Читать книгу Atlan 649: Freiheit für Bars-2-Bars - Peter Griese - Страница 5

2.

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Die letzten Zweifel waren ausgeräumt. Das gewaltige Ding, das sich der SOL näherte, war Wöbbeking-Nar'Bon, das mächtige Wesen, das aus dem winzigen positiven Kern der Superintelligenz Anti-ES hervorgegangen war.

Ich wusste nicht, ob ich mich über das Erscheinen unseres Freundes freuen konnte und durfte, denn zu deutlich erinnerte ich mich noch an die Warnung, die aus Wöbbekings Worten gesprochen hatte. Er würde sich den Geschehnissen in Bars-2-Bars nicht mehr länger entziehen können. Er musste sich zeigen und stellen.

Aus all dem hatte eine tiefe Niedergeschlagenheit gesprochen. Das konnte ich trotz der Teilerfolge, die wir errungen hatten, nicht vergessen. Wir hatten die Kerntruppe des Arsenals, der rekrutierten Hilfstruppe von Anti-ES, nicht nur zerschlagen, sondern auch für uns wiedergewinnen können. Vor allem Tyari und Mjailam waren nun von jedem Zwang der Penetranz befreit und an Bord der SOL. Damit waren die Sprösslinge der übergreifenden galaktischen Geisteskomponenten Tyar und Prezzar beide auf meiner Seite.

Wöbbekings Verhalten, sein Versteckspiel und seine nie ganz eindeutigen Mitteilungen konnte ich nun leicht in eine verständliche Sprache übertragen. Das Ergebnis war nicht gerade ermutigend.

Aus den Ereignissen in der Doppelgalaxis Bars-2-Bars hatte ich erfahren, welches Ziel Anti-ES wirklich verfolgte und welche Hindernisse es dabei aus dem Weg räumen musste. Dass es seine persönliche Freiheit mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln anstrebte, wusste ich aus den Reinkarnationserlebnissen. Dass es für diese Freiheit und seine zukünftigen Pläne komplett sein musste, war mir auch seit längerer Zeit klar. Die Bemühungen der negativen Superintelligenz zielten also zunächst auf die Rückgewinnung und Wiedereinverleibung von Wöbbeking. Dass sich dieser im Lauf der Zeit zumindest äußerlich wesentlich verändert hatte, schien dabei keine Bedeutung zu besitzen.

Anti-ES zog also seit langem die Fäden, um Wöbbeking-Nar'Bon anzulocken. In Xiinx-Markant war er fast am Ziel gewesen. Nur durch das unkontrollierte Eingreifen unserer Emotionautin Cara Doz war Wöbbeking dort der vorbereiteten Falle noch einmal entgangen.

Der Hass auf die SOL und auf mich musste für Anti-ES dadurch nur noch größer geworden sein. So bestand für mich kein Zweifel daran, dass es plante, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Und das sah so aus: Es würde die SOL endgültig an den Rand des Untergangs bringen, um Wöbbeking an einen Ort zu locken, wo es sich seiner bemächtigen konnte. Dass Anti-ES an Macht dem Riesenei überlegen war, hatte dieses selbst gesagt. Selbst wenn Hayes und ich die SOL aus allem herausgehalten hätten, hätte uns Anti-ES aus puren Rachegedanken oder aus der Furcht, wir könnten ihm noch einmal einen Streich spielen, vernichten lassen. Insofern war der doppelte Plan der verbannten Superintelligenz für uns ein Stück Lebensverlängerung. Anti-ES spielte mit uns wie mit einem Fisch an der Angel, um mit diesem Fischlein, der SOL, ein noch größeres, nämlich Wöbbeking, einzufangen.

Es war niederschmetternd, diese Einsicht einzugestehen, denn schließlich waren rund 100.000 Solaner davon betroffen.

Es war noch niederschmetternder, Wöbbekings Resignation zu erleben. Er war das eigentliche Opfer, und dieses hatte sich nun praktisch aufgegeben. Nichts anderes konnte das Erscheinen des riesigen Gasballs bedeuten, in dessen Mitte das vergleichsweise kleine Ei aus Jenseitsmaterie durch den Raum glitt.

Eigentlich konnte ich mir das weitere Geschehen recht genau ausrechnen. Das Junk-System, an dessen Rand wir nun standen und in dem wir so etwas wie den Hauptnabel, die Verbindungsstelle zwischen Bars-2-Bars und der Namenlosen Zone, vermuteten, stellte in noch unbekannter Form die neuerliche Falle für Wöbbeking-Nar'Bon dar. Hier würde die Entscheidung zwischen ihm und Anti-ES fallen. Wie sie aussehen würde, war klar, denn der merkwürdige Unnahbare namens Parzelle hatte mir verraten, dass Anti-ES für 100 Stunden die völlige Freiheit aus der Verbannung erhalten würde.

Der Sinn dieser Maßnahme, die nur von den Kosmokraten veranlasst worden sein konnte, war mir weiterhin schleierhaft. Die gesetzte Frist erlaubte aber nur den logischen Schluss, dass hier die Entscheidung fallen musste.

Was hält dich hier also noch?, drängte der Logiksektor. Du weißt, dass die SOL und du die Opfer dieses Geschehens sein werden.

Ich gab ihm keine direkte Antwort, denn meine Gefühle konnte ich dem Extrasinn schlecht erklären. Es war nicht nur der Auftrag der Kosmokraten, der mich in Besitz genommen hatte, und der in verallgemeinerter Form lautete, mich stets für die positiven Kräfte des Universums einzusetzen. Es war auch mein eigener und ganz persönlicher Wille, so zu handeln. Und es war Tyari, die ich mehr liebte, als ich je eine Frau geliebt hatte. Sie wollte in die Nähe der geheimnisvollen Junk-Station, und ich wollte nicht von ihrer Seite weichen.

Dass sie dabei nur einem Antrieb folgte, für den letztlich nur Tyar selbst verantwortlich sein konnte, spielte bei meinen Gefühlen keine Rolle. Sie war da! Und dort wollte sie hin! Einmal hatte ich sie auf Anterf gehen lassen, weil ich mir meiner Gefühle nicht sicher gewesen war. Das war jetzt anders. Ich würde ihr folgen, und sei es in die Hölle selbst.

Und es gab noch einen anderen Grund. Anti-ES war für mich identisch mit den Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst. Dahinter verbarg sich ganz konkret der Auftrag der Kosmokraten. Ich hatte diese Daten verloren, also musste ich sie wieder in meinen Besitz bringen.

Du verhältst dich ziemlich egoistisch und rücksichtslos gegenüber den Solanern, warnte der Extrasinn. Du benutzt sie, um deine Ziele zu erreichen. Nach dem, was sie wollen, hast du schon lange nicht mehr gefragt. Hast du je daran gedacht, dass du eines Tages dafür die Quittung bekommen könntest?

Ich biss die Zähne zusammen, denn diesen Vorwurf konnte ich nicht ohne weiteres von mir weisen.

»Sie haben eine große Begeisterung entwickelt«, entgegnete ich dann kaum hörbar. Der Logiksektor konnte mich auch ohne gesprochenes Wort verstehen, aber ich wollte mich selbst reden hören. »Sie folgten mir freiwillig. Ich habe sie nicht gezwungen.«

Sie hatten gar keine andere Wahl! Du hast sie aus dem Chaos der Diktatur der SOLAG herausgeführt und diese Situation des Aufatmens und der Anerkennung genutzt, um die Solaner in eine viel gefährlichere Lage zu bringen.

Ich war froh, dass mich in diesem Augenblick Breckcrown Hayes rief und ich mir so eine Antwort ersparen konnte. Der High Sideryt winkte mich an den Dreifachbildschirm, auf dem die Ortungsergebnisse koordiniert wurden. Breck wirkte ruhig und gefasst, obwohl ihm die Strapazen der letzten Wochen überdeutlich anzusehen waren. Er schien um Jahre gealtert zu sein.

Er lenkte meine Aufmerksamkeit zuerst auf die rein optische Bilddarstellung.

»Diese relativ kleine rote Sonne ist Junk«, erläuterte er. »Der helle Fleck dahinter ist Wöbbeking-Nar'Bon. Er nähert sich nun dem System mit etwa einem Zehntel Lichtgeschwindigkeit. Die Berechnungen haben ergeben, dass er mit Sicherheit noch innerhalb der 100 Stunden hier sein wird, von denen dein Freund Parzelle gesprochen hat.«

»Parzelle ist nicht mein Freund«, antwortete ich unwirsch. »Ich kenne ihn nicht besser als du oder jeder andere. Und ich weiß nicht, was er will oder wer er ist.«

»Egal.« Breck winkte ab. »Junk gehört eindeutig zu Bars, steht aber rund 13.000 Lichtjahre vom Zentrum dieser Galaxis entfernt und somit recht genau an einer Randposition, wo sich Bars und Farynt berühren.«

»Warum betonst du das? Es gibt unzählige Punkte in Bars-2-Bars, die zugleich am Rand von Bars und am Rand von Farynt liegen.«

»SENECA sieht darin etwas Besonderes, denn kein Stern hat eine so genaue Position an der räumlichen Schnittlinie. Er sieht darin einen weiteren Beweis dafür, dass hier der Hauptnabel liegen muss.«

»Was gibt es weiter interessantes?«, drängte ich.

»Junk besitzt drei Planeten, die alle eng beieinander um ihr Muttergestirn kreisen. Sie sind sich auch alle sehr ähnlich. Ihre Durchmesser liegen zwischen 7500 und 8800 Kilometern. Sie sind alle unbewohnt, obwohl sie eine dünne und sicher für kurze Zeit ohne Hilfsmittel atembare Atmosphäre besitzen. Wir haben sie Junk I bis III getauft.«

»Bekannt.« Diesmal winkte ich ab. »Wenn hier etwas Besonderes sein sollte, dann muss es aus den Energiemessungen erkennbar sein.«

»Das scheint der Fall zu sein.« Hayes deutete auf eine künstliche Markierung auf der Oberfläche der roten Sonne. »Hier tauchte die ARSENALJYK II in die Sonnenkorona ein.«

Nun deutete er auf das Ortungsbild der Energiereflektoren. »Es gibt ein paar unregelmäßige Stellen im Energiespektrum von Junk. Wir haben sie genau vermessen. Optisch ist gar nichts zu erkennen, aber hier siehst du die leichten Verfärbungen, die von einem etwas geringeren Energieausstoß herrühren.«

»Jeder Stern besitzt unterschiedliche Aktivitätsherde auf seiner Oberfläche«, wehrte ich ab. »Das hat nichts zu bedeuten.«

Lass Breck doch wenigstens ausreden, fuhr der Logiksektor hart dazwischen. Deine Unzufriedenheit und deine Nervosität brauchst du ja nicht gerade an ihm austoben.

Ich lenkte ein und entschuldigte mich mit einem verlegenen und sicher gequält wirkenden Lächeln. Hayes übersah meine Geste absichtlich.

»Die Energieniveaus sind charakteristisch für eine künstliche Ursache«, fuhr er fort. »Der Abfall ist an allen vier Punkten exakt gleich groß.«

»Aha. Du meinst also, dass etwas in der Sonne steckt?«

»SENECA meint es«, entgegnete der High Sideryt. »Er besitzt Vergleichsdaten von vielen Sternen, und wenn er das behauptet, dann ...«

»... muss es stimmen«, beendete ich.

»Mehr noch, Atlan.« Hayes nahm eine Schaltung vor, durch die die Markierung der optischen Darstellung auf die Energieortung übertragen wurde. »Die ARSENALJYK II versank genau an der Stelle, die in der Mitte zwischen den vier Herden mit gesenktem Energieausstoß liegt. Das muss etwas bedeuten.«

Sie hat von Anti-ES einen anderen Auftrag bekommen, folgerte der Logiksektor. Die SOL ist im Augenblick zweitrangig.

»Du hast manchmal eine schreckliche Art«, gab ich lautlos zurück, »einem die eigene Bedeutung klar zu machen. Welchen Auftrag könnte die ARSENALJYK im Innern einer Sonne zu erledigen haben?«

Es gibt mehrere Möglichkeiten. Es kann der Vorbereitung der Falle für Wöbbeking dienen. Es kann sein, dass das Schiff dort neue und noch unbekannte Helfer oder Energien an Bord nimmt. Es kann aber auch sein, dass es dort etwas zerstören will.

Ich wusste, was der Extrasinn meinte. Er wagte es nicht direkt auszusprechen, weil ihm der letzte Beweis fehlte. Durch Parzelles Worte wusste ich aber, dass Tyar und Prezzar noch jetzt existierten. Ich besaß keine Vorstellung davon, wie diese übergreifenden galaktischen Intelligenzen aussehen würden, aber sie waren da. Also lag der Schluss nahe, dass die ARSENALJYK II nach ihnen suchte. Ein anderes Gewicht in dieser Auseinandersetzung gab es nicht, denn Wöbbeking-Nar'Bon war zur Stelle. Außerdem hatten die befreiten ehemaligen Arsenalmitglieder übereinstimmend erklärt, dass die Penetranz das Ziel verfolgte, Prezzar und Tyar zu vernichten. Wir vermuteten sicher nicht zu Unrecht, dass Anti-ES dadurch die Stabilität von Bars-2-Bars endgültig sichern wollte. Nur die beiden übergreifenden Wesen dieser Galaxien wären vielleicht noch in der Lage, die unfreiwillige Verzahnung von Bars und Farynt wieder aufzulösen.

Auch war uns bekannt, dass dies im Junk-System geschehen sollte, und dass wir dieses durch die heimliche Verfolgung der ARSENALJYK II erreicht hatten – dank Blödels verstecktem Impuls-Hypersender –, daran zweifelte auch niemand.

Es ging also um die beiden unbekannten Faktoren Prezzar und Tyar!

Das Schweigen des Extrasinns war für mich eine Bestätigung. Leider konnte ich aber meine anderen Gedanken nicht vor ihm geheim halten. Tyari war geradezu besessen, Tyar zu helfen. Und Mjailam erging es nicht anders. Ich aber fragte mich, was aus der geliebten Frau werden würde, wenn wir tatsächlich Tyar »befreien« könnten. Würde sie sich dann auflösen? Oder einfach verschwinden? Oder wieder zu dem Wesen werden, aus dem sie entstanden war?

Mich beschlichen dunkle Ahnungen, die letztendlich einer Lähmung annähernd glichen. Ich wollte einerseits an Tyaris Seite für alles Positive kämpfen, andererseits aber nicht das Risiko eingehen, sie zu verlieren. Ich hatte schon zu viele Verluste hinnehmen müssen, seit Buhrlos mich an Bord der SOL gebracht hatten.

Deine Spekulationen sind überflüssig, unterbrach mich der Logiksektor hart. Denke an Parzelles Worte. Danach spricht das Kräfteverhältnis gegen dich. Wenn Tyari untergeht, ist auch deine letzte Stunde gekommen.

Ich konnte dieser Logik unter dem Ansturm meiner Gefühle nicht folgen. Wieder war es Breckcrown Hayes, der mich aus dieser unangenehmen Situation rettete.

»Wir müssen näher an Junk heran«, erklärte der High Sideryt. Die Narben in seinem Gesicht leuchteten feuerrot vor Erregung. »Dann bekommen wir bessere Ortungsergebnisse, und dann wissen wir vielleicht, was sich dort in der Sonne verbirgt.«

»Tyar und Prezzar«, sagte ich dumpf. Tyari, die schweigend neben Mjailam stand und vor Aufregung zitterte, warf mir einen zustimmenden Blick zu.

»Sollen wir nun folgen oder nicht?«, drängte Hayes.

»Es ist nicht ungefährlich«, wehrte ich vorsichtig ab, denn die Worte des Logiksektors über mein rücksichtsloses Umgehen mit den Solanern hallten noch in mir nach. »Wir haben ausreichende Erfahrungen mit dem Partikelstromwerfer der ARSENALJYK gemacht.«

»Das Schiff ist tief in die äußeren Schichten von Junk eingedrungen«, meinte Hayes zuversichtlich. »Selbst Blödels Kleinsender ist nicht mehr aufzunehmen, weil die energetischen Störfelder ihn überlagern. Von der ARSENALJYK droht uns im Augenblick keine Gefahr.«

Ich gab mein Einverständnis und wunderte mich, dass Breck plötzlich der treibende Faktor war. Vielleicht besaß er soviel Weitblick, dass er sich in meine innere Lage versetzen konnte und mir die Entscheidung nehmen wollte. Ich empfand eine tiefe Dankbarkeit für diesen Mann.

Wenig später streifte sich Cara Doz ihr SERT-Band über die Stirn und setzte die SOL in Bewegung. Ziel der Linearetappe war eine Umlaufbahn um Junk, die dicht innerhalb des ersten Planeten lag.

Die Beklemmung wich nicht von mir, als das Schiff in den Zwischenraum tauchte und die vertrauten Geräusche der mächtigen Antriebe durch die Terkonitstahlwände an meine Ohren drangen. Ich beruhigte mich erst ein wenig, als ich Tyaris Hand spürte, die sich auf meine Schulter legte.

*

»Die Zeit verstreicht nutzlos, weil du ein erbärmlicher Feigling bist!«, dröhnten Prezzars Worte durch das diffuse Nichts. »Ich habe mir angesehen, was dort draußen ist. Ich akzeptiere es als bittere Wahrheit, gegen die ich ohne dich und den unbekannten Warner nichts ausrichten kann. Wach endlich auf, Kreatur von Bars!«

Tyar wand sich in seinen Fesseln.

»Gemeinsam sind wir nicht stärker als allein«, stieß er schließlich hervor.

»Ein Irrtum, Minderwertiger.« Prezzar ließ sich nicht beirren. »Meine instinktiven Ahnungen und dein Verstand müssten gemeinsam wenigstens in der Lage sein, den Feind zu erkennen und zu identifizieren.«

»Was würde das nützen?«, klagte die Intelligenz von Bars.

»Nur wer seinen Gegner kennt, der kann auch seine schwachen Stellen ausmachen. Verstehst du das nicht? Hat dir die Gefangenschaft so zugesetzt, dass deine Intelligenz durch diese Sonne aus dir geblasen wurde?«

»Welcher Sonne?«

»Die Mächte des Jenseits stehen mir bei!«, empörte sich Prezzar in wilden Gedanken. »Du musst blind sein. Wir befinden uns im Innern eines Sternes. Das habe ich bei der ersten Berührung mit dem Draußen ohne Schwierigkeiten festgestellt. Es hat mich dabei maßlos geärgert, dass es sich um eine Sonne aus deiner Sterneninsel handelt. Sie wird Junk genannt, und sie ist eine von den schäbigen Kleinsonnen, an denen du deine Kräfte verschwendet hast.«

»Junk ist ein System ohne Leben«, antwortete Tyar noch benommen. »Ich wüsste nicht, warum wir hier sein sollten.«

»Da stimme ich dir ausnahmsweise einmal zu. Wir wissen beide nicht, warum wir hier sind, weil wir nie eine Möglichkeit hatten, uns nach draußen zu tasten. Jetzt aber hat der Fremde mit der flüsternden Stimme Löcher in Fesseln gebohrt. Wir können um uns tasten, und wir sollten es gemeinsam tun.«

Da Tyar nicht antwortete, fuhr Prezzar fort:

»Ich weiß, dass ich für deinen Geschmack zu roh und ungehobelt bin. Das täuscht dich aber nur über meine wahren Kräfte hinweg. Ich bin es, der dir die Hand reicht.«

»Weil du mich brauchst«, stellte Tyar fest.

»Nicht mehr und nicht weniger als du mich. Es sei denn, du gehst freiwillig in den Untergang und überlässt Bars dem Wesen, das uns hier in Gefangenschaft hält.«

Statt einer Antwort tastete die Intelligenz von Bars nach einer der brüchigen Stellen in dem Gespinst aus Fesseln. Der unsichtbare Arm glitt durch das Sonnenplasma und fand eine zweite Öffnung, die in das Gefängnis Prezzars führte. Die Berührung der beiden Wesen war sanft und vorsichtig.

»Überzeugt hast du mich nicht«, erklärte Tyar. »Aber vielleicht ist es wirklich besser, überhaupt etwas zu versuchen, als vor sich hin zu dämmern.«

»Sehr vernünftig, mein alter neuer Freund.« Prezzar stieß ein Lachen aus. »Versuchen wir gemeinsam unsere Umgebung zu sondieren. Aber bitte zucke nicht wieder zurück, wenn du den Ekel des Todes und der Vernichtung spürst.«

Sie schwiegen, während ihr gemeinsamer geistiger Fühler den Weg nach draußen suchte. Prezzar sammelte die Eindrücke, sondierte sie und gab sie an Tyar weiter, der sie analysierte. So verstrich die Zeit, in der sich neues Wissen in Tyar sammelte.

Schließlich gelangte der tastende Arm an die Oberfläche der roten Sonne Junk. Die beiden freiwillig miteinander verbundenen Intelligenzen nahmen das auf, was durch die Konstellation Bars-2-Bars dargestellt wurde. Es waren schreckliche Momente für Tyar. Er wand sich, und als er sich in sein Gefängnis zurückziehen wollte, verwehrte ihm Prezzar diesen Wunsch nicht.

Die innere und nur lose Verbindung zwischen den beiden blieb bestehen. Das reichte aus, um weiter Gedanken auszutauschen. Prezzar wartete geduldig, bis sein neuer Partner sich meldete.

»Die Dinge, die geschehen sind, die vor Äonen begannen und jetzt noch dort draußen wirken, sind abscheulicher, als ich es mir in den verrücktesten Träumen je ausgemalt habe«, stöhnte die Intelligenz der Sterneninsel Bars. »Und das, was im Innern von Junk sich nähert, ist widerwärtiger und gemeiner, als mein Tod es sein könnte.«

»Drücke dich deutlicher aus«, verlangte Prezzar. »Ich besitze nicht die Fähigkeiten wie du. Was mich abstößt, ist, dass dort draußen Bars-2-Bars ist und nicht Farynt-2-Farynt.«

»Eine völlig unbedeutende Nebensächlichkeit, die wohl nur auf einem Zufall beruht.« Tyar stieß trotz des Ernstes der Lage ein Lachen aus. Es klang aber weniger so, als ob er sich amüsiere und mehr wie tiefe Verzweiflung. »Tatsache ist, dass unsere beiden Sterneninseln gewaltsam ineinandergefügt wurden. Gleichzeitig wurden wir in diese Verbannung gesteckt. Klar ist zum Teil auch, warum dieses gewaltige Unternehmen gestartet wurde. Das Kreuz aus Farynt und Bars dient dazu, eine elementare Voraussetzung zu schaffen, nämlich Übergänge in einen anderen Raum zu erzeugen. Unsere geistige Komponente spielte dabei eine entscheidende Rolle, denn kosmische Kräfte wirken mit, die auch ich nicht verstehen kann.«

»Warum sollen wir dann aber jetzt getötet werden?«, staunte Prezzar.

»Das Wesen, das jetzt Bars-2-Bars beherrscht, benötigt die Übergänge, die man Nabel nennt, in Kürze nicht mehr. Es wird Anti-ES genannt, und es ist der negative geistige Ausfluss eines Volkes, das man Terraner nennt.«

»Ich kenne keine Terraner.«

»Ich auch nicht. Die Terraner stammen weder aus Bars noch aus Farynt. Aber auch das ist nicht wirklich von Bedeutung. Die Erkenntnis, dass unser wirklicher Gegner ein überstarkes Wesen ist, das aus dem Raum heraus agiert, in den die Nabel führen, ist von Bedeutung. Anti-ES hat das Schiff mit seiner Ausgeburt, der Penetranz, und der Vernichtungswaffe geschickt, um uns zu beseitigen. Das ist das Grauen, das wir verspürt haben.«

»Ich höre deine Worte, mein Freund Tyar, aber ich verstehe sie inhaltlich nicht. Warum will dieses Anti-ES uns töten, wenn es sich dadurch zwangsläufig seiner Nabel beraubt?«

»Das scheint ein Widerspruch zu sein«, entgegnete Tyar. »Es ist aber keiner. Mit der Zerstörung des letzten Nabels ist der Zeitpunkt gekommen, an dem Anti-ES vollständig in Bars und Farynt sein wird. So sieht es die Penetranz, und ihre Gedanken sind die ihres Herrn in der Namenlosen Zone. Anti-ES beabsichtigt, nicht mehr an diesen Ort zurückzukehren. Es will seine böse Macht in unserem Universum ausbreiten. Und dafür braucht es uns bestimmt nicht.«

Nun war es Prezzar, der aufstöhnte.

Atlan 649: Freiheit für Bars-2-Bars

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