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Wir haben ein Sprachrohr
ОглавлениеWenn wir Epidemiologen zu gesundheitsbezogenen Themen öffentlich Stellung beziehen, tun wir das meist über unsere wissenschaftlichen Fachgesellschaften – das sind sozusagen die Sprachrohre der Epidemiologie. In Deutschland gibt es mehrere davon:
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi)
Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (aus historischen Gründen mit gmds abgekürzt) und weitere Gesellschaften
Die Fachgesellschaften äußern sich, wenn Politiker wichtige Erkenntnisse aus der Forschung nicht wahrnehmen oder die Gesundheitspolitik nicht danach ausrichten. Unsere Stellungnahmen enthalten daher oft Kritik an bestehenden Empfehlungen oder Gesetzen. Die Kritik stützt sich immer auf solide epidemiologische Studienergebnisse und beinhaltet konkrete Forderungen oder Verbesserungsvorschläge. Die Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie hat unter anderem zu folgenden Themen Stellung bezogen:
Nichtraucherschutz. Wenn Nichtraucher Tabakrauch einatmen (Passivrauchen), steigt ihr Risiko, an Lungenkrebs oder Herzinfarkt zu erkranken. Das belegen epidemiologische Studien eindeutig. Eine Aufweichung des Rauchverbots in Kneipen gefährdet also die Gesundheit aller Gäste. Daher forderte die Fachgesellschaft das Gesundheitsministerium auf, den Nichtraucherschutz in Deutschland umfassend und einheitlich zu regeln.
Früherkennung von Hautkrebs (Screening). Früherkennung kann vor schweren Verläufen einer Krebserkrankung schützen (siehe Kapitel 22). Bis heute gibt es aber keine überzeugenden Belege, dass das auch für das Hautkrebs-Screening gilt. Die Fachgesellschaft forderte das Gesundheitsministerium daher auf, die Wirksamkeit dieser (kostenträchtigen) Vorsorgemaßnahme fortlaufend zu prüfen.
Impfung gegen Humane Papilloma-Viren (HPV). Diese Viren werden beim Geschlechtsverkehr übertragen und rufen in seltenen Fällen Gebärmutterhalskrebs hervor. Eine Impfung soll junge Mädchen und Jungen vor der Ansteckung schützen. Studien legen eine gute Wirksamkeit der Impfung nahe.
Sich in die Politik einzumischen ist anstrengend und nicht immer schön. Wenn es verschiedene Interessen gibt, beispielsweise aufseiten von Industrie, Politik oder Wissenschaft, kann der Tonfall schnell gereizt werden. So während der COVID-19-Pandemie: Rechte Politiker bestritten die Gefahren der Erkrankung, oft mit fachlich falschen Interpretationen von Zahlen. Epidemiologen stellten diese Fehler richtig und wurden dafür verbal attackiert. Sich einzumischen ist aber notwendig und letztlich eine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft – schließlich werden viele von uns Epidemiologen aus Ihren Steuergeldern bezahlt.