Читать книгу Trevellian und die Toten von Queens: Action Krimi - Pete Hackett - Страница 9
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Оглавление»Ihr Mann hat das Gebäude in Queens geplant, das kürzlich einstürzte«, begann ich. »Ich denke, Sie haben von der Katastrophe gehört oder gelesen.«
»An Tragik kaum zu überbieten«, murmelte die Witwe und senkte den Blick. Dann zuckte sie mit den Schultern. »Ich weiß nicht, welche Projekte im Einzelnen mein Mann geplant hatte. Er hat über seine Arbeit nie mit mir gesprochen.«
»Arbeitete Ihr Mann alleine oder gab es einen Kompagnon?«, wollte Milo wissen.
»Er hatte einige Angestellte«, versetzte die Frau. »Nach dem Tod meines Mannes wurde das Büro aufgelöst. Ich habe die Beschäftigten großzügig abgefunden.«
»Sprach Ihr Mann kurz vor seinem Tod darüber, dass er hereingelegt worden sei?«
Mrs. Desmond dachte kurz nach. Dann schüttelte sie den Kopf. »Ich kann mich nicht erinnern.« Und nach erneuter kurzer Überlegung fügte sie hinzu: »Nein, darüber sprach er nicht. Nur einmal deutete er an, dass sich seine Zusammenarbeit mit der Seymour-Bau Ltd. künftig wohl ziemlich intensivieren dürfte.«
»Mehr sagte er nicht?«
»Nein. Ich fragte auch nicht.«
»Gibt es noch die Unterlagen, die damals im Büro Ihres Mannes aufbewahrt wurden? Ich meine die Akten in Bezug auf die Projekte, die er leitete?«
»Ja. Sie wurden von der Nachfolgefirma meines Mannes übernommen.«
»Stiller & Partner?«
»Ja. Das Büro befindet sich in der Albany Street.«
Wir verließen Mrs. Desmond wieder, nachdem wir keine Fragen mehr an sie hatten, und suchten das Architekturbüro Stiller & Partner auf. Man händigte uns ohne großes Wenn und Aber die Akte bezüglich der Planung des Gebäudes in Queens aus, und wir fuhren damit ins Federal Building.
Dort führten wir uns die Akte zu Gemüte. Sie beinhaltete eine Reihe von Gutachten, Berechnungen und Zeichnungen. Für uns größtenteils spanische Dörfer. Also beschlossen wir, die Gutachten abzuwarten.
Es gab außerdem noch ein paar Leute, mit denen wir uns unterhalten wollten. Da war zunächst Alfred Taylor, der Ingenieur, der die Bauarbeiten vor Ort leitete. Nach ihm wollten wir uns mit Stanley Wallace befassen, dem Besitzer des Gebäudes.
Ehe wir uns aber mit Taylor beschäftigten, meldeten wir uns bei Mr. McKee an. Er lud uns ein, sofort zu ihm zu kommen. Wenig später saßen wir an dem kleinen Konferenztisch in seinem Büro. Er hatte die Ellenbogen auf den Schreibtisch gestellt und die Finger seiner feingliedrigen Hände ineinander verschränkt. Da Mr. McKee wusste, woran wir arbeiteten, musste ich nicht weit ausholen sondern konnte gleich auf den Punkt kommen.
»Wir haben sowohl mit Stewart Seymour von der Seymour-Baugesellschaft wie auch mit Dan Wolters gesprochen, der damals die statischen Berechnungen durchführte«, erklärte ich. »Jeder weist jedwede Schuld von sich. Aber das war wohl nicht anders zu erwarten.«
Milo übernahm es, den Chef mit Details zu bedienen.
»Jemand trägt die Schuld am Einsturz des Gebäudes«, sagte Mr. McKee, als Milo geendet hatte, und verlieh seinen Worten eine besondere Betonung. »Was zu der Katastrophe führte, ist zwar noch unklar, aber die Palette der Verantwortlichkeiten reicht von leichter Fahrlässigkeit bis hin zum Vorsatz. Ein Bau, der den baulichen Vorschriften entsprechend erstellt worden ist, stürzt nicht so mir nichts dir nichts nach vier Jahren ein.« Die Stimme des Assistant Directors sank herab. »Es hat viele Tote und Verletzte gegeben. Ich will, dass der Schuldige an diesem Drama zur Verantwortung gezogen wird.«
»Wir werden unser Möglichstes tun, Sir«, versicherte ich. »Zunächst einmal aber müssen wir die gutachterlichen Stellungnahmen abwarten. Erst wenn feststeht, worauf der Einsturz zurückzuführen ist, haben wir einen Hebel, den wir ansetzen können.«
»Es wird eine Pressekonferenz geben. Der Einsturz des Gebäudes hat weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Wir stehen im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Sie wissen, was ich damit zum Ausdruck bringen möchte.«
»Natürlich«, antworteten wir in Stereo und erhoben uns. Wir waren entlassen.
Ich vermutete, dass Mr. McKee von Washington aus unter Druck gesetzt worden war. Das FBI New York sollte der amerikanischen Öffentlichkeit, nein, der ganzen Welt, einen Schuldigen an der Katastrophe in Queens präsentieren. Und auf das Hauptquartier in Washington übte sicher das Justizministerium Druck aus, vielleicht sogar der Präsident der USA.
Das hieß, dass wir uns in Zugzwang befanden. Aber wer uns kennt, der weiß, dass wir nicht ruhten, bis wir Licht ins Dunkel gebracht hatten – was immer es auch war, das uns in Atem hielt, und ohne Rücksicht auf das Ansehen der Person.
Ich telefonierte mit der Seymour-Bau Ltd. und erfuhr, dass Alfred Taylor auf einer Baustelle in Westchester County beschäftigt war, genauer gesagt in der Hayward Street, Stadtteil Yonkers. Es handelte sich um ein Mehrfamilienhaus. Als wir das Federal Building verließen, um nach Yonkers zu fahren, war es 15 Uhr vorbei.
Nach 16 Uhr erreichten wir unser Ziel. Das Gebäude, das in der Hayward Street errichtet wurde, sollte eine Baulücke schließen. Es stand bereits bis zum dritten Stockwerk im Rohbau. Ein Kran stand auf der Straße und sorgte für eine Engstelle.
Ich stellte den Wagen ab und wir suchten uns ein Lücke in der Umzäunung aus Drahtgeflecht-Fertigteilen, durch die wir die Baustelle betreten konnten. Milo fragte den Mann, der die Fernbedienung für den Kran bediente, nach Taylor. Er schickte uns zu einer Bauhütte im Hinterhof. Wir trafen dort zwei Männer an. Sie trugen gelbe Schutzhelme. Beide waren mit blauen Overalls bekleidet. Sie standen über einen Schreibtisch gebeugt und vor ihnen lag ein Bauplan, sicherlich der Plan für das Gebäude, das sie hier errichteten.
Jetzt wandten sie sich uns zu.
»Wir suchen Mr. Taylor«, erklärte ich, nachdem ich gegrüßt hatte.
»Das bin ich«, sagte einer der beiden, ein schlanker Mann mit einem schwarzen Schnurrbart und einem wettergegerbten Gesicht. Man sah ihm an, dass er die meiste Zeit an der frischen Luft tätig war. »Was gibt es denn?«
»Mein Name ist Trevellian«, stellte ich mich vor. »Special Agent, FBI New York.« Ich wies mit einer knappen Geste auf Milo. »Special Agent Tucker. Wir haben einige Fragen an Sie.«
Sein Gesicht verschloss sich. Seine Brauen schoben sich zusammen, und über seiner Nasenwurzel bildeten sich zwei senkrechte Falten. »Es ist wegen des Gebäudeeinsturzes in Queens, nicht wahr?«
Ich nickte.
Taylor verzog den Mund. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass ihn unser Besuch wenig erfreute. »Was möchten Sie denn wissen? Ich denke, ich habe schon alles Ihren Kollegen vom Police Department gesagt.«
»Sicher, Mr. Taylor. Aber vielleicht gibt es doch noch die eine oder andere Frage, außerdem wollen wir uns selbst ein Bild verschaffen. Trockene Protokolle, die möglicherweise wichtige Fragen offen lassen, sind dazu nicht geeignet.«
Taylor schaute den anderen Mann an. »Okay, Jim. Wir machen es wie besprochen. Mit dem Architekten kläre ich es noch ab.«
Der Bursche hob die Hand zum Zeichen dafür, dass er verstanden hatte, dann verließ er die Baubude. Taylor setzte sich auf die Kante des Schreibtisches und verschränkte die Arme vor der Brust. In seinen Mundwinkeln zuckte es. »Womit kann ich dienen?« Seine Stimme klang plötzlich belegt.
Ich hatte das Gefühl, dass er sich dazu zwang, locker und aufgeschlossen zu wirken. Nervös nagte er an seiner Unterlippe. In seinen Augen war ein unruhiges Flackern. Hatte ihn die Tatsache, dass wir vom FBI waren, so sehr aus der Ruhe gebracht, oder gab es einen anderen Grund?
»Sie leiteten damals die Bauarbeiten«, begann ich.
»Ja.« Er nahm die Arme aus der Verschränkung und stemmte sie zu seinen beiden Seiten auf die Schreibtischplatte, schob das Kinn vor und blaffte: »Und kommen Sie mir nicht mit baulichen Mängeln, die zu dem Einsturz geführt haben. Wir haben den Bau ordnungsgemäß hochgezogen und …«
»Niemand behauptet, dass das nicht so wäre«, unterbrach ich ihn. »Unsere Fragen entbehren jeglicher Schuldzuweisung. Wobei erste Feststellungen ergeben haben, dass der Beton, aus dem das Gebäude zu großen Teilen errichtet worden war, ziemlich porös sein soll.«
»Ich kann dazu nichts sagen.« Er rutschte von der Schreibtischkante, ging hinter den Schreibtisch und setzte sich auf den Drehstuhl, der dort stand. Wo seine Hände die Kante der Schreibtischplatte umklammert hatten, waren feuchte Stellen zurückgeblieben. »Der Beton, der verwendet wurde, entspricht den Anforderungen. Er wurde in fertigem Zustand angeliefert. Die Bewehrung mit Stahl wurde ordnungsgemäß erledigt. Der Beton wurde durch Rütteln verdichtet. So vermeidet man Hohlräume zwischen den Gesteinskörnungen und Lunker (Hohlräume in Gussstücken) zwischen Beton und Schalung und zwischen den Stahleinlagen.«
»Ich nehme an, dass es Beton in verschiedenen Güteklassen gibt«, ließ Milo seine Stimme erklingen.
»Klar. Man nennt dies Betonfestigkeitsklasse. Je größer die Zugabemenge der Zuschläge, umso magerer wird der Beton, umso schlechter und billiger ist er.«
»Beton welcher Klasse wurde für den Bau verwendet?«
»Das weiß ich leider nicht mehr. Ihnen ist sicher auch nicht geholfen, wenn ich jetzt große Ausführungen zu den Betonfestigkeitsklassen mache. Sicher ist, dass kein minderwertiger Beton verwendet wurde, sondern den geltenden Normen entsprechendes Material. Aber das wird das Gutachten ergeben.«
»Ihr Chef meint, dass der Untergrund nachgegeben hat.«
»Mr. Seymour und ich haben uns darüber ausführlich unterhalten. Eine andere Erklärung gibt es nicht.«
»Damit wäre die Seymour-Bau aus dem Schneider«, meinte Milo.
Darauf gab Taylor keine Antwort. Er vermied es aber auch, mich oder Milo anzusehen. Fahrig wischte er sich mit Daumen und Zeigefinger seiner Rechten über das Kinn. Immer wieder schluckte er. Dieser Mann war die personifizierte Unruhe.
»Hatten Sie die Verantwortung für die ordnungsgemäße Armierung?«
Taylor nickte. »Ich war verantwortlicher Bauleiter. Aber das wissen Sie sicher.«
Er zeigte sich jetzt nach außen hin ziemlich trotzig und unnahbar, konnte aber nicht verbergen, dass er innerlich vibrierte. Nun, wir hatten nicht erwartet, Dinge zu erfahren, die uns weitergebracht hätten. Wenn schlechter Beton verwendet wurde, dann würde das sicher keiner der Verantwortlichen zugeben. Außerdem würden wir dann andere Wege beschreiten müssen. Die Frage war dann, wer den Beton bei der Mischanlage angefordert und die zu liefernde Festigkeitsklasse bestimmt hatte.
Uns ging es im Moment nur darum, die Männer persönlich kennenzulernen, die an dem Bau maßgeblich beteiligt waren, ihre Reaktionen zu beobachten und einzuschätzen und uns einen groben Überblick über die Möglichkeiten zu verschaffen, die einen Gebäudeeinsturz auslösen können.
Ich gab Taylor eine von meinen Visitenkarten, dann verließen wir seine Wohnung.
In der Sammlung der maßgeblich am Bau beteiligten Männer fehlte uns fürs Erste nur noch der Bauherr. Wir wussten, dass er Stan Wallace hieß, Multimillionär war und in Brooklyn wohnte, nahe beim Lindbergh Park, mit Ausblick auf die Gravesend Bay; eine Wohngegend, die für Normalsterbliche wie Milo und mich aufgrund unerschwinglicher Grundstückspreise tabu war.
Den Besuch bei ihm wollten wir uns für den kommenden Tag aufheben.