Читать книгу Die Krone von Eryendor - Patrizia Gebler - Страница 6
Feirocodinât
ОглавлениеFlammen umgaben mich. Das Feuer leckte an meiner Haut wie an einem begehrten Dessert, dennoch verschlangen sie mich nicht. Für mich fühlten sie sich zwar warm an, aber ich genoss diese Wärme. Sie war mein Zuhause. In der Dunkelheit hinter den geschlossenen Lidern konnte ich für eine kurze Zeit alle Pflichten vergessen und ohne den Druck perfekt erscheinen zu müssen, einfach die Minuten verstreichen lassen.
„Das reicht Caraleya. Mach so weiter und du wirst vielleicht eine annehmbare Feuermeisterin. Natürlich niemals so perfekt wie ich“, hörte ich die tiefe Stimme meines Vaters. Mein Herz schien sich bei den abfälligen Worten von Glorícus zusammenzuziehen und die gewohnte Enttäuschung machte sich in mir breit. Hatte ich nach all den Jahren wirklich ein Lob erwartet? Mit einem Seufzen öffnete ich die Augen. Als ich meine Umgebung wieder wahrnahm, wurde ich auch in die Realität zurückgerissen.
Ich stand auf dem umzäunten Übungsplatz von dem Schloss meines Vaters, dem dunklen Fürsten. Die Mauern bestanden aus dunklen Sandsteinen, genau wie der Rest der Burg. Sie lag direkt am südlichen Ende des Alluth Gebirges und unter den Mauern des Schlosses ging es Hunderte Meter den Berg steil nach unten. Viele Diener, die sich meinem Vater widersetzt hatten, waren schon in die Tiefe geworfen und nach ihrem Tod zu einem Seelenopfer meiner Eltern gemacht worden. Aufregung erfüllte mich bei diesem Gedanken, denn auch ich würde bald alt genug sein, um dieses Ritual selbst durchführen zu können und endlich über mehr Macht zu verfügen.
Ein riesiges Eisentor, welches von Elfen bewacht wurde, stellte den Eingang der Festung dar. Durch dieses Tor gelangte man in eine mit Fackeln beleuchtete Halle, die in den Berg gemeißelt war. Das Feuer hatte meine Mutter so verzaubert, dass es nie ausbrannte und auch keinen Rauch verbreitete. Von der Eingangshalle führten riesige, steinerne Treppen nach oben in das eigentliche Schloss, welches entweder durch riesige Fenster oder Fackeln beleuchtet wurde. Von außen sah der Palast, mit seinen runden Türmen und blauen Dächern, wirklich eindrucksvoll aus, und auch im Inneren dekorierten wunderschöne Gemälde und goldene Verzierungen jeden Gang.
„Geh jetzt bitte zu deiner Einzelstunde Bloßfechten. Und beeil dich, denn du weißt ja, dass Unpünktlichkeit eine Schwäche ist“, sagte mein Vater und zeigte mir dann mit einer Handbewegung, dass ich entlassen war.
Ich nickte gehorsam und lief zu dem kleinen, hölzernen Häuschen am Rande des Platzes, wo wir uns umziehen konnten. Dort schlüpfte ich in meine lederne Rüstung. Auf dem Rücken meines Brustharnisches prangte das Zeichen von Ignavia, der Göttin des Feuers: Ein schwarzer Punkt, umgeben von vier schwarzen Flammen, die golden umrandet waren. Zwischen den vier größeren Flammen schauten goldene Spitzen hervor. Stolz blickte ich in den Spiegel und bewunderte das Zeichen, welches auch meinen Körper unterhalb des Schlüsselbeins zierte. Wenn ich nur so mächtig wie eine Göttin wäre, könnte ich mich vor meinen Eltern endlich beweisen. Eine stille Träne huschte über meine Wangen, doch ich wischte sie mit dem Hemdärmel weg.
„Reiß dich zusammen“, ermahnte ich mich selbst und stürmte aus der Hütte. Ich sollte glücklich darüber sein, dass die beiden mich seit der Nacht vor einigen Jahren wenigstens nicht mehr als absolute Versagerin einstuften und ich auch keine Peitschenhiebe mehr ertragen musste.
Auf dem Weg zu meinem Ausbilder sah ich Belamy und winkte ihm fröhlich zu. Egal, wie schlecht es mir gehen mochte, mein kleiner Bruder schaffte es immer, ein Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern. Er schien gerade seine Kampfübungen hinter sich zu haben und selbst auf die Entfernung konnte ich die dunklen Flecken unter seinen Achseln erkennen. Die Wärme der strahlenden Sonne hatte den Schweiß noch nicht getrocknet. Bel schenkte mir ein erschöpftes Lächeln und hob die Hand zum Gruß.
Er sah aus wie eine nachgebaute Version unseres Vaters. Schwarze Haare umrandeten sein schmales Gesicht, welches von seinen dunklen Augen dominiert wurde. Er war groß gebaut, aber sehr schlaksig. Egal, wie sehr er es versuchte, er konnte nicht an Muskelmasse zunehmen. Eigentlich konnte er gar nicht zunehmen, auch wenn er dreifach so viel aß wie ich.
Leichtfüßig lief ich zu dem Teil des Übungsplatzes rüber, wo alle Soldaten ausgebildet wurden. Natürlich hatten mein Bruder und ich eine abgesperrte Sektion, etwas oberhalb des Übungsplatzes der normalen Elfen, und bekamen jeden Tag eine Einzelstunde, dennoch konnten wir zu ihnen hinunterblicken. Glorícus wollte in jeder Lebenslage darstellen, dass wir dem Volk übergestellt waren. Der Kampfort von Bel und mir maß zwanzig Quadratmeter, auf welchem das Gras jeden Tag penibel von unserem Gärtner geschnitten wurde. Drei Truhen beinhalteten die Waffen der verschiedenen Kampftechniken, die uns unser Ausbilder lehrte. Schwertkampf, Bogenschießen und Speerwurf.
In den hölzernen Zaun, der unsere Sektion umrandete, hatten Bel und ich als Kinder unsere Initialen eingeritzt. Bei der Erinnerung an sein kindliches Lachen musste ich grinsen. Damals waren wir so unbeschwert gewesen und hatten den Ernst des Lebens noch nicht begriffen. Leider wurde er uns doch viel zu früh durch die Ermordung meiner Hebamme beigebracht. Früher musste ich jedes Mal bei der Erinnerung an ihr angstverzerrtes Gesicht weinen, doch heute bildete sich nicht einmal eine Träne deswegen.
„Caraleya. Da bist du ja, drei Minuten zu spät“, schnauzte unser Ausbilder und warf mir ein Schwert zu. Ich musste schnell reagieren, damit ich es nicht fallen ließ und mich so vor allen hier blamierte.
Der Elf war gut zwei Köpfe größer als ich und auch doppelt so breit. Er strotzte nur so vor Kraft und seine Arme waren so muskulös, dass er sie nicht mehr an den Körper anlegen konnte. Gerüchten zufolge hatte er Magie genutzt, um solch breite Muskeln zu bekommen, denn wir Elfen waren eigentlich schlank gebaut.
„Lass dich nicht umbringen“, warnte mich mein Ausbilder kurz bevor er angriff. Dem ersten Schlag wich ich geschickt aus und ging dann in die Gegenattacke über. Morthyr hatte jedoch schon damit gerechnet, dass ich ausweichen würde, und so nahm er seine Verteidigung wieder ein, bevor ich zuschlagen konnte.
„Zu langsam, Caraleya“, knurrte Morthyr und machte einen kurzen Ausfallschritt nach vorne. Hätte ich sein Vorhaben nicht schon gekannt, wäre ich jetzt auf seinen Trick reingefallen, aber mit dem Wissen, was er als Nächstes tun würde, duckte ich mich unter seinem Schwert hinweg, drehte mich um ihn herum und schlug ihm von seiner anderen Seite das Schwert aus der Hand. Siegessicher hielt ich ihm meine Waffe an die Kehle, doch Morthyr gab sich nicht so schnell geschlagen. Mit einem hämischen Grinsen und einer flüssigen Bewegung zog er einen Dolch aus seinem Gürtel, mit welchem er das Schwert von seiner Kehle wegschlagen konnte. Der Dolch vibrierte unter der Kraft, doch das Feenglas hielt dem gewöhnlichen Eisen meines Schwertes leicht stand.
Da ich nun die schwerere und unhandlichere Waffe trug, war mein Vorteil verschwunden. Nun musste ich wirklich aufpassen, dass ich nicht von dem kleinen, aber scharfen Dolch getroffen wurde. Immer, wenn ich versuchte, ihn zu treffen, konnte er meine Attacke blocken. Nach einem weiteren Hieb meinerseits, der ins Leere ging, hatte Morthyr die Zeit, sein Schwert wieder aufzuheben. Seinen Dolch steckte er zurück in den Gürtel und grinsend umkreiste er mich wie eine Raubkatze. Jetzt ging der Tanz von vorne los. Wieder trat Morthyr einen Schritt nach vorne und ich wollte ihm ausweichen wie am Anfang, doch er erkannte mein Vorhaben, und so senkte er sein Schwert mit gleichgültigem Gesichtsausdruck in das Fleisch meines linken Armes. Das scharfe Metall hatte meine Lederrüstung durch die Wucht seines Schlages durchschnitten und mir gefühlt den halben Arm durchtrennt. Der Schmerz zuckte durch meinen Körper und schien für einen Augenblick allumfassend zu sein. Blut tropfte durch das weiche Leder des Oberteils.
Verdammt!
Einen ersten Schrei des Schocks hatte ich nicht unterdrücken können, doch jetzt biss ich die Zähne zusammen. Adrenalin verteilte sich in meinem Körper und linderte die Schmerzen der Verletzung etwas. Ich richtete mich wieder auf und parierte einen Hieb, der haarscharf an meinem Gesicht vorbei ging. Morthyr grinste hämisch. Wie immer bereitete es ihm großen Spaß, Schmerzen zu verteilen. Mit meinem verletzten Arm ging ich in die Verteidigung und achtete jetzt genau auf seine Augen, welche sein nächstes Vorhaben verraten würden. Das Bloßfechten ohne Schild war eigentlich eine Disziplin, bei welcher ich mich wohlfühlte. Jetzt wünschte ich mir jedoch einen Schild herbei.
Nachdem ich noch einige weitere Hiebe pariert hatte und mein warmes Blut sowohl meine ganze Hand benetzte als auch auf meine Hose tropfte, wollte ich den Kampf einfach schnell beenden. Ich konzentrierte mich auf meine Fähigkeiten. Feuer schien durch meine Adern zu fließen und ich übertrug die Hitze auf mein Schwert. Das nächste Mal als sich unsere Klingen berührten, leitete ich mein Feuer auf seine Waffe. Auch sein Schwert fing jetzt an zu glühen. Obwohl der Griff mit Stoff verstärkt war, musste es jetzt ungemütlich heiß für meinen Ausbilder werden.
„Argh!“, schrie Morthyr und ließ seine Waffe fallen. Ich konnte sehen, dass der helle Stoff des Griffes angesengt war und rauchte. Mit einem Grinsen hielt ich ihm wieder mein Schwert an die Kehle und erntete einen Applaus von den Soldaten, die bei unserem Kampf zugeschaut hatten.
„Ihr sollt kämpfen, Schwachköpfe!“, schrie mein Ausbilder die jungen Männer an. Anscheinend konnte er die Niederlage, wie immer, nicht gut wegstecken. Sofort verstummte der Beifall und jeder auf dem Übungsplatz wandte sich wieder seiner Aufgabe zu.
„Für heute war das genug, geh zum Heiler“, raunzte Morthyr und das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Schnell lief ich zu der Tür, die ins Innere der Burg führte und bog den ersten Gang links ein, zu den Zimmern der Heiler. Dass mein Blut den Boden verschmutze, kümmerte mich wenig, denn die Diener würden das heute Nacht säubern.
„Gegrüßt von den Göttern, Feirocodinât. Was haben wir denn da?“, fragte der alte Glatzkopf und humpelte mit seinem Krückstock auf mich zu. Einige Wunden waren einfach nicht zu heilen, zum Beispiel eine abgenutzte Hüfte, durchtrennte Nerven oder das Alter. Das Ritual der Unendlichkeit wollte der Heiler jedoch trotzdem nicht durchführen, dafür hing er zu sehr an seinem Leben. Dieses Ritual war die einzige Möglichkeit für unser Volk, sich fortzupflanzen. Ein alter Elf, der schon Hunderte von Jahren gelebt hatte, opferte sich, um einer jungen Familie ein Kind zu schenken. Seine Seele wanderte mithilfe von dem magischen Drachenblut in den Körper der werdenden Mutter und konnte sich dort zu neuem Leben ausbilden. Meine Mutter glaubte, dass dies eine Bestrafung der Götter war, damit wir Elfen uns nicht weiter vermehren und somit ausbreiten konnten. Da Helaina aber eine Frau war, die sich nicht gerne von irgendjemandem etwas sagen ließ, hatte sie das Gesetz der Natur umgangen. Sie konnte die toten, seelenlosen Körper der Elfen wiederverwenden und schaffte es, ihnen mithilfe von schwarzer Magie neues Leben einzuhauchen.
„Gegrüßt von den Göttern, Acqadinât. Morthyr hat mich erwischt“, grummelte ich und setzte mich auf den hölzernen Schemel. Das Zimmer des Heilers war nur von Fackeln beleuchtet und da hier so viel Wasser in Tonkrügen aufbewahrt wurde, entstanden gruselige Schatten an der Wand. Als kleines Kind hatte ich mich so vor diesem Raum gefürchtet, dass ich eine Wunde nicht heilen ließ und fast an einer Infektion gestorben war. Die Narbe trug ich immer noch an meiner rechten Hüfte und damit die Erinnerung, dass Angst alles nur noch schlimmer machte. Sie war nur dazu da, um gewöhnliche Elfen des Volkes einzuschüchtern und an der Macht zu bleiben, hatte mir meine Mutter während meiner Fieberträume beigebracht.
„Na das kriegen wir aber schnell wieder hin“, sagte der Glatzkopf und kippte etwas Wasser aus einem Krug auf die Wunde.
„Satis seignâ“, murmelte er. Es waren die Worte in der Göttersprache, welche ‚Wunde heile‘ bedeuteten. Jede Form von Magie, bis auf die Elementmagie, konnte nur in dieser Sprache genutzt werden. Diejenigen, die die Elementmagie beherrschten, waren von einem der Götter gesegnet worden und wurden als Elementmeister bezeichnet. Auf der Göttersprache bedeutete dieses Wort ‚Dinât‘. Deswegen wurden Feuermeister Feirocodinât und Wassermeister Acqadinât genannt. Es war der Brauch, jeden Elfen auch mit seiner Gabe anzusprechen, da es sehr hoch angesehen war, von einem der Götter gesegnet worden zu sein.
Sofort nachdem der Heiler die Worte ausgesprochen hatte, spürte ich die Erleichterung. Der Schmerz verblasste, und als ich meinen Arm betrachtete, war nur noch ein blasser Strich auf meiner Haut zu erkennen.
„Das ist morgen weg“, verkündete mir der Alte und humpelte wieder zurück zu seinem Schreibtisch. Damit war ich entlassen, er war nie ein Freund der vielen Worte gewesen.
Ich lief wieder durch den Gang zurück und bog erneut links ab, um zu den Haupttreppen zu gelangen.
Mit guter Laune spurtete ich die Treppen zu meinem Zimmer hinauf, welches im nördlichen Turm lag. Von hier oben hatte ich einen guten Ausblick über das Alluth Gebirge und konnte in der Ferne das kleine Dorf Shuf erkennen. Dort wohnten einige Bauern, die das Land um den Dunklerwald herum bewirtschafteten.
Mein Zimmer bestand aus zwei Stockwerken, unten war der Turm noch in der Mauer eingelassen, doch oben standen mein Doppelbett und mein hölzerner Schrank in einem kreisrunden Raum, in welchen ringsum Torbögen eingebaut waren. Nur während der Regen- und Windzeit wurden gläserne Platten an diesen Fenstern befestigt, den Rest des Jahres war es so warm, dass ich gewissermaßen draußen schlafen konnte.
Erschöpft warf ich mich auf mein Bett und atmete erst einmal durch, denn bis hier oben musste ich viele Treppenstufen steigen. Mir war die körperliche Anstrengung jedoch viel lieber als das Zimmer meiner Eltern, welches sich im Herzen des Schlosses befand und somit kein natürliches Licht hineinließ. In einem geheimen Zimmer, hinter einem gemalten Bild der beiden, verbrachte meine Mutter viel Zeit und perfektionierte ihre schwarze Magie, indem sie tierische Opfer brachte und Blutrituale durchführte.
Als ich wieder zu Atem gekommen war, stemmte ich mich hoch und ging zu meinem riesigen Schrank, der voll mit den wunderschönsten Kleidern war.
Heute Abend würde meine Familie einen Ball veranstalten, denn obwohl der dunkle Fürst grausam herrschte, konnte meine Mutter ihn dazu bringen, manchmal Spaß zu haben. Für ihn gebot sich die Möglichkeit, die reichen Landwirte einzuschüchtern und allen zu zeigen, wie mächtig er war. Also willigte er ein, Bälle in dem Schloss zu halten. Auch Helaina schlug diese Feste nicht nur aus reiner Herzensgüte vor, sondern genoss die Bewunderung ihres Volkes.
Dieses Fest war allerdings etwas ganz Besonderes, denn ich feierte in meinen zweiundzwanzigsten Geburtstag hinein. Endlich würde ich als vollwertige Elfe angesehen werden.
Das wunderschöne Kleid, welches ich mir extra für diesen Anlass hatte nähen lassen, hing schon an der Tür des Schrankes und bewundernd strich ich über den sanften, hellblauen Stoff. Da es Ende der Blütezeit war, würde es auf keinen Fall regnen und auch nicht sehr kühl draußen sein. Daher war der Stoff ziemlich dünn, ging aber trotzdem bis zum Boden.
Ich freute mich schon darauf, das Kleid anzuziehen, doch erst musste ich mich waschen und danach noch ein paar Stunden warten, bis die Feier endlich losging.
Ich stieg die hölzerne Leiter zum unteren Teil meines Zimmers hinab und ging in den abgesonderten Raum, welcher meine steinerne Wanne und meinen Abort beinhaltete. Meine Zofe hatte schon Wasser in die Wanne eingelassen und ich hielt meine Hand hinein, um dieses mit meinem Feuer aufzuwärmen. Das Wasser fing an der Stelle, wo es meine Hand berührte, an zu brodeln und zu kochen. Für jemanden, der nicht die Elementgabe besaß, würde es sich wahrscheinlich anfühlen, als wäre er in einen heißen Suppentopf gestiegen, aber meine Haut konnte diese Hitze gut aushalten.
Nachdem ich mich mit der Kernseife fertig gewaschen hatte, kletterte ich die Leiter wieder nach oben. Ich blickte freudig auf mein Kleid, während ich meine Haare mithilfe der Hitze meines Feuers trocknete. Dafür musste ich einfach meine Hände entzünden wollen, dann jedoch kurz davor abbrechen und versuchen, dieses Gefühl zu behalten. So wurden sie immer heißer und mit ein wenig Übung konnte ich jetzt auch Kleidung trocknen, die von den Hausdamen gewaschen worden war.
Gerade als ich mein Unterkleid, welches aus hellblauer Spitze bestand, über den Kopf gezogen hatte, klopfte es an der Falltür, die nach oben ins Schlafzimmer führte. Hastig stellte ich mich hinter die Trennwand, die hoch zu meinen Schultern ging, denn durch die Spitze des Unterkleides war ich sehr entblößt.
„Herein!“
Die Tür öffnete sich einen kleinen Spalt und ein schwarzer Schopf kam zum Vorschein. Kurz darauf erkannte ich die dunklen Augen meines Bruders, die viel mehr leuchteten als die meines Vaters.
„Belamy!“, rief ich fröhlich, kam jedoch trotzdem nicht hinter der Trennwand hervor. Als mein kleiner Bruder erkannte, was ich gerade machte, lief er rot an.
„Oh, ich kann auch später wiederkommen“, stotterte er und ich musste lachen, denn mit Mädchen kannte er sich wirklich kein bisschen aus.
„Nein, gib mir nur das blaue Kleid, das an der Schranktür hängt!“, ordnete ich an und er leistete Folge. Nachdem er es mir überreicht hatte, schlüpfte ich hinein. Das Kleid war eher ein langer Rock mit einer Schlaufe, die ich mir über den Kopf zog, um meine Brust zu bedecken. Der Rücken wurde ganz frei gelassen, doch Dank des Unterkleides war dort nun die Spitze zu erkennen, genauso wie in meinem Ausschnitt. Jetzt, da ich fast fertig angezogen war, lief ich zu Bel und fiel ihm um den Hals.
Er hatte sich auch schon fertiggemacht und sah wirklich gut in der schwarzen Kleidung aus, obwohl er mir mit etwas mehr Farbe besser gefallen hätte. Einzig sein lockeres Leinenhemd und der Gürtel für sein Schwert waren in einer dunkelgrünen Farbe gehalten, womit er auf seine Erdengabe anspielte. Das Zeichen von Terrard prangte rechts auf seinem Hemd, die Näherinnen hatten es mit goldenem Faden aufgestickt. Das Zeichen bestand aus zwei ineinander liegenden Kreisen, die sich nach oben öffneten wo eine dreiblättrige Blume herausspross.
Als ich Belamy umarmte, umhüllte mich der so vertraute Geruch von frischer Erde. Es war sein Duft und ich liebte ihn über alles.
„Ich habe mein Geschenk schon hier. Möchtest du es aufmachen?“, flüsterte Belamy in mein Ohr und brachte mich sofort zum Lächeln. Sanft löste er sich aus der Umarmung und reichte mir ein kleines Päckchen.
Voller Vorfreude öffnete ich ungeduldig das hölzerne Kästchen. Darin lag, auf einem samtenen Kissen, eine Kette. Ein blaugrüner Kallait hing an einem schwarzen Lederband, welches hinten zugeknotet werden konnte. Der Stein passte perfekt zu meinem Kleid. Unseren Heilern zufolge solle er Schutz bieten und eine heilende Wirkung haben. Es war ein wunderschönes Geschenk.
„Sie ist einfach perfekt!“, teilte ich meinem Bruder mit, der mich erwartungsvoll angesehen hatte. Wieder umarmte ich ihn und bat ihn anschließend, mir die Kette anzulegen.
„Miss Caraleya? Ich muss noch Eure Haare flechten“, erklang die Stimme meiner Zofe von unten. Bel zog seine Augenbraue hoch und sah mich fragend an. Wahrscheinlich wollte er wissen, ob er jetzt verschwinden müsste.
„Ich komme gleich“, antwortete ich. Wieder zog ich meinen Bruder, der mich um einen Kopf überragte, in eine feste Umarmung.
„Ich verstehe nicht, warum du manchmal so grausam bist, wenn du mich doch so liebhaben kannst“, sagte er dann. Ich schob ihn auf Armlänge von mir weg und blickte in seine traurigen Augen.
„Bel, du weißt doch, wie sehr ich früher gelitten habe!“
„Ja, aber wenigstens warst du du selbst. Jetzt bist du auch zum Monster geworden.“ Er raufte sich die Haare, als würde er mit sich selbst hadern. Seine Augen fanden wieder zu meinen. „Es tut mir leid, Cara. Ich will deinen Geburtstag nicht versauen. Ich nerve dich heute Abend damit nicht mehr.“ Sprachlos ließ er mich vor meiner Trennwand stehen und kletterte die Leiter hinunter. Ich war doch nicht zum Monster geworden, oder? Ich versuchte diese Gedanken beiseitezuschieben, denn heute Abend wollte ich Spaß haben. Morgen würde ich mir über die Worte meines Bruders Gedanken machen.
Bevor ich mir meine Frisur flechten ließ, musste ich noch eine Pflicht erfüllen. Ich ging zu dem Kristall, welcher in der Mitte meines Zimmers auf einem goldenen Podest stand und leicht leuchtete. Er war so groß wie meine Faust, beinhaltete jedoch sehr mächtige Magie. Mein Vater hatte ihn mir gegeben und sagte mir, dass er ein Geschenk und eine Aufgabe der Göttin Ignavia war. Ich sollte ihn jeden Tag mit ein wenig Feuermagie füllen. Das würde die Balance des Wetters stabil halten. Ich war damals zehn gewesen und hatte mich riesig gefreut, dass mein Vater mir so eine große Verantwortung übertrug. Lächelnd berührte ich den Kristall und übertrug mein Feuer in ihn. Der Kristall leuchtete rot auf und ich spürte, wie sich die Luft um ihn herum ein wenig erwärmte. Jetzt, da ich eine vollwertige Elfe war, würde er mir vielleicht das genaue Geheimnis des Kristalls verraten, und warum wir überhaupt das Wetter ‚stabil‘ halten mussten.
Als ich den Saal betrat, schlug mir zuerst der köstliche Duft des Essens entgegen, welches unsere Köche gezaubert hatten. Am Ende des Raumes, welcher von vier riesigen Kronleuchtern erhellt wurde, standen der goldene Thron von Glorícus und daneben ein mit Tierknochen verzierter Thron für seine Gemahlin. Wahrscheinlich die Überreste ihrer Tieropfer, mit welchen sie ihre lebendigen Toten erschuf und die dunkle Magie nutzte. Von dort würden sie ihre Gäste empfangen und um Mitternacht durfte ich mich auf den goldenen Thron meines Vaters setzen, um die Geschenke des Volkes zu erhalten. Hinter den beiden Stühlen an der Wand waren die Zeichen der fünf Götter aufgemalt worden.
Das Zeichen von Paquassa stellte einen goldenen Punkt dar, der von acht unterschiedlich großen, goldenen Wassertropfen umgeben war. Laethus, der Gott der Luft, wurde durch eine golden umfasste, nach oben hin spitz zulaufende Wolke dargestellt. Das Zeichen von Moyana sah aus wie das Profil eines Narri und einer Nigrå, die in entgegengesetzte Richtungen schauten und in ihrer Mitte entsprang ein dreibauchiges Blatt. Narri und Nigrå nannten wir zwei Tiere, die sich sehr in ihrem Aussehen glichen, dennoch war das eine schwarz und das andere weiß, wie Nacht und Tag. Das Zeichen von Moyana befand sich hinter Helainas Thron und das von Ignavia hinter Glorícus, damit ihre Gäste nie vergaßen, sie mit dem richtigen Element anzusprechen.
Das Essen stand links von der Tür auf langen Tischen, während das Orchester auf der rechten Seite spielen sollte. Dort waren auch die Fenster in die Steinmauern eingelassen und so konnte man jetzt auf die unendliche Götterwüste hinausschauen, später die Sterne begutachten. Direkt neben dem Thron befand sich eine Tür, die nach draußen führte. Dort konnte man auf den Balkon rausgehen und rüber zu dem Feenwald blicken, welcher südlich an das Alluth Gebirge grenzte. Für diesen Anlass war der kleine Balkon mit prächtigen Rosen geschmückt worden.
„Caraleya, du siehst wirklich bezaubernd aus!“ Meine Mutter stand von der Tür, die zum Balkon führte. Sie und Bel hatten sich dort unterhalten, als ich in den Thronsaal gekommen war.
„Vielen Dank, Mutter. Du siehst natürlich auch umwerfend aus“, lächelte ich und ließ mich von Helaina auf die Wange küssen. Sie trug ein dunkelgrünes Kleid mit hellgrüner Spitze am Ausschnitt und in ihr Haar war ein goldenes Band geflochten. Genau wie meine Frisur, war ihre kompliziert hochgesteckt und geflochten, allerdings trug sie einen Mittelscheitel, während ich einen Seitenscheitel bevorzugte.
„Euer Vater wird jeden Moment eintreffen, und auch die Gäste sollten pünktlich um acht hier sein. Du weißt ja wie sehr Glorícus Unpünktlichkeit verabscheut.“
„Dürfen wir uns schon etwas zu Essen holen? Ich verhungere gleich!“, fragte Bel und wie zur Unterstützung seiner Worte knurrte sein Magen. Als ich ihn sah, musste ich unwillkürlich an unser Gespräch von vorhin denken, aber wie eine lästige Fliege verscheuchte ich seine Worte wieder.
„Nein. Erst wenn die Gäste kommen, dürft ihr euch von dem Essen etwas holen.“