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„Wir setzen bei al-Khoi Laterna Magica ein“, gab ich zu verstehen, als wir wieder in unserem gemeinsamen Büro waren.

Laterna Magica ist eine Software, die ferngesteuert auf jeden x-beliebigen PC installiert werden kann. Das Programm erlaubt die Dekodierung und Dechiffrierung aller Daten auf dem Computer. Der betroffene Anwender merkt von der Installation nichts. Jedoch kann das FBI den gesamten Inhalt der Festplatte des Computers analysieren, sogar die verschlüsselten oder geschützten Daten. Die Software läuft unter der Kategorie Trojanisches Pferd.

„Keine schlechte Idee“, versetzte Sarah. „Das wird jedoch die Fahndungsabteilung für uns erledigen müssen.“

„In Zusammenarbeit mit Craig E. Smith, unserem Experten für Computeranlagen“, ergänzte ich. „Komm …“

Craig E. Smith sah kein besonderes Problem in der Installation des Programms auf al-Khois Computer. „Voraussetzung ist“, schränkte er jedoch ein, „dass der PC des Kurden am Netz hängt. Aber das werden wir herausfinden. Wenn ja, können wir sämtliche Daten auf seiner Festplatte scannen und uns ansehen.“

„Uns interessieren vor allen Dingen seine persönlichen Daten und die E-Mails, die der Mister versendet und erhält, sowie die Adressen, mit denen er elektronisch verkehrt. Ich denke mal, dass er nicht nur telefonisch mit den Leuten in Kontakt steht, mit denen er dubiose Geschäfte macht.“

„Wir kriegen das auf die Reihe“, versprach Smith.

Wir kehrten in unser Büro zurück. Zwanzig Minuten später wusste ich, dass al-Khoi Kunde bei ATT Wireless, der drittgrößten Telefongesellschaft der USA war. Ich bat, mir eine Liste der Telefongespräche des vergangenen Jahres, die von al-Khois Anschluss aus geführt worden waren, zusammenzustellen. „Senden Sie die Liste an das FBI New York, sechsundzwanzig Federal Plaza“, bat ich, „zu Händen Special Agent Jesse Trevellian.“

Mein Gesprächspartner sagte zu. Erst wollte er mich auf den Datenschutz verweisen, doch ich versprach ihm, mit einer Gruppe von Beamten und einem Durchsuchungsbefehl aufzukreuzen, was bei dem Schreibtischhengst sehr schnell eine Meinungsänderung hervorrief.

Nach dem Gespräch rief ich Clive Caravaggio an. Er war bereit, mir den Namen seines V-Mannes mitzuteilen. Er lautete Dan O'Leary. Ich würde O'Leary nahezu täglich ab zwanzig Uhr in einer Bar namens Eleazar in NoHo antreffen. „O'Leary ist ein mittelgroßer Bursche mit roten Haaren und tausend Sonnensprossen im Gesicht“, gab Clive noch zu verstehen. „Er sieht harmlos aus, ist aber gefährlich wie eine Klapperschlange.“

Ich bedankte mich.

„Und jetzt?“, fragte Sarah, als ich den Hörer auf den Apparat gelegt hatte und mich zurücklehnte.

„Jetzt warten wir ab und arbeiten den Papierkram auf, der auf unseren Schreibtischen herumliegt.“

Sarah zog schnitt ein wenig begeistertes Gesicht. Es war die sogenannte Ich-hab-keinen-Bock-Miene, die sie aufsetzte. „Fällt dir nichts Besseres ein?“, kaute sie hervor.

„Irgendwann müssen wir‘s schließlich tun“, antwortete ich. „Sonst nimmt der Krempel Ausmaße an …“

„Ich seh lieber mal im Zentralcomputer nach, ob es noch was über Machud al-Khoi herauszufinden gibt“, kam es von Sarah.

„Vergebliche Liebesmüh'“, widersprach ich. „Wenn der Chef das schon gecheckt hat, dann hat er nichts außer Acht gelassen. Das darfst du mir glauben.“

Achselzuckend fuhr Sarah ihr Computerterminal hoch.

„Ignorantin“, knurrte ich.

„Vier Augen sehen mehr als zwei“, konterte sie, und sie wollte damit zum Ausdruck bringen, dass Mr. McKee vielleicht doch etwas übersehen hatte, was von Bedeutung sein konnte.

Resignierend mit den Achseln zuckend schnappte ich mir eine Akte von meinem Schreibtisch und griff nach dem Diktiergerät.

Nun, auch ich war nicht begeistert. Doch ich ließ Sarah gewähren. Schließlich war ich nicht ihr Vorgesetzter. Jedes Mal, wenn mein Telefon dudelte, hoffte ich, dass Craig E. Smith am anderen Ende war, der mir mitteilte, mit wem Machud al-Khoi per E-Mail verkehrte.

Ich konnte mich nicht so recht auf die Akte vor mir konzentrieren. Eine Reihe von Gedanken gingen mir durch den Kopf. Ja, der Hass der Kurden auf Saddam Hussein war seit dem Vernichtungsfeldzug im Jahr 1988 sprichwörtlich, nachdem in der kurdischen Stadt Helabja mehr als 5.000 Menschen nach einer Giftgasattacke der irakischen Truppen getötet worden waren. Es war also nicht auszuschließen, dass Machud al-Khoi und seine Anhänger dem Präsidenten der USA einen Gefallen erweisen wollten, nachdem dieser wegen des Einsatzes im Irak gnadenlos im Kreuzfeuer der Kritiken stand. Das Auffinden großer Mengen B- und C-Waffen im Irak hätte den Präsidenten rehabilitiert und den von ihm veranlassten Krieg gerechtfertigt.

Meine Geduld wurde auf eine mehrstündige Probe gestellt. Einmal verkündete Sarah, dass es wirklich keine weiteren Erkenntnisse bezüglich Machud al-Khoi zu geben scheine.

„Sagte ich doch“, triumphierte ich. „Der Chef führt das Vier-Augen-Prinzip immer wieder ad absurdum.“ Ich grinste Sarah an.

„Das müsstest du in seiner Gegenwart zum Besten geben. Das bringt Pluspunkte.“

„Hab ich nicht nötig.“

„Ha, ha.“

Schließlich kam der erlösende Anruf. Craig E. Smith, unser Computerspezialist, sagte: „Es gibt Mails, Jesse. Insgesamt neun haben wir von der Festplatte al-Khois gezogen. Den Rest hat er gelöscht. Die Mails sind innerhalb der vergangenen zwei Wochen bei dem Kurden eingegangen. Er selbst hat drei elektronische Nachrichten versandt. Ich sende dir die Mails.“

„Hervorragende Arbeit, Craig“, lobte ich.

„Man tut, was man kann“, erwiderte Smith lachend. „Solltest du sonst noch Wünsche haben, du weißt, du kannst dich an mich wenden, Jesse.“

„Natürlich. Danke, Craig.“

Es knackte in der Leitung. Ich legte den Hörer auf. Wenig später kündigte ein spezieller Ton meines PC an, dass eine E-Mail eingetroffen war. Ich öffnete den elektronischen Postkasten. Es war die Mail von Craig E. Smith. Zunächst einmal leitete ich sie weiter an Sarahs E-Mail-Adresse. Die Anlagen zu speichern und die erste der Dateien zu öffnen, war die Sache weniger Minuten.

Zwei der Mails, die al-Khoi versandt hatte, gingen an einen gewissen Abdelmajid Abbas, das dritte an einen Jig Sugar. Empfangen hatte al-Khoi Mails ebenfalls von Abbas und Sugar, darüber hinaus von einem Gamil Taimur und einem Mann namens Frank Kellerman.

Die Text der Mails jedoch waren – auf den ersten Blick – nichtssagend und unverfänglich. Da tauchten Sätze auf wie „Mutter war einkaufen, der Kühlschrank ist voll, der Umzug steht bevor, der Kühlschrank ist zu entleeren, damit er neu gefüllt werden kann“.

Sarah und ich kamen zu dem Schluss, dass mit Mutter derjenige gemeint war, der die B- und C-Waffen erwarb, wahrscheinlich Machud al-Khoi. Der Kühlschrank konnte das Gebäude sein, in dem die Waffen gelagert worden waren, möglicherweise war damit auch das Schiff gemeint, mit dem Sie in Richtung Irak auf Reisen gingen. Der Umzug war Synonym für die Versendung in den Irak.

Das stand zu meiner und zu Sarahs Überzeugung fest.

„Abdelmajid Abbas“, sagte ich, „Jig Sugar, Gamil Taimur, Frank Kellerman …“ Ich schaute Sarah an. „Vielleicht sollten wir versuchen, herauszufinden, wo wir diese Gentlemen erreichen können, und was der Computer über sie ausspuckt.“

Gamil Taimur war ein Iraker kurdischer Abstammung, wie auch al-Khoi. Er lebte in New Jersey, Abdelmajid Abbas war Iraker. Er verfügte über eine Wohnung in Clinton, Manhattan.

Von Jig Sugar und Kellerman fanden wir weder im New Yorker Telefonbuch noch im Adressbuch einen Eintrag. Also fütterten wir den Computer. Wobei sowohl Sarah wie auch mich der Name Jig Sugar ziemlich außergewöhnlich anmutete.

Kellerman war Diplom-Chemiker. Er war in dieser Eigenschaft bei USAMRIID (US Army Medical Research Institute of Infectious Diseases) in Fort Detrick, Maryland, beschäftigt. Es handelt sich hierbei um das Zentrum der medizinischen B-Waffen-Defensivforschung in den USA.

Auf Jig Sugar gab es nirgends einen Hinweis.

Ein wenig ratlos nagte ich auf meiner Unterlippe herum. Sarah meinte: „Wir sollten uns vielleicht mal Dan O'Leary, diesen V-Mann, zur Brust nehmen. Vielleicht fällt ihm noch etwas ein zu der ganzen Angelegenheit. Vor allen Dingen wäre es interessant zu erfahren, wie er zu seinen Informationen gekommen ist.“

„Wir müssen auf den Abend warten“, sagte ich. „Dann treffen wir ihn wahrscheinlich in der Eleazar Bar an.“

Wenige Stunden später hielten wir in dem zwielichtigen Etablissement Ausschau nach einem mittelgroßen Burschen mit roten Haaren und tausend Sonnensprossen im Gesicht. So hatte ihn uns Clive Caravaggio beschrieben.

Ich entdeckte den Knaben am Pool-Billard-Tisch. Er lieferte sich mit einem hageren, wenig Vertrauen erweckenden Burschen ein Match. Soeben versenkte er mit einem Stoß zwei der farbigen Kugeln.

Das Publikum in dieser Bar gefiel mir ganz und gar nicht. Zigarettenqualm trieb unter der Decke und schlingerte um die Lichtquellen. Sarah und ich wurden angestarrt und eingeschätzt. Meine Kollegin trug Jeans und eine Lederjacke. Ich eine Kombination; schwarze Hose, beigefarbene Jacke. Vor allem ich fiel mit meinem Outfit auf.

„Hier stinkt‘s nach Bullen!“, röhrte ein Organ einige Tische von uns entfernt. „Oder hab ich was an der Nase?“

Sarah und ich schritten an der Theke entlang in den hinteren Teil der Bar. Wir nahmen Dan O'Leary gewissermaßen in die Zange. Erst, als wir ihn zwischen uns hatten, schien er uns wahrzunehmen.

Der Hagere, mit dem er Billard spielte, fixierte uns unter zusammengeschobenen Brauen hervor. Er hatte sich den Queue auf die Schulter gelegt.

„Heh, was seid ihr für welche?“, entfuhr es Dan O'Leary. Unruhig sprang sein Blick zwischen Sarah und mir hin und her. Sein Blick war unstet. Er mutete an, als wäre er auf dem Sprung, als wollte er im nächsten Moment die Flucht ergreifen.

„FBI“, stellte ich uns vor. „Die Special Agents Anderson und Trevellian. Wir möchten mit Ihnen reden, O'Leary. Wo sind wir ungestört?“

Dan O'Leary zog den Kopf zwischen die Schultern. Die Unrast, die er verströmte, schien sich zu intensivieren. „Ich wüsste nicht, was ich mit euch zu reden hätte. FBI – Großer Gott, ich hab nichts ausgefressen …“

„Darum geht es nicht“, unterbrach ich ihn. „Dennoch können Sie uns womöglich helfen.“

„Heh, ihr elenden Schnüffler!“, schrie jemand an einem der Tische. Er war im diffusen Licht nur schlecht zu erkennen. „Lasst Dan in Ruhe. Wenn alle so harmlos wären wie er …“

„Gehen wir, O'Leary“, sagte ich. „Wir reden im Auto.“

Ich nahm dem Burschen den Queue aus der Hand, legte ihn auf den Billardtisch und griff nach O'Learys Oberarm. Doch der Bursche entwand sich meinem Griff. Seine Augen versprühten Blitze, aber er sagte nichts.

„Gehen Sie schon“, stieß ich hervor und wies zum Ausgang.

Wir setzten uns in Bewegung. Doch an einem der Tische erhob sich ein vierschrötiger Mister. Er kam schnell heran und baute sich vor O'Leary auf, stemmte die Arme in seine Seiten und grunzte:

„Was wollt ihr denn von O'Leary? Habt ihr ‘nen Haftbefehl, aufgrund dessen ihr ihn mitnehmen dürft? Oder was sonst gibt euch das Recht, ihn einfach hops zu nehmen? Er ist kein Orientale, der aufgrund seiner Herkunft schon von euch verhaftet werden darf. Er ist freier Amerikaner.“

„Mann“, kam es von Sarah, „was reden Sie für einen Mist. Gehen Sie aus dem Weg. Wir haben einige Fragen an Mr. O'Leary, und wenn er sie uns beantwortet hat, darf er weiter Billard spielen.“

„Wie großzügig“, höhnte der Vierschrötige.

Der Bursche war ziemlich angesäuselt. Es bedurfte keines großen Spürsinns, um zu erkennen, dass er gewaltig einen in der Krone hatte. Darum sagte ich fast sanft: „Gehen Sie zur Seite, Mann, und behindern Sie uns nicht in der Ausübung unserer dienstlichen Pflichten. Es kann dumm für Sie ausgehen.“

Aber der Knabe war nicht von seinem Entschluss abzubringen, sich mit uns anzulegen. Mit der den Betrunkenen eigenen Sturheit bettelte er geradezu um einen Satz heißer Ohren. Er grollte mit schwerer Zunge: „Du willst mir doch nicht etwa drohen, Bulle? Heh, ich habe hier ein Heimspiel. Deine nette Begleiterin könnte mir doch, wenn ich mit fertig bin, ein …“

Ich schob kurzerhand O'Leary beiseite und trat schnell zwei Schritte vor. Jetzt stand ich vor dem Großmaul. Der Grobschlächtige brach ab und prallte etwas zurück. Aber da hatte ich ihn schon mit beiden Händen an der Hemdbrust. „Geh zur Seite“, warnte ich. „Ein weiteres Mal bitte ich dich nicht mehr. Also …“

Ein Keuchen kam aus seiner Brust, seine Alkoholfahne schlug mir ins Gesicht, er wollte meine Arme zur Seite schlagen. Aber da setzte ich schon einen Fußfeger an. Es sah aus, als würde er plötzlich im Fußboden verschwunden. Er ging nieder und setzte sich auf den Hintern. Aus unterlaufenen Augen, mit dem stieren Ausdruck tiefer Ungläubigkeit starrte er zu mir in die Höhe.

Raunen und Flüstern ging durch die Bar. Stuhlbeine scharrten. Ich schaute mich schnell um. Einige der Kerle erhoben sich.

„Du solltest aus dieser Lektion lernen“, mahnte ich den Burschen am Fußboden, dann packte ich O'Leary am Oberarm und zerrte ihn hinter mir her.

Etwas Bedrohliches, Unheilvolles ging von den Kerlen aus, die sich von allen Seiten heranschoben. Ein mulmiges Gefühl wollte mich beschleichen. Da hörte ich Sarah mit klirrendem Organ rufen: „Bleibt, wo ihr seid. Wer einen polizeilichen Einsatz behindert, wandert ohne Pardon in den Knast. Die ganz besonders Unbelehrbaren fangen vielleicht sogar eine Kugel ein.“

Die Kerle hielten an. Es war, als bannte sie der klirrende Tonfall meiner Kollegin.

Ich bugsierte Dan O'Leary ins Freie.

Trevellian und das Phantom: Action Krimi

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