Читать книгу Eine sinnliche Lady - Paula Bergström - Страница 6
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Оглавление»Wie ich höre, haben wir einen Gast«, erfüllte eine Stimme den Raum.
Lane blickte über seine linke Schulter, in die Richtung, aus dem die schneidende Stimme kam. An der Tür stand eine stattliche ältere Lady. Hochgewachsen, ihr graues Haar sorgfältig frisiert, in ein Gewand gekleidet, das einer Königin würdig war.
»Lady Saint, nehme ich an.« Er trat auf die Dame zu, reichte ihr die Hand. »Wenn ich mich vorstellen darf, Lane Toughdale, Earl of Wickford und nun der Duke of Dartford.«
»Ich weiß, junger Mann, ich kannte Sie bereits, da trugen Sie noch kurze Hosen. Ich war mit Ihrer Mutter entfernt verwandt und auch befreundet, wenn ich so sagen darf. Sie sind also der Erbe des Titels, da kann ich nur hoffen, dass Sie meine Schwiegertochter und mich nicht direkt vor die Tür setzen.«
»Olive, bitte. Lass den Duke doch erst einmal ankommen, er hat es sich doch nicht selbst ausgesucht.«
»Vielen Dank für Ihren Zuspruch, Elena, aber ich kann durchaus für mich selbst sprechen. Lady Saint, ich kann Ihnen versichern, dass mir keineswegs der Sinn danach steht, zwei wehrlose Frauen einfach vor die Tür zu setzen. Allerdings habe ich auch nicht die Absicht, mich in nächster Zeit zu vermählen. Es hat noch keine Frau geschafft, mein Interesse dermaßen zu reizen, dass mir der Sinn danach stand, mich in die Fesseln einer Ehe zu begeben.«
»Sie sind auch nur ein Mann. Früher oder später werden Sie sich verlieben, mir wäre früher lieber.« Erhobenen Hauptes stolzierte Lady Olive davon und begab sich in den Garten.
Elenas Wangen überzogen sich mit einer leichten Röte. »Bitte entschuldigen Sie, Lane, Lady Olive ist manchmal etwas …« Sie suchte verzweifelt nach dem passenden Ausdruck.
»Resolut?«, half Lane ihr aus.
»Ja, so könnte man es nennen. Ich darf Ihnen versichern, auch ich strebe keine neue Heirat an. Für mich gehört schon mehr dazu, als nur einen Titel zu tragen.«
Lane horchte auf. »Aha, interessant. Was genau wäre das?«
Elena streifte ihn mit einem Blick, der dann zur Tür ging, als würde sie flüchten wollen. »Liebe wäre ein Attribut, eines, das den meisten Männern unbekannt scheint. Bitte entschuldigen Sie mich, ich werde Ihr Zimmer vorbereiten lassen.«
Lane wusste nicht, was falschgelaufen war, doch Elenas plötzliche Flucht zeigte ihm, dass mehr dahintersteckte, als sie bereit war zuzugeben.
*
Heftig warf Elena die Tür ihrer Schlafkammer hinter sich ins Schloss. Schwer atmend lehnte sie sich dagegen, bekam kaum Luft. Dieser Lane Toughdale brachte sie vollends aus dem Gleichgewicht. Nicht nur, dass er viel früher als erwartet auf Kings Hill Manor aufgetaucht war und ihre Existenz bedrohte, auch hatte Olive ihn anscheinend als neuen Ehemann für sie auserkoren. Wobei Lane auch noch so gut aussehend war, dass Elena ihm kaum in die Augen blicken konnte, ohne sich zu verraten, wie anziehend sie ihn fand. Das war alles seine Schuld. Er hatte sie quasi mit seinem plötzlichen Auftauchen überfahren. Wie sah sie denn nur aus? Sie trug ein Kleid, das einem Fetzen glich, die Haare hingen ihr wirr herunter, die Hände und Nägel von der Gartenarbeit dreckig und ruiniert. Sie machte ja einen schönen ersten Eindruck. Kein Wunder, dass der neue Duke of Dartford sie für das Küchenmädchen gehalten hatte. Die Erinnerung ihres ersten Zusammentreffens ließ Elena lächeln. Sein Ausdruck war köstlich, als er sich dessen gewahr wurde, wer Elena wirklich war.
Schnell wusch sie ihre Hände mit Seife, streifte das alte Kleid ab und rief nach Mary, ihrer Kammerdienerin.
»Schnell, Mary, hilf mir, mich frisch zu machen. Ich brauche ein sauberes Kleid«, befahl Elena und steckte ihr braunes Haar hoch. Nur eine einzelne Strähne ließ sie locker an der Seite herunterhängen, sodass ihr Gesicht durch die Frisur nicht zu streng wirkte.
»Wie wäre es mit dem violetten Kleid? Es schmeichelt ihrem Teint.«
Nachdem Mary ihr in das Kleid geholfen hatte, schickte sie diese fort, damit sie mit Edward die neuen Räume für den Duke vorbereiten konnte. Elena betrachtete sich im Spiegel und war mit dem Ergebnis zufrieden. Zum Abschluss tupfte sie noch etwas von ihrem selbst gemachten Rosenparfüm auf ihre Haut. Der Duft war frisch, nicht zu aufdringlich. Es gab nichts Schlimmeres, als wenn eine Lady nach Mottenkugeln roch.
Elena fand den Duke in der Bibliothek vor, wo sie ihn verlassen hatte.
»Lady Elena. Wie ich sehe, haben Sie sich etwas frisch gemacht.«
»Ja, nach der Gartenarbeit war es nötig«, erklärte Elena sich.
»Haben Sie dafür keinen Gärtner beschäftigt?« Der Duke wirkte ein wenig irritiert.
»Natürlich, nur an meine geliebten Rosen lasse ich niemanden heran. Es ist meine Zucht, und ich lege gern selbst Hand an.«
Sie blickte irritiert, als sie bemerkte, wie zweideutig ihre Antwort verstanden wurde. Lane grinste sie wissend an. Verlegen schoss ihr die Röte in die Wangen. Bei ihren Worten glomm etwas in Lanes Augen auf, das sie nicht so richtig deuten konnte. Sein männlich geschnittenes Gesicht schien wie gemeißelt. Die hohen Wangenknochen standen im Kontrast zu seinem kantigen Kinn und dem markanten Grübchen in der Mitte. Er hätte eine Rasur vertragen können. Feine Bartstoppeln verteilten sich auf der unteren Partie des Gesichts, was seinem guten Aussehen aber keinen Abbruch tat, ganz im Gegenteil. Es verlieh ihm den Eindruck eines verwegenen Wegelagerers, was ihn zusätzlich anziehend machte. Elena seufzte leise. Ihre Gedanken schweiften viel zu oft ab. Dabei war ihr Mann erst vor dreizehn Monaten beerdigt worden. Sie befand sich nicht mehr in Trauer, doch die Schwärmerei für einen anderen Mann fand sie unangemessen. Auch wenn Henry nicht ihre große Liebe gewesen war, so hatte beide eine innige Zuneigung verbunden, die man nicht einfach so vom Tisch fegen konnte. Selbst nicht, wenn man ein paar außergewöhnlich blaue Augen besaß.
»Ich werde Sie dann jetzt herumführen.« Zielstrebig hob sie ihre Röcke an und begab sich in das Obergeschoss, um Lane die Räume zu zeigen, die zu seinem neuen Zuhause gehörten.
»Ganz oben befinden sich die Gemächer der Dienstboten. Wir beschäftigen einen Gärtner und zwei Stallburschen. Edward, den Hausdiener, Mary, meine Kammerzofe, dazu noch Fran, unsere Köchin, und zwei Küchenhilfen, die aber nicht hier im Haus wohnen. Ich denke, Sie werden Ihren eigenen Kammerdiener mitbringen. Lady Olive hat zurzeit keine Kammerzofe, die letzte hat vor wenigen Tagen gekündigt. Wie sie sich selbst überzeugen konnten, ist es nicht immer leicht, mit Lady Olive … auszukommen«, erklärte Elena und lächelte.
Lane nickte wissend. »Ich beschäftige keinen Kammerdiener, aber ein guter Freund wird in wenigen Tagen anreisen. Bitte lassen Sie ihm ebenfalls ein Zimmer herrichten.«
»Wie Sie wünschen«, nahm sie diesen Befehl wie ein Dienstbote entgegen. »Dies hier wird Ihre Schlafkammer. Es ist einer der schönsten Räume auf dieser Seite des Hauses. Die Fenster geben den Blick auf den Garten frei, sodass Sie eine sehr schöne Aussicht genießen können. Sie können aber auch jeden anderen Raum beanspruchen, es ist schließlich Ihr Haus. Nur ich denke … dass Lady Olive ungern ihr Schlafgemach räumen würde.«
Lane lachte leise auf. »Oh, keine Angst. Ich bin mit diesem Zimmer voll und ganz zufrieden.« Er sah sich kurz darin um, während die Bediensteten eifrig dabei waren, es herzurichten.
»Ganz wundervoll. Wo befindet sich Ihre Schlafkammer?«, fragte Lane ganz nebenbei, als würde er sich über das Wetter unterhalten.
»Mein Schlafgemach liegt nebenan, die nächste Tür«, gab Elena leise preis. Sie schritt aus dem Raum und öffnete die nächste Tür.
Lane vermied es, den Raum zu betreten, warf nur einen Blick hinein. »Ich hatte es mir anders vorgestellt, aber es gefällt mir.«
»Anders?«
»Ja, etwas mädchenhafter, vielleicht eher rosa.«
Elena lachte auf. »Henry hätte mich vermutlich aus dem Haus gejagt.« Sie ließ ihren Blick durch das Zimmer schweifen, als sähe sie es zum ersten Mal. Das helle Grün der Seidentapeten gefiel ihr, und die dunklen Möbel drückten keinesfalls auf ihr Gemüt. Rosa, was für eine Vorstellung, sie schüttelte lächelnd den Kopf.
»Wenn ich Ihnen die Räume der unteren Etage dann zeigen darf?«
Sie schritt die Treppe hinunter, ohne darauf zu achten, ob Lane ihr folgte.
»Hier ist die Bibliothek, diesen Raum kennen Sie bereits. Henry hat ihn als Arbeitszimmer eingerichtet und genutzt. Vielleicht haben Sie ja auch Verwendung dafür.«
Der Duke nickte wohlwollend.
»Die nächste Tür führt in den großen Ballsaal. Der große Salon liegt hier gegenüber, und hier hinter dem Esszimmer befindet sich das Lesezimmer. Es wird meistens von mir genutzt, für Handarbeiten oder im Winter, um zu lesen, wenn ich Zeit dafür finde. Lady Olive verbringt viel Zeit in ihren Räumen, oder sie sitzt im Garten. Und dann gibt es noch den Wald, mit einem See. Ich glaube, das wäre dann alles, was Kings Hill Manor zu bieten hat.«
Lane blickte sie durchdringend an. »Ich finde, es hat eine ganze Menge zu bieten, weit mehr, als ich mir erhofft habe.« Er löste seinen Blick von ihr und atmete tief aus. »Wie sieht es mit den Stallungen aus?«
Elena hob die Augenbrauen. »Gott, die habe ich wahrlich vernachlässigt. Sie werden Ihnen gefallen. Henry war ein begeisterter Reiter, und wir haben eine Ansammlung von schönen Tieren. Reiten Sie auch so gern, wie ich es tue?« Ihre Wangen färbten sich vor Aufregung ganz rot, als sie vorauslief, um ihm den Weg zu den Stallungen zu weisen.
»Ja, ich bin ein passionierter Reiter. Es würde mir Freude bereiten, wenn Sie mich gelegentlich begleiten würden, um mir die Gegend zu zeigen.«
»Gern. Wäre Ihnen sieben Uhr morgen früh recht?«
Lane hielt kurz inne und schluckte. »Sieben Uhr in der Früh? Schlafen junge Damen da nicht noch?«, fragte er und hatte ein wenig Not, mit ihr Schritt zu halten, als sie den Weg hinab zu den Ställen lief.
»Junge Damen, ja, ich nicht. Die Stallungen wurden vor einem Jahr renoviert. Hier vorn steht meine Stute. Medaillon - sie hat ein ganz sanftes Wesen.« Versonnen streichelte Elena den Hals der Araberstute. »Ich liebe dieses Pferd. Henry hat es mir geschenkt.« Das Tier schnaufte und trat auf der Stelle. »Ja, morgen früh, meine Liebe, dann geht es wieder raus.«
»Die Liebe zu den Tieren sieht man Ihnen förmlich an, Mylady.« Lane streichelte ebenfalls über die Mähne des Schimmels.
»Sie ist wirklich eine Schönheit. Ich würde mich von allem trennen, aber niemals von Medaillon.« Elena schaute über ihre Schulter, und der Blick, mit dem Lane sie bedachte, ließ ihr Herz laut schlagen. So intensiv und intim, dass es ihr ganz heiß wurde.
»Wir haben noch einige andere Araberpferde und Ihres ist natürlich auch hier untergebracht.«
Lane schritt an ihr vorbei und sah sich alles genau an. Er begrüßte die Stallburschen und sprach mit ihnen kurz über die Arbeit.
»Es ist alles in einem sehr guten Zustand«, bestätigte Lane und führte Elena aus dem Stall.
»In welche Richtung geht es zum See?«
Elena deutete den Weg hinunter. »Diese Richtung, den Weg weiter geradeaus. Sie können ihn gar nicht verfehlen.«
»Würden Sie mich begleiten?« Lane bot ihr seinen Arm an.
»Wenn Sie es wünschen.« Zögerlich hakte Elena sich ein und schritt langsam neben Lane her. Sie wusste nicht viel über ihn, fühlte sich trotzdem wohl in seiner Gesellschaft. Unter den dichten Blättern der Bäume war es angenehm schattig. Eine Abkühlung am See war eine angenehme Abwechslung.
»Würden Sie mir etwas über sich erzählen?«, fragte Elena freiheraus.
»Da muss ich Sie wohl enttäuschen, ich bin eher ein langweiliger Geselle. Ich lebe die meiste Zeit in London, nehme aber selten an dem gesellschaftlichen Leben teil. Meine Mutter lebt auf einem kleinen Anwesen in der Nähe von Watford. Ab und an besuche ich sie.«
»Werden Sie Ihre Mutter hierherholen, jetzt wo Ihnen das Haus und die Ländereien gehören?«
Lane schüttelte den Kopf. »Nein, meine Mutter liebt ihr Haus und sie würde nicht woanders leben wollen. Ich werde ab und an hier leben, solange meine Geschäfte mich nicht in London aufhalten.«
»London«, seufzte Elena leise.
»Vermissen Sie die Stadt?«
»Nein, nicht wirklich. Ich habe London bisher nicht oft besucht. Ich wurde auf dem Land geboren und gehöre nicht in die Stadt. Schauen Sie, dort liegt der See. Ist es nicht wundervoll hier?«
Lane folgte ihrem Blick und blieb abrupt stehen. Ein Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht. Es schien ihm wirklich zu gefallen.
»Kommen Sie, dort drüben steht eine Bank.« Elena lief voraus und ließ sich auf der kleinen Bank nieder. Schon oft hatte sie hier gesessen und den Enten und Schwänen zugeschaut, die auf dem See ihre Bahnen zogen. Sie glaubte nicht, dass es einen schöneren Platz auf der Welt geben konnte.
»Haben Sie ihn geliebt?«
»Meinen Mann? Natürlich habe ich ihn geliebt! Ich verstehe ihre Frage nicht ganz.« Lanes Frage traf Elena unvorbereitet.
»Nun, Sie sind eine junge Frau. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Duke nur wegen seines Titels geheiratet wird.«
»Was erlauben Sie sich?« Erbost sprang sie auf und wollte an ihm vorbei, zurück zum Haus, doch Lane hielt sie an den Schultern fest. »Sagen Sie es mir, Elena. Haben Sie Ihren Mann geliebt oder nur des Titels wegen geheiratet?« Er blickte sie beschwörend an.
Tränen traten ihr in die Augen, doch Elena würde ihm nicht die Genugtuung geben, vor ihm zu weinen. Keine Ahnung, was in ihn gefahren war, ihr solch eine Frage zu stellen. »Lassen Sie mich los«, zischte sie und versuchte, sich zu befreien, doch Lanes Hände hielten sie wie Eisenklammern fest.
»Ich will es wissen.«
»Warum?« Elena keuchte auf. Seine Stimme war gefährlich leise. Elena war jedoch einiges gewohnt. So schnell machte Lane ihr keine Angst.
»Weil ich es wissen muss, ob du nur hinter dem Titel her bist«, knurrte Lane. Er duzte Elena einfach, doch sie ging nicht darauf ein.
»Was? Wie kommen Sie auf diese Idee? Soll ich Ihnen etwas sagen … Sie glauben, dass ich die Männer ausnutze? Das ist es doch, was hinter Ihrer Frage steckt, nicht wahr? Aber in diesem Fall bin ich es, die benutzt wurde, und jetzt lassen Sie mich los.«
»Was hat das zu bedeuten? Warum wurdest du benutzt?«
»Das geht Sie nichts an. Lassen Sie mich los, Lane. Ich warne Sie.«
Lane schien einen Augenblick darüber nachzudenken, ob sie die Wahrheit sagte, und ließ sie dann los. Ohne abzuwarten, holte Elena aus und schlug ihm ins Gesicht. Nicht zu fest, aber fest genug, dass Lane erschrocken zurücktrat. Diese Sekunde nutzte sie und flüchtete Richtung Haus.