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Kapitel 1
ОглавлениеIch hatte mich verstiegen.
Und das kam mir so selbstverständlich vor.
So mußte es kommen.
Jetzt konnte ich nicht mehr weiter; rauf ging's nicht mehr und
runter auch nicht.
Allerdings – runter wär's wohl gegangen – runterkommen
kann man immer.
Aber die Sache hatte einen Haken.
Neben mir ging's hinunter in die Tiefe – da hätte ich mich
kopfüber hineinstürzen können – doch bei dem Sturz wäre mir
wohl der Atem vergangen – und mein Körper wäre wohl zu Brei
geworden.
Ich befand mich in einem Gebirge, das aus hartem Stein
bestand.
Es tat mir schon leid, daß ich so rücksichtslos immer höher
gestiegen war.
Ich starrte die glatte Felswand vor mir nicht sehr geistreich an;
in die grausige Tiefe wagte ich nicht hinabzublicken, denn ich
glaubte, nicht ganz schwindelfest zu sein.
Und siehe, da hob sich vor mir in der glatten Felswand eine
Platte heraus und schob sich zur Seite, und ich erblickte in der
entstandenen Öffnung ein kleines Nilpferd, das kaum halb so groß
war als ich selbst.
»Na, Onkelchen,« sagte das Nilpferd, »wohin willst Du?«
»Ich habe mich verstiegen!« erwiderte ich traurig.
»Das merkt'n Pferd!« rief da das Nilpferdchen. »Tritt nur
näher! Oder – willst Du abstürzen?«
»Nein! Nein!« sagte ich schnell.
Und ich folgte dem kleinen Tier, das eine Lampe anzündete
und mich durch einen Felsengang führte ... Nach ein paar
Augenblicken stand ich in einem sauberen Felsensaal.
Oben in den hohen, schwarzen Gewölben brannten weiße
Ampeln aus Milchglas; Birnenform hatten die Ampeln – die
Stengel hingen unten als dicke Schnüre.
Jetzt erst bemerkte ich, daß das kleine Nilpferd, das wie ein
Mensch auf den Hinterbeinen ging, einen dunkelblauen Flanellrock
anhatte; der ließ nur den Kopf und die vier Füße frei.
»Nimm Platz!« sagte das Nilpferd, und es setzte sich auf einen
Schaukelstuhl. Ich setzte mich neben dem großen grünen Ofen auf
eine Holzbank.
Eine dunkelgraue Plüschdecke war über den ganzen Fußboden
gespannt.
Von Möbeln sah man nicht viel; es schien eine Art
Empfangsraum zu sein.
Es war mir aber außerordentlich gleichgültig, wo ich mich
befand; ich war müde und abgespannt und durchaus nicht froh über
meine Rettung.
»Dir ist wohl nicht ganz wohl!« sagte das Nilpferdchen nach
einer Weile.
Und ich erwiderte hastig:
»Wenn das nicht stimmt – dann weiß ich nicht mehr, wie viel
drei mal drei ist.«
»Die Antwort,« flüsterte mein Retter, »ist von einer geradezu
seltsamen Bestimmtheit.«
Ich starrte den hohen, grünen Ofen an und war stumm wie ein
Stockfisch.
Wir hörten im Hintergrunde langsam eine große Uhr ticken
und rührten uns nicht.
So mochten wir wohl eine gute halbe Stunde gesessen haben, als
das Nilpferdchen leise fragte:
»Hast Du vielleicht ein Manuskript bei Dir, das recht traurig
stimmt? Du hast doch sonst immer Manuskripte bei Dir.«
Ich drehte den Kopf langsam um, sah das Nilpferdchen groß an
und sagte unsicher:
»Woher weißt Du denn, daß ich sonst immer Manuskripte bei
mir habe? Ich muß mich doch wundern.«
Da sprang das Nilpferdchen von seinem Schaukelstuhl auf und
hopste im Felsensaal herum und rief laut:
»Er muß sich doch wundern! Er muß sich doch wundern! Daß
ein redendes Nilpferdchen ihn gerettet hat – das wundert ihn nicht.
Aber daß das Tierchen so viel weiß – das wundert ihn.«
Und dann sprang das kleine Vieh ganz dicht an meine Seite
und sprach im tiefsten Baß:
»Ich freue mich ganz eklig, daß Du Dich noch wunderst. Leute,
die sich noch wundern können, sind noch nicht ganz tot. Und daß
Du noch nicht ganz tot bist, das ist sehr gut. Denn – wärest Du
ganz tot, so hätte ich's bedauern müssen, Dich gerettet zu haben;
Leichen rettet man doch nicht.«
Ich blickte dem Nilpferdchen ins Gesicht und wunderte mich
jetzt, daß es so gut reden konnte. Und ich fragte leise und höflich:
»Was soll ich tun?«
»Gib mir,« antwortete das Tier, »eine Geschichte zu lesen, die
recht traurig stimmt.«
Da suchte ich denn in meinen Taschen und blätterte in allen
meinen Sachen, schüttelte oft den Kopf und gab dem freundlichen
Nilpferd schließlich eine Geschichte, die mir in diesem Falle zu
passen schien.
Das kleine Tier setzte sich eine blaue Brille auf, ging mit
meinen Blättern wieder zum Schaukelstuhl, ließ sich auf diesem
vorsichtig nieder und las:
Lichtwunder
Nacht! Nacht!
Lauter dunkle, schwarze Räume.
Ich schwebe so dahin und weiß nicht, wo ich bin –
aber ich schwebe in der unendlichen Finsternis ruhig
weiter.
Da zuckt was in der Ferne auf – ein kleines
Pünktchen Licht!
Und nun weiß ich, wo ich mich befinde – ich fliege
durch jene große Nachtkugel, die weit hinter dem leeren
Raume mitten im großen Lichtmeere schwimmt, das in
jedem Atome so hell ist wie eine echte Sonne ohne
dunklen Kern.
Es gibt im Lichtmeere viele hohle Nachtkugeln – aber
meine Nachtkugel ist die dunkelste.
Und doch – es ist nicht Alles so dunkel, wie's aussieht.
Da drüben der Lichtpunkt wird immer größer – und
jetzt schießen zwei feine Lichtkegel, die so schwanken, an
mir vorüber.
Und – in den Lichtkegeln?
Lichtwunder!
Da fängt es gleich zu leben an – Milliarden zierliche
Flügelchen glitzern und flimmern – und leben – einen
kurzen – aber seligen – Lichttag.
Und nach dem schwebe ich wieder in der unendlichen
Finsternis.
Es dauert aber nicht lange – und von neuem schießt
aus einem Spalt der Kugelschale ein linsenförmiger
Lichtstreifen – breit wie ein Schwert.
Und wie vorhin lebt gleich in dem Lichtstrahl was auf
– eine wilde Weltenjagd – unzählige kleine schillernde
Blasen – dies Mal sind's lauter Welten mit edelstem
Weltengewürm.
So ist das Dasein im großen Reiche der Nacht.
Es wird immer wieder hell.
Und die Lichtstrahlen erzeugen mit immer wieder
frischer Kraft unzählige Lichtwunder – Engel und Sterne,
Fledermäuse und Paradiesvögel – Diamanten und
Weltgestalten in immer neuer Lichtwunderform.
Ich weiß: unsre Augen könnten das Lichtmeer
draußen nicht ertragen – wir würden draußen erblinden –
daher die schützende Kugelschale.
Aber unsre Augen sind nicht schlechte Augen – sie
sind nur so fein und empfindlich, daß die dämpfende
Nacht die feinen empfindlichen Augen immer wieder
stärken muß – zum Genuß der ewigen Lichtwunder in
der Nachtkugel.
Augen, die draußen das Lichtmeer ohne Schaden
ansehen können, sind schrecklich grob.
Das Nilpferdchen hatte beim Lesen auf jeder der beiden dicken
Vorderpfoten eine Pincette. Und mit den beiden Pincetten konnte
das Tier sehr gewandt meine Blätter halten und umdrehen.
Nach der Lektüre fächelte sich das Tier vom Strande des
heiligen Nil mit meinen Blättern ein wenig Kühlung zu und sagte
leise:
»Das war so schmerzlich grade nicht, denn der Wert der
Dunkelheit wird ja auch gleich im richtigen Lichte gezeigt. Hast
Du nicht eine längere Sache, die wenigstens schmerzlich endet? Mir
scheint – doch davon nachher.«
Ich suchte wieder in meinen Taschen, und dann ließ ich das
kluge Nilpferd dies hier lesen:
Die wilde Kralle
Ein Raketen-Scherzo
Ich kletterte immer höher; es ging ja so leicht.
Die Astknorren waren nicht zu dick und nicht zu
dünn – grade so recht.
Aber die Spitze der Tanne konnt' ich nicht erreichen,
so eifrig ich auch klettern mochte.
Es war doch ein schrecklich hoher Baum.
Er war bedeutend höher, als ich dachte.
Einmal, als ich runtersah, kam mir's so vor, als wäre
die Erde unten längst unsichtbar geworden.
So hoch im Weltall zu sein, erschien mir da ein stolzes
Vergnügen zu sein.
Ringsum kein andrer Baum – kein Stück Erde – kein
Stück Wasser – nur Himmel – nichts als Himmel – mit
unzähligen seligen Sternen.
Mit stiller Andacht starrte ich in den großen Himmel.
Und der Himmel schien mir plötzlich so eng und
begrenzt – wie eine kleine Dorfkirche.
Da knisterte was unter mir.
Ich weiß nicht mehr genau, wie's war – ich sah nur
allmählich, vor mir an der sternbestickten Himmelsdecke
eine weiß schimmernde Riesenkralle zitternd
emporsteigen.
Und die Riesenkralle krallte sich in die sternbestickte
Himmelsdecke fest und riß ein großes unregelmäßiges
Loch hinein; die Eckfetzen flatterten steif ab, als wenn
ein starker Wind durch das Loch mich anbliese.
Und ich schaute durch die flatternden Eckfetzen in
eine andre Welt, die größer ist als unsre kleine
Dorfkirchenwelt.
Dort hinten – weit hinter unserm Fixsternhimmel –
war der Hintergrund tiefschwarz und unendlich tief.
Und in der Mitte dieser anderen Unendlichkeit stiegen
langsam zwei goldene Riesenraketen empor, die aus
lauter goldenen Sonnen bestanden; sie perlten immer
höher wie langsam aufsteigende Riesenfontänen.
Aber die Raketen gehen nicht grad in die Höhe, sie
biegen sich nach allen Seiten wie alte Baumstämme, die
oft vergeblich nach dem Lichte strebten.
Und sie werden immer größer.
Und sie bekommen wie die Baumstämme Äste.
Die rechts sich aufreckende Rakete hat keine Ecken;
sie biegt sich, wie Schlangenleiber sich biegen. Die links
sich aufreckende Rakete hat jedoch sehr viele Ecken und
Kanten wie knorrige Eichen.
Es sieht anfänglich alles ganz friedlich aus – leider
darf man keinem Frieden trauen.
Die goldenen Sonnenraketen biegen sich vor und
zurück, als wenn der Sturmwind an ihnen rüttle. Und
bald wird mir's ganz klar: Die Raketen stehen sich
gegenseitig im Wege.
Ich hatte wohl vorher gedacht, dieses Schwanken,
Drängen, Schieben und Stucksen wäre nur eine
Äußerung der Zärtlichkeit. Mir fiel jedoch zur richtigen
Zeit ein, daß ordentlichen Feindschaften ein zärtliches
Vorspiel was ganz Natürliches ist.
Die Atmosphäre scheint mir recht heiß zu werden. Die
Schlangenrakete dehnt oft ganz beängstigend ihren
gierigen Sonnenleib. Und die Eichenrakete schwankt und
zittert wie ein wilder Trotzkopf, der gern seine Wutkrone
aufsetzt.
Die beiden Ungeheuer stehen sich im Wege – das ist
mir bald völlig klar.
Und ich nehme Partei für die goldene Eiche, die mir
der Schlange an Schlauheit unterlegen zu sein scheint.
Der Schlauheit mag ich stets an den Hals.
»Ich schütze die Dummheit!«
Also ruf' ich laut. Und ich erschrecke, da mir tausend
Echos – der Himmel mag wissen woher – antworten –
höhnend antworten.
Hei! Jetzt kommen die goldenen Sonnen ordentlich in
Bewegung! Das Gold glitzert und zuckt! Die Raketen
machen Ernst! Das ist keine Zärtlichkeit mehr! Ich recke
mich auch! Meine sehnigen Muskeln schwellen an wie
springende Wildbäche im Frühling!
Es zittern die Spitzen der weichen und der knorrigen
Äste so stark, daß ich mitzittern muß.
Und aus den Spitzen fliegen nun blaue, grüne und rote
Lichtblasen heraus – die brennen in dunklen Farben und
werden immer größer. Und aus den Lichtblasen schießen
in die Nacht gelbe und weiße Lichtkegel, die wie weite
Scheinwerfer blitzschnell den Himmel durchfliegen – von
einem Ende zum andern – wie rasend!
Eine Lichtschlacht!
Zwei goldene Milchstraßen liefern sich eine
Lichtschlacht – eine lautlose.
Ich muß mich sehr wundern.
»Himmel! Wetter!« ruf ich wieder ganz laut, »ist denn
da hinten auch alles so eng, daß nicht mal zwei
Sonnenbäumchen Platz haben? Sind denn ›sämtliche‹
Weltwinkel zu klein?«
Über mir hör ich ein heftiges Brummen, und seltsam
hüstelnd antwortet mir eine dunkle Baßstimme:
»Was weißt Du von Weltwinkeln? Tu doch nicht so,
als ob Du kosmische Größenverhältnisse besser
ausrechnen könntest als unsereins. Die Naseweisheit
steht Dir nicht gut. Verkrieche Dich in der alten
Weltpauke! Da ist noch Platz für dich.«
Ich ducke mich, obgleich ich Keinen sehe.
Die Raketen kämpfen weiter.
Es wird furchtbar lebhaft da hinten.
Ich möchte noch mehr sehen; das Loch in der
Himmelswand erscheint mir zu klein. Doch da kommt
auch schon die weiß schimmernde Riesenkralle wieder
höher und macht das Loch größer.
Jetzt kann ich bequemer dem Kampfspiele zuschauen.
Die weißen und gelben Lichtkegel flirren immer heftiger.
Die roten, grünen und blauen Gasblasen werden
mordsmäßig groß und platzen dann – wie Alles, was zu
groß wird. Dafür spritzen die Spitzen der weichen und
der knorrigen Äste immer wieder neue Blasen hervor, die
auch mit weißen und gelben Lichtkegeln herumflirren.
Die Schlangenrakete wird offenbar noch schlauer; sie
bedrängt die Eiche wie ein unheimliches Krötenweib.
Ich kann's kaum ansehen; die Schlange wird mit ihren
langen Schläuchen, die ihr immer dicker aus dem Leibe
herauswachsen und gar nicht mehr was Astartiges haben,
so aufgedunsen – so scheußlich groß.
Der Hintergrund, von dem sich die Raketen abheben,
ist so bunt wie eine riesige zitternde Opalfläche; die
roten, blauen und grünen Gaskugeln mit den gelben und
weißen Lichtkegeln flattern umher, als wenn sie ein
Weltföhn durchbrause.
Da kann ich mich nicht mehr halten.
Die Schlangenrakete wird von oben bis unten gemein.
Das ist die ewige Niedertracht!
Ich möchte der Schlange an den Hals.
»Eine Kralle möcht' ich haben!«
Das schrei' ich.
Und im selben Augenblick fühl ich, daß die wilde
Kralle, die unsern alten dösigen Dorfkirchenhimmel
aufriß, ›meine‹ wilde Kralle ist.
Und mit meiner weiß schimmernden Riesenkralle
pack' ich durchs Loch, mitten in den Schlangenleib rinn.
»Ich will nicht die Schlauheit siegen lassen!« brüll' ich
auf und drück' mit meiner wilden Kralle zu – den ganzen
Leib der Schlangenrakete entzwei.
Doch dabei muß ich »Au!« schreien.
Ich habe mich verbrannt.
Horngeruch – widerlicher – steigt mir betäubend in
die Nase.
Ich sehe nichts mehr.
Ich reiße die Hand mit der Kralle aus dem Loche raus,
um mich auf meiner Tanne festzuhalten.
Aber die Hand mit der Kralle tut mir zu weh, und ich
kann mich mit der Linken allein nicht halten.
Und ich falle mit der Kralle.
Mich ergriff eine namenlose Wut.
»Die Schlauheit siegt! Sie ist zu kaltblütig!« schrie ich
noch.
Dabei fiel ich immer tiefer.
Ich hielt den Atem an, indessen – ich fiel trotzdem.
Das Horn roch – brenzlich.
Es war mir auch so, als ob der Docht einer alten,
großen Wachskerze verglimmte – in einer Dorfkirche.
Ich fiel – der Teufel – mochte wissen – wohin.
Ich glaube, ich fiel in die alte Dorfkirche unserer
greulich beschränkten Fixsternwelt zurück.
Ich fiel immer tiefer – immer tiefer – immer tiefer!
Und ich wunderte mich, daß unsre beschränkte Welt
so tief sein konnte.
Nach der Lektüre dieser Geschichte sprang das Nilpferd wieder
sehr erregt von seinem Schaukelstuhl auf und stampfte aufrecht auf
den Hinterbeinen in der Stube herum, drehte sich öfters auf dem
einen Fuße um sich selbst, wehte mit den Blättern durch die Luft,
stellte sich wieder dicht vor mich hin und hielt mir mit wunderbarer
Geschwindigkeit eine Rede – ohne mir einen Einwurf zu gestatten.
»Du mußt,« sagte es, »nicht gleich so schlecht gelaunt werden,
wenn Du Dir mal die Finger verbrannt hast. Sieh nur unsere
Pfoten an, da sind keine Finger dran – und wir wissen uns doch zu
helfen; die Pincetten sind noch viel feiner als die Finger. Intelligente
Leute müssen sich zu helfen wissen. Du darfst Deine
Empfindungen nicht so ernst nehmen. Wenn schon unsre
Gliedmaßen nicht als Realitäten von uns genommen werden wollen,
so dürfen wir doch die Empfindungen dieser Gliedmaßen erst recht
nicht als reale betrachten. Der Schmerz wird erst dadurch für uns
zum Schmerze, daß wir ihn so nennen. Wir können den Schmerz
auch als potenzierte Wollust auffassen. Intelligente Leute müssen
sich zu helfen wissen. Wenn Dir ein Bein abgehauen wird, so
bedenke sofort, daß Dir dieses scheinbare Unglück auch eine große
Portion sehr angenehmer Augenblicke verschafft – denn man wird
Dich verhätscheln dafür. Glaube mir, es ist nicht Alles Pech, was
schwarz aussieht. Es tut auch nicht alles weh – was sich krümmt.
Intelligente Leute müssen sich zu helfen wissen. Und ich finde, daß
Du Dir in Deinen Geschichten sehr wohl zu helfen weißt, denn
beim Runterfallen amüsierst Du dich gleich wieder über die
köstliche ›Tiefe‹ der Dorfkirchenwelt. Merkwürdig ist es nur, daß
Du Dir in Deinem Leben nicht zu helfen weißt – denn Deine
Mienen lassen nicht den geringsten Grad von Heiterkeit erkennen.
Dir scheint die Grütze sehr stark verhagelt zu sein.«
Ich wollte was erwidern, aber das Nilpferd ließ mich nicht zu
Worte kommen; es wollte bloß noch ein paar »schmerzliche«
Manuskripte lesen – es wollte gleich mehrere haben – und ich gab
ihm diese drei:
Er hatte ...
Eine Nachtscene
Er hatte sehr viel getrunken – das stand fest.
Und er hatte sehr lange getrunken – so drei bis vier
Tage – genau wußte man's nicht.
Er hatte sich auch geärgert – natürlich!
Wer viel und lange trinkt, hat sich immer geärgert.
Das ist nun mal so auf diesem großen Erdball.
Und er hatte natürlich keinen Sechser mehr – das
sagten Alle, die ihn umstanden. Und die mußten es
wissen, denn sie waren dabeigewesen.
Er hatte sich ja in ihrer Gegenwart die Gurgel
durchgeschnitten und war dabei umgefallen, obgleich er
sich am Laternenpfahl gehalten hatte.
Jetzt lag er da – in der Gosse.
Er hatte endlich genug.
Er hatte in seinem ganzen Leben niemals genug
gehabt.
Blut hatte er noch. Das merkten Alle, die ihn
umstanden und nicht wußten, wie sie ihm helfen sollten.
Das Blut floß plätschernd in die Gosse. Die Laterne
leuchtete und blitzte in dem roten Blut.
Warum hatte er sich die Kehle durchgeschnitten?
Ja – warum hatte er?
Er hatte das Leben plötzlich dick bekommen.
Sich selbst hatte er niemals dick bekommen – wohl
aber das Leben.
»Er hatte Talent!« sagten die Leute.
Und bei diesen Worten hatte sich ein Arzt
vorgedrängt – der hatte natürlich sein Verbandzeug nicht
bei sich.
Aber die Umstehenden hatten Taschentücher.
Wer hatte nicht Taschentücher?
Er hatte Talent.
Ja – warum hatte er denn Talent?
Er hatte einen Vogel.
Er hatte mir's ja gesagt.
Er hatte nie genug.
Jetzt erst hatte er genug – mit der durchschnittenen
Kehle.
Ja – die Kehle!
Die Kehle hatte schuld an Allem.
Die Kehle!
Er hatte eine Kehle!
Er hatte eine Kehle!
Lautlos wälzte sich eine Wolke die Straße entlang, und
in der Wolke saß ein Fleischer mit einem ellenlangen
Messer.
Der Fleischer hatte ein Messer, aber keine Kehle dazu.
Mein Freund hatte eine Kehle.
Er hatte jetzt genug.
Aber er hatte trotzdem kein Talent.
Ich weiß das ganz genau.
Er hatte ...
Er hatte wieder zu viel getrunken.
Er hatte ...
Der große Kampf
Ein Dualisticum
Langsam fallen glühende Sonnen in die schwarze Nacht –
und machen Alles hell.
Und dann kommt der Erzengel Michael mit seinem
langen Schwert. Mächtige Eisenmassen rasseln auf seiner
Brust, die Beinschienen knacken, und die Armschienen
platzen beinah – so schwellen dem Erzengel die Muskeln
an.
Und dann taucht aus dunklen Wolken der Kopf des
Drachensatans heraus. Aber dessen Augen sind nicht
leuchtend wie die des Michael; des Drachensatans Augen
sind so matt.
»Ich hau' Dich zu Brei!« brüllt der Michael.
Doch der Satan schüttelt den Kopf und sieht dem
Engel traurig ins lachende Angesicht.
»Dein Schwert ist zu kurz!« erwidert der müde Satan.
Michael funkelt mit den Augen, seine Stahlrüstung
kreischt, und das lange Schwert blitzt durch die Wolken.
Satan zieht den Kopf ein, und seine ungeheuere
Körpermasse kommt zum Vorschein – Millionen
weltendicke Schlangenarme winden sich aus den Wolken
heraus.
Michael schlägt zu und haut unzählige Schlangenarme
ab – aber die abgeschlagenen Glieder verbinden sich
wieder mit dem Drachenrumpf.
Und des Erzengels Arm erlahmt.
Da kommt des Satans Kopf wieder an die Oberfläche
des Rumpfes und grinst den Engel an wie ein
Totenschädel.
Der Engel will zuschlagen, doch er kann das Schwert
nicht mehr heben – seine Arme zittern.
Und die Millionen dicker Schlangenarme umhalsen
den eisernen Engel, so daß der schier erstickt wird.
»Hör auf!« schreit der Engel.
Der Satan läßt nach, die weichen schlaffen dicken
Schlangenarme lösen sich von dem Engel los.
Und langsam sinkt der Drachensatan zurück.
»Nächstens kämpfen wir wieder von Neuem!« flüstert
höhnisch der müde Teufel.
Der Engel stöhnt und schwebt mit hängendem Kopfe
davon; nur ganz allmählich kehrt die Kraft in die
zitternden Muskeln zurück.
Bunte Wolken nehmen den Engel auf und erfrischen
ihn. Langsam steigen starke Marmorsäulen in den
Himmel empor. Die Säulen steigen immer höher und
verschwinden zwischen den Sternen.
Die Kummerlotte
Die Morgensonne glühte in die Resedabüsche, die vor
Lottens Dachfenster blühten.
Und sie saß still vor ihrer Nähmaschine und machte
ein trauriges Gesicht.
Die Lotte war sonst immer so glücklich gewesen –
früher, als sie so wenig Geld verdiente und so oft nur
Häringe zu Mittag aß.
Früher war sie eigentlich stets so recht lustig gewesen
– so seelenvergnügt.
Das war jetzt Alles so anders geworden.
Seit drei Tagen war die Lotte die richtige
Kummerlotte geworden. Wie kam das?
Die Nähmaschine stand seit drei Tagen still.
Und das Unglück? Wie sah's denn aus? Oh – es sah
merkwürdig gut aus – das Unglück. Andere Menschen
hätten das Unglück ein großes Glück genannt.
Die arme Lotte hatte geerbt – zweimal!
Zweimal geerbt in drei Tagen!
Von einem alten Großonkel hatte sie zehntausend
Thaler geerbt – und von einer Kusine dreihundert Thaler.
Das war das Unglück!
So sah Lottens »Unglück« aus!
Traurig schaute die Kummerlotte ihre Resedabüsche
an – ihr traten ganz dicke Thränen in die Augen.
Die Leute im Hause schüttelten den Kopf und
meinten, bei dem guten Mädchen sei's da oben nicht ganz
richtig.
»Dumme Trine!« riefen die beiden heiratsfähigen
Töchter des Hauswirts.
»Kummerlotte!« riefen die Gassenjungen.
Sie aber sagte nichts dazu, sie gab keine Erklärung –
sie seufzte und schloß sich ein.
Da saß sie nun am Fenster in der Morgensonne und
grübelte.
»Das Geld ist mein Unglück!« flüsterte sie immer
wieder.
»So lange ich kein Geld hatte,« meinte sie so recht
vergrämt, »war ich immer frisch und jung. Doch wie das
Geld kam, war meine Jugend fort. Muß ich da nicht
traurig sein? Kann mir das Geld das traurige Gefühl
ersticken? Ach ja – es ist nicht angenehm, wenn man
merkt, daß man alt geworden ist. Es kam so plötzlich –
als ich nicht mehr arbeiten brauchte – und über alles
nachdachte.«
Sie nahm ihren Wandspiegel und betrachtete
kummervoll ihr Gesicht! Alt sah sie eigentlich noch nicht
aus – und doch – sie fühlte, daß sie's war.
Niemand verstand die Kummerlotte.
Sie aber verstand sich.
Und abermals sprang das Nilpferdchen auf, trampelte wild im
schwarzen Felsensaale herum und hielt dann wieder eine Rede.
»Onkelchen,« sagte es, »über die Vorteile, die die Armut bietet, ist
schon so viel gesagt worden, daß es bald wirklich Not tut, die
Vorzüge des Reichtums zu verteidigen und ein bißchen in Schutz
zu nehmen; die reichen Leute bedauern sich schon ein wenig zu viel;
so furchtbar schlimm ist der Reichtum doch auch nicht. Wenn die
Verherrlichung der Armut so große Dimensionen annimmt, so
brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn sich schließlich die
bedauernswerten Geldbesitzer zusammentun und sich gegen die
protzenhafte. Alles unterdrückende Macht der armen Leute
empören. Das gäbe dann eine nette Bescherung. Das wäre eine
schöne Revolution. Wer die Verhältnisse in Europa so gut kennt
wie ich, wird eine solche Revolution gar nicht für unmöglich halten.
Das Ridiküle ist tatsächlich das Modernste. Manche Leute, denen
das Verschleiern und Umdrehen zur Gewohnheit geworden ist,
verdrehen die Dinge so lange – bis sie selber verdreht werden. Die
Reichen sind wirklich auf das Glück der Armen viel neidischer als
man glaubt – und demnach ist es wohl geboten, den Kurs der
sozialen Poesie wieder etwas zu ändern. Doch davon brauchen wir
eigentlich nicht so viel zu reden. Wichtiger ist Dein Teufel der
Lebensmüdigkeit, der Gurgeln abschneidet und sich selber nichts
abschneiden läßt.«
Ich wollte wieder was sagen, doch das kleine Tier fuhr eifrig fort:
»Bedenke, daß die einfache tierische Luft bloß ein einfacher
Lebensreizer ist, der nur einfachen Lebewesen zum Weiterleben
genügenden Anreiz verschafft. Wer nur ein bißchen höher hinaus
will, wird durch die einfachen Lebensreizer – wie da sind:
Schinken, Champagner, Chansonette, Leberwurst und Paprika –
nicht am Leben erhalten. Der höhere wendet sich an Kunstspäße
ernster Güte, an Philosophie und überirdische Herrlichkeit. Diese
letzteren Dinge ziehen schon mehr an. Indessen – Rückfälle in die
gewöhnliche Schinkenluft kommen immer wieder vor. Und wenn
diese Rückfälle zu oft vorkommen, so wird der Weg zum höheren
zu mühsam, und das arme Lebewesen steht dann zwischen zwei
Bündeln und – verhungert beinahe. So ungefähr gelangt die
Lebensmüdigkeit in unsre Erscheinungswelt; das Eine genügt nicht,
und das Andre ist nicht zu erreichen. Ich spreche, wie Du merken
wirst, ganz wie Deinesgleichen, nicht wahr? Na ja! Nun muß man
aber doch, wenn man ein bißchen vernünftig ist, zugeben, daß man
nicht so ohne Weiteres zwei Herren dienen kann. Entweder – man
steigt, so gut man kann, über die simplen Luftspäße hinweg in die
höheren hinein – oder – ja! da liegt der Hase im Pfeffer! Wenn
man mal angefangen hat, über das Simple hinüberzusteigen, so wird
man im Simplen nie wieder die Befriedigung finden, die Hinz und
Kunz darin zu finden vermögen. Ja! Ja! Die Mutter Natur hält es
doch für gut, Leute, die was werden könnten, mit einer kleinen
Zwangserziehung zu beglücken – und wenn's auch weh tun sollte.
Was ist also die große Müdigkeit? Sie entsteht, wenn man
Spießerglück will – und doch zu Sternenglück erzogen werden soll.
Es gibt auch höhere Wesen, die sich zu Gunsten noch höherer
Lebensreizer auch das Sternenglück abgewöhnen müssen – u.s.w. –
immer höher – mit Grazie ad infinitum! Rede nicht. Onkelchen.
Denke darüber nach.«
Und ich tat's.
Und dann wollte der Kleine wieder was lesen.
Und ich fand gar nichts Rechtes; mir genügten meine Sachen
plötzlich nicht mehr, was mir sehr schmerzhaft war.
Doch schließlich gab ich zögernd wiederum drei Sachen raus.
Noahs Glück
»Die Leute denken immer,« sagte Noah, als er seine
Barke vollgepackt hatte, »ich hätte das Reisen so gern.
Das ist aber gar nicht wahr. Es gefällt mir hier überall
nicht – und daher reise ich – das ist die ganze
Geschichte.«
Mit diesen Worten stieg Noah in seine Barke.
Diesmal war's eine Luftbarke.
Und mit der Luftbarke fuhr er rasch in den freien
Äther hinaus – an Mond und Sonne vorbei – in die große
Sternenwelt.
Und bald war Noah jenseits von unserm
Milchstraßensystem.
Er war also schon recht weit gefahren, und seine Frau
wunderte sich schon.
Doch Noah fuhr noch weiter – er steuerte auf einen
großen Nebelfleck zu, der aus lauter Pilzsternen bestand
– aus sehr vielen bunten und mannigfaltig geformten
Pilzsternen.
Und Noah fuhr mit seiner Barke hinter den
Nebelfleck und begann dann plötzlich ein lustiges
Liedchen zu pfeifen.
Da kamen Noahs sämtliche Anverwandte aufs Deck
hinauf und lachten.
»Jetzt sind wir endlich so weit!« rief der alte Noah mit
seiner hellen Geisterstimme.
Und Noahs Frau fragte ihren Mann:
»Na, bist Du jetzt glücklich?«
»Jawohl,« rief der alte Noah, »jetzt bin ich
vollkommen glücklich. Hier können wir bleiben – die
Pilzsterne sind undurchsichtig – und von dem
Milchstraßensystem, in dem sich die alte Erde dreht,
werden wir nimmermehr was sehen können.«
»Das ist man gut!« riefen Alle.
Und Noah pries sein Glück.
Und Noahs Anverwandte lachten – mitsamt seiner
Frau.
Noah jedoch weinte vor Freude – so groß war sein
Glück.
Und die Pilzsterne blieben undurchsichtig für alle
Ewigkeit.
Und Noahs Luftbarke blieb fest verankert.
Die Bewohner der Luftbarke sahen woanders hin.
Und Noah pries sein Glück tagtäglich hundertmal und
konnte sich viele Billionen Jahre gar nicht beruhigen – so
sehr freute er sich über die totale Unsichtbarkeit jenes
Milchstraßensystems, in dem sich jener »Erde« genannte
Stern bewegte.
Da kam eines Nachts ein kluger Vogel an der Barke
vorbeigeflogen – sah den Noah und sprach redselig:
»Noah, das ganze Milchstraßensystem, von dem Du
nichts mehr hören und sehen willst, existiert ja gar nicht
mehr. Flieg nur um die Ecke Deines Nebelflecks herum
– da wirst Du Augen machen. «
Noah löste vorsichtig die Anker und fuhr ganz sachte,
ohne daß die Schläfer und die Schläferinnen unten in den
Kajüten was bemerkten, um die Ecke seines Nebelfleckes
rum – und fiel – vor Schreck rücklings aufs Deck.
Ein kolossaler Weltdrache füllte die ganze Gegend
und glotzte den Noah mit Millionen Augen so eklich an,
daß dem Armen ganz plümerant zu Mute wurde.
Doch der Drache sagte nach einer Weile höchst
gemütlich:
»Lieber Noah, ich habe soeben
siebenmalsiebenundsiebzig Tausend Milchstraßensysteme
verspeist – glaubst Du da, daß ich noch Appetit haben
könnte?«
Und der Drache lächelte sehr blöde und flog empor
und ließ eine weite Leere hinter sich.
»Er hat sich satt gefressen!« rief der kluge Vogel.
Noah sprang auf, drehte rasch seine Barke um und
machte, daß er weg kam, und befestigte die Anker wieder
an den alten Stellen hinter dem Pilzsternnebelfleck.
Niemand auf der Barke erfuhr was von Noahs
nächtlicher Fahrt um die Ecke rum.
Noah aber pries nicht mehr sein Glück.
Es kam dem alten Noah für die Folge sein Leben
zeitweise komisch vor, so daß er oftmals lächeln mußte.
Und er freute sich nun, daß Niemand auf der Barke
sein Lächeln verstand; die Pilzsterne blieben
undurchsichtig.
Nebelsterne
Sieben Nebelsterne empfanden den Dunst, in dem sie
viele Billionen Jahre gelebt hatten, eines Tages als etwas
Unerträgliches.
Aber der Dunst gehörte zu ihnen; er war ein Teil ihres
Körpers. Der Dunst war die Haut ihres Körpers.
Abstreifen konnten sie also ihre Dunsthaut nicht so ohne
Weiteres. So was können wohl kriechende Schlangen –
aber nicht die Nebelsterne.
Die anderen Sternwelten in der Umgegend hatten
keine Dunsthaut. Und das ärgerte die Nebelsterne am
allermeisten.
Und das Herz der Nebelsterne ward verbittert, so daß
sie ganz gallig wurden und tückischen Gedanken Raum
gaben.
Die Nebelsterne wollten den anderen Sternwelten
auch so gern eine unbequeme Dunsthaut anhängen.
Und was beschlossen da die Bösen?
Sie beschlossen, sich so weit aufzublasen, daß ihr
Dunst ihrer gesamten Nachbarschaft zur Empfindung
gelangen mußte.
Und die Sieben bliesen sich auf.
Und der ganzen Nachbarschaft ward unwohl; die
anderen Sternwelten, die so lange so klar die Welt
durchleuchtet hatten, verloren ihren Glanz, denn der
Dunst der Nebelsterne umzog Alles wie ein feiner Rauch.
Da war den sieben Bösen so recht vergnügt zu Mute;
jetzt hatten sie nicht mehr allein unter ihrer Dunsthaut zu
leiden.
Aber die anderen Sternwelten wurden ergrimmt und
wollten den Dunst fortblasen. Und bei dem Fortblasen
erregten sie sich alle dermaßen, daß allgemach eine
kriegerische Stimmung in jener Weltecke die Oberhand
gewann.
Und bald zogen die einstmals hellen Sterne gegen die
Nebelsterne zu Felde; mächtige Weltblöcke flogen wie
Kugeln von allen Seiten in die sieben bösen Nebelsterne
hinein, daß denen die Eingeweide platzten und das Mark
verbrannte.
Es war ein schauerlicher Krieg.
Was aber war die Folge dieses schauerlichen
Sternkrieges?
Die Folge war, daß sich die Körper der sieben
Nebelsterne bloß noch mächtiger aufbliesen, daß ihre
ganze Galle überfloß und in die anderen Sternwelten
überging.
Und die ganze Wut der sieben Nebelsterne erfüllte
bald die ganze große Weltecke, so daß sich die einstmals
hellen Sterne schließlich auch gegenseitig bekämpften wie
tolle Hunde. Alle schlugen aufeinander los – ganz gleich,
wohin es traf – so daß es brannte an allen Ecken.
Es war ein rasender Krieg Aller gegen Alle.
Wie sie nun so mitten in ihren kriegerischen Aktionen
dahinlebten wie die Verrückten, kam doch einigen älteren
Sternen die Besinnung wieder, und die sprachen mit
gewaltiger kosmischer Stimme ungefähr so:
»Haltet ein, Brüder! So kann das doch nicht fortgehen.
Wir gehen ja schließlich dabei sämtlich zu Grunde. Wir
müssen Frieden schließen – wie's auch sei! Den Dunst
der Nebelsterne werden wir wohl nicht wieder los. Aber
wir wollen doch versuchen, auch trotz dieses Dunstes
wieder froh zu werden. Jedenfalls sind wir um eine große
Weisheit reicher geworden: Wenn uns böse Buben
angreifen und belästigen, so sollen wir nicht gleich
wütend werden. Mit der Wut richten wir doch nichts aus.
Giftigen Dunst bläst man nicht so leicht fort. Man tut
besser, sich an den giftigen Dunst zu gewöhnen. Hört auf
mit dem Herumwerfen der großen Weltblöcke! Wenn Ihr
nicht aufhört, gehen wir Alle zu Grunde.«
Da ging ein leises Murren durch die Weltecke. Aber
man sah die Nutzlosigkeit des Kampfes ein und schloß
wieder Frieden.
Alle Sterne suchten danach ihre Wunden, so gut es
ging, wieder zu heilen.
Die Nebelsterne hatten am meisten gelitten. Doch
auch sie waren mit der großen Friedenserklärung
einverstanden; ihre Dunsthaut verblieb ja in der ganzen
Weltecke – das ließ sich nicht mehr ändern.
Indessen – die einstmals hellen Sterne gewöhnten sich
allmählich an den giftigen, lästigen Dunst und erklärten
ihn schließlich für ein höchst interessantes kosmisches
Schleiergebilde.
Und so beruhigte man sich nach und nach.
Und dann wards wieder still in der Weltecke.
Das Leben ist eben in jeder Form erträglich; man darf
nur nicht ungeduldig werden.
Bloß nicht gleich Krieg führen, wenn böse Buben
frech werden! Die böse Sieben! Ja! Ja!
Also – lieber ein bißchen Dunst ertragen!
Das Ertragenkönnen ist viel wertvoller als das
Losschlagenkönnen. Die Wunden heilen nicht so schnell.
Bilde sich bloß Keiner ein, daß es ein Vergnügen sein
könnte, als interessanter Krüppel zu leben!
An giftigen Dunst aber gewöhnt man sich – das ist
nicht so schlimm!
»Brüder!« riefen die Sterne, »wenn wir weiter nichts zu
ertragen brauchen als das bißchen Dunst, so können wir
immerhin noch ganz glücklich sein.«
Die sieben Nebelsterne ärgerten sich natürlich über
die friedliche Gesinnung ihrer Nachbarschaft nicht
wenig, jedoch dieses Mal half ihnen der Ärger nicht viel –
sie hatten mit dem Zusammenflicken ihrer Glieder für
die nächsten Jahre vollauf zu tun.
Bösewichter müssen Beschäftigung haben – das ist so
furchtbar notwendig.
O ja!
Diese verfluchten Hallunken!
O trag, so viel Du tragen kannst,
Und sei nie ungemütlich!!
Groß!
Sechstausend Ellen lang und fast ebenso breit ist die
große Kröte, auf der mein Palast erbaut wurde.
Vor vielen langen Jahren zog ich ein – in den Palast.
Und die Kröte wandelt nun mit mir durch die große,
große Welt.
Ob die Kröte was von mir weiß?
Ach! Die Kröte ist so groß.
Ich bin grausam klein dagegen.
Natürlich ist es eine Schildkröte – die Kröte, von der
ich so viel spreche.
Wenn bloß diese Schildkröte ein wenig schneller
gehen wollte.
Ich möchte so gerne noch heute ans Ende der Welt
gelangen – ans Ende!
Geh schneller, liebe Kröte!
Ich möchte ja endlich mal die Größe der ganzen Welt
begreifen – oder verstehen – fassen!
Aber wie soll ich das?
Ich kann ja doch nicht ans Ende kommen, denn es
gibt ja kein Ende!
Geh schneller, liebe Kröte!
Sie will natürlich wieder nicht.
Was hilft mir da ihre Größe?
Alles wird immer größer – und es hilft uns Alles
nichts.
Es nützt auch nichts, daß unser Durst immer größer
wird!
Den Weltrand werden wir niemals an unsere Lippen
setzen können.
Ich würde auch den Weltrand zerbeißen.
Geh schneller, liebe Kröte!
Nützen zwar tut es nichts – aber mir kommt dann –
wenn Du Dich beeilst – wenigstens die Zeit nicht so
maßlos groß vor.
Ach, du »liebe« Zeit!
Kaum hatte das Nilpferd die Lektüre dieser drei Geschichten
beendigt, als sich eine Türe knarrend öffnete und ein zweites
Nilpferd aufrecht hereinspazierte. Dasjenige, welches mich gerettet
hatte, verließ eilfertig seinen Schaukelstuhl und sagte, während es
zögernd auf mich zukam: »Die Herren gestatten wohl, daß ich sie
einander vorstelle: Herr König Ramses aus Ägypten – Herr
Dichter Scheerbart aus Europa.«
Ich verließ meine Ofenbank, verbeugte mich höflich gegen den
neuen Ankömmling und stotterte verlegen: »Majestät –
entschuldigen!«
Doch das kleine Nilpferd lachte und sagte:
»Laß nur das Ceremoniell! So wie wir jetzt aussehen, paßt es
nicht mehr recht für uns. Nenn mich ruhig Du und alter Ramses.
Das genügt. Gerne würde ich Dir die Hand schütteln, aber ich
habe ja keine. Übrigens nennen sich die ägyptischen Könige, die hier
wohnen, King – da es uns so vielen Spaß macht, daß die Engländer
noch immer unser Vaterland regieren. Behalte nur Platz – und lege
Dir gar keinen Zwang auf.«
Da fühlte ich mich aber etwas peinlich berührt, denn ich hielt
nun meinen Retter auch für einen ägyptischen King und sprach dem
entsprechend.
Mein Retter lachte jedoch und sprach:
»Ich bin kein King. Ich bin der Pyramideninspektor Riboddi.«
Nun machte ich denn doch ein sehr erstauntes Gesicht – und da
lachten die Nilpferdchen mit ihren breiten Mäulern so laut, daß es
oben in den Gewölben wie Donnergrollen erschallte.
»Er wundert sich doch noch!« rief der Pyramideninspektor
dazwischen.
Und ich mußte dazu ebenfalls lachen – so wie die beiden alten
Ägypter; das Lachen erschien mir immer die beste Art zu sein –
um schnell über eine peinliche Situation hinwegzukommen.
Wir setzten uns jetzt alle drei in Schaukelstühle, und der König
Ramses sagte gleich ganz offen:
»Lieber Scheerbart, Ihren Namen habe ich öfters gehört – aber
gelesen habe ich noch nicht eine einzige Zeile von Ihnen. Würden
Sie nicht so freundlich sein, mir etwas zum Lesen zu geben, damit
ich weiß, wie Sie sind? Entschuldige, daß ich Dich aus Versehen
Sie nannte – aber mir ging plötzlich die Lebensgeschichte eines
ägyptischen Priesters durch den Kopf.«
Die acht Geschichten, die ich dem ersten Nilpferdchen gegeben
hatte, waren von diesem bei Seite gelegt, und es sagte jetzt lächelnd
– wobei seine faustgroßen Vorderzähne leuchteten:
»Onkelchen, knausere nicht! Greif in Deine Taschen und hole
aus jeder ein neues Manuskript hervor; ich will auch was Neues
haben. Aber wähle nicht erst lange – gib, was Dir zuerst in die
Hand kommt.«
Und da bekamen die Herren das Folgende.
Platzende Kometen
Was ist das?
Es wird immer dunkler und so schwül.
Blitze zucken, aber es donnert nicht.
Jetzt pfeift es oben – so gellend wie Lokomotiven, die
Angst haben vorm Tunnel.
Und nun fliegen Hagelstücke runter, große
Hagelstücke und kleine Hagelstücke. Sie sind nicht rund,
sie sind zackig und kantig wie schlecht gehauener Zucker.
Aber Zucker ist das nicht – es schmeckt kühl und
herzhaft.
Und jetzt rauscht es oben in den Wolken.
Die Wolken jagen blitzschnell vorbei.
Ein Sturm wirbelt durchs Land.
Die Bäume brechen ab, die Dachziegel fliegen mit
Blumentöpfen, Menschenhüten und flatternden Krähen
weit weg – ins freie Feld.
Es hagelt dabei und regnet.
Der Regen schmeckt so kühl und herzhaft wie die
Hagelstücke.
Da steckt was Seltsames drinn in diesem Hagel und in
diesem Regen.
Die Gelehrten fahren mit ihren Galakutschen aufs
Rathaus und halten dort lange Reden; alle Gelehrten
haben Hagelstücke in der Hand, einige haben noch
Flaschen mit dem neuen Regenwasser.
Die Gelehrten reden ausgezeichnet, und währenddem
hagelt's und regnet's draußen immer stärker.
Und der Sturm heult – heult.
Im Rathause erklären die klugen Gelehrten, daß das
kein gewöhnlicher Hagel sei – auch kein gewöhnlicher
Regen.
Und sie kosten alle von den Hagelstücken und trinken
das Regenwasser.
Und sie sagen, da sei ein neuer Stoff drinn – im
Himmel müsse ein Komet geplatzt sein – es müsse ganz
bestimmt ein Komet gewesen sein.
Kometensalz ist der neue Stoff.
Er wirkt nur so komisch.
Wer das neue Salz gekostet hat, dem zieht so was
Weiches durch alle Glieder und die Gedanken werden so
einfach.
Das Kometensalz ist verführerisch wie Alkohol.
Das Kometensalz brennt aber nicht hinten im Munde
und unten im Leibe, reizt nicht auf – es macht genügsam
– still.
Die Menschen, die das Salz im Magen haben, können
bald ihre Gedanken nicht mehr sammeln. Es ist den
Menschen, als ginge Alles fort.
Und dann bleiben die Menschen stehen und gehen
nicht weiter, ihre Glieder werden steif und hart wie Holz,
und der erhobene Arm will nicht mehr runter; die Hand,
die den Hut zum Grüßen zog, bleibt mit dem Hute oben
in der Luft.
Allmählich verhallt der Sturm, und das Wetter wird
wieder besser.
Beim hellen Sonnenschein merkt man aber erst den
Umfang der ganzen Geschichte.
Zehn nasse Soldaten auf dem Übungsplatze vor der
Kaserne stehen auf einem Beine kerzengerade, doch das
andere hochgehobene Bein geht nicht runter. Eine
Bäckersfrau stößt dem einen Soldaten in die Seite, und
alle Zehn fallen um wie hölzerne Soldaten aus einer
Spielschachtel.
Die Luft ist wieder still.
Und die Menschen lecken an dem Kometensalz, das
massenhaft die Erde bedeckt. Die Tiere lecken auch an
dem Kometensalz.
Und dann bleiben die Menschen und die Tiere nach
und nach sämtlich auf der Straße und in den Häusern in
seltsamen Stellungen stehen – sitzen – oder – liegen.
Den Hunden bleibt das Maul offen.
Die Vögel überschlagen sich in der Luft, fallen mit
steifen Flügeln auf die Salzhaufen und rühren sich nicht
mehr.
Ein Leichenzug steht vor einer Kirche und kann nicht
weiter.
Die Bäume werden ebenfalls starr. Die Trauerbirken
und die Trauerweiden verharren in Windstellung – mit
weit weggewehten Ästen – als wütete noch immer der
große Sturm.
Und die Luft ist doch so still.
Und die Menschen und Tiere sind auch so still, als
wüßten sie gar nichts mehr zu sagen.
Ein Schutzmann sitzt auf einer Parkbank unbeweglich
mit einem Strolch zusammen – sie sehen sich unablässig
an.
Ein Regiment dekorierter Nachtwächter befindet sich
vor dem Rathause in konstanter Präsentierstellung.
Die Kinder sind in der Schule nicht mehr zu hören –
so ruhig sind sie.
Und im Rathause sitzen die Gelehrten wie
Wachspuppen da.
Der Bürgermeister, der das Salz nicht anrührte,
schleppt sich müde nach Hause, trinkt im Sorgenstuhl
vor seinem Schreibtisch ein Glas Wasser und sieht am
Ofen seine Frau – sie ist unbeweglich wie ein
abgeschiedener Geist.
Der Bürgermeister faßt sich an den Kopf und ruft
plötzlich angstvoll: »Franziska! Das ist die neue Zeit.«
Aber er kann den Mund nicht mehr zumachen – das
Salz hat auch ihn gepackt – es war im Wasserglase.
Das furchtbare Kometensalz ist überall!
In der Residenz sitzt der König auf seinem Throne
und hält immerfort das Scepter – regiert aber nicht –
denn alle seine Untertanen sind so steif wie er selbst.
Jedoch keinem der Gelähmten geht das Bewußtsein
aus; das Gehirn arbeitet bloß etwas langsamer.
Die Augen behalten ihre Kraft.
Die Ohren hören; es ist nur nicht viel zu hören.
Lauter Salzsäulen an allen Ecken und mitten im Wege!
Lebende Salzsäulen!
Sie sitzen, als wenn sie unablässig nachdächten –
stehen, als hätten sie was vergessen – liegen, als wären sie
dabei, was Feines zu dichten – und rühren kein Glied.
Die Oberfläche der ganzen Erde ist ganz starr
geworden.
Und nach sieben Tagen wird's im Himmel abermals
finster.
Und abermals kommt ein Sturm.
Und der Sturm wirbelt die Tiere und Menschen
durcheinander wie welke Blätter.
Schornsteinfeger fallen von den Dächern; Arbeiter
und Soldaten, Frauen und Kinder rollen in den Gassen
wie Tonnen herum, wobei die Glieder abbrechen, ohne
zu bluten.
Und dann wird's wieder still,
Und allmählich verändert sich Alles.
Langsam fallen die Häuser ein.
Die Äste der Bäume fallen ab wie Eiszapfen.
Säulen platzen, Denkmäler und Türme brechen
krachend entzwei.
Und dann sickert ein dunkler Staub auf die Erde
hernieder.
Der dunkle Staub bedeckt Alles – auch die Wasser
und die Meere.
Ein andrer Komet muß wohl geplatzt sein.
Der bestaubte Erdball dreht sich weiter.
Das harte Rot
Ich stehe auf einem schwarzen Berge – und ringsum ist
Alles schwarz – das ganze Land und das ganze Meer –
schwarz!
Und der Himmel ist gleichfalls schwarz.
Und nun gehen überall am Horizonte in gleichen
Abständen rote Sonnen auf – dunkelrote Sonnen!
Aber das Land bleibt dennoch schwarz – das Meer
und der Himmel desgleichen.
Über mir gehen auch viele rote Sterne auf –
dunkelrote Sterne!
Und die roten Sonnen steigen gleichmäßig höher.
Aber nur die Sonnen und Sterne sind rot.
Ihr rotes Licht leuchtet nicht – es ist nur für sie –
nicht für uns!
Alles, was nicht Sonne und nicht Stern ist, bleibt
schwarz.
Es wird niemals anders sein.
Freunde
Sie winken und grüßen und lachen mich so lustig an, daß
ich ganz heiter werde.
Sie reichen mir auch die Hände und bewegen so
zierlich die weißen Finger.
Ich würde wohl mit denen da drüben gut auskommen
– doch sie sind ja so fern – sie stecken alle in den Wolken
– und die Wolken sind hoch.
Wenn's doch regnen möchte!
Dann müssen sie ja runterkommen!
Es regnet aber nicht.
Der Weg zur Schlachtbank
Rede eines Ochsen
»Ich bin ein großes Tier und ein gutes Tier. Ich weiß,
wohin man mich führt. Und ich habe auch nichts
dagegen. Ich bin der wahre Wohltäter der Menschheit.
Ihr gehört mein Herz – ihr gehören auch meine Nieren
und meine Schinken – und meine Knochen mit dem
herrlichen Mark! Daß man mich nicht so ehrt wie andere
Wohltäter, macht mir nichts aus. Auf Dank hab' ich nie
gerechnet. Daß man mich aber noch schlägt mit dem
Ochsenziemer – halte ich für gemein. Muß ich auch noch
zum Märtyrer werden? Wozu?«
Als nun die beiden Herren mit Lesen fertig waren, ergriff ich zuerst
das Wort, da es mich immer ärgert, wenn ich in Gegenwart Andrer
bloß zuhören soll.
»Wenn ich,« sagte ich mit scharfer Betonung jeder Silbe zum
Pyramideninspektor, »die Erde bloß für eine große
Erziehungsanstalt halten soll, so komm' ich mir dabei auch nicht
sehr geistreich vor.«
»Dazu,« versetzte der alte Ramses, »hast Du auch gar keine
Veranlassung.«
Ich wollte sofort erwidern, wurde aber durch ein merkwürdiges
Gebimmel daran verhindert; die Luft in dem schwarzen Felsensaal
schien plötzlich zu Musik zu werden; unsichtbare kleine und
größere Glocken klangen bimmelnd und brummend durcheinander
– höchst melodisch – aber höchst merkwürdig.
»Das sind unsre unsichtbaren Diener!« sagte der
Pyramideninspektor.
Und dann vernahmen wir eine helle Knabenstimme, die laut
aus den Gewölben oben zu uns hinunter rief:
»Kommen Sie nur schnell, meine Herren! Das Abendbrot ist
fertig – kommen Sie – kommen Sie – sonst werden die Kartoffeln
kalt.«
Danach verstummten die Glocken.
Und wir erhoben uns aus unseren Schaukelstühlen.
Ich war recht ärgerlich und meinte brummig:
»Diese Erinnerung an das Abendbrot macht mich nicht grade
sehr heiter, denn schön ist es wohl nicht, daß wir unser Leben durch
Essen und Trinken erhalten müssen. Und daß Sie, meine Herren,
das auch noch müssen, imponiert mir ganz und gar nicht.«
Ramses fragte mich höflich:
»Sag mal, rauchst du vielleicht gerne?«
Ich bejahte die Frage, und der Pyramideninspektor meinte drauf
ganz trocken:
»Dann können wir's ja so einrichten, daß Du Deine
Mahlzeiten rauchend einnimmst. In diesem Falle müßtest Du aber
vorher ein elektrisches Bad nehmen. Zeit wäre noch dazu, denn
unser Luftknabe behauptet regelmäßig, daß das Abendbrot fertig
sei, wenn's noch zwei Stunden hin sind.«
Ich erklärte mich selbstverständlich sehr gerne bereit, sofort ein
elektrisches Bad zu nehmen.
»Es ist aber recht schmerzhaft!« erklärte der alte Ramses.
Ich aber war neugierig und versetzte kühl:
»Das tut nichts.«
Und danach gingen wir durch einen schnurgraden erleuchteten
Felsengang, in dessen schwarzen glatten Wänden unsre Gestalten
sich deutlich widerspiegelten, zum Badezimmer.
Das Badezimmer hatte sehr viele vierkantige Säulen, die auch
schwarz waren, aber nicht spiegelten. Jede Säule war von der
nächsten oder der Wand nur zwei Meter entfernt. Sehr viele gelbe
und weiße Metallgeräte standen umher, deren Bedeutung ich nicht
verstand; dieselbe hatte auch kein Interesse für mich.
Ich wurde hier dem Oberpriester Lapapi vorgestellt, der sich
natürlich auch in der Gestalt eines Nilpferdes zeigte und ebenso wie
die beiden andern einen blauen Flanellrock trug.
Die Herren baten mich, ihnen während des Bades doch was zu
lesen zu geben.
Und während ich nun mit einer Kühnheit, die mich selber
überraschte, ins Bad stieg, lasen die drei Herren: