Читать книгу Eine sinnliche Lady - Paula Bergström - Страница 5
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ОглавлениеSie sah den Reiter schon von Weitem. Er wirbelte Staub auf wie eine ganze Kompanie. Es hatte seit Tagen nicht geregnet, der Boden war staubtrocken. Elena richtete sich auf und streckte ihren schmerzenden Rücken. Schon den ganzen Morgen arbeitete sie im Rosengarten, band die Blüten hoch, lockerte die feste Erde auf, schnitt Verblühtes ab. Die üppigen Beete wurden von dem Gärtner versorgt, doch die Rosenpflege übernahm sie immer selbst. Ihre Züchtung mit dem Namen Saint Elena hatte bereits einen Preis gewonnen, und Elena ließ niemanden in die Nähe ihrer kostbaren Blumen.
Sie wischte sich mit der Hand über die Stirn. Es war heiß, obwohl es erst Ende April war, denn an diesem Tag brannte die Sonne vom Himmel, was in Kings Hill nicht oft vorkam. Meistens war das Wetter durchschnittlich und der Frühling eher kühl. Kings Hill Manor lag fast sieben Meilen von der Stadt entfernt auf einem kleinen Hügel, der einen schönen Rundumblick auf die Felder der Umgebung bot. So war es möglich, dass jeder Besucher lange vor dem Eintreffen zu sehen war.
Lady Elena nahm ihren Strohhut ab, der sie vor den Sonnenstrahlen schützte und dessen feine Bänder leicht im Wind auf und ab wippten, und ließ den Neuankömmling nicht aus den Augen. Er sah jung aus, sie schätzte ihn auf Ende zwanzig, und für einen Augenblick schlug ihr Herz bei seinem Anblick ein wenig schneller. Seit einem Jahr verbot sie sich solche Gefühle. Elena ging auf den Reiter zu, der sich leichtfüßig vom Pferd hob. Einer der Stallburschen kam herbeigeeilt, um die Zügel entgegenzunehmen. Er nahm das Tier in Empfang, um es mit Wasser und Futter zu versorgen.
»Reib es gut trocken, Bursche. Es ist mein kostbarster Besitz.«
Die Stimme des Unbekannten erfüllte den Hof, und Elena hob überrascht den Kopf. Der tiefe Bariton klang selbstbewusst und stark. Dieser Mann wusste, was er wollte. Er war es gewohnt, Befehle zu erteilen, das erkannte sie an einem einzigen Satz. Selbstbewusst und stark – das war die Art von Mann, die Elena gefiel.
»Mädchen, wo kann ich deine Herrin finden?«, sprach er sie überrascht an.
»Meine Herrin?«, fragte sie belustigt, als würde er in einer fremden Sprache sprechen.
»Ja, du hast richtig gehört. Deine Herrin - Lady Elena, die Duchess of Dartford. Das ist doch deine Herrin, nehme ich an.«
Elena entwich ein kleines Lachen und bevor sie antworten konnte, meinte er: »Na, sie wird ja wohl kaum deine Mutter sein. Wie ich hörte, soll sie eine junge Dame sein. Ist sie vielleicht … deine Schwester?«, fragte er nachdenklich und zog die Stirn kraus, musterte ihr einfaches Musselinkleid, das vermutlich dafür verantwortlich war, dass er sie mit einer Dienstmagd verwechselte.
Elena betrachtete sein gut geschnittenes Gesicht. Die Nase groß und markant, dazu schöne Augen. Wenn sie es richtig erkannte, waren sie blau. Dunkelblau. Eine ungewöhnlich intensive Farbe zu seinem rabenschwarzen Haar. Er trug es etwas länger, was bei den Männern dieser Zeit der Mode entsprach. Jedoch hielt Elena sich von der Stadt fern, daher wusste sie nicht genau, was jetzt Mode war. Seiner Kleidung nach zu urteilen, wusste der Unbekannte sehr wohl, was chic war, denn er war gut gekleidet, mit schwarzen Beinkleidern, einer dunkelblauen Weste, die seinen Augen schmeichelte, dem weißen Hemd und einer hellblauen Bindekrawatte. Sein Frack war aus blauem Samt geschneidert und saß wie angegossen. Er war eine stattliche Erscheinung, und Elena nahm an, dass er, wenn er noch Junggeselle war, eine Vielzahl von Verehrerinnen besaß.
Er blickte sie immer noch fragend an, und Elena errötete unter seiner strengen Musterung. »Nun sag schon, wo finde ich Mylady?«
»Ich …« Sie musste sich räuspern, um ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. »Ich bin Elena Saint, die Duchess of Dartford, wenn ich mich vorstellen darf.«
»Sie? Sie sind die Duchess? Sie sehen so jung aus.« Er zog die Stirn wieder in Falten, und Elena kam nicht umhin zu lächeln. Es geschah öfter, dass sie auf verständnislose Blicke traf, denn der Duke of Dartford war bereits über vierzig gewesen, als sie ihn geheiratet hatte.
»Ich nehme das als Kompliment, auch wenn ich es bevorzugen würde zu wissen, wem ich diese Schmeichelei zu verdanken habe.«
»Ich bitte diese Unachtsamkeit zu entschuldigen, Mylady. Mein Name ist Lane Toughdale, Earl of Wickford. Ich wünsche Sie in einer wichtigen Angelegenheit zu sprechen.«
»Was gibt es denn so Wichtiges zu bereden, dass Sie Ihr Pferd derart schnell über die Felder scheuchen?«
»Unter vier Augen, Mylady, wenn es sich einrichten lässt.«
Er ließ seinen Blick schweifen, als bestände die Möglichkeit, dass sie belauscht würden.
Elena zögerte einen Moment, dann wandte sie sich dem Herrenhaus zu. Sie führte ihn in die Bibliothek, die früher als Arbeitszimmer ihres Gatten gedient hatte.
»Nun, ich möchte Ihre Zeit nicht lange in Anspruch nehmen, Sie scheinen beschäftigt zu sein.« Er kramte aus der Innentasche seiner Jacke einen Brief hervor und brach das Siegel. »Dies ist die Urkunde, die bezeugt, dass ich der neunte Duke of Dartford bin. Da Ihr Mann keinen Erben hinterlassen hat, bin ich hier, um mein Erbe anzutreten.«
Wenn der Duke erwartet hatte, dass Elena überrascht oder erstaunt war, so befand er sich auf dem Holzweg. Sie zog allenfalls eine Augenbraue in die Höhe. »Sie haben keine Zeit vergeudet, um Ihren Besitz in Augenschein zu nehmen.«
»Sie sind bereits informiert über mein baldiges Erscheinen?«, fragte der Duke interessiert.
»Wie Sie sehen. Ich bin ebenso darüber informiert wie sämtliche Bewohner von Kings Hill, die alle darauf warten, dass Kings Hill Manor einen neuen Herrn bekommt. Dann darf ich Sie auf Ihrem neuen Besitz begrüßen, Euer Gnaden.«
Elena schlug leicht die Augen nieder, deutete einen Knicks an. Sie hatte gewusst, dass der Tag nicht fern war, an dem der neue Duke of Dartford eintreffen würde, doch sobald hatte sie nicht damit gerechnet. Auch hatte sie sich nicht nach einer neuen Bleibe umgesehen, was sich nun als Fehler herausstellte. Wenn der Duke es verlangen würde, stände sie innerhalb von einer Stunde auf der Straße.
»Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten, Euer Gnaden?«
»Oh, Mylady. Bitte, nennen Sie mich Lane, wir sind verwandt, wenn auch weit entfernt. Es tut mir um Ihren Gatten leid. Ich habe Henry kaum gekannt, dennoch war er mein Cousin fünften Grades, aber um einiges älter - um genau zu sein, sechzehn Jahre. Sie scheinen früh geheiratet zu haben, Mylady.«
»Wenn das eine versteckte Frage nach meinem Alter sein sollte, so würde ich es in Zukunft vorziehen, wenn Sie mich direkt danach fragen, Lane. Und bitte nennen Sie mich Elena. Wie Sie bereits betonten, sind wir verwandt, wenn gleich nur entfernt, doch hier auf dem Land hält man sich nicht so sehr an die Etikette.«
»Wie Sie wünschen, Elena.«
Elena raffte ihre Röcke und zeigte auf die Karaffen. »Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten?«
»Sehr gern.«
»Wann trifft Ihr Gepäck ein?«, erkundigte sich Elena und schenkte zwei Gläser Brandy ein.
»Ich erwarte es am Nachmittag und bin der Kutsche vorausgeeilt.«
Sie reichte Lane eines der Gläser. Dabei berührten sich für einen Moment ihre Fingerspitzen, und Elena durchfuhr ein kleiner Schlag, irritiert über das wohlige Gefühl, das sie durchflutete. »Dann konnten Sie Ihre Neugier wohl nicht im Zaum halten, mein Lieber. Zum Wohl und willkommen auf Kings Hill Manor.«
Sie stieß mit ihm an und trank einen kleinen Schluck.
»Ich werde Edward bitten, ein Zimmer für Sie herzurichten. Wenn Sie einen Boten vorausgeschickt hätten, wäre das Masterschlafzimmer bereits geräumt, aber ich werde veranlassen, dass meine Sachen dort entfernt werden.«
»Oh, nein, das wird nicht nötig sein. Ich habe nicht vor, Sie aus diesem Haus zu drängen.«
»Das will ich Ihnen auch nicht geraten haben, junger Mann. Immerhin gebietet es der Anstand, dass Sie die Duchess of Dartford ehelichen sollten.«
Bei diesen Worten zuckte Elena empfindlich zusammen und blickte über ihre Schulter zur Tür. Sie wollte alles andere als erneut einfach an den nächstbesten Mann verschachert zu werden.