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Kapitelle
Zu den ältesten Kapitellformen zählt das äolische Kapitell (□ 65). Benannt ist es nach dem Hauptgebiet seines Vorkommens, dem äolischen Siedlungsgebiet auf den Inseln Tenedos und Lesbos sowie der Nordwestküste Kleinasiens. Es ist dort seit dem späten 7. Jh. v. Chr. nachweisbar und scheint von phönizischen Vorbildern abgeleitet worden zu sein. Charakteristisch sind zwei direkt aus dem Säulenschaft entspringende, sich nach außen stark einrollende Voluten, deren Zwischenraum mit einer Palmette geschmückt wird.
Das dorische Kapitell stellt die einfachste Variante eines Kapitells dar (□ 66). Es besteht lediglich aus einem gewölbten wulst- bzw. kissenartigen Teil, dem echinus (nach Vitruvs IV 3, 4 latinisierter Form des griechischen Wortes echinos Seeigel), sowie einer quadratischen, abacus (von lat. abax Tischplatte) genannten Deckplatte. Die dorischen Kapitelle lassen sich recht gut formtypologisch und dementsprechend relativchronologisch reihen. Den Anfang machen Kapitelle mit sehr flachem und stark ausladendem echinus (□ 67), der im Lauf der Entwicklung immer kompakter und zudem steiler nach oben geführt wird (□ 68). In ähnlicher Weise ist das tuskanische Kapitell (□ 69) gebildet, das jedoch zum Säulenschaft hin zudem durch einen oder mehrere massive profilierte Ringe abgegrenzt wird.
□ 65 Äolisches Kapitell
□ 66 Dorisches Kapitell
□ 67 Frühes dorisches Kapitell des späten 7. Jhs. v. Chr., Tempel der Athena Pronaia, Delphi
□ 68 Dorisches Kapitell des 5. Jhs. v. Chr., Parthenon, Akropolis Athen
Das ionische Kapitell (□ 70) besteht aus einem polsterartigen echinus, der zusätzlich ornamental geschmückt sein konnte, auf dem zwei quergelagerte schneckenförmig eingezogene Doppelvoluten ruhen, deren Rillen als canalis bezeichnet werden. Darauf lagert wie beim dorischen Kapitell eine flache, teilweise aber verzierte Abakusplatte. Der direkt darunterliegende Schaft konnte ebenfalls mit floralen Ornamenten geschmückt sein (□ 71). Bei frühen ionischen Kapitellen waren die Voluten zum Teil in Blütenform gestaltet (□ 72). Die Seitenansicht eines ionischen Kapitells wird vom sog. Polster dominiert, das in der Regel mit Blattzungen geschmückt und in der Mitte durch einen ebenfalls dekorierten Ring, den balteus zusammengefasst ist (□ 73).
□ 69 Tuskanisches Kapitell, Kolosseum, Rom, 80 n. Chr.
□ 70 Ionisches Kapitell
□ 71 Ionisches Kapitell mit Blattdekor, Heraion, Samos, um 480 v. Chr.
□ 72 Rosettenkapitell, Artemison, Ephesos, um 500 v. Chr.
□ 73 Seitenansicht eines ionischen Kapitells
Das korinthische Kapitell ist im Gegensatz zu seinem direkten Vorläufer dem ionischen sowie dem dorischen keine Entwicklung der archaischen Zeit, sondern erst wesentlich später entstanden (□ 74). Vitruv (IV 1, 9 – 10) überliefert, der antike Bildhauer und Architekt Kallimachos sei durch einen von Rankengewächsen überwucherten Opferkorb (gr. kalathos), den er auf einem Grab gesehen habe, zu dieser besonderen Kapitellform angeregt worden. Kennzeichnend sind die aufrecht stehenden Akanthusblätter, aus deren Blatthülsen (cauliculi Sg. cauliculus) Volutenstengel (helices Sg. helix) herauswachsen. Die vier äußeren helices sind volutenartig eingerollt und tragen die Abakusplatte. Das älteste bekannte Exemplar stammt aus der Cella des Tempels des Apollon in Bassai-Phigaleia (□ 75) und damit aus dem Bereich der Innenarchitektur. Erst seit dem späteren 4. Jh. v. Chr. ist die korinthische Ordnung nach und nach auch für die Gestaltung von Außenfassaden eingesetzt worden. Beliebt war sie vor allen Dingen in der Architektur der römischen Kaiserzeit.
□ 74 Korinthisches Normalkapitell Ende 5. Jh. v. Chr.
□ 75 Korinthisches Kapitell vom Apollon-Tempel, Bassae,
□ 76 Kompositkapitelle aus Pompeji (li.), Palästra, Ende 1. Jh. v. Chr. und Rom (re.), Titusbogen, nach 81. n. Chr.
□ 77 Figürliches Kapitell
□ 78 Blattkelchkapitell
□ 79 Nabatäisches Kapitell
□ 80 Sofakapitell vom jüngeren Apollon-Tempel, Didyma
In dieser Epoche experimentierte man zudem mit verschiedenen Kompositformen. Die bekannteste Form ist das ionisch-korinthische Kompositkapitell (□ 76), bei dem die großen Volutenstengel an den vier Ecken durch vier ionische Normalvoluten ersetzt werden. Seit späthellenistischer Zeit waren ferner Figuralkapitelle (□ 77) beliebt, die als besonders aufwändige Schmuckform jedoch nur vereinzelt zum Einsatz kamen. Um eine ältere Schöpfung handelt es sich bei den Blattkelchkapitellen (□ 78), bei denen der echinus wie der Name sagt aus einem Blattkelch besteht. Sonderformen wie das sog. nabatäische Kapitell (□ 79) besaßen nur eine vergleichsweise geringe lokale Verbreitung. Auf Pfeilern und Pilastern konnte darüber hinaus ein sog. Sofakapitell sitzen, das beidseitig wie eine Sofalehne geschwungen ist (□ 80).
Basen
Während die dorische Ordnung keine Basis kennt, stehen bei den anderen die Säulen durchweg auf eigenen Basen. Die diversen ionisch-korinthischen Basentypen sind im Grunde genommen nur verschiedene Varianten einer aus einem Zylinder (gr. spira), einer Kehle (gr. trochilos) und einem Wulst (lat. torus) bestehenden Grundform.
□ 81 Attische Basis
□ 82 Ephesische Basis
□ 83 Samische Basis
□ 84 Alexandrinische Basis
Die attische Säulenbasis (□ 81) wird im Wesentlichen aus drei Teilen gebildet. Zwischen zwei Wülsten befindet sich eine Hohlkehle. Während der untere torus in der Regel glatt belassen wurde, hat man den oberen entweder durch feine Kanneluren profiliert oder mit Flechtbändern verziert, die zudem farbige Glaseinlagen aufweisen konnten.
Bei der ephesischen Basis (□ 82) ruht auf einer quadratischen Platte, der sog. plinthe, ein mehrfach mittels dreier wulstiger Rundstäbe und zwei dazwischenliegenden Hohlkehlen, den trochiloi, profiliertes zylindrisches Glied, die spira. Über dieser lagert wie bei der attischen Basis ein kräftiger, ebenfalls profilierter Wulst, der torus.
Die samische Basis (□ 83) besteht dagegen nur aus zwei Teilen, einer kantigen, mehrfach mittels Abfolge von Rundstäben und Hohlkehlen profilierten spira sowie einem ebenfalls mehrfach profilierten runden torus.
In hellenistischer Zeit entstand zudem im östlichen Mittelmeerraum eine weitere, alexandrinische Pflanzenbasis genannte Form, bei der zwischen der eigentlichen Basis und dem Säulenschaft nochmals eine floral dekorierte Zone eingeschoben worden ist (□ 84).
Bauornamentik
Unter den vielfältigen Ornamentformen antiken Baudekors sind als die bekanntesten zu nennen: Mäander- und Flechtbänder, Zahnschnitt, Perlstab (auch Astragal genannt) (□ 85 – 88) sowie die diversen Varianten des sog. Eierstabs oder kymation (von gr. kyma = Welle). Man unterscheidet drei Haupttypen (□ 89 – 91): das dorische (eckige mäanderförmige Gestaltung), das ionische (Eier mit Hüllblättern und dazwischen trennende Blattspitzen) und das lesbische Kyma (miteinander verbundene herz- und lanzettförmige Blätter sowie Blattspitzen in den Zwischenräumen). Daneben hat es eine Vielzahl von Blütenfriesvarianten gegeben. Mit dem griechischen Begriff anthemion (□ 92) wird eine besondere Form der Rankenkette bezeichnet, bei der abwechselnd fächerartige Blätterbündel (= Palmetten) mit Lotusblüten verbunden sind. In der späthellenistisch-römischen Architektur waren ferner vor allem Rankenfriese (□ 93) sehr beliebt, aus deren Blattkelchen zuweilen anthropomorphe Gestalten herauswuchsen und die man seit augusteischer Zeit mit allerlei Tieren, aber auch kleinen Eroten bevölkerte. Eine Besonderheit stellen die Bukranien- (entfleischte Stierschädel) respektive Bukephalien- (ganze Stierköpfe) Girlanden dar, die als reale Objekte um sakrale Stätten herum an Pfosten aufgehängt wurden und daher häufig als Friesdekor an Altären und Tempeln, aber auch an Gräbern Verwendung fanden (□ 94). Die antike Bauornamentik war insgesamt sehr vielgestaltig und das erhaltene Material ist kaum überschaubar. Es lassen sich sowohl chronologische als auch geographische Gruppen bilden, sodass auf der Basis der Bauornamentik häufig Aussagen zur Datierung eines Bauwerks und/oder Herkunft der jeweiligen ausführenden Werkstatt getroffen werden können.
□ 85 Mäanderband
□ 86 Flechtbänder
□ 87 Zahnschnitt
□ 88 Perlstab
□ 89 Dorisches Kymation
□ 90 Ionisches Kymation
□ 91 Lesbisches Kymation
□ 92 Anthemion
□ 93 Rankenornament
□ 94 Bukranien-Girlanden-Fries
Konsolen
Mit dem französischen Begriff Konsole (□ 95) wird ein aus der Wand herausragendes Trageelement für Bögen, Halbsäulen und Figuren bezeichnet, das ornamental gestaltet sein kann. Insbesondere wurde es ab dem 2. Jh. v. Chr. in der gehobenen Repräsentationsarchitektur üblich, die Blöcke des Geisons mittels zahlreicher, diesen Bereich unterfangender Konsolen in besonderer Weise schmuckhaft zu gestalten. Solche Konsolgeisa hatten ihren Ursprung zunächst im östlichen Mittelmeerraum und gehörten dann zum gängigen Repertoire römischer Sakralarchitektur.
□ 95 Konsole
Bauplastik
Unter dem Begriff Bauplastik respektive Bauskulptur werden im archäologischen Sprachgebrauch alle figürlichen Dekorationsformen antiker Bauten zusammengefasst. Im Einzelnen sind dies:
Columnae Caelatae
Eine Besonderheit der ionischen Säulendekoration waren die columnae caelatae des Tempels der Artemis von Ephesos und anderer zumeist kleinasiatisch-ionischer Sakralbauten. Hierbei handelt es sich um noch heute zum Teil erhaltene figürliche Reliefs, deren genaue Anbringung am Säulenschaft umstritten ist (□ 96).
□ 96 Columnae Caelatae des archaischen Artemisions, Ephesos
□ 97 Atlant
Stützfiguren
Die antike Architektur kennt vor allem zwei Formen von Stützfiguren: Die männlichen werden nach dem Titanen Atlas, der in der griechischen Mythologie das Himmelsgewölbe trägt, als Atlanten (□ 97) und die weiblichen auf der Basis einer von Vitruv (I 1, 5) vorgenommenen Deutung, wonach sie die versklavten Einwohnerinnen der peloponnesischen Stadt Karya(i) darstellen, als Karyatiden (□ 98) bezeichnet. Atlanten und vor allem Karyatiden, die so erst ab dem 4. Jh. v. Chr. bezeichnet worden sind, Quellen des 5. Jhs. v. Chr. nennen sie dagegen einfach korai (Mädchen), lassen sich bereits für die archaische Architektur des 6. Jhs. v. Chr. nachweisen. Beliebt waren Stützfiguren ferner in der Baukunst der Römer, wo sie vielfach zum Einsatz kamen. Zudem weisen römische Stützfiguren eine größere Variationsbreite auf. Inwiefern diese stets im Sinn des Vitruv als Motiv der Unterwerfung (lat. servitutis exemplo) verwendet und verstanden worden sind, muss strittig bleiben.
□ 98 Karyatiden von der sog. Korenhalle des Erechtheions, Akropolis Athen, Ende 5. Jh. v. Chr.
□ 99 Schematische Darstellung eines dorischen Metopen-Triglyphen-Frieses
□ 100 Bemalte Tonmetopen des Tempels C, Thermos/Ätolien, Ende 7. Jh. v. Chr.
□ 101 Reliefmetopen, Zeus-Tempel, Olympia, um 460 v. Chr.
Metopen und Triglyphen
Ein wesentlicher Bestandteil der dorischen Ordnung war der oberhalb des Architravs verlaufende Metopen- und Triglyphenfries (□ 99). Bezeichnet wird damit eine regelmäßige Abfolge von rechteckigen, nahezu quadratischen Platten (= Metope / gr. metope = zwischen der Öffnung), die von solchen hochrechteckigen Zuschnitts flankiert werden, die aussehen, als wären sie geschlitzt respektive eingekerbt (= Triglyphe / gr. triglyphos = Dreischlitz). Der Ursprung dieser Schmuckform hängt mit der ursprünglichen Holzarchitektur zusammen. Die Triglyphen sind nichts anderes als die ursprünglich zu Nässeschutzzwecken gekerbten Enden der einzelnen Dachbalken und die Metopen die Verschlussplatten des zwischen zwei Dachbalken liegenden offenen Dachraums. Mit dem Aufkommen steinerner Großarchitektur am Ende des 7. Jhs. v. Chr. lassen sich auch die ersten figürlich geschmückten Metopen nachweisen (□ 100). Die Themen der figürlichen Metopen stammen fast ausnahmslos aus dem Mythos. Neben der in archaischer Zeit gängigen Versammlung unterschiedlicher Mythenerzählungen an einem Bau lassen sich ab der klassischen Epoche verstärkt Tendenzen zur thematischen Einheitlichkeit geschlossener Themenkreise erkennen. Der Höhepunkt dieser Erzählweise ist in der klassischen Epoche des 5. und 4. Jhs. v. Chr. erreicht. In der Regel sind niemals alle Metopenplatten eines dorischen Tempels als figürliche Reliefs gestaltet worden. Meist blieb der Metopenschmuck auf die beiden Front- und angrenzende Partien der Langseiten bzw. Teile von Pronaos sowie Opisthodom beschränkt (□ 101 – 102). Eine Ausnahme stellt der Parthenonbau auf der Athener Akropolis dar, bei dem sämtliche Metopenplatten figürlich dekoriert waren. Ab hellenistischer Zeit gibt es nur noch vergleichsweise wenige Beispiele. Auch in der römischen Architektur sind sie eine Seltenheit.
□ 102 Hera-Tempel II mit wiederverwendeten hocharchaischen Metopen, Heraion am Sele, Poseidonia/Paestum,
□ 103 Fries des Erechtheions, Akropolis Athen, Ende 5. Jh. v. Chr.
Friese
Der Begriff Fries ist ein moderner aus dem Französischen stammender und seit dem 17. Jh. durchgängig verwendeter Terminus technicus. Bezeichnet wird damit der direkt auf dem Architrav aufliegende Teil des steinernen Gebälks. In der dorischen Baukunst besteht der Fries aus einer Abfolge von Metopen und Triglyphen (s. dort). Bei Bauten der ionischen und korinthischen Ordnung setzt sich der Fries dagegen aus glatten oder reliefierten Steinquadern zusammen. Als Fries werden zudem gemalte oder ebenfalls reliefierte Dekorstreifen bezeichnet. In der Bauplastik kommen Friese seit dem 6. Jh. v. Chr. vor. Sie werden dort vermehrt zur Dekoration im Bereich der Architrave eingesetzt (□ 103). Aus klassischer Zeit stammen zudem Beispiele von Friesen als Dekor von Außen- (□ 104) und Innenwänden (□ 105) der Tempelcellae. Darüber hinaus konnten Friese seit dem 4. Jh. v. Chr. auch zur Schmückung größerer Wandflächen eingesetzt werden (□ 106). In dieser Funktion kennt sie auch die römische Staats- und Privatarchitektur. Während die griechischen Beispiele fast ausnahmslos Themen des Mythos zeigen, die so auch in der römischen Privatarchitektur übernommen worden sind, handelt es sich bei den Friesen der römischen Staatsbauten überwiegend um historische Szenen, womit neben Kampfdarstellungen (□ 107) vor allem Bilder römischer Staatsakte und wiederkehrender Ereignisse des Kaiserzeremoniells gemeint sind.
□ 104 Cellafries vom Parthenon, Akropolis Athen, 430er Jahre
□ 105 Cellafries des Apollon-Tempels von Bassai/Phigalia, Ende 5. Jh. v. Chr.
□ 106 Seitenwange mit Fries des Zeus-Altars von Pergamon, 2. Jh. v. Chr.
□ 107 Cellafries vom Apollo-Tempel des Sosius, Rom, spätes 1. Jh. v. Chr.
Antepagmenta und Campanareliefs
Die figürliche Baudekoration der italisch-etruskischen Sakralbauten bestand bis in spätrepublikanische Zeit überwiegend aus tönernen Verkleidungsplatten und Figuren. Da der Großteil dieser Tempel im Gegensatz zu den griechischen ein offenes Giebelfeld besaß, war der hölzerne Dachstuhl, insbesondere der tragende Firstbalken, demzufolge dem Wetter schutzlos ausgesetzt. Um an dieser statisch neuralgischen Stelle das Eindringen schädlichen Regenwassers zu verhindern, wurden hier tönerne Verkleidungsplatten angebracht, die sog. antepagmenta (lat. Sg. antepagmentum). Diese konnten entweder bemalt oder auch figürlich ausgeformt sein (□ 108). Die Themen stammen überwiegend aus dem mythologischen Bereich. Dies gilt auch für die tönernen Figurenfriese und Giebelfiguren. Letztere ersetzten ab dem 4. Jh. v. Chr., als die Giebelfronten der Tempel weitgehend geschlossen wurden, nach und nach die bis dahin üblichen antepagmenta. Eine besondere Form tönerner Verkleidungsplatten römischer Bauten stellen die nach ihrem ersten Sammler benannten, aus Modeln gewonnenen und meist farbigen Campanaplatten dar, die vor allem in der Zeit von der Mitte des 1. Jhs. v. Chr. bis zur Mitte des 2. Jhs. n. Chr. produziert worden sind. Bemalte Vorläufer wie die in einem Grab des 6. Jhs. v. Chr. in Cerveteri gefundenen Boccanera-Platten (benannt nach den beiden Findern des Grabes) hatte es vereinzelt schon in der etruskischen Kunst gegeben.
□ 108 Schematische Darstellung eines etruskischen Tempelgiebels mit Antepagment
□ 109 Gesprengter (o.) und sog. syrischer (u.) Giebel
Giebel
Im Griechischen wird der Giebel als a(i)etos und im Lateinischen als fastigium oder frons bezeichnet. Gemeint ist damit die dreieckige Stirnseite eines Satteldaches. Laut Pindar (Olympische Oden 13, 21) soll in Korinth die doppelte Giebelfront erfunden worden sein. Sonderformen sind der gesprengte und der syrische Giebel, bei denen jeweils die Mittelpartie des rahmenden Geisons entweder eine Lücke (gesprengter Giebel) aufweist oder als Bogen/Archivolte (syrischer Giebel) gestaltet wird(□ 109). Die geschlossene Wandfläche eines Giebels nennt man in der Fachsprache griechisch tympanon (Pl. tympanoi) oder lateinisch tympanum (Pl. tympana). Auf ihm oder auch davor war Raum für ornamentalen und figürlichen Dekor. In früharchaischer Zeit besaßen die griechischen Tempel hohe schwere Giebel. Dort, wo das tympanon Giebelfiguren aufwies, gab es in der Regel noch kein einheitliches Erzählprogramm. Stattdessen dominierten wie am Tempel der Artemis auf Korfu einzelne Mythenepisoden respektive Gestalten (□ 110) oder Tierkampfgruppen (□ 111), die die Macht der jeweiligen Tempelgottheit symbolisierten respektive übelabwehrende Funktion ausübten. Die späteren Tempel besitzen fast alle Giebelfiguren und erzählen von den Heldentaten der griechischen Götter sowie Heroen (□ 112). Ab dem 5. Jh. v. Chr. kommen Giebel auch in der Profanarchitektur, so an Hallen-, Tor- und Grabbauten vor. Im 4. und 3. Jh. v. Chr. wurden die Giebel immer flacher. In der römischen Kultur stellte der Giebel wegen seines Ursprungs in der Sakralarchitektur zunächst ein Würdezeichen dar. In der Kaiserzeit verwendete man ihn, darin Tendenzen der hellenistischen Architektur aufgreifend, jedoch wie den Bogen vermehrt als reine Schmuckform von Fassaden. Die zumeist recht hohen steilansteigenden Giebel der kaiserzeitlichen Tempel besaßen zum Teil ein reiches Figurenprogramm, wie einige römische Staatsreliefs nahelegen, auf denen entsprechende Bilder vorkommen (□ 113).
□ 110 Medusa vom Giebel des Artemis-Tempels, Korfu, frühes 6. Jh. v. Chr.
□ 111 Tierkampfgiebel von der Athener Akropolis, 580/570 v. Chr.
□ 112 Ostseite des Zeus-Tempels mit Figuren aus der Pelops-Sage, Olympia, um 460 v. Chr.
□ 113 Giebel des römischen Iuppiter-Tempels (?) mit der kapitolinischen Trias (Iuppiter, Iuno und Minerva) in der Mitte, von Relief □ 3
Antefix
Mit dem lateinisierten Begriff Antefix (abgeleitet vom lateinischen Adjektiv antefixus, a, um angebunden, befestigt vor) werden die Stirnziegel von Dächern bezeichnet. Seit archaischer Zeit waren diese insbesondere bei monumentalen Repräsentationsbauten wie Tempeln in besonders aufwändiger Weise entweder ornamental dekoriert oder figürlich in Form von Löwen-, Satyrn-, Mänaden- und Gorgonenköpfen gestaltet (□ 114).
□ 114 Antefixe desTempels der Hera, Mon Repos/Korfu, um 610 v. Chr.
Wasserspeier
Als Wasserspeier werden plastisch gestaltete Vorrichtungen an Dachrändern bezeichnet. Besonders häufig kamen Löwenköpfe vor, durch deren Mundöffnung das von der Dachschräge abfließende Wasser in einem Bogen abgeleitet wurde, sodass in die tragenden Wände des jeweiligen Bauwerks keine Feuchtigkeit eindringen konnte (□ 115).
□ 115 Wasserspeier
Akrotere
Unter Akroteren sind schmückende Aufsätze im Bereich der drei äußeren Giebelecken eines Gebäudes zu verstehen. Man unterscheidet nach ihrer jeweiligen Position den Mittel- oder Firstakroter von den beiden Seitenakroteren. Im 7. und 6. Jh. v. Chr. waren vor allem ornamentale Scheibenakrotere in Gebrauch (□ 116). Noch in klassischer Zeit wurde diese ornamentale Tradition in Gestalt vegetabiler Voluten- und Palmettenakrotere (□ 117) weiter gepflegt. Seit dem 6. Jh. v. Chr. gab es zudem figürliche Akrotere, die aus einzelnen Figuren (□ 118) oder auch Figurengruppen (□ 119) bestanden. Besonders häufig fungierten Statuen der Gorgo, Sphinx und Nike als Akroterfiguren.
□ 116 Scheibenakroter vom Tempel der Hera in Olympia, um 600 v. Chr.
□ 117 Palmettenakroter
□ 118 Akroter des Tempels der Aphaia, Aigina, spätes 6. Jh. v. Chr.
□ 119 Schematische Darstellung von Akroteren
Fußböden
Die Böden antiker Bauten waren sehr unterschiedlich gestaltet. In der Kaiserzeit wurden generell alle festeren Fußböden als pavimentum bezeichnet. Zu Beginn der Entwicklung begnügte man sich mit einfachen gestampften Lehmfußböden, die zur besseren Festigkeit mit Einlagen aus Splitt oder Bruchsteinen versehen wurden. Allerdings kennen wir bereits aus der Bronzezeit auch stuckierte und bemalte Fußböden. Sollte ein Fußboden etwas aufwändiger und dauerhafter gestaltet werden, so wurden Platten aus zum Teil kostbareren Steinsorten verlegt. Die römische Baukunst kennt ferner ornamental verlegte Ziegelbeläge. Besonders geschätzt war ein als punisch-karthagische Erfindung geltender feingeschliffener Mörtelestrich aus polychromem Ziegelschrot (opus signinum). Zu den kostbarsten Fußböden gehörten die Mosaiken. Im 5. und 4. Jh. v. Chr. bestanden sie aus zum Teil farbigen Kieselsteinen (□ 120) und waren entweder ornamental oder auch bereits figürlich gestaltet. Seit dem 3. Jh. v. Chr. setzte man die immer kleinteiliger und damit detailreicher werdenden Mosaikbilder aus kleinen geschliffenen Farb- und Glassteinchen, den sog. tessellae (□ 121) zusammen. In der römischen Kaiserzeit und vor allem in der Spätantike ist zudem ein Boden- sowie Wandbelag aus einzelnen zu Ornamenten oder Figuren zusammengesetzten Steinplatten, das sog. opus sectile (□ 122) beliebt gewesen.
□ 120 Kieselsteinmosaik mit dem Raub der Helena, Pella, 4. Jh. v. Chr.
□ 121 Tesselatmosaik eines römischen Hauses, Aix-en-Provence
□ 122 Opus Sectile
□ 123 Minoische Wandmalerei der Xeste 3, Akrotiri
□ 124 Stoa Poikile, Agora Athen, 5. Jh. v. Chr.
Wanddekor und Polychromie
Antike Bauwerke wiesen in der Regel durch farbige Materialien und/oder farbige Fassungen einzelner Bauglieder ein polychromes Erscheinungsbild auf. Über diese heute allgemein akzeptierte Erkenntnis hatte man sich im 19. und 20. Jh. lange Zeit noch erbittert gestritten. Eine besondere Form der Architekturpolychromie ist die antike Wandmalerei. Dekorierte, das heißt in echter Freskotechnik bemalte Wände waren bereits für die zentralen Repräsentationsräume der minoischen Paläste und Häuser (□ 123) sowie der mykenischen Burganlagen gängig gewesen. Diese Kunst scheint mit der um 1200 v. Chr. erfolgten Zerstörung dieser Anlagen weitgehend zum Erliegen gekommen zu sein. Wann sie wieder einsetzte, ist strittig. Zumindest zeigen die tönernen Hausmodelle geometrischer Zeit mit farbigen Mustern dekorierte Wände, wobei es sich hierbei auch um Verkleidungsplatten aus Terrakotta handeln könnte. Ein Neufund aus Kalapodi belegt immerhin die Existenz von Wandmalerei für das 7. Jh. v. Chr. Den Schriftquellen zufolge, was in letzter Zeit auch archäologisch bestätigt werden konnte, waren die Wände früher Bauten des 8. und 7. Jhs. v. Chr. darüber hinaus mit dünnen getriebenen Bronzeblechen verkleidet. Diese zeigten neben anfänglich rein ornamental-vegetabilen Mustern auch Figürliches. Ab der archaischen Epoche wurden dann Wandmalereien meist mythologischen oder historischen Inhalts allgemein üblich. Bis zum Ende des 5. Jhs. v. Chr. blieben diese aber öffentlichen Repräsentationsbauten wie Tempeln oder stoai vorbehalten (□ 124). Erst ab diesem Zeitpunkt begann man damit, auch private Wohnräume ausmalen zu lassen. Bedauerlicherweise hat kein einziges Originalexemplar die Zeiten überdauert. Eine gewisse Vorstellung vermitteln die in größerer Zahl vor allem in Tarquinia, aber auch an anderen Orten in Etrurien erhaltenen Wandmalereien der Kammergräber lokaler Eliten. Die frühesten Zeugnisse stammen aus dem Beginn des 7. Jhs. v. Chr. und die spätesten aus dem 2. Jh. v. Chr. Aus dem griechischen Kulturraum blieb dagegen vergleichsweise Weniges erhalten. Zu nennen sind einige klassische Kistengräber in Großgriechenland (□ 125) sowie makedonische Kammergräber der späten Klassik und des Hellenismus (□ 126). In hellenistischer Zeit besaßen die besseren Wohnhäuser, wie es Beispiele aus Delos nahelegen (□ 127), stuckierte und farbig gefasste Wandfelder, die offensichtlich kostbare Steinquader imitieren. Diese Sitte wurde in der römischen Welt sogleich übernommen. Nach einer von August Mau bereits 1882 auf der Basis der bis dahin in den beiden Vesuvstädten Pompeji und Herculaneum entdeckten Wandmalereien publizierten typologischen Ordnung nennt man diese spezifische Dekorationsform fälschlich Erster Pompeianischer Stil (□ 128). Er heißt auch Inkrustations- oder Quaderstil und dürfte in der Zeit von 200 – 80 v. Chr. in Gebrauch gewesen sein. Die entsprechenden Wände weisen eine klare Dreiteilung auf und bestehen durchweg aus ein- oder mehrfarbigen plastisch modellierten Stuckfeldern. Über einer einfachen Sockelzone erhebt sich eine Reihe aufrechtstehender hochrechteckiger Quader, die Orthostaten. Darüber folgt eine einfache Quaderzone mit abschließendem Gesims. Um 80 v. Chr. ging man dazu über, die Wände als reine Malflächen zu begreifen. Zu diesem Zweck wurden die hierfür vorgesehenen Wandflächen zunächst grob geglättet und dann durch Auftrag verschiedener feinerer Putzschichten für den sich hieran anschließenden Vorgang des Bemalens hergerichtet (□ 129). Bei der echten Freskomalerei (von ital. a fresco, affresco = ins Frische) wird die Farbe abschnittsweise auf den noch nassen Untergrund aus Kalk aufgetragen, damit die Farbe mit dem Kalk eine dauerhafte chemische Verbindung eingeht. In dieser Technik sind die letzten der drei für die Vesuvstädte nachweisbaren „Stile“ ausgeführt worden. In den noch weichen Verputz der Wände konnte zudem mittels Reliefstempel ornamentaler und figürlicher Dekor eingedrückt werden (□ 130). Nach dem 1. Stil etablierte sich ca. 80 v. Chr. der Zweite Pompeianische Stil (Illusions- oder Architektur-Stil), der um 20/10 v. Chr. vom Dritten Pompeianischen Stil (Kandelaber-Stil) abgelöst wurde, dem wiederum um 40/50 n. Chr. der Vierte Pompeianische Stil (Phantasie-Stil) folgte. Die frühe Phase des 2. Stils (□ 131) ist dadurch charakterisiert, dass in dieser Zeit die im 1. Stil noch dreidimensional-plastisch in Stuck ausgeführten Dekorelemente bis hin zu Säulen und Postamenten jetzt als reine zweidimensionale Malerei ausgeführt werden. Im Verlauf der Entwicklung wird die Illusion weiter gesteigert. Die Wand beginnt sich scheinbar zu öffnen und wird mehr und mehr zu einem architektonischen Schauprospekt umgestaltet (□ 132). Im 3. Stil dominieren stattdessen geschlossene farbige Wandflächen und die bis dahin vorherrschende Säulen- und Stützenarchitektur wird abgelöst von miniaturistischen Zierelementen wie dünnen Kandelaberstengeln sowie Zierbändern (Abb.133). Der 4. Stil kombiniert Elemente des 2. und 3. Stils zu phantasievollen Tableaus, in die große Gemäldekopien nach griechischen Vorbildern integriert sind (□ 134). Mit dem Untergang der Vesuvstädte 79 n. Chr. war zwar nicht das Ende der römischen Wandmalerei gekommen, doch blieben außerhalb dieser Region nur vergleichsweise wenige Beispiele erhalten, sodass es schwerfällt, die weitere Entwicklung im Detail nachzuzeichnen.
□ 125 Grab des Tauchers, Poseidonia/Paestum, frühklassisch
□ 126 Fassade des makedonisches Grabes von Lefkadia, 4. Jh. v. Chr.
□ 127 Hellenistischer Wanddekor vom Haus der Komödianten, Delos
□ 128 Erster Pompeianischer Stil
□ 129 Römische Wandmaler bei der Arbeit
□ 130 Römische Wanddekorateure mit Reliefstempel bei der Arbeit
□ 131 Früher Zweiter Pompeianischer Stil
□ 132 Fortgeschrittener Zweiter Pompeianischer Stil
□ 133 Dritter Pompeianischer Stil
□ 134 Vierter Pompeianischer Stil
Abgesehen von Wandmalerei sind aus römischer Zeit ferner ornamentale wie figürliche Mosaik- und Stuckdekorationen sowie opus sectile (s. unter Fußböden) bekannt. Beliebt waren darüber hinaus vor allem auch diverse Inkrustationen (von lat. crustae marmoreae = marmorne Schale), bei denen Wänden aus minderwertigem Material mittels Mörtel und Dübel dünne Platten teurerer Gesteinsorten wie (Bunt-) Marmore, Alabaster, Porphyr etc. vorgeblendet wurden. Die bei Plinius dem Älteren in seiner Naturgeschichte (lat. naturalis historia 36, 48) erzählte Anekdote, die Inkrustationstechnik sei erstmals gegen 60 v. Chr. von einem sonst nicht näher bekannten Mamurra eingeführt worden, gehört in das Reich der Legende, da sich Inkrustationen bereits seit der Archaik nachweisen lassen. Es dürften vor allem die spätklassischen gehobenen Wohnbauten sowie die hellenistischen Paläste derart dekoriert gewesen sein. Von dort aus werden die Römer diese Dekorationstechnik übernommen haben. Seit augusteischer Zeit war es üblich, sowohl die Wände repräsentativer öffentlicher Architekturen wie Tempel, Basiliken, Theater als auch die gehobener Wohnsitze (domus, villa und Palast) mit Inkrustationen zu versehen. In einfacheren Häusern ersetzte man diese durch farbige Stuckimitationen (s. o. Erster Pompeianischer Stil) oder entsprechende Illusionsmalereien (s. o. Zweiter Pompeianischer Stil). Erwähnt werden sollten zudem Elfenbein- und Ebenholzverkleidungen respektive dementsprechende Intarsienarbeiten sowie applizierte (vergoldete) Zierelemente aus Bronze mit oder ohne eingelegte Edelsteine.
Deckendekor
Am verbreitetsten sind in der antiken, vornehmlich griechischen Baukunst zunächst flache Kassettendecken gewesen (□ 135). Waren diese anfänglich vor allem ornamental (plastisch oder gemalt) verziert, so wurde es im 4. Jh. v. Chr. üblich, in den Kassettenfeldern zuerst Malereien und später, so vor allem in hellenistischer und römischer (□ 136) Zeit, auch Figurenreliefs anzubringen. Die Themen entstammten fast ausnahmslos dem Bereich des griechischen Mythos. Leider sind nur sehr wenige Reste von Decken und dann auch nur steinerne erhalten geblieben, sodass es schwerfällt, sich den einstigen Formenreichtum an Dekormöglichkeiten vollständig vorzustellen. Sicherlich gab es Holzdecken, die zuweilen geschnitzte oder bronzene Verzierungen sowie ferner Einlagen aus anderen edleren Materialien (Intarsien) und Vergoldung aufgewiesen haben dürften. Ebenso sind stuckierte Holzdecken durch entsprechende Funde kleinerer Fragmente belegt. Spätestens mit dem Aufkommen der Kuppelarchitektur hat man diese mit ornamentalen wie figürlichen Deckenmalereien, Mosaiken (ferner opus sectile) und Stuck dekoriert. Dies trifft insbesondere für die römische Baukunst zu.
□ 135 Kassettendecke in der Ringhalle des Tempels der Athena Polias, Priene, 2. Hälfte 4. Jh. v. Chr.
□ 136 Kassettendecke des severischen Serapeions, Milet