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Fundament
Antike Bauwerke konnten sehr unterschiedlich fundamentiert sein. Bei simplen leichten Lehmziegel-, Flecht- oder Holzwänden verlegte man zum Schutz vor der Bodenfeuchtigkeit meist eine einfache (Bruch-) Steinlage (□ 21) als Untergrund für das aufgehende Mauerwerk. Bei größeren und schwereren Architekturen wurde dagegen meist die gesamte Baufläche mit einem unterhalb des Bodenniveaus liegenden Unterbau versehen, dem eigentlichen Fundament. Vitruv (3, 4, 1) nennt dies stereobat, womit er im Grunde genommen aber nur das monumentale Podium von Tempelbauten meint. In griechischen Bauinschriften werden dagegen die Begriffe stoba und stromata verwendet. Beim griechischen Steinbau lassen sich mehrere Fundamentarten nachweisen. Neben kompakten durchgehenden, zum Teil miteinander verdübelten Quadersteinlagen (□ 22), die mit Bruchsteinfüllungen oder Baugliedern, sog. Spolien (□ 23) kombiniert sein konnten, gab es auch Varianten, bei denen nur die statisch relevanten Partien (□ 24) fundamentiert waren (sog. Streifen- respektive Punktfundamente). Diese Idee wurde in Form der Netzfundamente weiterentwickelt (□ 25). In der römischen Baukunst dominieren seit Erfindung des Gussmauerwerks dementsprechend gegossene Fundamente (□ 26), die entweder kompakt oder mit verfüllbaren Hohlräumen versehen sein konnten.
□ 21 Natursteinfundament einer mittelbronzezeitlichen Wohnhütte aus Thapsos (Phase I)
□ 22 Verdübeltes Fundament des Apollontempels von Delphi aus dem 4. Jh. v. Chr.
□ 23 Fundament mit Spolien des Schatzhauses der Sikyonier in Delphi, 6. Jh. v. Chr.
□ 24 Streifenfundament des Alten Athena-Tempels auf der Akropolis von Athen, 6. Jh. v. Chr.
□ 25 Netzfundament des Zeusaltars Pergamon, von 2. Jh. v. Chr.
□ 26 Fundament des augusteischen Dioskurentempels auf dem Forum Romanum, Rom
Mauertechniken
Am Anfang der antiken Mauertechniken stehen schlichte Wände aus Holz und Flechtwerk (□ 27). Im 8. Jh. v. Chr. dominierten luftgetrocknete Lehmziegelmauern mit hölzernen Verstärkungselementen (□ 28), die in der Folgezeit vor allem im Bereich der öffentlichen Architektur zunehmend von steinernen Mauern abgelöst wurden. Bei letzteren muss generell zwischen massiven Vollsteinmauern (□ 29) und Schalenmauern mit diversen Füllmaterialien (□ 30) differenziert werden. Ein weiteres Unterscheidungskriterium ist die Form der hierbei verwendeten Steine: Findlinge bzw. Bruchsteine mit natürlich belassenen oder geglätteten polygonalen Kanten sind von quaderförmig zugehauenen Steinen grundsätzlich zu unterscheiden. Bei den sog. Polygonalmauern (□ 31) wurde darauf geachtet, dass die hierzu verwendeten Steine trotz ihrer Mehrkantigkeit nahezu fugenlos aufeinander passten. Mit derselben Sorgfalt fügte man die Quadermauern zusammen, bei denen die Blöcke allerdings gleichmäßig rechteckig bearbeitet waren (□ 32). Bei einem sog. Leitermauerwerk (□ 33) gab es dagegen Zwischenräume, die durch kleine flache Steine horizontal gefüllt werden mussten. Ähnlich wie steinerne Quadermauern waren gemauerte Wände aus gebrannten Tonziegeln, in Griechenland erstmals im 4. Jh. v. Chr. nachweisbar, konstruiert, deren innere Festigkeit die verbindende Mörtelmasse garantierte. Bei den steinernen mehr-, d. h. meist zweireihigen Quadermauern wechselten sich dagegen sog. Läufer (= ein längs zur Wandrichtung verlaufender Quaderstein) und Binder (= ein quer zur Wandrichtung verlaufender Quaderstein) ab (□ 34), um die einzelnen Reihen fest miteinander zu verzahnen. Mauern aus gleich großen Steinen bezeichnet man als isodom (□ 35), solche, bei denen die einzelnen Lagen unterschiedlich groß sind, als pseudo-isodom (□ 36).
□ 27 Flechtmauerwerk
□ 28 Lehmziegelmauerwerk auf Steinfundament mit Holzverstärkung
□ 29 Servianische Stadtmauer aus Quadersteinen mit Schießkammer, Rom, Viale Aventino
□ 30 Schalenmauer
□ 31 Polygonalmauer des hellenistischen (Ende 3. Jh. v. Chr.) Hafentores von Oiniadai
□ 32 Quadermauerwerk des hellenistischen (3. Jh. v. Chr.) Stadttores von Herakleia in Karien
□ 33 Leitermauerwerk
□ 34 Läufer und Binder
□ 35 Isodomes Quadermauerwerk
□ 36 Pseudo-isodomes Quadermauerwerk
□ 37 Opus quadratum
□ 38 Opus-Caementitium-Wand mit Verputzschichten
In der römischen Welt waren die beschriebenen Mauerarten ebenfalls bekannt. Mauern aus regelmäßigen quaderförmigen Blöcken werden mit einem lateinischen Fachbegriff als opus quadratum bezeichnet (□ 37). Mit der Erfindung des römischen Betons im 3. Jh. v. Chr., der aus einem Gemisch von kleineren Bruchsteinen, Sand, Wasser und gebrannten Kalksteinen bestand, setzte man jedoch vorwiegend auf ein gegossenes Schalenmauerwerk, dessen Außenseiten in der Regel in spezifischer Weise verkleidet waren. Zu den einfachsten Formen zählte ein grober Anstrich oder Rohverputz (□ 38). Aufwändiger waren Stuckaturen und Malereien, die jedoch eher bei der Dekoration von Innenraumwandflächen (s. dort) Verwendung fanden (□ 39). Es gab aber auch Ausnahmen. Eine besonders luxuriöse Form stellte die sog. Inkrustation dar. Je nach Geldbeutel wurden die Gussmauerwände mit geschliffenen Platten entweder aus Kalkstein (Travertin etc.) oder kostbareren Steinsorten wie den diversen (Bunt-) Marmoren sowie anderen Gesteinen (Alabaster, Porphyr etc.) verkleidet. Die Platten waren dem tragenden Mauerwerk nicht einfach vorgeblendet, sondern meist mit diesem fest verdübelt. Noch heute sind diese Dübellöcher in den ansonsten ihres Schmucks beraubten römischen Zementwänden gut zu erkennen. Am verbreitetsten ist eine Art Klinkertechnik gewesen. Hierbei wurden die Gusswände mit einer Schicht Mörtel überzogen, in die die Maurer Tuff- und/oder Ziegelsteine drückten. Diese konnten unterschiedlich geformt sein und bildeten zusammen ein charakteristisches Muster. Horizontale Ziegellagen wechselten sich mit netz-, rauten- oder rhombenförmig gesetzten Tuff-/Ziegelsteinen ab. Nach Art der Setzung sind folgende Mauertypen zu unterscheiden, wobei in der Forschung umstritten ist, inwiefern hierbei tatsächlich von einer linearen chronologischen Entwicklungsreihe gesprochen werden kann. Nach traditioneller Auffassung beginnt die Reihe in Rom im frühen 2. Jh. v. Chr. mit dem unregelmäßigen opus incertum (□ 40). Es folgen im letzten Viertel des 2. Jhs. v. Chr. das bereits regelmäßiger gesetzte opus quasi-reticulatum (□ 41), welches im ersten Viertel des 1. Jhs. v. Chr. dann vom opus reticulatum (□ 42) mit seinem charakteristischen gleichmäßigen Netzmuster abgelöst wird. Ab dem 1. Jh. n. Chr. (Zeit des Kaisers Tiberius) werden bis zum Ende der Antike, so vor allem in der Spätantike, immer mehr Gebäude aus Ziegelsteinmauern errichtet, dem opus latericium bzw. testaceum (Abb 43). Von flavischer bis in antoninischer Zeit war zudem eine opus mixtum genannte Mischtechnik in Gebrauch, bei dem das leicht rissig werdende Netzmauerwerk durch waagerechte Schichten aus Ziegeln verstärkt wurde (□ 44). Für Bauwerke des 4. Jhs. n. Chr. ist das opus vittatum (□ 45) charakteristisch. Bei diesem Schalenmauerwerk sind abwechselnde Schichten aus Ziegelsteinen und Tuffquadern miteinander kombiniert.
□ 39 Wand mit gemalter/stuckierter Inkrustation
Viele der florierenden Ziegelwerkstätten waren in der Kaiserzeit wie die meisten Marmorsteinbrüche spätestens seit dem fortgeschrittenen 2. Jh. n. Chr. in kaiserlicher Hand. Zudem ist eine große Zahl römischer Ziegeleien auf das Engste mit dem Militär verbunden gewesen, wie die zahlreichen Ziegelstempel mit Legionsangabe zeigen. Andere Stempel nennen den Produktionsort und den Besitzer der Ziegelei, in Rom selbst, vor allem während des 2. Jhs. n. Chr. (von ca. 123 – 164 n. Chr.), zusätzlich auch die Namen der amtierenden Konsuln. Zudem veränderte sich die Form der Stempel signifikant (□ 46). Die ersten Ziegelstempel stammen aus dem 1. Jh. n. Chr. und waren länglich. In der flavischen Epoche lassen sich die ersten sichelförmigen Stempel nachweisen. Bis zur Regierungszeit des Caracalla schloss sich die Sichel immer mehr, bis die Stempelform schließlich komplett rund war. Aus all dem lassen sich nicht nur Rückschlüsse auf die Datierung einzelner Bauwerke ziehen, sondern auch auf die gesamte Sozioökonomie des kaiserzeitlichen Baubetriebs.
□ 40 Opus incertum
□ 41 Opus quasi reticulatum
□ 42 Opus reticulatum
□ 43 Opus latericium/testaceum
□ 44 Opus mixtum
□ 45 Opus vittatum
□ 46 Entwicklung der römischen Ziegelstempelformen
□ 47 Stellungsschema (Säule, Halbsäule, Pfeiler, Pilaster)
Stützelemente
Die gängigen steinernen Stützsysteme der antiken Architektur haben ihre Wurzeln allesamt in den hölzernen Stützpfosten der frühen Holzbauten. Rechteckige freistehende Stützen werden als Pfeiler, runde als Säulen bezeichnet. Treten diese direkt und nur zur Hälfte aus der Wand hervor, spricht man dagegen von Pilastern respektive Halbsäulen (□ 47). Monolithe Stützen sind vergleichsweise selten. Häufiger bestanden die Pfeiler und Säulen dagegen aus einzelnen Bauelementen, den Blöcken/Quadern (Pfeiler) respektive Trommeln (Säulen). Gelegentlich kam es vor allem in der römischen Architektur vor, dass scheinbar steinerne Stützelemente bloß aus einzelnen Ziegelsteinen gemauert und anschließend mit einer täuschenden Putzschicht überzogen sein konnten. Die griechische Architektur hat im Lauf ihrer Entwicklung verschiedene kanonische Säulenordnungen ausgebildet, neben denen noch, bezogen auf die zugehörigen Kapitelle (s. dort), einige chronologische sowie regionale Sonderformen existieren.
□ 48 Antenmauern des Schatzhauses der Siphnier in Delphi, 530/520 v. Chr.
Eher schmückenden als tragenden Charakter haben die Halbsäulen und sog. Pilaster, die den einzelnen Ordnungen entsprechende Kapitelle und Basen aufweisen. In der archaischen und klassischen griechischen Baukunst kommen Pilaster nur sehr selten vor. Beliebter war die Form der sog. profilierten und mit Kapitell sowie Basis geschmückten Ante (lat. vorstehend = eigentlich nur die vorstehende Stirnseite einer Wand; auch Zungenmauer genannt) (□ 48). Ab hellenistischer und vor allem in römischer Zeit finden dann Pilaster als schmückende Gliederungselemente größerer Wandsysteme hauptsächlich im Bereich der Dekoration von Fenstern, Türen, Nischen etc. weite Verbreitung.
Säulenordnungen
Als Säule werden im allgemeinen Sprachgebrauch runde Stützen bezeichnet. Die Griechen nannten sie stylos oder auch kion, die Römer columna. Die frühen Säulen waren in der Regel aus tragfähigem festem Holz, meist Eiche oder Kastanie. Orientalische und ägyptische Vorbilder bestimmten das weitgehend aus ornamentalen Pflanzenmotiven bestehende Formenspektrum. Ab dem späten 7. Jh. v. Chr. bildete die griechische Architektur dann kanonische Säulenordnungen aus, bei denen die Säulen nunmehr aus Stein gearbeitet wurden. Neben den seltener vorkommenden monolithischen Exemplaren bestand die überwiegende Mehrzahl der Säulen aus einzelnen miteinander verbundenen Rundblöcken, den sog. Säulentrommeln.
Die dorische Säulenordnung (□ 49) hat ihre Vorläufer in der Holzbauweise (zur sagenhaften Geschichte der Säulenordnungen siehe Vitruv IV 1, 1 ff.). Die frühesten steinernen Beispiele stammen aus dem späten 7. Jh. v. Chr. Verwendet wurde diese Ordnung vor allem im griechischen Mutterland sowie in Unteritalien und auf Sizilien. Die Charakteristika der dorischen Ordnung sind folgende: Über der obersten genau horizontalen Ausgleichsschicht des Fundaments, der euthynterie, erhebt sich die krepis, ein meist allseitig dreistufiger Unterbau. Die oberste Stufe der krepis heißt nach ihrer Funktion als Standfläche für die Säulen, stylobat (von gr. styloi Säulen). An den Stellen, wo sie als leicht vorspringendes und profiliertes Auflager für Mauern dient, ist sie dagegen als toichobat (von gr. tochoi Wände) zu bezeichnen. Dorische Säulen stehen ohne eigene Basis direkt auf dem stylobat. Ihr Schaft weist oft eine leichte Schwellung, die entasis, auf und ist durch vertikal verlaufende Rillen, die man Kanneluren nennt, in der Längsrichtung optisch gegliedert. Der obere Teil des Schaftes, das hypotrachelion (von griechisch hypo unter, darunter und trachelos der Hals, der Nacken), wird durch drei Ringe, anuli, als die Stelle der Säule besonders gekennzeichnet, an der der eigentliche Säulenschaft endet und das Kapitell (s. dort) ansetzt. Darauf lagert die Gebälkzone. Sie beginnt mit einem weitgehend schmucklosen Querbalken, dem Architrav, an dessen oberen Rand sich eine vorkragende Leiste, die sog. taenia befindet, die eine Zäsur zur darüber liegenden Frieszone aus metope und triglyphe (s. dort) darstellt. Zusätzlich befindet sich an der Unterseite jeder triglyphe unterhalb der taenia eine kurze Leiste, die regula, mit je sechs zylindrischen Stiften, den guttae. Die Ähnlichkeit zu hölzernen Leisten und Nagelköpfen ist derart frappant, dass gerade dieser Teil der Baudekoration immer wieder als Beweis für die gesamte Herleitung der dorischen Ord- nung aus einer ursprünglichen Holzkonstruktionsweise genommen wird. Oberhalb des Metopen-Triglyphen-Frieses setzt direkt das auf allen vier Seiten umlaufende und deshalb als Kranzgesims bezeichnete sog. (Horizontal)geison an. Die beiden schrägen Giebelseiten werden zusätzlich von einem Schräggeison eingefasst. Für dieses derart gerahmte Giebelfeld wurde der Begriff tympanon geprägt (s. dort). Die drei Giebelecken konnten mit akroteria (s. dort) geschmückt sein. Das Geison kragt vor und seine Unterseite ist oberhalb jeder Metope und Triglyphe mit einer flachen Platte, dem mutulus versehen. Den Raum zwischen den einzelnen mutuli wird als via bezeichnet. Jede Mutulus-Platte ist zudem mit drei Reihen zu je sechs guttae verziert. Oberhalb des geison beginnt das Dach, dessen aufgebogener Rand über dem geison sima genannt wird und zur Sammlung sowie Ableitung des Regenwassers dient. An den eigentlichen Traufseiten (= Langseiten) konnten Wasserspeier (s. dort) angebracht sein. An Stelle der aufgebogenen sima war es üblich, die äußersten Deckziegel in besonderer Weise mit senkrecht stehenden Antefixen (s. dort) abzuschließen.
□ 49 Schema der dorischen Säulenordnung
Die ionische Ordnung (□ 50) wurde ebenso wie die dorische in archaischer Zeit entwickelt. Hauptzentren waren die griechischen Städte auf den Inseln der Ägäis und in Kleinasien. Im Gegensatz zur dorischen Ordnung steht die Säule bei der ionischen nicht direkt auf dem stylobat, sondern ruht auf einer eigenen Basis (s. dort). Auch ist die Form des Kapitells (s. dort) verschieden. Unterschiede existieren zudem im Bereich der Gestaltung des Architravs. Der ionische Architrav, auch epistylion genannt, ist zumeist dreigeteilt. Drei als fascies (Faszien) bezeichnete vorspringende Streifen sind übereinander abgetreppt angeordnet. In der ionisch-attischen Ordnung (□ 51) folgt über dem Dreifaszienarchitrav eine zumeist undekorierte umlaufende Steinlage. In der ionisch-kleinasiatischen Ordnung (□ 52) befindet sich an dieser Stelle der Zahnschnitt, auch geisipodes genannt, der aus einer regelmäßigen Reihe vorspringender nahezu quadratischer Klötzchen besteht. Darüber hinaus existiert eine Variante, bei der unterhalb des Zahnschnitts ein umlaufendes flaches Reliefband, der Fries (s. dort), sitzt (□ 53).
□ 50 Schema der ionischen Säulenordnung
□ 51 Schema der ionisch-attischen Säulenordnung, Erechtheion, Akropolis Athen, Ende 5. Jh. v. Chr.
□ 52 Schema der ionisch-kleinasiatischen Säulenordnung, Athena-Tempel, Priene, 2. Hälfte 4. Jh. v. Chr.
□ 53 Schema einer Variante der ionisch-kleinasiatischen Säulenordnung, Artemis-Tempel, Magnesia am Mäander, Mitte 2. Jh. v. Chr.
Laut Vitruv (IV 1, 2) ist die sog. korinthische keine eigenständige Ordnung (□ 54), da sie abgesehen von der Kapitellform (s. dort) im Gesamtaufbau wahlweise der dorischen oder ionischen folgt.
Ein Charakteristikum der italisch-römischen Baukunst ist die tuskanische Säulenordnung (□ 55). Ihre Entwicklung ist im 2. Jh. v. Chr. abgeschlossen. Es wurden hierbei diverse etruskische und griechische Elemente miteinander kombiniert. Etruskisch ist der unkannelierte Säulenschaft. Er ruht auf einer flachen aus der ionischen Ordnung abgeleiteten Profilbasis. Das schmucklose Kapitell mit einem wulstigen echinus und einer Abakusplatte dürfte hingegen eine Anleihe aus der dori- schen Ordnung sein.
□ 54 Schema der korinthi- schen Säulenordnung
□ 55 Schema der tuskanischen Säulenordnung, rekonstruierter Aufriss des Iuppiter-Tempels auf dem Kapitol, Rom, Ende 6. Jh. v. Chr.
Bogen und Gewölbe
Unechte Krag-Gewölbe mit spitzbogigem Querschnitt kannte bereits die minoisch-mykenische Architektur des 2. Jts. v. Chr. (□ 56). Sie konnten bis zu 14 Meter überspannen. Echte Tonnengewölbe, deren radial im Halbrund aneinander gefügte Keilsteine sich selbst tragen, wurden dagegen nicht vor der 2. Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. gebaut. Die Errichtung erfolgte über einem stabilisierenden Holzgerüst. Mit der Entwicklung der Gusszementtechnik durch die Römer wurde es möglich, richtige Kuppeln und Tonnengewölbe unterschiedlicher Formprägung zu gießen (□ 57).
□ 56 Falsches Gewölbe (sog. Kraggewölbe)
□ 57 Tonnengewölbe mit Kassetten, Halle des Augustusforums in Rom
Parallel zur Entwicklung des Keilstein-Tonnengewölbes entstanden im 4. Jh. v. Chr. in Zusammenhang mit Stadttorbauten die ersten Keilsteinbögen (□ 58). Ab dem 3. Jh. v. Chr. werden Bögen dann verstärkt zur Gliederung und Dekoration in der Wand- und Fassadenarchitektur eingesetzt.
□ 58 Keilsteinbogen
Fenster und Türen
Bauinschriften des 5. und 4. Jhs. v. Chr. verwenden für Fenster wie Türen den Begriff thyris, thyrides. Besonders gestaltete Fenster sind seit dem mittleren 2. Jt. v. Chr. in der Architektur belegt (minoische Paläste und Häuser). Ebenso besaßen die griechischen Wohnhäuser geometrischer Zeit und die früheisenzeitlichen italisch-etruskischen Wohnbauten Fenster, wie entsprechende zeitgenössische Hausmodelle und Urnen zeigen. Allerdings ist aus geometrischer, archaischer und klassischer Zeit zu wenig aufgehendes Mauerwerk erhalten geblieben, um definitive Aussagen zur Konstruktion von Fenstern geben zu können. In der Regel wird es sich hierbei wohl um hölzerne Rahmen und Läden gehandelt haben. Steinerne Fensterrahmungen sind aus der Sakralarchitektur klassischer Zeit bekannt (Propyläen, Erechtheion). Sie besaßen hölzerne bzw. metallene Gitter oder steinerne Verschlussplatten. In den spätklassisch-hellenistischen Peristylhäusern öffneten sich die Fenster nicht zur Straße, sondern zum Hof hin. Diese Ausrichtung wurde von den Römern übernommen. In der gehobenen Villenarchitektur dienten Fenster zudem als inszenierte Ausblicke in die umgebende Landschaft. In den großen Mietshäusern waren Fenster funktional notwendig, um ein Minimum an Beleuchtung der kleinen Wohneinheiten zu garantieren. Gleichzeitig begünstigte die Entwicklung von Glas und Bleirahmen den Fensterbau insoweit, als nun auch große Rundbogenfenster möglich wurden. Diese waren aber kostspielig, weshalb sie nur in Zusammenhang mit dem Thermen- (Caracalla) und spätantiken Palastbau (Trier) sowie kaiserlichen Mausoleen (Galerius-Rotunde, Santa Costanza) Verwendung fanden. Die Fenster der frühchristlichen Kirchenbauten setzen in gewisser Weise diese Tradition fort.
Neben einfachen Türen mit Türflügeln aus Holz gab es auch aufwändigere Formen. Man unterscheidet die dorische Tür mit einem einfachen Rahmenwerk von der ionischen Tür (□ 59), die einen reichen Rahmendekor aufweist. Die Türflügel repräsentativer Bauten konnten aus (bemaltem) Marmor sowie Bronze oder kostbar dekoriertem (mit Schnitzwerk und/oder Einlegearbeiten versehenem) Holz sein.
□ 59 Türrahmen vom Erechtheion in Athen
□ 60 Prunkfassade des Kaisersaales in den Hafenthermen von Ephesos, 2. Jh. n. Chr.
Fassaden
Die besondere Gestaltung von Gebäudefassaden ist in der Baukunst der Antike offenbar bis weit in das 4. Jh. v. Chr. hinein kein wirkliches Thema gewesen. Erst ab der zweiten Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. und vor allem der frühhellenistischen Epoche trat hier ein Wandel ein. Bedingt war dieser durch verschiedene Faktoren. So gab es jetzt eine Reihe mehrstöckiger Gebäude und es wurden unterschiedliche Bautypen miteinander kombiniert, was insgesamt zur Entstehung größerer Wandflächen führte, die es zu gliedern galt. Hierzu fügte man nicht nur Bögen, Fenster und Nischen ein, sondern bediente sich ferner dekorativer Elemente wie rahmender Konsolen und Ornamentbänder sowie vorgeblendeter (Halb-)Säulen und Pilaster. Hinzu kam figürlicher Schmuck in Form von Reliefs und Statuen. Es sind vor allem die in römischem Auftrag arbeitenden Architekten gewesen, die sich dem Thema Fassadengestaltung annahmen. Insofern hat gerade die Architektur der Kaiserzeit eine Vielzahl herausragender Prachtfassaden (□ 60) nicht nur außen, sondern auch in Innenräumen hervorgebracht (u. a. Theater, Thermen etc.).
□ 61 Schema einer hölzernen Dachkonstruktion
□ 62 Korinthisches Dach
□ 63 Lakonisches Dach
Dach
Die überwiegende Mehrzahl der antiken Bauten besaß eine hölzerne Dachkonstruktion (□ 61). Dieser Grundsatz gilt im Besonderen für die frühen Architekturen. Auf den Kykladen war man allerdings bereits um 600 v. Chr. in der Lage, mittels 4 m langer Marmorbalken, die wiederum kleinere marmorne Balken und Platten trugen, eine steinerne Decke zu konstruieren. Neben Flach- sind seit dem 8. Jh. v. Chr. auch Satteldächer die beliebtesten Dachformen gewesen. Griechische Tempel waren seit dem späten 7. Jh. v. Chr. in der Regel mit einem Giebeldach versehen. Gedeckt wurden die Dächer mit tönernen Ziegeln. Man unterscheidet nach der Form der hierbei verwendeten Ziegel drei hauptsächliche Dachdecksysteme. Die griechischen Begriffe für Flach- sowie Deckziegel lauten stroter und kalypter. Das korinthische Dach (□ 62) bestand aus sehr flachen, lediglich an den beiden Seiten leicht aufgebogenen stroteria und giebeldachförmigen kalypteria. Beim lako- nischen Dach (□ 63) waren die stroteria hingegen konkav gekrümmt und die kalypteria konvex gebogen. Eine hybride Variante beider Dachformen stellte das sog. sizilische Dach (□ 64) dar, bei dem flache Strotere mit halbrunden Kalypteren verbunden wurden. Vereinzelt sind wie beim Zeustempel von Olympia auch dünne marmorne Ziegel belegt. Sie galten nach Pausanias (5, 10, 3) als eine Erfindung des aus Naxos stammenden Byzes. Aus der römischen Kaiserzeit kennen wir ferner Dachabdeckungen aus vergoldeter Bronze, wie sie beispielsweise die Vorhalle des Pantheons in Rom trug.
□ 64 Sizilisches Dach
Insgesamt gesehen lässt sich als bedeutendster Unterschied in puncto Baukonstruktion zwischen der griechischen und römischen Baukunst festhalten, dass die griechischen Architekten die direkte Steinbauweise, die römischen hingegen Zement- und Ziegelbaukonstruktionen bevorzugten. Im griechischen Steinbau wurden die einzelnen Blöcke (Wände) respektive Trommeln (Säulen) ohne jeglichen Mörtel aneinander gefügt. Die Festigkeit des jeweiligen Verbandes garantierten unterschiedliche Formen von Metallklammern (vgl. □ 22) sowie eine besondere Zurichtung der Anschlussflächen. Um hierbei den Arbeitsaufwand möglichst gering zu halten, glättete man lediglich den umlaufenden Rand der jeweiligen Anschlussfläche der einzelnen Werkstücke. Der übrige Teil, Spiegel genannt, wurde dagegen vertiefend abgearbeitet. Auf diese Weise passten die Stoßflächen perfekt aneinander und ermöglichten so einen nahtlosen Anschluss. Für dieses Verfahren wird der griechische Begriff anathyrosis verwendet. Die Römer setzen dagegen fast ausschließlich auf den Zement- und Ziegelbau, bei dem reichlich Mörtel verwendet wurde. Dieses Verfahren ermöglichte es ihnen, relativ schnell ausgesprochen stabile Bauwerke zu errichten. Ohne dieses rationellere und preisgünstigere Verfahren wären die bauliche Monumentalisierung des gesamten Imperium Romanum in der Kaiserzeit und insbesondere der römische Kuppelbau nicht möglich gewesen. Dieser hatte schon in republikanischer Zeit großartige Beispiele wie den sog. Tempel des Merkur in Baiae, einen überkuppelten Thermensaal aus dem 1. Jh. v. Chr., hervorgebracht, und er erfuhr vor allem mit den Bauprojekten (überkuppelte Säle der Domus Transitoria/Aurea) Kaiser Neros einen deutlichen Innovationsschub. Als Höhepunkt dieser Entwicklung gilt aufgrund seiner Erhaltung und Größe das halbkugelige Kuppeldach des Pantheon aus der Regierungszeit Hadrians (s. u. □ 329 – 330).