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PROLOG
Hepton, Greater London, 1945

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Ein Spätnachmittag im Juni. In der stickigen, grau gestrichenen Praxis bereitete sich der Arzt mit einem Räuspern auf ein Gespräch vor, das er mittlerweile auswendig konnte.

»Es besteht kein Zweifel. Sie sind schwanger. Im fünften Monat, würde ich sagen.«

Das Mädchen gab keine Antwort. Bestimmt hatte sie schon damit gerechnet.

»Also kein Hungern mehr. Sie müssen darauf achten, dass Sie bei Kräften bleiben. Schließlich essen Sie jetzt für zwei.«

Noch immer keine Antwort. Er lehnte sich zurück und betrachtete sie. Sie war ein hübsches Ding: rotblondes Haar, feine Gesichtszüge, blassblaue Augen. Kein Ehering. Nervös rieb sie sich über die Unterlippe. Mit ihrer weißen Bluse und dem knielangen Rock wirkte sie wie ein Kind. Was sie im Grunde ja auch noch war. Aus ihrer Krankenakte wusste er, dass sie Anna Sidney hieß und in drei Monaten siebzehn Jahre alt wurde. Das war aber nicht das Einzige, was er in dieser Akte über sie gelesen hatte.

»Handelt es sich bei dem Vater um einen Soldaten?«

Sie nickte.

»Ist er noch hier?«

»Nein.«

»Wissen Sie, wo er sich aufhält?«

Sie antwortete nicht sofort, rieb sich erneut über die Lippe. »Nein.«

Er schüttelte den Kopf. Das alles war für ihn nicht neu: Naives, nach Liebe hungerndes Mädchen trifft geilen, Süßholz raspelnden Soldaten und lässt sich von ihm ihre Jungfräulichkeit und noch so einiges mehr rauben. Jemand hatte mal zu ihm gesagt, eine Frau lerne den Mann zu begehren, den sie liebe, während ein Mann lerne, die Frau zu lieben, die er begehre. Leider taten sich manche Männer mit dem Lernen ziemlich schwer.

Aber so war das Leben nun mal. Er war alt und müde und konnte nichts daran ändern.

Er griff nach dem Füller. »Sie brauchen mehr Vitamine. Ich werde Ihnen etwas verschreiben.« Sein Ton klang schroff und geschäftsmäßig. »Und Sie müssen...«

»Er wird zurückkommen«, unterbrach sie ihn mit leiser, heiserer Stimme. »Ich weiß, dass er zurückkommen wird.«

»Nein, das wird er nicht. Sie kommen nie zurück. Nicht im wirklichen Leben. Nur im Film.« Er schrieb weiter, ohne den Kopf zu heben. Ihm war daran gelegen, möglichst schnell nach Hause zu kommen. Er sehnte sich schon nach seinem Abendessen und seinem Bett. Draußen auf der Straße sang ein Mann lauthals vor sich hin. Der Krieg war erst seit einem Monat zu Ende, die Menschen noch von einem Gefühl der Euphorie durchdrungen. Nach sechs langen Jahren endlich Frieden.

Die Feder seines Füllers kratzte über das Papier. Ein Tropfen Tinte landete auf dem Schreibtisch. Als er sich nach einem Blatt Löschpapier umblickte, bemerkte er, dass sie weinte. Er musste daran denken, was er in ihrer Akte gelesen hatte.

Und plötzlich schämte er sich.

Er legte seinen Stift weg. Sie wischte sich gerade mit den Fingern über die Augen. In seiner Schreibtischschublade lag ein sauberes Taschentuch. »Hier«, sagte er in sanftem Ton. »Nehmen Sie das.«

»Danke. Es tut mir Leid.«

»Es braucht Ihnen nicht Leid zu tun. Verzeihen Sie, wenn meine Worte ein wenig hart klangen. Das war nicht meine Absicht. Eigentlich sollte auch im wirklichen Leben alles so sein wie im Film, aber leider ist das meist nicht der Fall.«

»Er hat zu mir gesagt, dass er mich liebt. Dass er mich nachkommen lassen wird. Dass wir heiraten werden.«

Natürlich. Das sagten sie alle. Aber vielleicht hatte er es ja ernst gemeint.

»Gehen Sie gerne ins Kino, Anna?«

»Ja.«

»Wer ist Ihr Idol? Clark Gable? Errol Flynn?«

»Ronald Colman.«

»Meine Frau und ich mögen seine Filme auch sehr gern. Er spielt immer so edle Charaktere. Gütige, ehrenwerte Männer. Von denen gibt es leider zu wenige auf der Welt.«

»Er sieht aus wie mein Vater.«

Wieder musste er an ihre Akte denken. Den harten Weg, den sie hinter sich hatte, und den noch härteren, der vor ihr lag. Es gab nicht viel Tröstliches, was er ihr sagen konnte, aber er hatte trotzdem das Bedürfnis, es zumindest zu versuchen.

»Anna, die Leute werden Ihnen weismachen wollen, dass Sie Grund haben, sich zu schämen. Hören Sie nicht auf sie. In Ihrem Körper wächst neues Leben heran, und das ist etwas Wunderbares. Meine Frau und ich haben uns nichts sehnlicher gewünscht als ein eigenes Kind, aber dieses Glück war uns leider nie vergönnt. Genau das ist es nämlich, Anna: ein Glück. Das dürfen Sie nie vergessen, egal, was die Leute sagen.«

Sie blickte hoch. Ihre Tränen versiegten langsam. »Ich werde es nicht vergessen«, antwortete sie, und plötzlich war ihre Stimme voller Würde, »weil er es nämlich ernst gemeint hat. Er liebt mich, und nun, da der Krieg vorbei ist, werden wir zusammen sein.«

»Ich hoffe es.«

»Ich weiß es.«

Nach dem Abendessen sagte Anna es Stan und Vera.

Sie saßen zu dritt am Küchentisch des Hauses in der Baxter Road. Durch das geöffnete Fenster sah man auf das winzige Stück Grün hinaus, das Vera beharrlich ihren Garten nannte. Die hereinströmende Luft trug einen Hauch von all den Mahlzeiten mit sich, die in der Nachbarschaft gerade gekocht oder gegessen wurden, und konnte den Geruch nach altem Pommesfett, der wie ein Nebel im Haus hing, nicht ganz vertreiben.

»Ich hab’s ja gewusst!«, verkündete Vera. »Ich hab schon zu Stan gesagt, dass irgendwas im Busch ist.«

Stan nickte. Er war ein Cousin von Annas Vater, ein großer, dürrer, leicht asthmatischer Mann mit schlaffem Kinn und dem Ansatz einer Stirnglatze. Er arbeitete zwei Straßen weiter in einer Dosenfabrik.

»Es tut mir Leid, Stan«, flüsterte Anna.

Er seufzte. »Tja, ich schätze, so was kann passieren.« Sein Gesichtsausdruck wirkte mitfühlend. Obwohl er ein schwacher Mann war, bemühte er sich, ein guter zu sein.

Aber auf seine Reaktion kam es nicht an.

»In meinem Haus nicht!« Veras verkniffener Mund verhieß nichts Gutes. Sie war wie ihr Mann hoch gewachsen, aber doppelt so breit wie er. »Wie konntest du uns das nur antun, nach allem, was wir für dich getan haben?«

Anna starrte auf die Tischdecke. Aus dem Wohnzimmer, wo der vierjährige Thomas und der zweijährige Peter gerade ein Rennen mit ihren Spielzeugautos veranstalteten, drang aufgeregtes Kreischen herüber.

»Du bist mit leeren Händen gekommen. Wir haben dich aufgenommen, dir ein Zuhause und eine Familie gegeben, und jetzt dankst du es uns, indem du dich benimmst wie eine Hure.«

»So war es nicht.«

»Wie ist es dann passiert? War es eine unbefleckte Empfängnis?«

»Wir lieben uns.« Sie spürte, wie die Emotionen in ihr hochstiegen, kämpfte aber dagegen an, weil sie keine Schwäche zeigen wollte. Nicht jetzt.

»Wo ist denn dann dein edler Ritter?«

»Ich weiß es nicht.«

Verächtliches Schnauben. »Du weißt überhaupt nichts über ihn!«

Aber das stimmte nicht. Sie wusste, dass er Edward hieß, fünfundzwanzig Jahre alt und knapp über eins achtzig groß war. Dass er nach klassischen Maßstäben nicht übermäßig gut aussah, aber schöne graugrüne Augen hatte und mit seinem Lächeln eine Million Schmetterlinge in ihrem Bauch freisetzen konnte. Dass er am Hals ein kleines Muttermal besaß, das er seine kleine Englandkarte nannte. Dass er ganz leicht lispelte. Dass er klug, witzig und gütig war und dass sie einander liebten.

»Du Närrin! Jedes Kleinkind hat mehr Verstand als du!«

»Geh nicht zu hart mit ihr ins Gericht«, mischte sich Stan plötzlich ein. »Sie hat es nicht leicht gehabt.«

»Wir haben es alle nicht leicht gehabt, Stan Finnegan, aber deswegen spreizen wir nicht gleich die Beine, wenn uns irgendein Soldat anlächelt. Wir haben für dieses Mädchen alles getan, und das ist nun der Dank. Wir haben ihr ein Zuhause gegeben...«

Und so ging es endlos weiter. Voller Wut und Verachtung erinnerte Vera sie immer wieder daran, was sie ihnen alles zu verdanken hatte. Anna saß schweigend da und fühlte sich genauso leer und verängstigt wie damals vor drei Jahren, als sie bei einer Freundin übernachtet hatte und bei ihrer Rückkehr feststellen musste, dass eine deutsche Bombe ihr Zuhause zerstört und das Leben ihrer Eltern und ihres jüngeren Bruders ausgelöscht hatte.

Stan und Vera hatten sie aufgenommen, ihr ein Dach über dem Kopf gegeben, aber so richtig zu Hause hatte sie sich dort nie gefühlt. Die beiden waren nicht ihre Familie, sie war bei ihnen immer eine Außenseiterin geblieben, geduldet, aber nicht wirklich willkommen. Und manchmal, wenn sie nachts in ihrem winzigen, zur Rückseite des Hauses hinausgehenden Zimmer lag, fühlte sie sich so allein, dass sie wünschte, die Bombe hätte auch sie getötet.

»Du darfst das Baby auf keinen Fall behalten. Das kannst du gleich vergessen. Du gibst es zur Adoption frei und fertig. Das Letzte, was wir jetzt brauchen, ist ein weiterer hungriger Mund. Und schon gar nicht den irgendeines Soldatenbastards.«

Anna spürte, wie sich in ihrem Hals ein Kloß bildete, aber sie schluckte ihn hinunter, fest entschlossen, stark zu bleiben und Vera nicht gewinnen zu lassen, an einem letzten Rest von Stolz festzuhalten. Während sie die Augen schloss, versuchte sie die Stimme in ihrem Kopf zu hören, die einmal so laut wie Donner gewesen war, nun aber mit jedem Tag leiser wurde.

Er liebt mich. Er wird mich von hier fortbringen, und wir werden für immer glücklich sein.

Er liebt mich, und er wird kommen und mich retten. Ich weiß, dass er kommen wird. Er muss einfach kommen...

Oktober. Schwester Jane Smith sah sich auf der Entbindungsstation um. Es war gerade Besuchszeit und um jedes Bett scharten sich unterschiedliche Kombinationen von stolzen Eltern, glücklichen Ehemännern und neugierigen Kindern, alle auf das schreiende Bündel konzentriert, das die erschöpfte Mutter in den Armen hielt.

Um jedes Bett, bloß nicht um das des hübschen rotblonden Mädchens.

Das Gitterbettchen am Fußende ihres Bettes war leer. Das Baby hatte am Vortag das Licht der Welt erblickt. Es war eine schwere Geburt gewesen. Ein Junge. Sieben Pfund und zweihundertfünfundfünfzig Gramm schwer und in jeder Hinsicht vollkommen. Ein Kind, auf das jede Mutter stolz wäre. Das von seinen Adoptiveltern geliebt werden würde, sobald sie es in Händen hielten.

Der Kleine war in einem separaten Raum untergebracht. Am nächsten Tag sollten die Adoptionspapiere unterzeichnet werden. Dann war es endgültig. Unterzeichnet, versiegelt und ausgehändigt. Auf dass diejenigen, die das Gesetz vereint hat, durch keine leibliche Mutter mehr getrennt werden mögen.

Den Tisch neben dem Bett zierten weder Blumen noch Karten, genauso, wie die Linke des Mädchens kein Ehering zierte. Es waren bis jetzt auch keine Besucher gekommen. Keine Anrufe. Keinerlei Anzeichen dafür, dass es irgendjemanden gab, dem sie am Herzen lag.

Das Mädchen starrte ins Leere. Ihre Haut wirkte fahl, ihre Miene wie betäubt. An der Wand hinter ihrem Kopf hingen noch verblasste Papierfähnchen, ein Überrest der Feierlichkeiten anlässlich des Kriegsendes. In dieser Atmosphäre der Freude und Begeisterung wirkte sie völlig fehl am Platz. Eine kleine, gebrochene Kreatur, ganz allein.

Jane wusste, dass es sie nichts anging. Die Entscheidungen waren bereits gefallen, die Dinge in Gang gesetzt. Sie hatte kein Recht, sich einzumischen.

Aber sie war selbst Mutter. Eine, die ihren Mann vier Jahre zuvor auf einem französischen Schlachtfeld verloren hatte, und mit ihm ihren Lebenswillen. Bis zu jenem Tag drei Monate später, als ihre neugeborene Tochter ihn ihr zurückgegeben hatte.

Und das verlieh ihr jedes Recht.

Fünf Minuten später kehrte sie in den stickigen Raum zurück, der erfüllt war von Lachen und dem Geruch nach Babywindeln und warmer Milch, und näherte sich Annas Bett, auf dem Arm einen weinenden Säugling. Sieben Pfund und zweihundertfünfundfünfzig Gramm schwer. In jeder Hinsicht vollkommen.

»Anna.«

Keine Antwort. Der Blick der jungen Frau blieb auf die gegenüberliegende Wand gerichtet.

»Schauen Sie, Anna. Bitte.«

Noch immer keine Antwort. Vorsichtig platzierte Jane das Baby zwischen den schlaff daliegenden Armen und winkelte anschließend mit sanftem Druck Annas Ellbogen an, um eine provisorische Wiege für den Kleinen zu schaffen. Dann trat sie zurück und wartete.

Der Junge wand sich unbehaglich, ihm war anzusehen, dass er sich nicht wohl fühlte. Das Gesicht der Mutter blieb teilnahmslos.

Dann beruhigte sich das Baby plötzlich und hielt ganz still.

»Er kennt Sie, Anna. Er weiß, wer Sie sind.«

Langsam senkte sie den Blick. Das Baby begann gurgelnde Laute von sich zu geben und reckte einen Arm hoch.

»Er sagt hallo. Er möchte, dass Sie ihn mögen.«

Weitere Gurgelgeräusche. Das kleine Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. Die Ärzte hätten es als eine reflexhafte Grimasse abgetan und damit vielleicht sogar Recht gehabt, aber jede frischgebackene Mutter auf dieser Welt wusste es besser.

»Er ist ein richtiger Prachtjunge, Anna, in jeder Hinsicht vollkommen. Und er braucht Sie. Sie beide brauchen sich gegenseitig.«

Annas Blick blieb auf das Baby gerichtet. Das Gefühl von Taubheit ließ nach, und an seine Stelle trat Staunen, begleitet von den ersten Anzeichen eines Lächelns.

»Aber wenn Sie ihn zur Adoption freigeben möchten, ist das natürlich Ihre Entscheidung. Niemand kann Sie davon abhalten. Und nun geben Sie ihn mir wieder. Ich bringe ihn zurück.«

Sie rechnete mit Widerspruch, doch der blieb aus. Allerdings kam auch keine Zustimmung.

»Wollen Sie das, Anna? Dass ich ihn wegbringe? Und Sie ihn nie wiedersehen?«

Anna schwieg einen Moment, der eine Ewigkeit zu dauern schien.

Dann flüsterte sie leise: »Nein.«

Noch immer lächelnd, legte sie einen Finger um den ausgestreckten Arm.

»Er gehört Ihnen, Anna. Niemand kann ihn Ihnen wegnehmen. Nicht, wenn Sie es nicht zulassen. Kämpfen Sie um ihn, er ist es wert.«

Dann schlich sie leise davon, zurück in die Betriebsamkeit der Entbindungsstation, um Mutter und Sohn Gelegenheit zu geben, einander in Ruhe kennen zu lernen.

Mitternacht. Auf der Station war es jetzt ruhiger. Ein Baby schrie, eine erschöpfte Mutter schnarchte. Ansonsten herrschte Stille.

Anna Sidney betrachtete ihren neugeborenen Sohn.

Er schlief. Ein paar Stunden zuvor hatte sie ihn zum ersten Mal gestillt. Trotz ihrer Bedenken war es besser gegangen, als sie zu hoffen gewagt hatte. Als hätte er ihre Nervosität gespürt und versucht, es ihr möglichst leicht zu machen.

Seine Stirn war von Falten durchzogen. Schwester Smith hatte ihr erklärt, dass alle Neugeborenen während der ersten paar Tage aussähen wie alte Männer. Danach glätte sich die Haut, und sie würden schön.

Aber er war schon jetzt schön.

Während sie die Linien mit dem Finger nachfuhr, musste sie an ein ähnliches Muster auf der Stirn ihres Vaters denken. Er hatte Ronald geheißen, wie ihr Idol Ronald Colman. Sie hatte diesen Namen immer geliebt.

Das Baby bewegte sich und öffnete halb die Augen. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem müden Lächeln.

»Hallo, mein Liebling. Mein Engel.«

Hallo, Ronnie.

Sie wiegte ihn in ihren Armen und begann dabei zu singen:

You are my sunshine, my only sunshine.

You make me happy when skies are grey.

You’ll never know, dear, how much I love you.

Please don’t take my sunshine away.

Die Augen des Kleinen fielen wieder zu, er glitt zurück in den Schlaf. Ein faltiger Buddha, versunken in eine Welt der Träume.

Sie fragte sich, ob sein Vater ihn je zu Gesicht bekommen würde. Es war nun fünf Monate her, dass in Europa der Frieden verkündet worden war, und sie hatte noch immer nichts von ihm gehört. Vielleicht war er tot. Oder er hatte sie einfach vergessen. Vielleicht waren seine Liebesschwüre so hohl gewesen wie eine Trommel.

Aber es spielte keine Rolle. Jetzt nicht mehr.

Wie wirst du später wohl mal aussehen, kleiner Ronnie? Wie dein Vater? Wie meine Eltern oder mein Bruder John? Die einzigen Menschen, die ich im Leben je geliebt habe.

Sie hatte sie alle verloren, aber als sie nun auf ihr Kind hinunterblickte, war ihr, als hätte sie sie wiedergefunden.

Niemand konnte ihn ihr wegnehmen. Sie würde jeden töten, der es versuchte. Vera würde vor Wut rasen, sie womöglich sogar des Hauses verweisen, aber sie würde sich nichts gefallen lassen, sich wehren. Und sie würde gewinnen. Sie spürte in sich plötzlich eine ungeahnte Kraft. Sie musste für Ronnie sorgen, und sie würde notfalls sogar für ihn sterben.

In der Nähe bewegte sich etwas. Die Frau vier Betten weiter war aufgestanden und sah nach ihrer Tochter Clara. Clara war immer schlechter Laune und hatte ein Gesicht wie eine Bulldogge. Wenn sie nicht gerade gestillt wurde, schrie sie oder übergab sich. Clara war kein schönes Baby. Sie war nicht vollkommen.

Clara war nicht Ronnie.

Er bewegte sich im Schlaf, wachte aber nicht auf. Wohlbehütet lag er in ihren Armen. Sie beide gehörten für immer zusammen.

Schlaf gut, mein Liebling. Mein Engel. Mein kleiner Sonnenstrahl. Mein kleiner Ronnie.

Kleiner Ronald Sidney.

Kleiner Ronnie Sunshine.

Der Musterknabe

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