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Das Pferd als Freizeitpartner Neue Aufgaben, neue Lasten

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Der Mensch wählt sich das Pferd – oder wählt sich das Pferd den Menschen?

„ Das Sein des Pferdes im Hier und Jetzt ist ein Geschenk, das uns Menschen lehrt, was Leben bedeutet.

Heute gibt es vor allem in Europa kaum noch Pferde, die für ihren und den Lebensunterhalt ihres Besitzers arbeiten müssen, wenn man von wenigen Kutsch- und Rückepferden absieht. Selbst für den professionellen Pferdesport gilt letztlich dasselbe wie für jeden sogenannten Freizeitreiter: Wir in Deutschland – und in großen Teilen Mitteleuropas – halten Pferde zur persönlichen Freude, nicht weil wir es müssen. Damit ersparen wir ihnen die kraftzehrende Arbeit vor Pflug und Wagen, die Dunkelheit und Enge in den Bergwerksgängen unter Tage, die Gefahren und das Leid auf dem Schlachtfeld. All das müssen unsere Pferde heute nicht mehr ertragen. Im Gegenteil, selten haben Menschen sich intensiver mit Pferden und ihren Bedürfnissen beschäftigt als heute. Ihre Versorgungslage ist besser denn je, die Tiermedizin befindet sich auf nie gekannten Höhen; es gibt ein weit gefächertes Feld von Spezialisten für alle Lebenslagen, in die ein Pferd gelangen kann. Die Palette reicht vom Tierarzt über den Pferdedentisten, Hufbearbeiter, Hufschmied, Osteopath, Chiropraktiker, Futterberater, Reitsportartikelhersteller, Reittrainer, Pferdewirtschafter bis zum alternativen Heiltherapeuten, Verhaltenstherapeuten, Tierkommunikator und so weiter. Unser Wissen um das Wesen Pferd ist – allen gelebten Alltagserfahrungen voriger Generationen zum Trotz6 – umfangreicher und tiefer denn je. Eigentlich müssten es den geschätzten 1,1 Millionen Pferden in Deutschland und ihren Abermillionen Verwandten auf dem Globus glänzend gehen. Eigentlich. Denn wir bürden ihnen ganz neue Lasten auf, an denen sie mitunter schwer zu tragen haben.

Dem zugrunde liegt der völlige Wandel unserer gesamten Lebenswelt. Statt schwer körperlich zu arbeiten, verdienen die meisten von uns ihren Lebensunterhalt heute sitzend vor einem Computer. Gaben früher Werkssirene und Maschinen den Takt des Lebens vor, bestimmen heute digitale Zeitgeber unseren Alltag. Oder sind es doch eher Zeitfresser, die unsere Arbeit unterbrechen, unsere Muße- und Erholungszeit stören und die uns zur Verfügung stehende Zeit in immer kleinere Einheiten zerlegen? Viele Menschen fühlen sich heute gehetzt, sind ständig auf dem Sprung, in Auto, Zug oder Bahn unterwegs von A nach B, ständig über Smartphone und E-Mail erreichbar. Hinzu kommt das Gefühl, ständig mehr leisten zu müssen, immer besser und effektiver zu werden – nicht nur im Beruf, sondern auch im Privatleben. Wir leiden unter Freizeitstress, etwas, das vor 100 Jahren niemand verstanden hätte. Denn erstens war die Freizeit knapp bemessen – den arbeitsfreien Samstag gibt es beispielsweise erst seit 1967 –, und zweitens war die Zahl der Freizeitangebote stark begrenzt. Fußball am Samstag, Kirche am Sonntag, unter der Woche vielleicht mal Kino oder Gesangsverein. Heute ist das Angebot so unüberschaubar, dass es uns oft überfordert und unzufrieden macht. Wer sich für ein Angebot entscheidet, ist innerlich schon unsicher, ob es woanders nicht noch etwas Tolleres gegeben hätte, mit dem man vor Freunden und Kollegen prahlen könnte. So wird der Erlebnishunger zwar gestillt, aber ein wohliges Sättigungsgefühl stellt sich nicht ein. Stattdessen hetzen viele von uns dem nächsten Höhepunkt hinterher, unfähig, uns zu entspannen und den Moment zu genießen. Das ist etwas, was wir wieder vom Pferd lernen können. Wir haben die Uhren, das Pferd hat die Zeit. Denn es lebt im Moment, in einem Augenblick aufgeregt ängstlich, im nächsten schon wieder friedlich grasend.

Wenn wir es denn lassen. Denn unsere innerlichen Befindlichkeiten – Hast, Unrast, Unzufriedenheit, Beziehungslosigkeit und vieles andere – übertragen wir auf unsere Pferde. Viele Reiter wollen Erfolge, aber sofort. Und verdrängen, dass vor der Piaffe Jahre der Grundausbildung absolviert werden müssen. Wir erwarten, dass sich unser Pferd uns in jeder Sekunde zuwendet, und tippen beim Reiten auf dem Smartphone herum. Wir wünschen uns, dass unser Pferd uns liebt wie ein menschlicher Partner, und vergessen dabei, dass der beste Partner für ein Pferd immer ein anderes Pferd ist. Wir beichten ihm in der Box unsere Sorgen und Sehnsüchte und ignorieren dabei seine eigenen Bedürfnisse nach einem artgerechten Leben. Kurz: Pferde sind heute unsere Psychiater, Therapeuten, Kinder- und Partnerersatz, Sportgeräte und Renommierstücke. Für keine dieser Aufgaben sind sie gemacht. Pferde sind Pferde, so schlicht und einfach. Wenn wir sie so wahrnehmen und entsprechend mit ihnen umgehen, werden sie zu echten Partnern. Und wir als Menschen wieder etwas gelassener und zufriedener.

6Es ist eine weitverbreitete Annahme, dass frühere Generationen deutlich mehr von und um das Pferd wussten als heutige Pferdebesitzer, die ihr Wissen oft aus Büchern und Zeitschriften beziehen. Das ist eine romantisierende Sichtweise. Andernfalls wären die Gesellschaften, in denen heute noch Pferde und Esel eine zentrale Rolle im Alltag spielen, ein unerschöpflicher Hort des praktischen Pferdewissens. Das Gegenteil ist der Fall: Oft fehlen schon einfachste Grundkenntnisse über den Umgang mit den Tieren. Dieser wird schlicht von der alltäglichen Not diktiert. Eine Erfahrung, die auch in der westlichen Welt noch nicht lange zurückliegt.

Die Kraft der Pferd-Mensch-Beziehung

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