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2 Geister und Parallelwelten

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Ich will ganz ehrlich sein, dadurch dass mich andere jahrelang ausgegrenzt hatten und mich so erbarmungslos spüren ließen, dass ich nicht dazu gehörte, begann ich mich mit der Zeit wirklich als etwas Besonderes zu fühlen. Als „nicht normal“ betrachtet zu werden, nicht dem Durchschnitt, der Masse, zu entsprechen, ist doch im Grunde genommen ein Kompliment! Die Arroganz, die mir erst irrtümlich unterstellt wurde, schlich sich ein Stück weit in mir ein. In mancher Hinsicht ist es ein Schutzmechanismus. Aber ich muss aufpassen mit Sprüchen, die jene Überheblichkeit verraten. Sie zerstören Freundschaften und befördern mich umso mehr ins Abseits. Es ist ein Prozess der Selbstzerstörung, für den ich große Scham und Abscheu vor mir selbst empfinde.

Ich bin sehr kreativ, was ich für eine Art außergewöhnliche Intelligenz hielt. Ich konnte mich seit jeher gut an meine Träume erinnern. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich einen recht unruhigen Schlaf habe und zwischendurch immer wieder aufwache. Das stört mich allerdings selten. Wenn es sich nicht um Albträume handelt, finde ich es wundervoll des Nachts in schillernde, schöne Traumwelten zu entfliehen und ein zweites Leben neben der Realität zu genießen. So kann ich unerfüllbare Ziele und Bedürfnisse imaginär ausleben und unerträgliche Situationen verdrängen. In dieser Ersatzwirklichkeit herrscht eine Umgebung, in der die faktischen Hemmnisse für meine Hoffnungen nicht mehr vorhanden sind. Ich wünschte mir, ich könnte meine angenehmen Träume aufzeichnen und sie mir später wieder ansehen. Im Mädchenalter träumte ich von einem hübschen Haus aus früherer Zeit. Es beherbergte einen verwunschenen Dachboden über den man magische Fantasiewelten mit verzauberten, betörend duftenden Gärten voll von üppigen Blumenbögen, verspielten Springbrunnen und Schaukeln, bunten melodischen Piepmätzen und wundersamen orientalischen Figuren in farbenprächtigen mit Perlen und Edelsteinen besetzten Gewändern bereisen konnte.

Gerade jene Bilder und Welten hatten mich als Kind zum Schreiben und Bildnerischen Gestalten geführt. Die Kreativität sprudelte und war Balsam für die Seele, besonders in den schwierigen, traurigen Zeiten. Wenn ich unglücklich und verletzt war, schrieb ich alles nieder, denn sprechen konnte ich darüber in Kindertagen nicht. Eine Geschichte ist wie das Gemälde eines Künstlers, welches immer wieder durch Pinselstriche ergänzt und erweitert wird, wächst und neue Schattierungen erhält. Willst du irgendwann zu einem Ende kommen, musst du es bewusst beschließen, ansonsten könntest du ewig fortfahren. Bereits als Kleinstkind hatte ich, kaum konnte ich einigermaßen mit Buchstaben umgehen, versucht, meine Fantasien und Träume anhand erster Worte und Illustrationen originell zu Papier zu bringen. Später las ich gerne dicke Romane und Biografien und baute damit meinen noch unreifen Wortschatz aus. Für meine ideenreichen Zeichnungen und filigranen Bastelwerke erhielt ich reichlich Lob und Anerkennung. Besonders gerne erstellte ich bunte Süßigkeiten-Attrappen, wie einen Eisstand, Tortenstücke oder Pralinen aus diversen Materialien, die ich liebevoll bemalte. Sowohl die schönen Farben wie auch die herzerwärmenden Geschmäcker von süßen Naschereien waren für mich Symbol von Wohlbehagen.

Meine Träume sind teilweise so intensiv, dass ich in den ersten Momenten des Aufwachens nicht mehr zwischen Traum und Realität unterscheiden kann. Ich fühle und schmecke das Gesehene wie in echt.

Einmal lag ich in meinem Bett, mich gerade in einer Wachphase befindend. Jedenfalls hatte ich meine Augen weit geöffnet und sah wie das silberne Mondlicht auf das vertraute Mobiliar meines Schlafzimmers fiel und es in einen mystischen Glanz tauchte. Alles war wie immer. Es war ganz still. Ich hoffte, bald wieder einschlafen zu können. Es war schwül und ich war nicht mehr ganz zugedeckt. Ich hatte meine Daunendecke zwischen die Beine geklemmt. Plötzlich hörte ich beschwingte, springende Schritte durch die Wohnung über den Parkettboden rennen und nahm schließlich einen gespenstisch rauschenden Windhauch neben mir wahr, dann berührte etwas meinen Arm – eine warme, trockene Hand. Ich spürte es ganz deutlich. Mein Herz setzte für einen Moment aus und klopfte dann so hart gegen meine Brust, dass es schmerzte. Ich befand mich in einem Schockzustand. Mein ganzer Körper war erstarrt. Ich getraute mich kaum mehr zu atmen. Ich hatte nicht geträumt. Ich war wach – die ganze Zeit schon. Ich war mir sicher. Da war wirklich etwas, doch ich sah niemanden. Ich presste meine Augen ganz fest zu, verkroch mich ungeachtet der Hitze unter der Decke und zog sie bis über meinen Kopf. Ich schwitzte. Irgendwann, nach längerer Zeit, schlief ich wieder ein.

Es waren nur ein paar Sekunden und dennoch, ich hatte das Übernatürliche nie zuvor so unverkennbar gespürt. Ich war mir dessen noch nie so sicher gewesen. Von dem Tag an traute ich mich nur noch komplett zugedeckt zu schlafen. Gelegentlich habe ich nichtsdestotrotz das mulmige Gefühl, als bewege sich etwas neben mir auf meinem Bett. Es ist als ob etwas Fremdes auf meine Matratze drückt, wie ein Fußabdruck oder der einer anderen Gliedmaße. Ich konzentriere mich darauf und fühle es wieder, noch klarer. Einmal setzte es sich gar neben mich. Ich nahm die Druckstelle neben mir auf dem Bett wahr. Mit der belehrenden Stimme meiner Mutter flüsterte es mir Boshaftigkeiten ins Ohr. Ein andermal versetzte es mir einen heftigen Schlag auf die Stirn. Trotz dem, ich kann mich täuschen.

Dann und wann träume ich, dass ich träume. Wenn ich im Traum aus einem Traum erwache, kommen Dinge, wie Gegenstände, Menschen, Tiere oder Figuren, aus meinem Traum in die Traumwirklichkeit heraus – gruselig. Andere Male kommt es vor, dass ich Träume, die mir zu unangenehm werden stoppe, indem ich sage: „Es ist bloß ein Traum.“ Ich gebe daraufhin Anweisungen, wie dieser weiter verlaufen soll und gebiete damit fiesem hässlichem Getier, Gnomen, Dämonen und verbalen Schindern, wie Tom, Einhalt. Bedauerlicherweise gelingt mir diese Weise der Steuerung von Angstträumen selten.

Manche Träume kehren immer wieder: Ich befinde mich mit meiner Familie in einem alten herrschaftlichen Haus. Die Möbel und die schweren Stoffe schauen aus wie in einem Museum oder einem Antiquitätengeschäft. In diesem Anwesen gibt es Abteile, die sicher sind. Dann gibt es aber auch solche, die vom Übersinnlichen heimgesucht werden. Obwohl ich diese Unterteilung genau kenne, zieht es mich entgegen aller Furcht, wie eine ferngesteuerte Marionette, immer in die Räume, in denen es spukt und wo das Grauen ungehalten Besitz von mir ergreifen kann. In einem anderen jener repetitiven Träume gehe ich auf Bahngleisen, mir wohl bewusst seiend, dass jeder Moment ein Zug auftauchen und mich überrollen kann. Kommt der Zug, springe ich im allerletzten Moment zur Seite. Was mir nicht gut tut, zieht mich an.

Am 11. August 1999 erwachte ich gegen 9:30 Uhr mit dumpfen Kopfschmerzen. Ich hatte schlecht geschlafen. Nachts war ich mehrmals aufgewacht und hatte jedes Mal wieder pochenden Schmerz an meinen Schläfen gespürt. Nun war mir übel. Ich hätte am Vortag beim Einkaufsbummel in der Stadt die Sonnenbrille tragen sollen. Ich wusste doch, dass ich empfindliche Augen hatte. Damals waren meine schönen großen grünen von üppigen Wimpernkränzen umrandeten Augen das Einzige, was ich an mir mochte. Eigentlich sind sie ja vielmehr grau, mit rostfarbenen Akzenten in der Mitte der Iris, was aber auf die Distanz einen ansprechenden grünlichen Schimmer erzeugt.

Ansonsten fand ich mich fett, obwohl ich es nicht war. Ich hasste meinen Körper. Nach dem Sportunterricht vermied ich das gemeinsame Duschen, selbst wenn mich die anderen deswegen ein Schwein schimpften. Das war mir lieber, als wenn sie überall rumerzählten, wie ich nackt aussah. Das taten sie nämlich. Die richtig ekelhaften unter den Weibern, erzählten sogar den Jungs, wie ihre Klassenkameradinnen ohne Klamotten ausschauten. Dabei geizten sie nicht mit unschönen, oftmals übertrieben dargestellten Details. Tom lachte darüber und flocht die indiskreten Informationen gekonnt in sein Gespött ein. Eine Schulkameradin, die ebenfalls mit Katharina befreundet und mit ihrem eigenen kleinen Busen unzufrieden war, bezeichnete ihn als „Hühnerbrust“ und meinte zu Katharina, dass meiner ebenso wäre. Ein anderes Mal hatte sie gesagt, ich hätte Pausbacken und man würde mir im Gesicht Fett absaugen lassen müssen. Katharina verteidigte mich: „Nein, da kann ich dir nicht Recht geben, Daniela, Sophias Brüste sind grösser und runder wie deine.“ Die andere hielt beleidigt den Mund. Ich war Katharina dankbar, sah meine kleinen Rundungen selbst jedoch weniger positiv. Genau das war der springende Punkt! Was ich hatte, wollte ich zeigen und zwar im besten Licht. Alles andere ging keinen etwas an. Wenn ich das Haus verließ, tuschte ich meine Wimpern kohlschwarz. Das ließ sie noch dichter und länger wirken. Nun durfte jeder sie bewundern und mir Komplimente machen. Wäre mir doch nie in den Sinn gekommen, mein schönstes Attribut hinter einer Sonnenbrille zu verbergen!

Nervös drehte ich mich in meinem Bett hin und her und dachte an den vorangekündigten Weltuntergang. Angeblich sollte er an diesem Tag stattfinden. Ach Quatsch! Das war doch lächerlich! Kaum stand ein seltenes Ereignis bevor, glaubte schon das halbe Volk der Weltabend sei nicht mehr weit. Das bewies wieder einmal mehr, dass die Menschheit geistig heute nicht viel weiter ist wie vor einigen tausend Jahren. Ferner war es nicht das erste Mal, dass eine totale Sonnenfinsternis stattfand. Jedes Mal wurde ein solches Theater daraus gemacht und noch nie ist etwas Ernsthaftes passiert. Klar, eine Sonnenfinsternis ist etwas Besonderes und des Weiteren viel seltener als eine Eklipse des Mondes. Das hatten wir alles in der Schule gelernt aber… Nein, ich hatte bis zu jenem Tag nicht an den Weltuntergang geglaubt, jedenfalls nicht wirklich. Als der Tag dann da war, hatte ich dennoch ein flaues Gefühl im Magen.

Am liebsten wäre ich den ganzen Tag nicht aufgestanden. Ich massierte meine Schläfen und kniff die Augen zu, während ich mich fragte, weshalb ich bloß immer so eitel sein musste. Waren doch wirklich zum Davonlaufen diese ewigen Kopfschmerzen! Im Zimmer war es still und warm. Die Sonne warf sanfte Strahlen durch die blanken Fensterscheiben auf das Bett. Ich wurde allmählich wieder müde, schloss die Augen und versuchte mir die Apokalypse vorzustellen. Vor meinen Augen fing eine leuchtend helle Sonne an zu scheinen und glühende Strahlen zu werfen. Riesige bleigraue Wolkenfetzen schütteten zugleich Schnee, Regen, Hagel und staubige Asche, welche einen beinahe ersticken ließ, herab. Eisige Blitze zuckten über den Äther. Knallrote Lava sprudelte aus meterbreiten Erdrissen. Lebewesen kreuchten und fleuchten in alle Richtungen davon. Über alledem herrschte eine tödlich kalte Hitze.

Meine Vorstellungen kamen der Beschreibung des jüngsten Tages aus der Bibel oder der endgültigen Auslöschung der Dinosaurier vor abermillionen Jahren nach der Kollision eines riesigen Asteroiden mit der Erde gleich. Die Bilder waren erschreckend real.

Plötzlich war ich wieder hellwach. Die Ziffern meines Weckers zeigten 12:00 Uhr. Ich richtete mich auf und blickte aus dem Fenster. Trotz der wenigen Wolken war es beunruhigend finster geworden. Allerdings war es zu hell um Nacht zu sein. Nun schaute ich zur Sonne und einen Moment lang meinte ich den Mond zu sehen, denn ein rundlicher düstrer Schatten bedeckte einen Teil der Sonne – Sonnenfinsternis! Ich erinnerte mich wieder – heute war Sonnenfinsternis! Es wurde immer dunkler, aber es war nicht das übliche Dunkel. Es war ein schimmerndes schiefergraues äußerst geheimnisvolles Dunkel, das vielmehr an ein Gewitter in der Wüste als an Nacht denken ließ. Ein kalter Schauer überlief mich. Auf einmal war es soweit; der düstere Schatten überdeckte die Sonne ganz und ließ nur noch eine dünne kreisrunde weißglühende Schnur aufleuchten – die Perlschnur. In diesem Moment überkam mich ein Gefühl seltsamer Sehnsucht. Ich verspürte zugleich stechendes Glück über die Schönheit der Natur wie auch unendliche Traurigkeit. Dann war alles vorbei. Ich war noch immer müde von den Kopfschmerzen und gab mich wieder dem Schlaf und meinen Träumen hin.

Einige Jahre später, ich lebte nun bereits mit meinem Freund Kristian zusammen, hörte ich in der Nacht plötzlich ganz deutlich Stimmen aus unserem großen Wohnzimmer. Obschon voller Angst, stand ich auf und schaute nach. Der Fernseher war angegangen, jedoch kamen nur Stimmen heraus, kein Bild. Dies geschah noch einige Male, immer in besonders stillen Nächten, immer nur Ton, nie ein Bild. Es hätte ein Konstruktionsfehler des Fernsehers sein können, aber warum geschah es nur nachts zu unterschiedlichen Zeiten und warum kamen nur Stimmen und Geräusche aus dem Gerät? Ich hatte Angst, war oft schweißgebadet. Ich konnte kaum mehr alleine in der Wohnung schlafen. Dann geschah es lange nicht mehr. Ich vermochte keine Logik darin zu finden, keinerlei Erklärung dafür. Aber auch schon geringste optische Reize wie das Flackern einer Lichtquelle oder ein Geräusch im Halbwachzustand, können in mir entsetzliche Panikattacken verursachen. Ich kriege starkes Herzklopfen und meine Brust zieht sich zusammen – ein tief beklemmendes Gefühl beschleicht mich.

Wenn du immer wieder solche Dinge erlebst, die du mitunter vollkommen klar und scheinbar bei vollem Bewusstsein wahrnimmst, bist du dir irgendwann fast sicher, dass wir nicht alleine sind, dass die Geister mitten unter uns sind oder eben, dass etwas mit dir nicht stimmt. Schizophrenie oder ein Teil der Wirklichkeit?

Eigentlich möchte ich mich mit derlei Fragen nicht beschäftigen müssen, aber ich tue es gezwungenermaßen, denn ich spüre die Gespenster immer wieder. Natürlich glaubt mein Umfeld nicht an ihre Existenz. Dann frage ich mich ernsthaft, ob ich verrückt bin, ob sich das alles nur in meinem Kopf abspielt, ob es vielleicht irgendein Fehler in meinem Gehirn ist, also quasi nur ein Mangel an der komplizierten menschlichen Maschine oder ob da wirklich noch etwas ist – eine andere Sphäre.

Was führt einen Menschen zu geistiger Verwirrtheit? Ist eine derartige Neigung angeboren oder auf unsere Erlebnisse zurückzuführen? Wo liegt die Grenze zwischen psychisch krank und noch als „normal“ geltende Eigenarten und Probleme? Wer definiert sowas? Inwieweit können wir uns selbst steuern und in den Griff kriegen?

Es ist nicht so, dass Tom und die anderen Schuld waren an meinem mangelnden Selbstvertrauen, meiner Unfähigkeit spannend zu erzählen und mich in Gruppengespräche einzubringen. Sie haben es höchstens verschlimmert, doch die Ursachen mussten woanders liegen, denn ich hatte zumindest Ansätze dieser Eigenschaften von klein auf gehabt.

Neulich habe ich im Internet einen Artikel entdeckt, der die Erscheinung von Gespenstern aus medizinisch-neurologischer Sicht als Halluzinationen oder die Folge falscher Verarbeitung von Sinnesreizen im Gehirn erklärt. Ursachen von Halluzinationen dagegen können wiederum Psychosen, also schwere emotionale Störungen, die mit einem zeitweiligen weitgehenden Verlust des Realitätsbezugs einhergehen oder andere krankhafte Veränderungen des Gehirns sein. Eine Schizophrenie beispielsweise beginnt in rund drei Viertel der Fälle mit einem Vorstadium, das mehrere Jahre andauern kann und sich erst später zum Vollbild der Bewusstseinsspaltung entwickelt. Charakteristische Symptome im Vorstadium sind Störungen des Denkens, der Stimmung und des sozialen Verhaltens.

Die Krankheitszeichen im Vollbild einer Schizophrenie können sehr unterschiedlich sein und praktisch alle psychischen Funktionen verändern. Insbesondere kommt es zu Wahrnehmungsstörungen, wie Wahnerleben und Halluzinationen. Die Betroffenen hören Stimmen oder Geräusche, ohne dass diese tatsächlich vorhanden sind. Sie können Dinge riechen, fühlen oder sehen, die andere Menschen nicht wahrnehmen. Sie haben Störungen der Gefühle und des Antriebs. Die Stimmungslage passt nicht zur aktuellen Situation. Der Betroffene erlebt gleichzeitig gegensätzliche Gefühle, wie Lachen und Weinen. Viele Schizophrenie-Patienten leiden auch unter Apathie. Der Bewegungsablauf eines Schizophrenen kann deutlich von dem eines Gesunden abweichen. Es kommt zu übermäßigen oder stark reduzierten Körperbewegungen. Dies erinnerte mich an meine manchmal plötzlichen abrupten Zuckungen und meine verlangsamte Reaktionsfähigkeit.

Viele Betroffenen leiden auch unter Beeinträchtigungen in der Kommunikation. Sie haben Schwierigkeiten bei der Bewältigung des sozialen und beruflichen Lebens. Der Umgang mit Angehörigen, Freunden oder Kollegen kann sehr problematisch sein, bis hin zum Verlust von Freundschaften und Arbeitsplatz. Manche Patienten durchleben im Anschluss an eine schizophrene Phase eine Depression. Symptome der Bewusstseinsspaltung sind weiterhin vorhanden, aber nur in geringem Ausmaß.

Man geht davon aus, dass verschiedene Aspekte zusammentreffen müssen, um ein Spaltungsirresein auszulösen. Die Veranlagung zur Schizophrenie, nicht jedoch die Erkrankung selbst, scheint vererbbar zu sein. Möglicherweise besteht eine Anfälligkeit für die Entwicklung einer Bewusstseinsspaltung, wenn eine vererbte Empfindlichkeit und bestimmte Erziehungsmuster bestehen. Zum Ausbruch der Erkrankung kommt es allerdings erst, wenn Lebensereignisse hinzukommen, die der Betroffene nicht mehr bewältigen kann.

Diese Erklärungen für meine regelmäßigen Wahrnehmungen und Erscheinungen sind indes auch nicht gerade beruhigend, selbst wenn sie die beängstigenden Gespenster als Einbildung oder Sinnestäuschung verharmlosen.

Doch blasen wir das Ganze nicht unnötig auf! Die Absonderlichkeit soll nicht aus reiner Sensationsgier überspitzt werden. Mein Partner Kristian meinte, dass ich einfach nur so intensiv träume und einen so leichten Schlaf habe, dass die Übergänge zwischen Traum- und Wachphase teilweise dermaßen fließend sind, dass ich sie nicht mehr auseinanderzuhalten vermag. Es war klar, dass er nach einer logischen Erklärung suchte. Wer will schon mit einer psychisch Kranken zusammenleben? Seine beschönigende und gleichermaßen ernüchternde Theorie erklärte jedoch nicht, die Stimmen, die aus dem Fernseher im Wohnzimmer gekommen waren. Ich war ja hingelaufen – wach. Sie waren da gewesen. Ich weiß es.

Das paradoxe Spiel des Schicksals

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