»Verhör,« schnaubte Busgaard, »ja wenn das Verhör heißen soll, anständige Leute zu verunglimpfen und ihre Kleider nachzusehen – ja entschuldigen Sie, Herr Kreisrichter, Sie tun ja nichts, aber der dort. – Was glotzt Du so, Du Satan.«

Thomas beugte sich zu Heiden hinüber.

»Herr Kreisrichter, wir wollen hoffen, daß dieser brave Landwirt nie vor eine höhere juristische Instanz zitiert wird! Das sage ich Dir, Onkel Bus, wenn das Schicksal Dich in Kopenhagen zu einem meiner Kollegen führt, so endest Du, hol mich der Teufel – um eine Deiner Redeblumen zu gebrauchen – in einer Zelle.«

»Einer Zelle,« sagte Busgaard und glotzte – »was für einer Zelle – was ist eine Zelle . . .«

»Ein Aufbewahrungsort für Personen, die nicht das nötige Verständnis für die Bedeutung und Würde des Gerichtes haben. Laß uns den gehörnten Schutzpatron bitten, daß er Dich davor bewahrt, vor einem Richterkollegium erscheinen zu müssen. Und nun geh mit Gott, Tante Mus.«

Das ließ Tante Mus sich nicht zweimal sagen. Sie ging mit dem Gefühl, einer drohenden Gefahr entronnen zu sein.

Onkel Bus' Pfeife war ausgegangen, und dazu gehörte viel. Er zündete sie ostentativ wieder an; es kochte inwendig in ihm, aber es war etwas in dem Ganzen, was ihn niederhielt. – Dieser Satans Thomas.

»Noch mehr?« fragte er schließlich.

»Ich weiß nicht, ob der Herr Kreisrichter noch etwas zu bemerken hat,« sagte Thomas mild und friedlich.

Heiden legte den Finger an die Nase: Offenbar muß es ein Hausdieb sein und der Manschettenknopf ist ein wertvoller Fingerzeig. Nun gilt es nur den zu finden, der das Seitenstück zu dem Manschettenknopf besitzt.«

Der sechste Sinn

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