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3. Klagearten und -gründe

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In den meisten Verwaltungsrechtsordnungen Europas steht der Verwaltungsakt bzw. seine Aufhebung traditionell im Mittelpunkt des (verwaltungs-)gerichtlichen Primärrechtsschutzes. Nach der insoweit prägenden Rechtsprechung des Conseil d’État, die breite Gefolgschaft gefunden hat,[379] ist bzw. war eine solche Aufhebung nur aus bestimmten Gründen zulässig: bei Unzuständigkeit (incompétence), bei Form- und Verfahrensfehlern (vice de forme et de procédure), bei einem materiellen Rechtsfehler (violation de la loi) und bei Ermessensmissbrauch (détournement de pouvoir). Die Entwicklung des französischen Verwaltungsprozessrechts ist jedoch durch eine Ausdehnung des auf die Aufhebung von Verwaltungshandlungen gerichteten recours pour excès de pouvoir und des auf alle anderen gerichtlichen Maßnahmen zielenden recours de plein contentieux gekennzeichnet, was zahllose Klagearten hervorgebracht hat.[380]

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Auch das italienische Verwaltungsprozessrecht kennt – wie das Unionsrecht (Art. 263 und 265 AEUV) – eine kassatorische Anfechtungsklage (azione costitutiva di annullamento) und eine Untätigkeitsklage (azione contro silenzio, Art. 2 Abs. 5 Gesetz 241/1990) sowie eine Leistungs- und Feststellungsklage (azione di accertamento); eine Verpflichtungsklage ist ihm jedoch fremd.[381]

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Die praktische Bedeutung dieses im Kern aktionenrechtlichen Ansatzes ist erheblich zurückgegangen. Die Garantien effektiven Rechtsschutzes auf europäischer und nationaler Ebene, die Pluralisierung der Handlungsformen der Verwaltung und die Erkenntnis, dass auch die Rechtsetzung, der Abschluss von Verträgen, der Erlass von Realakten und informales Verwaltungshandeln Rechte und Interessen der Bürger beeinträchtigen können, drängen letztlich auf eine Entkoppelung von Verwaltungsakt und verwaltungsgerichtlicher Kontrolle und zu einer stärkeren Konzentration auf das zwischen Verwaltung und Bürger bestehende Rechtsverhältnis.[382] Insgesamt lässt sich daher durchaus ein europaweiter Trend zur Überwindung der noch vorhandenen „aktionenrechtlich“ geprägten Teile der Rechtsschutzsysteme ausmachen.

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In Deutschland ist mit dem Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsordnung von 1960 der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz, den Vorgaben des Art. 19 Abs. 4 GG entsprechend, auf der Grundlage einer Generalklausel (§ 40 Abs. 1 VwGO) eröffnet.[383] Die einzelnen Klagearten – Anfechtungs-, Verpflichtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage – sind durch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung soweit homogenisiert worden, dass sie allenfalls noch bei Detailfragen wie der Fristberechnung eine Rolle spielen. In den anderen Verwaltungsrechtsordnungen geht die Entwicklung, wenn auch mitunter auf unterschiedlichen dogmatischen Grundlagen, in eine ähnliche Richtung.[384]

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