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Arbeitsmigration nach Deutschland

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Mitte der 1950er-Jahre gab es in Westdeutschland das erste Anwerbeabkommen für »Gastarbeiter« aus Italien. Zu Beginn der 1960er-Jahre kam die Arbeitsmigration aus der Türkei hinzu; besonders seit den 1970er-Jahren zogen auch Familienangehörige nach. Auch in der ehemaligen DDR gab es eine Arbeitsmigration. Die Migranten kamen aus den sogenannten sozialistischen Bruderländern wie Vietnam.

Zunächst sollten die »Gastarbeiter« nach drei bis fünf Jahren Arbeit in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Das erwies sich für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer als unzumutbar. Die Menschen blieben und gründeten Familien – zunehmend mehr von ihnen bleiben daher auch im Rentenalter in Deutschland. Aus »Gastarbeitern« sind Zuwanderer geworden.

2020 lebten rund 10,3 Millionen ausländische Staatsangehörige in Deutschland. Aber nicht alle Menschen mit »Migrationshintergrund« sind Ausländer: Es gibt viele Zuwanderer sowie Kinder von Migranten mit deutschem Pass. In Deutschland haben 21,9 Millionen Menschen und somit etwas mehr als ein Viertel (26,7 Prozent) der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. (Migrationsforscher sprechen mittlerweile lieber von »Eingewanderten und ihren direkten Nachkommen«). Dieser Teil der Bevölkerung ist im Durchschnitt wesentlich jünger als die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund; der Männeranteil ist etwas höher. Zu den häufigsten Herkunftsländern der Menschen mit Migrationshintergrund zählen die Türkei, die Russische Föderation, Polen, Kasachstan, Rumänien und Italien.

Menschen mit Migrationshintergrund haben ein höheres gesundheitliches Risiko als die Mehrheitsbevölkerung. Ihr gesellschaftlicher Status ist häufig niedrig, sie verdienen und wohnen schlechter, arbeiten an gefährlichen Arbeitsplätzen und sind häufiger arbeitslos. Der Anteil rauchender Männer und der Anteil von Kindern mit Übergewicht ist höher. Zuwanderer aus ärmeren Ländern leiden häufiger an Tuberkulose, die Säuglingssterblichkeit in kürzlich zugewanderten Familien ist höher.

Zuwanderer sind keineswegs von vornherein kränker als die Allgemeinbevölkerung. Es wandern meist besonders gesunde, mutige und aktive Menschen zu. Daher können Zuwanderer zunächst sogar einen gesundheitlichen Vorteil haben. Dieser Vorteil kann durch ungünstige Lebensbedingungen schwinden.

Wir Epidemiologen kritisieren, dass es zur Gesundheit von Zuwanderern in Deutschland immer noch zu wenige brauchbare Daten gibt. Das macht es uns schwer, besondere Risiken zu erkennen, denen Zuwanderer ausgesetzt sind, und wirksame Maßnahmen zur Erhaltung oder Verbesserung ihrer Gesundheit zu entwickeln.

»Zuwanderung« oder »Einwanderung«? Streng genommen wissen wir ja erst am Lebensende, ob ein zugewanderter Mensch zum Einwanderer geworden ist – bis dahin kann er ja die Entscheidung treffen, dauerhaft in sein Herkunftsland zurückzuwandern. Ganz ohne Zweifel aber ist Deutschland ein Einwanderungsland, und so nennen wir es auch. Sie merken: Manche Begriffe haben nicht nur eine fachliche Bedeutung, sondern auch eine politische.

Epidemiologie für Dummies

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