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Gelassen mit Veränderungen umgehen

Wenn dir demnächst mal wieder jemand zuruft: »Bleib wie du bist!«, dann frage dich: Kann ich in einem Monat oder einem Jahr überhaupt noch derselbe Mensch sein wie heute?

Alles verändert sich. In jeder Sekunde. Auch wir Menschen können uns nicht nicht verändern. Veränderung ist das Grundprinzip unseres Universums. Wie du auf die teils rasanten Veränderungen in unserer Gesellschaft mit Gelassenheit reagieren kannst, das verrate ich dir in den folgenden Kapiteln.

  ALLES VERÄNDERT SICH

  JEDES PROBLEM IST EIN TOR IN RICHTUNG FREIHEIT

  IMMER BESSER SCHEITERN

  LÄCHELN UND LOSLASSEN

  DAS LEBEN ALS SINUSKURVE

  AUF MEIN UNGLÜCK TRETEN

  DER SCHRITT ZUR SEITE

  DAS LEBEN IST SCHÖN

  ZEIT FÜR EIN NEUANFÄNGCHEN

  HESSE FOREVER

  WIE PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG FUNKTIONIERT

  LASS LOS UND VERTRAUE !

  IN DIE ANTWORTEN HINEINLEBEN

ALLES VERÄNDERT SICH

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich unser Kommunikationstempo um das Millionenfache erhöht. Vor vierzig Jahren haben wir einen Brief verschickt und er kam im Idealfall am übernächsten Tag an. Heute können wir binnen Millisekunden eine Botschaft von A nach B schicken. Unser Reisetempo hat sich vervielfacht und die durchschnittliche Schlafenszeit eines Mitteleuropäers hat sich um etwa 120 Minuten pro Tag reduziert. Wir sparen ständig Zeit und trotzdem haben wir am Ende weniger davon.

Gleichzeitig haben wir viel mehr Möglichkeiten. Allein bei Starbucks oder Subway müssen wir ein knappes Dutzend Entscheidungen fällen, um eine Bestellung aufzugeben. Unsere Welt ist eine Kaskade von unendlichen Möglichkeiten. Die wollen wir auch alle wahrnehmen. Kein Wunder, dass wir dann irgendwann «keine Zeit« mehr haben.

Viele von uns treten morgens ins Hamsterrad, spätabends wieder hinaus. Ruhe gibt es nur am Wochenende oder im Urlaub. Unsere Alltagsabläufe sind effizienter und die Firmenstrukturen schlanker geworden. Systeme und Arbeitsprozesse werden ständig optimiert und verdichtet, alles soll noch schneller gehen. Den Alltag zu organisieren, dabei Leistung zu bringen und, wenn es stressig wird, die Zähne zusammenzubeißen – so sieht das Leben der meisten Menschen aus.

Unternehmen werden ihre Geschäftsmodelle in Zukunft permanent verändern. Veränderung IST. Der Wandel ist die Konstante. Veränderungen vermeiden zu wollen ist eine Verschwendung von Zeit und Lebensenergie. Wer mit dieser

Welt und ihrer Veränderung hadert, sorgt für eine innere Reibung, die auf Dauer unzufrieden macht. Wer sich für eine flexible Lebensplanung entscheidet oder sie immer schon betrieben hat, wer gerne improvisiert und ausprobiert, wird damit besser klarkommen.


JEDES PROBLEM IST EIN TOR IN RICHTUNG FREIHEIT

Wenn der Boden wackelt, wenn Konflikte entstehen, wenn etwas fürchterlich schiefgeht, haben wir die Chance, tiefe Einsichten zu gewinnen. Wir werden dann vor eine Herausforderung gestellt. Das Leben gibt uns eine Aufgabe und wir dürfen sie bewältigen. Wenn wir in diesen Momenten erkennen, wie wir die Herausforderung für uns nutzen können, schaffen wir im Gehirn neue Verbindungen und Lernmuster. Lauf nicht davon, zieh dich nicht schmollend zurück, duck dich nicht weg. Die Reibungen in deinem Umfeld sind der Weg zu mehr Gelassenheit.

Bei Problemen und Widerständen habe ich oft den Job gewechselt oder bin umgezogen. Und ich habe geglaubt, meine Ärgernisse, Sorgen und Macken damit für immer hinter mir lassen zu können. Doch, wie dumm: Die Wurzeln des Übels, die kleinen Monster aus der Vergangenheit, sind im Umzugskarton mitgereist und haben sich früher oder später bei mir zurückgemeldet.

Chancen liegen nicht in Umzügen, dem Wegducken oder Schmollen, der Verdrängung, in DEM neuen Job, in brachialen Veränderungen oder Umzügen. Das größte Abenteuer im Leben ist, herauszufinden, warum uns etwas – womöglich immer wieder – Probleme bereitet. Wenn wir dranbleiben, kann jedes »Problem« zu einem Tor in Richtung Freiheit werden. Möchtest du perfekt sein? Der Beste von allen sein? Möchtest du die Menschen in deinem Umfeld beeindrucken? Liebst du womöglich deine Opferrolle und ziehst dich immer mal wieder schmollend in die Ecke zurück? Vermeidest du Konflikte um jeden Preis? Wertest du dich oft selbst ab? Warum gibst du dieser Situation überhaupt so viel Bedeutung?

Die meisten »Probleme« und Ärgernisse stoßen uns mit der eigenen Nase auf Gefühle, die wir bisher verdrängt haben. Wer sich dem immer wieder entzieht oder Mitmenschen die Verantwortung dafür gibt, verstärkt nur eines: sein eigenes Leiden. Nur wenn du die Dinge angehst, die dir Ärger und schlechte Gefühle bereiten, kommst du zu neuen Lösungen, die dir einen anderen Umgang mit dem »Problem« ermöglichen.

»Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.« (Albert Einstein)

MEIN TIPP: LAUF NICHT WEG, SONDERN BLEIB DRAN. ERKENNE SOGENANNTE WIDERSTÄNDE, ALSO GROLL, ÄRGER UND VERZWEIFLUNG ALS GROSSARTIGE MÖGLICHKEIT ZU WACHSEN. IN DEN FOLGENDEN KAPITELN ERFÄHRST DU, WARUM »PROBLEME« ETWAS SEHR HILFREICHES SIND.


IMMER BESSER SCHEITERN

Als Baby nehmen wir alle irgendwann unseren Mut zusammen, ziehen uns langsam hoch und plumps – schon landen wir auf der Nase. Monatelang üben wir das, ohne aufzugeben, bis es irgendwann klappt. Es gibt wohl kein Baby, das sich nach zwei Monaten denkt: Och – ich lass das jetzt besser mal, das ist mir zu anstrengend.

»Wieder versuchen / Wieder scheitern / Besser scheitern« schrieb der irische Schriftsteller Samuel Beckett. Lernen ist das Ergebnis von Beobachten, Verstehen, Nachmachen, Ausprobieren und grandiosem Scheitern. Auf diese Weise finden wir zu neuen Lösungen. Am Anfang steht jedoch der Mut, es wirklich zu versuchen.

In fast allen Veränderungsprozessen können wir unsere inneren Konflikte nicht sofort klären. Wir streifen mit der Machete durch das Dickicht und können wenig bis gar nichts von unserem Ziel erkennen. Dabei entstehen oft seltsame, verwirrende Eindrücke und Situationen. Ist das der richtige Weg – oder doch der Falsche? Da hilft oft, einfach cool zu bleiben und zu lächeln. Zu den wichtigsten Dingen auf dem Weg durch die Veränderung gehört, zu lernen, solche Situationen auszuhalten. Fokussiere dein Ziel – auch wenn du es noch nicht klar erkennen kannst. Vertraue darauf, dass sich die entscheidenden Punkte im Leben erst später zusammenfügen. Viele Umwege machen erst im Nachhinein einen Sinn. Sie führen dich zu Menschen und Orten, durch die du andere Menschen und Orte kennenlernst. Das Leben lässt sich nur vorwärts leben und nur rückwärts verstehen.


LÄCHELN UND LOSLASSEN

In meiner Jugend hatte ich diese ironische Ader, mit der ich manch Unerträgliches ins Lächerliche gezogen habe. So habe ich beim ein oder anderen Ärgernis einfach den Knopf an meinem Hemdkragen aufgemacht, wenn mir das Leben zu eng wurde. Und dann ging es mir augenblicklich besser. Im Laufe der Jahre hatte ich diesen simplen Trick vergessen, meine Stirn legte sich regelmäßig in Falten und ich ließ den grauen Alltag in mein Herz.

Doch seit ein paar Jahren hab ich das Lächeln und Loslassen wieder zu einem wichtigen Wert in meinem Leben erklärt. Wenn mich mal wieder der Unfug des Alltags einholt, gelingt es mir oft, darüber zu lachen: Meine Nase legt sich in Falten, die Nasenlöcher weiten sich. Mein Kopf wird zurückgeworfen, die Augen schließen sich, der Körper schaukelt hin und her und mein »Lach«-Muskel spannt 15 Gesichtsmuskeln an. Das Zwerchfell hüpft und massiert mich von innen. Insgesamt kommt es dann zu einer besseren Durchblutung meiner Muskulatur und mein Körper schüttet schmerzlindernde Glückshormone aus.

MEIN TIPP: STELL DICH BEI GROLL UND ÄRGER MAL VOR EINEN SPIEGEL UND LÄCHLE VON INNEN HERAUS EIN ÜBERZEUGENDES, EHRLICHES LÄCHELN. ÜBERZEUGE DEIN EIGENES SPIEGELBILD! ATME DABEI TIEF EIN UND AUS. TANZE VOR DEM SPIEGEL, SING VOR DICH HIN. SEI FÜR EIN PAAR MOMENTE MAL WIEDER VÖLLIG VERRÜCKT. UND DANN FRAGE ICH DICH: KANNST DU IN DIESEM ZUSTAND UNZUFRIEDEN, DEPRIMIERT, UNGLÜCKLICH ODER GAR SORGENVOLL SEIN?


DAS LEBEN ALS SINUSKURVE

Eine Lebensweisheit meines Vaters ist mir auch viele Jahre nach seinem Tod in wundervoller Erinnerung: Du musst im Leben auch mal durch tiefen Schlamm waten – damit du den festen Boden wieder würdigen kannst. Vieles hat er so angenommen, wie das Leben es verteilt hat. Auf diese Weise konnte er beinahe jede Situation umwidmen. Darüber gesprochen hat er selten, doch er hat es gelebt.

Der Mensch schwingt durch das Leben wie eine Sinuskurve. Von der sogenannten Null-Linie geht es mal nach oben, dann wieder nach unten. Kein Mensch kann das vermeiden. Was du aber ändern kannst, ist die Null-Linie, also der Punkt, um den herum es auf und ab geht. Die Verschiebung dieser Null-Linie nennt man Lernen, Erkenntnis und Veränderung. Erfolgreich ist nicht, wer keine Tiefen erlebt, sondern wer wieder aus dem Tal heraus findet und an dieser Erfahrung wächst. Erfolg ist, wenn eins aus dem anderen erfolgt. Alles im Leben ist ein Geschenk. An manchen Tagen fühle ich mich kraftlos, beinahe ohnmächtig. Und an anderen könnte ich Bäume ausreißen und die ganze Welt umarmen. Diese Extreme nennt man Leben. Es gibt stets zwei Pole, zwischen denen unser Dasein schwingt: Tag und Nacht, Ein- und Ausatmen, Ebbe und Flut, Tun und Nichts-Tun, Entspannen und Anspannen, Wachsein und Ruhen, Sprechen und Schweigen, Männlich und Weiblich, Ying und Yang. Mal bist du oben, mal bist du unten. Es geht auf und ab, wie in einer Achterbahn.

Indem du dich dem Gedanken öffnest, dass jede Erfahrung ihren Wert hat, öffnest du dein Leben für Gelassenheit, Vergebung und Vertrauen. Nimm an, was war. Akzeptiere, was dich gerade herausfordert. Die Schmerzen und das Gefühl, dass sich unter dir der Boden öffnet, können ein ungeahntes Kreativ-Potenzial freisetzen. Meist entstehen Wachstum, Veränderung und Erkenntnis aus Momenten der Unzufriedenheit. Allein deine Einstellung entscheidet, ob du leidest oder wächst. Alles hat nur die Bedeutung, die du ihm gibst.


AUF MEIN UNGLÜCK TRETEN

Während ich diese Zeilen schreibe, bin ich auf dem Weg zu einer Klausur mit den Mitarbeitern einer Kulturredaktion. Ich kenne diese Gruppe schon eine Weile. Selten habe ich größere Kulturpessimisten kennengelernt. Für sie war früher alles besser und sie wollen alte Strukturen um jeden Preis bewahren und zementieren. Ihre Angst vor der Zukunft ist immens. Sie fürchten sich vor dem Neuen und halten das Internet für ihren größten Feind.

Wird die Welt irgendwann untergehen? Vermutlich nicht. Sie wird sich verändern. Eines Tages werden wir den Krebs besiegen und die Energie aus dem Inneren der Erde anzapfen. Der Mensch ist unfassbar erfinderisch. Antibiotika, Krebsforschung, erneuerbare Energien, Computer, Flugzeuge, Häuser, Autos, Maschinen, das Rad, Elektrizität, Funkwellen, Radio, Fernsehen, Internet. Die kreative Kompetenz des Menschen ist beachtlich. Die Innovation siegt – seit Anbeginn der Menschheit. Alles wird von uns Menschen erforscht. Neugier ist noch vor Sex und Reichtum unser stärkster Antrieb. Wenn ein Ding begriffen ist, geht es auf zum nächsten. Unsere Sinne verlangen fortwährend nach neuen Eindrücken. Daraus wird Innovation.

Zukunftsangst lähmt. Doch die Entscheidung liegt bei dir, ob du es zulässt. Das Leben ist gut. In der Zukunft wird alles anders sein, doch es hängt von dir ab, wie du dieses Andere wahrnimmst und annimmst.

Glücklich ist, wer glaubt, sein Schicksal selbst in die Hand nehmen zu können. Friedrich Hölderlin schrieb: » Wenn ich auf mein Unglück trete, stehe ich höher!«

Wenn es uns gelingt, die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, an etwas Positives zu denken, sorgt es für eine Umkehr unserer Gefühle. Zumindest für eine Weile. Ich hab das getan – immer wieder. Welche Folgen das hatte, das erzähle ich dir im folgenden Kapitel.


DER SCHRITT ZUR SEITE

Ich habe schon früh gewusst, was ich beruflich machen wollte: »Was mit Medien«. Sehr bald war ich beim Radio. Nebenher habe ich als Sprecher für Werbespots gearbeitet. Doch plötzlich bekam ich aus heiterem Himmel massive Stimmprobleme. Ich konnte von einem Tag auf den anderen nicht mehr vor einem Mikrofon sprechen. Wochenlang hatte ich Schlafstörungen und Schweißausbrüche und ich fühlte mich zunehmend körperlich und seelisch am Ende. Gleichzeitig war ich davon überzeugt: Wer in unserer Gesellschaft scheitert, gilt als Verlierer. Ich überlegte sogar, deswegen ins Ausland zu gehen. Doch die Arbeit im Medienbereich lag mir einfach am Herzen.

Mein Stimmproblem war kein organisches, wie sich nach einigen ärztlichen Untersuchungen zeigte. Im Alltag war meine Stimme ja auch in Ordnung. Nein, etwas in mir wollte einfach nicht mehr in ein Mikrofon sprechen. Meine Seele stellte mir gewissermaßen ein Bein und »missbrauchte« dafür meine Stimmbänder. Vermutlich brauchte ich genau diese wichtige Lernerfahrung des Scheiterns, der Verzweiflung, der Demut und des Durchhaltens, um zu persönlicher Einkehr zu gelangen und mich selbst neu zu erfinden.

Und so habe ich einen Schritt zur Seite gemacht und für eine Weile den Rückwärtsgang eingelegt. Anstelle des dauerhaften und weitgehend selbst gemachten Leistungsdrucks erlaubte ich mir wieder die Leichtigkeit des Anfängers, der Fehler machen durfte. Das gab mir die Freiheit, eine der schöpferischsten Phasen meines Lebens in Angriff zu nehmen. Und so beschloss ich, alle Kompetenzen zu erwerben, die man als Trainer braucht. Ich habe mich fortgebildet und mir einen völlig neuen Bereich in den Medien erschlossen. All das wäre gewiss nicht passiert, wenn meine Stimme mich damals nicht für eine Weile im Stich gelassen hätte.

Kurz nach meinen Stimmproblemen kam der 11. September 2001. Keine persönliche Katastrophe für mich, und doch brannte sich der Tag als unglaubliches Entsetzen in meine Erinnerung ein. Selbst mit Abstand bleibt er für mich ein Trauma. Vor meinen Augen laufen noch jene Bilder ab, die Millionen von Menschen bis heute ängstigen. Doch 9/11 gab den Menschen auch die Chance, zu hinterfragen, was für sie wirklich wichtig ist. Viele sind in den Tagen nach den Anschlägen ihren Liebsten wieder näher gekommen. Viele haben sich darauf besonnen, was wirklich wichtig ist. Wir haben uns in den Armen gehalten und einander unsere weiche Seite gezeigt.

Hinter jeder Katastrophe verbergen sich große Chancen – wenn wir sie erkennen. Ob Kündigung, Krankheit, Scheidung, Unfälle, finanzielle Nöte. Die Schmerzen und das Gefühl, dass sich unter uns ein Abgrund öffnet, können zu einem achtsamen Umgang mit uns und den Mitmenschen führen und damit den Boden für Gelassenheit bereiten.


DAS LEBEN IST SCHÖN

Und dieses Leben ist schön.

Zum Verrücktwerden schön.

Nicht, dass es so wäre.

Doch ich sehe es so.

Bohumil Hrabal, tschechischer Schriftsteller, 1914-1997

ZEIT FÜR EIN NEUANFÄNGCHEN?

Manchmal sehnen wir uns nach einem Neuanfang – und finden gleichzeitig Hunderte von Gründen, eine Veränderung abzulehnen. Ja, klar – ich will schon entspannter sein, aber ändern möchte ich besser nichts. Natürlich will ich einen neuen Job, aber bitte nicht so anstrengend. Klar, das wäre eine Riesenchance, doch ich könnte mich blamieren … Wir suchen dann nach einer Vollkaskoversicherung, die es natürlich nicht geben kann.

Vielleicht gefällt dir ja die folgende Idee: Probier es doch mal mit einem halben Neuanfang. Sozusagen ein Neuanfängchen. Alles wird neu, aber nur ein bisschen. Geht nicht? Von wegen!

Inspiriert vom Dokumentarfilmer Morgan Spurlock, hat es Google-Mitarbeiter Matt Cutts ausprobiert. Seine Idee: Wenn dir echte Veränderung zu radikal ist, versuch es mit einer überschaubaren Zeit von 30 Tagen. Sein Motto war: Mach in der Zeit einfach alles, worauf du immer schon Lust hattest. Matt Cutts hat in diesen 30 Tagen all die Dinge verwirklicht, die er lange Zeit nur in seinem Herzen bewegt hat. Und weil er sein Projekt zeitlich befristet anging, konnte er sich ganz entspannt hineinfallen lassen. In einem Blog zu seinem Experiment schrieb er:

»Am Anfang habe ich mir das gar nicht zugetraut. Doch dann habe ich mit etwas Kleinem angefangen. Ich bin mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren. Es hat mich morgens schon viel näher zu mir selbst gebracht. Meine Ziele wurden dann immer größer. Irgendwann habe ich dann sogar einen Roman geschrieben. O.k., der war natürlich nicht gut – was kann man in 30 Tagen schon schaffen?! Doch zumindest kann ich mich nun Autor nennen und ich habe die Ruhe und den Frieden beim Schreiben kennengelernt. Ich habe von Tag zu Tag mehr Sachen gemacht, die ich bis dahin nie angegangen bin. Und jeden Tag habe ich mehr Selbstbewusstsein und Gelassenheit entwickelt. Bis dahin war ich nur die Person, die dieses und jenes gut konnte. Danach war ich für mich und meine Freunde mehr. Ich konnte mir und der Welt zeigen, dass neben den bekannten Schichten noch viel mehr in mir schlummert. Das hat mich wie zu meiner inneren Mitte geführt.«

Matt Cutts hat während dieser Zeit übrigens komplett auf News und Social Media verzichtet.

Zeichne doch einfach mal auf ein Blatt Papier, was du in deinen 30 Tagen Neuanfängchen so alles an verrückten Dingen anstellen und unbedingt erleben würdest. Und falls in deinem Kopf gleich wieder ein »ja, eigentlich schon – aber …« aufkommt, dann schreib es gleich daneben und streiche es mit einer anderen Farbe fett durch. Leg einfach los und zeichne. Je knalliger, desto besser.



HESSE FOREVER

Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe

Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,

Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern

In andre, neue Bindungen zu geben.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,

Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,

An keinem wie an einer Heimat hängen,

Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,

Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten.

Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise

Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,

Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,

Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde

Uns neuen Räumen jung entgegen senden,

Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…

Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Hermann Hesse

WIE PERSÖNLICHKEITSENTWICKLUNG FUNKTIONIERT

Echtes Lernen findet nur außerhalb unserer Komfortzone statt. Die Komfortzone ist der Ort, an dem wir uns so herrlich sicher fühlen und an dem wir alles »richtig« machen. Unsere Wünsche, Ziele, Chancen und Sehnsüchte liegen jedoch meist außerhalb dieser Komfortzone, auf der anderen Seite der Straße. Erst Widerstand und Fehlversuche machen Wachstum überhaupt möglich. Damit es uns so richtig gut geht, muss es uns ab und zu auch mal schlecht gehen dürfen.

Alle Veränderungsprozesse folgen mehr oder weniger einem Verlauf, der 1947 erstmalig von Kurt Tsadek Lewin, einem der einflussreichsten Pioniere der Psychologie, beschrieben worden ist. Diese Phasen der inneren Veränderung laufen ab, wenn wir uns Neuem zuwenden (müssen):


Phase 1: Vorahnung und Sorge: Irgendwas stimmt hier nicht?!

Ich komme immer wieder an persönliche Grenzen, drehe mich im Kreis. Möglicherweise bin ich verunsichert. Ich habe eine erste Vorahnung: Eigentlich sollte ich was ändern.


Phase 2: Schock – Schreck: Ich bin verwirrt …

Ich denke: Das kann nicht wahr sein. Was eigentlich bedeutet: Das soll nicht wahr sein. Ist es aber leider. Ich bin verunsichert, verwirrt oder erlebe eine gewisse Schreckstarre.


Phase 3: Verneinung – Verdrängung – Abwehr: Die Welt ist gemein zu mir …

Dem Schock folgt die Verdrängung. Oft gebe ich anderen die Schuld. Warum soll ausgerechnet ich mich ändern? Nein – das sollen besser mal die anderen tun. Ach was, die ganze Welt soll sich ändern. Je mehr Unsicherheit eine Veränderung mit sich zu bringen droht, umso stärker ist die Abwehr. Ich will die Situation irgendwie in den Griff bekommen und damit meine emotionale Stabilität wiederherstellen. Nicht selten versuche ich Hektik und Stress in dieser Phase künstlich zu erhalten, damit ich mich mit den wesentlichen Gedanken einer notwendigen Veränderung nicht beschäftigen muss.


Phase 4: Rationale Näherung / Frustration: Ja, aber …

Ich sehe die Notwendigkeit der Veränderung zwar faktisch ein, aber finde noch keine Lösung, die mich wirklich weiterbringt (»Früher war alles besser!«). Der Druck wird immer größer. Ich will, dass er aufhört, doch zaghafte Veränderungen an unbedeutenden Stellen bringen nicht den gewünschten Erfolg. Mir kommen Gedanken wie: »Veränderung ist wichtig, aber…« oder »Ich will ja schon ganz gerne was Neues machen, allerdings …«.

In dieser Phase bin ich noch nicht bereit, mich wirklich zu verändern. Ich orientiere mich nach wie vor an der Vergangenheit und will meine alten Rituale und Muster nicht loslassen. Anders gesagt: Ich versuche, mit alten Mustern eine neue Wirklichkeit zu formen. Das gelingt nur bedingt.


Phase 5: Emotionale Akzeptanz: Ob ich das Alte wohl loslassen kann …?

Diese Phase ist die schmerzlichste, gleichzeitig aber die wichtigste. Weil ich nun spüre, dass ich das Alte loslassen sollte, um frei zu sein für das Neue. Man nennt diese Phase auch das »Tal der Tränen«. Sie ist im Veränderungsprozess eine Art Reinigungsstufe oder Katharsis. Das Hirn säubert sich von alten Vorstellungen und Haltungen. Viele Menschen versuchen, genau diese Phase zu vermeiden, um Unsicherheit aus dem Weg zu gehen. Ohne diese fünfte Phase gibt es jedoch keine Veränderung. In Phase 5 löse ich ich mich über Schwellenemotionen wie Angst, Groll, Frust oder Trauer vom Vergangenen und wende mich dem Neuen zu. Drücke ich mich vor diesem notwendigen Schmerz, dauert die Veränderung unnötig lange.


Phase 6: Öffnung, Neugier, Ausprobieren: Da geht’s lang …

Hurra! Die Neugier erwacht. Ich klammere mich nicht mehr an Vergangenes und werde im Kopf frei für neue Lösungsansätze. Ich lerne wie ein Kleinkind bei den ersten Schritten: Ich stolpere noch etwas unsicher voran, doch dann geht es immer besser. Ich beginne, Neues auszuprobieren. Dabei mache ich natürlich Fehler. Daraus lerne ich. Denn genau diese Fehler helfen mir, eine geeignete Strategie für mein weiteres Leben zu entwickeln.


Phase 7: Integration, Selbstvertrauen: Ja, so geht es!

Ich empfinde Enthusiasmus und erlebe eine Phase des absoluten Hochgefühls. Der Weg ist frei für das Neue. Diese Phase kann durchaus euphorisch ausfallen. Das Tal ist durchschritten, ich habe etwas gelernt. Ich übernehme neue Verhaltensweisen in mein Handlungsrepertoire. Ich empfinde Zufriedenheit, da ich den entscheidenden »ersten Schritt« gemacht habe. Meine Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsweisen werden bewusster und gelassener. Ich spüre ein gesteigertes Selbstvertrauen und habe nun einen Bauplan für die Veränderung. Den kann ich jederzeit wieder rausholen und nutzen. Und ich stelle mich darauf ein, dass es in der Folgezeit Rückschläge geben wird. Die kommen – und sie sind wichtig.

LASS LOS UND VERTRAUE !

Lieber Patrick!

Hast du einen Tipp für mich? Manchmal stehe ich mir ganz gehörig im Weg. Ich habe nämlich einen großen Wunsch, einen Traum, und ich verbiete es mir, diesem Wunsch nachzugehen, meinen Traum zu leben! Mein Kopf sagt mir, ich hätte das nicht verdient! Ich mache es mir unendlich schwer, einfach mein Inneres zu akzeptieren und endlich zu tun, was ich so lang schon wollte. Es fühlt sich doch seit Ewigkeiten so an, als wäre es meine Bestimmung! Und ich kriege es nicht hin. Ich steh mir im Weg. Wie schaffe ich es, mit einem Lächeln zur Seite zu treten, mich vorbei zu lassen und mit Wohlwollen und Liebe zuzuschauen, mit welcher Freude ich meinen größten Wunsch verwirkliche? Ich wäre doch glücklicher! Oder?

Viele Grüße, Sabrina


Liebe Sabrina!

Vor einem Neubeginn gehen wir oft durch eine Zeit des Chaos. Es ist dann so, als habe jemand einen Teil der Brücke über den Fluss weggesprengt. In der Mitte des Wassers treffen wir auf Chaos und Schwebe. In diesen Momenten geraten wir leicht in Panik. Der Verstand kann nicht erkennen, wohin uns der Energiefluss des Lebens führen will, und misstraut allem Neuen, wo er sich nicht auskennt. Sich ganz fallen zu lassen erfordert Mut und einen liebevollen Umgang mit sich selbst. Vertrauen ist ein zentrales Element jeder Reise, weil das Neue erst in unser Leben treten kann, wenn das Alte von uns abgefallen ist.

Ich rate dir: Halte die Dinge nicht fest, lass sie los. Vertraue. Lass deinen Kopf nicht um die Vergangenheit oder die Zukunft kreisen. Sei einfach bei den schönen Dingen von HEUTE, genieße sie, sei dankbar dafür. Klebe nicht am Vergangenen – und auch nicht am Zukünftigen. Vertraue. Löse dich davon, wenn sich etwas über längere Zeit nicht harmonisch anfühlt oder mit Freude verbunden ist. Vertraue. Denn wer krampfhaft an Dingen von gestern oder morgen festhält, hat die Hände nicht frei, um sein Leben im HEUTE zu genießen. Das Wesentliche ist JETZT. Wenn wir jede einzelne Begegnung als die eigentliche Aufgabe begreifen, hechten wir nicht mehr mit hängender Zunge künftigen Dingen hinterher. Dann ist das JETZT die eigentliche Aufgabe, die deinem Herzen Erfüllung gibt.

Dieser Gedanke macht, so finde ich, sehr friedvoll. Der Kopf hängt dann nicht mehr dauerhaft in der Zukunft oder der Vergangenheit. Wenn Vertrauen in das Jetzt das eigentliche Ziel ist, werden Zeit und Raum plötzlich relativ. Dafür braucht es nicht mal eine Religion oder ein größeres Verständnis der Welt. Der Friede stellt sich dann sozusagen von selbst ein. Dann sind es plötzlich die Begegnungen mit Menschen, die das Leben wertvoll und lebenswert machen.

IN DIE ANTWORTEN HINEINLEBEN

Lass die Dinge einfach sein. Genieße deinen Weg, Schritt für Schritt. Versuche nicht, möglichst schnell am Ziel zu sein. Jedes sogenannte Ziel ist auch nur der Anfang eines neuen Weges. Der große Lyriker Rainer Maria Rilke hat es in seinen »Briefen an einen jungen Dichter« unnachahmlich schön in Worte gefasst:

Man muss den Dingen die eigene stille ungestörte Entwicklung lassen, die tief von innen kommt und durch nichts gedrängt und beschleunigt werden kann.

Alles ist auszutragen und dann zu gebären.

Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt und getrost in den Stürmen des Frühlings steht ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte. Er kommt doch. Aber er kommt zu den Geduldigen, die da sind als ob die Ewigkeit vor ihnen läge, so sorglos, still und weit.

Man muss Geduld haben gegen das Ungelöste im Herzen und versuchen, die Fragen selbst lieb zu haben wie verschlossene Stuben und Bücher, die in einer anderen Sprache geschrieben sind.

Es handelt sich darum, alles zu leben. Wenn man die Frage lebt, lebt man vielleicht allmählich, ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antwort hinein.

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