Читать книгу Dir versprochen - Paula Bergström - Страница 6
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ОглавлениеFawn nahm ein Glas Punsch, das ein Lakai auf einem Tablett an ihr vorbeitrug, und trank einen tiefen Schluck. Sie musste den Schock verarbeiten, dass ausgerechnet der Duke of Addington an diesem Empfang teilnahm.
»Liebes, was ist mit dir? Geht es dir nicht gut?« Glynnis Greenwood, ihre beste Freundin seit Kindertagen, trat auf sie zu und blickte Fawn besorgt an.
»Du glaubst nicht, wem ich im Garten begegnet bin«, flüsterte Fawn, kaum die Lippen bewegend.
Glynnis’ Blick glitt zu den Türen, die in den Garten führten, und in diesem Moment betrat Shamus Woodblank gefolgt von Francis Bankbain den Raum.
»O mein Gott, ich sehe es gerade mit eigenen Augen, sonst würde ich es dir vermutlich nicht glauben. Der Duke hat sich seit Jahren nicht auf eine Einladung hin blicken lassen. Warum jetzt dieser Sinneswandel? Hast du mit ihm gesprochen?«, wisperte Glynnis ihr zu.
»Ich habe ihn begrüßt. Das muss reichen.«
»O Gott, sie kommen auf uns zu.«
Die Worte ihrer Freundin versetzten Fawn in helle Aufregung. Ihr Herz begann, wie verrückt zu schlagen, und sie suchte nach einer Ausrede, um sich zu verabschieden. Vielleicht sollte sie nach ihrem Vater sehen und dann heimlich das Fest verlassen. Doch bevor ihr die passenden Worte einfallen wollten, gesellte sich Shamus zu ihnen und begrüßte Glynnis.
»Lady Greenwood, welch Freude, Ihnen zu begegnen.«
»Lord Woodblank, Sie sind wieder zurück.« Glynnis schenkte Shamus ein Lächeln. »Euer Gnaden. Ich bin überrascht, Sie hier anzutreffen.« Ihre Worte für Francis klangen wesentlich kühler.
»Meine Damen. Ich hielt es für angemessen, der Einladung zum Hochzeitsempfang des Earls of Esher Folge zu leisten«, erwiderte Francis steif. Die Worte aus seinem Mund hörten sich an, als wäre er einem notwendigen Übel gefolgt. »Aber ich denke, es wird Zeit, mich zu verabschieden.«
»O nein. Das dürfen Sie uns nicht antun, Francis. Der Tanz wird gleich eröffnet und der liebe Shamus hat mir einen Walzer versprochen. Nicht wahr?« Glynnis streifte mit ihrem zusammengefalteten Fächer Shamus’ Arm.
»Aber natürlich, lassen Sie uns in den Ballsaal gehen. Kommst du, Francis?« Der Earl blickte seinen Freund vielsagend an, der nur knurrend nickte.
Francis war anzusehen, dass ihm das ganz und gar nicht recht war. Auch er schien wohl nach einer passenden Ausrede zu suchen, um sich zu verabschieden. Er blickte Fawn an und es schien ihm nichts anderes übrig zu bleiben, als ihr seinen Arm anzubieten, um den Anstand zu wahren. Im ersten Moment wollte Fawn ihn einfach stehen lassen, doch dann siegte ihr Stolz. Der Duke sollte nicht bemerken, wie sehr sein Auftauchen sie aus der Fassung brachte, also legte sie ihre Hand auf seinen Arm und ließ sich in den Saal führen. Sie spürte die Blicke, die alle Anwesenden ihr zuwarfen, als sie den Saal betraten, in dem das Streichquartett für den Ehrentanz des Brautpaares aufspielte. Ihr Erscheinen in Begleitung des Dukes of Addington gab allen Klatschmäulern neuen Stoff für Spekulationen. Sofort wurde hinter ausgebreiteten Fächern und vorgehaltenen Händen getuschelt. Der ganzen feinen Gesellschaft Londons war die Heirat des Dukes mit einer anderen Frau – obwohl alle davon ausgegangen waren, dass er Fawn ehelichen würde – nicht entgangen. Immerhin waren sie gottlob nicht verlobt gewesen. Anstatt dem Brautpaar mit den Augen zu folgen, starrten viele Fawn in Francis‘ Gesellschaft an. Wenigstens schenkte Fawn selbst dem Brautpaar die Aufmerksamkeit, die es verdiente. Ihre Cousine strahlte ihren frisch angetrauten Ehemann aufgeregt an, während der Lord Mühe hatte, ihr nicht auf die Füße zu treten. Sie drehten sich zu einem Walzer, doch Shipsell schien es gar nicht erwarten zu können, dass der Tanz endete. Er war offenbar wirklich kein sonderlich netter Zeitgenosse.
Fawn setzte einen arroganten Gesichtszug auf, hob ihr Kinn und übersah die neugierigen Blicke, die sie musterten. Es ging hier nicht um sie.
Das glückliche Brautpaar beendete seinen Ehrentanz und die Gäste begaben sich nun auf die Tanzfläche.
»Wenn ich bitten darf.« Shamus hielt Glynnis die Hand hin und sie legte die ihre lächelnd hinein.
Etwas befangen blieb Fawn neben Francis stehen und blickte sich um. Wie konnte Glynnis sie nur so einfach mit Francis zurücklassen, wo sie doch wusste, wie sehr sie ihn verachtete? Das schien Glynnis‘ Art zu sein zu intervenieren, denn sie war der Meinung, dass Francis der richtige Mann für sie war. Wenn ihr Vater doch nur hier wäre und sie aus dieser misslichen Lage befreien könnte. Suchend blickte sie sich nach ihm um.
»Darf ich Sie um diesen Tanz bitten, Lady Midwater?« Die Stimme des Dukes drang leise an ihr Ohr und Fawn schloss für eine Sekunde die Augen. Bitte nicht. Die Nähe dieses Mannes verstörte sie. Sie wollte ihn meiden, konnte es aber gleichzeitig nicht. Als wohnten zwei Seelen in ihrer Brust.
»Sind Sie der Meinung, dass wir den Klatschmäulern noch mehr Gesprächsstoff bieten sollten, Euer Gnaden?« Fawn öffnete ihren Fächer, der an einem um ihr zartes Handgelenk geschlungenen Band hing, und wedelte damit leicht vor dem Gesicht, um zu Luft zu kommen. Doch eigentlich wollte sie nur verhindern, dabei beobachtet zu werden, wie sie sich mit Bankbain unterhielt.
»Glauben Sie nicht, dass wir ohnehin das Gesprächsthema des Abends sind? Was kann da ein Tanz noch anrichten?«, erwiderte der Duke selbstbewusst, nahm ihre Hand und geleitete sie sanft zur Tanzfläche.
Fawn war viel zu überrascht, als dass sie sich dagegen sträuben konnte, und ließ sich in die Arme nehmen. Gekonnt führte Francis sie über die Tanzfläche, drehte sich mit ihr im Kreis. Er war ein äußerst eleganter Tänzer. Wie bei einem Karussell flogen die neugierigen Gesichter an Fawn vorbei, denen sie jedoch keine Beachtung schenkte.
»Wir werden heute auf jeden Fall das Gesprächsthema des Abends sein«, flüsterte er ihr zu und verzog den Mund. Sollte das etwa die Andeutung eines Lächelns sein? Fawn war sich nicht ganz sicher. Seinem Körper so nah zu sein, brachte sie vollends aus dem Konzept. Sie war verwirrt, denn mehr als drei Jahre lang hatte sie sich vorgestellt, wie es sein würde, dem Duke gegenüberzutreten, um ihm ihre Meinung über ihn ins Gesicht zu schleudern, und nun tanzte sie sogar mit ihm. Sie konnte es nicht fassen. Wenn ihr Vater sie sehen könnte, würde er glauben, sie hätte den Verstand verloren.
Ganz in Gedanken versunken nahm Fawn nicht wahr, wohin sie sich auf der Tanzfläche bewegten. Als der Walzer endete, fand sie sich nah des Ausgangs zum Garten wieder. Der Duke nahm Fawns Arm und führte sie in die Anlage hinaus.
»Sie gestatten? Ich denke, ein wenig frische Luft wird Ihnen guttun.«
»Was soll das, Euer Gnaden? Mir steht keineswegs der Sinn danach. Wie Sie wissen, kenne ich den Garten bereits.«
Francis lachte amüsiert auf und zog Fawn in eine dunkle Ecke der Terrasse. Die Sonne war bereits untergegangen und Fackeln erleuchteten den Garten, doch es gab einige Stellen, die nicht erhellt waren.
»Fawn, es gab mal eine Zeit, da waren wir über Euer Gnaden hinaus und du hast mich Francis genannt«, meinte er im ruhigen Ton. Er stand sehr nah vor ihr, überragte sie um mehr als eine Haupteslänge, sodass Fawn den Kopf in den Nacken legen musste, um zu ihm aufzublicken.
»Ja, damals waren wir Kinder. Dumme Kinder«, bemerkte sie und vermied es, in sein Gesicht zu sehen. Vielmehr blickte sie auf seinen Querbinder. Der dezente Elfenbeinton passte gut zu der eisblauen Weste, die er über seinem Hemd trug. Der Gehrock war dunkelblau und von feinster Qualität. Ohne Zweifel ein Modell, das Henry Creed entworfen hatte. Jeder, der etwas auf sich hielt, kaufte seine Kleidung bei Creed. Das war der Name unter den Londoner Herrenausstattern.
»Fawn?« Francis blickte sie fragend an und Fawn musste ihre Gedanken ordnen. Was sann sie hier über die Kleidung des Dukes nach? Sie schüttelte innerlich den Kopf über sich selbst. Wie töricht sie doch war.
»Euer Gnaden, ich halte es nicht für angebracht, dass wir …«
Ohne auf ihre Worte zu hören, machte Francis einen Schritt auf sie zu, legte eine Hand auf ihre Hüfte und zog sie an seinen Körper.
»Ich habe einen nicht wiedergutzumachenden Fehler begangen«, murmelte er und neigte den Kopf, legte seine Lippen auf ihren Mund.
Für einen Augenblick hielt Fawn still, genoss diese Berührung. Niemand sonst befand sich auf der Terrasse, keiner konnte sie hier im Dunkeln beobachten. Doch als sein Kuss drängender wurde, trat sie einen Schritt zurück und befreite sich aus seinem Griff. »Wie können Sie es wagen?«, zischte sie aufgeregt.
Die Augen des Dukes funkelten im Dunkeln und Fawn wurde wieder klar, was sie früher an ihm fasziniert hatte. Der Blick seiner dunkelblauen Augen, die stets einen besonderen Glanz ausstrahlten. Er war schon immer ein gut aussehender Mann gewesen mit seinem schwarzen Haar und den blauen Augen, dem Grübchen am Kinn und den vollen Augenbrauen. Er wirkte einschüchternd, doch sobald er lächelte, überzog dieses Lächeln sein ganzes Gesicht. Leider tat er es nur selten und im Augenblick konnte Fawn darauf verzichten.
»Fawn, bitte entschuldige. Es ist einfach über mich gekommen.«
Er machte erneut einen Schritt auf sie zu, doch Fawn wich zurück, als würde er ihr Angst einflößen. »Bitte, Fawn. Ich wollte mich bei dir für das, was ich dir angetan habe, entschuldigen.«
»Etwa mit einem Kuss? Indem Sie über mich herfallen, als wäre ich ein liederliches Weibsstück? Dafür gibt es keine Entschuldigung, Euer Gnaden. Wir waren niemals eng verbunden, geschweige denn verlobt. Sie haben die Frau geheiratet, die Sie liebten, und Ihr Verlust tut mir leid. Aber ich bin nicht bereit, Ihrem Vergnügen zu dienen. Es gibt genügend Frauen, die gern diese Position einnehmen würden. Schauen Sie sich nur um. Ich stehe dafür jedoch nicht zur Verfügung.« Nach dieser Offenbarung raffte sie die Röcke ihres Kleides und verschwand durch die nahe gelegene Tür in den Ballsaal.
Mit mahlendem Kiefer blieb Francis zurück. »Du wirst noch lernen, mich zu begehren«, hörte sie ihn knurren, doch sie achtete nicht darauf, sondern machte sich auf die Suche nach ihrem Vater, damit sie endlich diesen grauenvollen Ort verlassen konnte.