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„Was ist die Kleine bloß wieder blass.“

Sie sprachen über mich, als wäre ich nicht da.

Ich war übernächtigt und hatte Schwierigkeiten, meine Augen offenzuhalten. Der Pfefferminztee verstärkte noch das Gefühl, krank zu sein. Meine Mutter stieß mir ihren Ellenbogen in die Rippen und ich fragte Tante Rose artig, ob es in der Nähe ein historisches Gebäude gäbe, dass es Wert sei, besichtigt zu werden.

Gespräche mit Tante Rose verliefen immer gleich. Ich wusste genau, womit ich sie locken konnte. An diesem Tag war es jedoch ein hartes Stück Arbeit. Sie erzählte von ihren Schülern -sie war Grundschullehrerin gewesen, zu einer Zeit, als die Kinder noch nett waren-, den fabelhaften Ausflügen in die Natur und vergaß sich bei der Beschreibung des Freilichtmuseums. Zwei Tassen Pfefferminztee später, kam sie endlich auf den Punkt.

„Es hat einmal ein Schlösschen gegeben, aber soweit ich weiß, wurde es zerstört.“

Den restlichen Nachmittag enthielt ich mich der Unterhaltung. Tante Rose beklagte sich über ihre diversen Krankheiten. Der Rücken brächte sie noch um und nach dem Essen sei ihr eigentlich immer schlecht. Beinahe jeden Tag verbrächte sie im Wartezimmer irgendeines Spezialisten, aber helfen könne ihr niemand. Sie beklagte sich über ihre Nachbarn, über die ausländischen Familien in ihrem Wohnblock und den Rest der Welt. Meine Mutter lenkte beschwichtigend ein, zeigte Mitleid für die arme Tante, ergriff Partei für die Ärzteschaft und nahm die ausländischen Mitbürger in Schutz, die hätten ihre Heimat schließlich nicht verlassen, weil es in Deutschland befestigte Wege gab.

Ich blätterte in diversen Illustrierten und als wir endlich wieder zu Hause waren, ging ich direkt in mein Zimmer. Als ich mich ins Bett gelegt hatte, steckte mein Vater den Kopf durch die Tür und wollte wissen, ob alles in Ordnung sei.

„Ich bin müde“, sagte ich.

Das war nicht gelogen.

Er kam ins Zimmer und setzte sich auf mein Bett. Ich konnte sehen, dass er sich Sorgen machte, aber ich war nicht in Plauderstimmung.

Als er schon wieder an der Tür stand, drehte er sich um und sagte:

„Deine Mutter und ich würden dir gerne einen Wunsch erfüllen, weil wir wieder nicht in den Urlaub gefahren sind, wenn dir etwas einfällt, lass es uns wissen.“

„Einen Tauchkurs“, platzte ich heraus.

„Habe ich richtig gehört, wie kommst du denn darauf?“

Ich blieb die Antwort schuldig und machte das Licht aus.

„Tauchkurs?“, hörte ich ihn noch murmeln, als er die Tür hinter sich zuzog.

Ich lag hellwach im Bett und konnte an nichts anderes denken, als an meine Entdeckung. Mein neues Wissen erfüllte jede Stunde des Tages und ließ alles andere klein erscheinen. Die Angst war verflogen, aber der Zauber, dem ich in der Kuppel erlegen war, war geblieben und mehr noch, er hatte mein ganzes Leben verändert. Ich war getrieben von dem Wunsch, mehr über das versunkene Gebäude herauszufinden, kramte mein Tagebuch unter dem Bett hervor und schrieb auf, was passiert war.

Versunken und Vergessen

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