Читать книгу Trevellian und der Mann, der den Wind säte: Action Krimi - Pete Hackett - Страница 8

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Verhör, Spurensicherung und Fragen der Presse dauerten bis 17 Uhr. Tom Sommerby hatte es plötzlich eilig. Er wollte nur noch weg hier, wo er um ein Haar sein Leben ausgehaucht hätte. Er packte seine wenigen Habseligkeiten zusammen, zahlte an der Rezeption die Rechnung und fuhr mit dem Aufzug in die Tiefgarage. Da stand sein stahlblauer Chevy.

Er schaute sich um. Seit dem Anschlag vor drei Stunden misstraute er sogar seinem eigenen Schatten. Er war sich sicher, zu wissen, wer es auf sein Leben abgesehen hatte. Dass sie so weit gehen würden, hätte er nicht geglaubt. Im Traum hätte er nicht daran gedacht, dass Dexter Morgan seine hassvolle Prophezeiung in die Tat umsetzen würde.

Er hatte die Worte noch im Kopf, die Dexter Morgan ins Telefon brüllte: „Hören Sie endlich auf, uns die Hölle heiß zu machen, Sommerby. Ihr Sohn hatte es sich selber zuzuschreiben. Wir machen Sie kalt, wenn uns noch eine einzige Drohung ins Haus flattert. Das ist unsere letzte Warnung. Verschwinden Sie aus unserem Leben, lassen Sie uns in Ruhe. Ansonsten sind Sie ein toter Mann.“

Er, Tom Sommerby, hatte den vier ehemaligen Kumpels seines Sohnes als Antwort auf diese Drohung – diese leere Drohung, wie er meinte –, Pakete geschickt, deren Inhalt eine sauber geknüpfte Henkerschlinge war und ein Hinweis, dass sie hängen würden – genauso, wie sein Sohn gehängt worden war.

Er wollte sie nicht zur Ruhe kommen lassen.

Tom Sommerby warf die Reisetasche in den Kofferraum des Chevy, dann schwang er sich auf den Fahrersitz. Sommerby stieß zurück, legte den ersten Gang ein, den zweiten und folgte im Schritttempo den Hinweisen zur Ausfahrt.

Vor einer Schranke musste er anhalten und den Chip in einen Automaten werfen, damit die Schranke aufschwang.

In diesem Moment spürte er einen stahlharten Druck zwischen seinen Schulterblättern, eine scharfe Stimme sprang ihn an: „Ich weiß zwar nicht, wohin du fahren willst, Sommerby, aber das spielt jetzt auch keine Rolle. Denn ich werde dir sagen, wohin wir fahren.“

Erst überrollte Tom Sommerby eine Welle des Erschreckens, dann kam die kalte, verzehrende Furcht.

„Wer – wer sind Sie?“, brachte er mühsam hervor. Vergeblich versuchte er, das Zittern in seiner Stimme zu verbergen.

„Fahr weiter“, zischte der Bursche, der sich zwischen Rücksitz und Rückenlehne der vorderen Sitze versteckt hatte. Der Druck von Sommerbys Rücken verschwand. Der Bursche hinter Sommerby ließ wieder seine Stimme erklingen: „Ich werde dich durch die Rückenlehne erschießen, wenn du nicht spurst. Also, fahr los.“

„Wohin?“, entrang es sich Sommerby. Eine kalter Finger hatte sich mit hartem Druck auf sein Herz gelegt. Schweiß bildete sich in seinem Haaransatz, sein Atem ging stoßweise und flatternd.

„Zu den Chelsea Piers.“

„Was – warum – wer – wer schickt Sie? Gehören Sie zu dem Kerl – diesem Sergio Antonelli, der – der mich im Hotel umbringen sollte?“

Die Panik verzerrte Sommerbys Denken und ließ ihn keinen zusammenhängenden Satz sprechen.

„Nein. Den haben dir Morgan und O'Leary auf den Hals geschickt.“ Der geheimnisvolle Bursche hinter Sommerby lachte fast amüsiert auf. „Vor dem habe ich dich gerettet, Mann. Ich habe den Detektiv angerufen. Du bist mir was schuldig.“

Hinter ihnen hupte es anhaltend. Sommerby schaute in den Rückspiegel. Ein Auto wartete darauf, dass er weiter fuhr. Der Fahrer gestikulierte, seine Lippen bewegten sich, und es waren gewiss keine Freundlichkeiten, die er gegen die Windschutzscheibe spuckte.

Von seinem Kidnapper konnte Sommerby im Rückspiegel nichts sehen. Der kauerte hinter ihm und hielt gewiss die Pistole gegen die Rückenlehne.

Sommerby fuhr an. Er zwang sich zur Ruhe. „Wer schickt sie dann, wenn nicht diese Schufte?“ Er steuerte den Wagen zum Times Square und folgte der vierspurigen Seventh Avenue Richtung Midtown South.

Der Kidnapper lachte kehlig. „Einer, der dich lebend braucht.“

Verständnislos starrte Sommerby auf das Heck des Autos, das vor ihm fuhr. Er hatte Mühe, sich auf den Verkehr zu konzentrieren. „Ich verstehe nicht“, murmelte er.

„Das ist auch nicht notwendig.“

„Was haben Sie vor, Mister? Was soll ich bei den Chelsea Piers. Was erwartet mich dort?“

Vor ihm gingen die Bremslichter an, im letzten Moment trat auch Sommerby aufs Pedal.

„Bau nur keinen Unfall. Könnte peinlich für mich werden.“ Der Bursche im Fond des Chevy kicherte. „Was ich vorhabe? Das kann ich dir sagen, Sommerby. Ich werde dich dort auf einem alten Kahn verstecken, der etwas abseits dümpelt und vor sich hin rostet. Ja, ich werde dich so lange dort verstecken, bis du nicht mehr gebraucht wirst.“

Siedend durchfuhr eine neue Woge der Angst Tom Sommerby. „Und wenn ich nicht mehr gebraucht werde?“, stotterte er.

„Mal seh‘n.“

Der Chevy ruckte wieder an.

„Sie werden mich umbringen?“

„Wahrscheinlich. Du hast genug Unheil angerichtet.“

Sommerby zermarterte sich das Hirn nach einem Ausweg. Bremsen und aus dem Wagen springen!, überlegte er. Nein, seine Kugel ist schneller! Das Seitenfenster runter und um Hilfe schreien! Unsinn! Mein Gott! Was tun? Er versuchte es mit Bestechung.

„Ich – ich kann Sie bezahlen“, hechelte er. „Wie viel zahlt Ihnen Ihr Auftraggeber? Ich gebe Ihnen das Doppelte, wenn Sie mich laufen lassen.“

„Du könntest mir nicht mal die Hälfte bezahlen, Sommerby.“

Sommerby schwieg längere Zeit. Er steuerte den Wagen immer noch geradewegs nach Süden. Dann, als er das unerträgliche Schweigen nicht mehr aushielt: „Woher wussten Sie, dass ich mich im Marriott Marquis verkrochen hatte?“

„Bist du wirklich so naiv, Sommerby? Nachdem du die makabren Pakete mit den Hanfschlingen versandt hattest, war bei Morgan und seinen Kumpanen das Maß voll. Sie heuerten Antonelli an. Antonelli beobachtete dein Haus, ich beobachtete dein Haus und Antonelli. So landeten wir schließlich alle drei im Marriott Marquis.“

„Warum? Woher wussten Sie das mit den Schlingen, von Morgans Drohung, davon, dass sie einen Killer auf mich ansetzten?“

„Das sage ich dir vielleicht, bevor ich dich in den Hudson werfe. Sollte ich dich laufen lassen, erfährst du‘s natürlich nie. Denn du bist eine Bazille, und man wird dich nicht mehr los. Die ehemaligen Kumpels deines Sohnes können ein Lied davon singen.“

Der Unterton in der Stimme des anderen ließ schlimme Ahnungen in Tom Sommerby aufwallen. Und mehr und mehr wurde ihm klar, dass am Ende sein Tod stehen würde.

Wer hier die Drähte zog, darauf kam er nicht. Er war auch gar nicht mehr in der Lage, Ordnung in seine Gedanken zu zwingen. Sie drifteten auseinander und zur Angst gesellte sich die Verzweiflung.

Von jetzt an herrschte Schweigen zwischen ihnen.

Irgendwann gebot der Kidnapper Sommerby, nach rechts abzubiegen. Sie befanden sich auf der West 14th Street. Nach etwa anderthalb Meilen erreichten sie die Chelsea Piers.

Die Piers selbst waren zweckentfremdet worden. Sie waren umfunktioniert zum Chelsea Piers Sports & Entertainment Complex. Man hatte Cafés, Restaurants, Filmstudios und eine Reihe von Sportanlagen geschaffen, sogar eine vierstöckige Driving Range für reiche und verwöhnte Golfer.

Hier herrschte viel zu viel Leben, als dass es der Kidnapper wagen konnte, sich und Tom Sommerby zu zeigen. Er dirigierte Sommerby durch Seitenstraßen und Wege zur Twelfth Avenue und dann zu einer Bucht, in der ein alter Frachter lag, dessen Farbe einem umfassenden Rostrot gewichen war. In den Ritzen zwischen den Betonplatten auf dem Steg, an dem der Dampfer festlag, wucherte Unkraut. Hierher kam höchstens mal ein Angler – wenn überhaupt.

Am Beginn des Steges musste Sommerby anhalten und aussteigen.

Die Fondtür öffnete sich.

Jetzt konnte Sommerby seinen Entführer zum ersten Mal sehen. Es war ein mittelgroßer Mann mit dunkler Hautfarbe und gelockten, schwarzen Haaren, etwa 40 Jahre alt. Wahrscheinlich ein Puertoricaner.

Den 38er auf Sommerby gerichtet befahl er: „Vorwärts, Sommerby. Der Kahn wird in den nächsten Tagen dein Zuhause sein.“ Er grinste herablassend. „Nicht gerade komfortabel, aber du wirst ein Dach über dem Kopf haben und nicht nass, falls es regnet.“

Er trieb Sommerby vor sich her über den schmalen Pier. Es ging eine steile Steintreppe die Kaimauer hinunter, und sie befanden sich auf der unteren Betonplattform mit den soliden, aber von der Erosion zerfressenen Eisenstempeln, an denen die Schiffe vertäut wurden. Eine Brücke auf den Dampfer gab es nicht. Sie mussten springen. Der Abstand zwischen Anlegestelle und Bootsrand betrug jedoch höchstens einen Yard.

Der Puertoricaner nötigte Sommerby unter Deck. Im Maschinenraum zog er ein paar Handschellen aus der Jackentasche. Sommerby musste sich auf einen Gitterrost setzen, der wie eine Bank an der Schiffswand befestigt war. Früher war das mal eine Sitzgelegenheit für die Maschinisten. Der Puertoricaner fesselte Sommerbys rechte Hand an ein Eisenrohr, das fest am Boden verankert war und durch die Decke des Maschinenraums verschwand. Dann zündete er sich eine Zigarette an.

In Tom Sommerbys Gesicht zuckten die Muskeln. Kalter Angstschweiß rann über seine Stirn und seine Wangen.

„Ich werde jetzt dein Auto verschwinden lassen, Sommerby“, murmelte der Kidnapper und stieß eine Wolke Zigarettenrauch aus. „Und mach dir keine Hoffnungen. Hierher kommt kein Schwein. Auch Schreien wird dir nicht helfen. Aus dem Maschinenraum dringt kein Ton nach draußen.“

Er hielt Sommerby die angerauchte Zigarette hin. „Willst du?“

Sommerby schüttelte den Kopf. Sein Hals war wie zugeschnürt.

Trevellian und der Mann, der den Wind säte: Action Krimi

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