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Einstimmung

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Schon in seiner vorköniglichen Zeit als Abgeordneter der Bayernpartei hatte sich Ludwig IV., damals noch Ludwig Karl Otto von Bayern, für eine Einverleibung des Kleinwalsertals ausgesprochen. Er ließ kaum eine Parlamentssitzung vergehen, in der er nicht in wenigstens einem Zwischenruf diese Forderung wiederholte. Die meisten verdrehten nur noch die Augen, wenn er wieder mal versuchte, den Redner mit seinem Spruch „Das Kleinwalsertal muss bayrisch werden“ zu unterbrechen. Von allen Parteien außer seiner eigenen wurde er dafür verlacht und mit dem Titel ‚Der Cato vom Chiemgau‘ dekoriert, auf den Ludwig sogar ein wenig stolz war. Irgendwann wurde es dem Landtagspräsidenten aber zu bunt und er schloss den Abgeordneten Ludwig Karl Otto von Bayern wegen Missachtung des Parlaments von den nächsten 20 Sitzungen aus. Das half.

Nur wenige hatten zu jener Zeit ernsthaft damit gerechnet, dass Bayern jemals wieder ein Königreich werden könnte. Aber die Bayernpartei, vehemente Fürsprecherin einer Monarchie, war von Landtagswahl zu Landtagswahl stärker geworden und konnte schließlich ein entsprechendes Bürgerbegehren durchsetzen, welches sie haushoch gewann. Und Ludwig Karl Otto von Bayern wurde König Ludwig IV. von Bayern. Als eine seiner ersten Amtshandlungen nach seiner Inthronisation ließ Ludwig prompt die ehemals lautesten Spötter einschließlich des missliebigen Landtagspräsidenten verhaften und für ein halbes Jahr wegsperren. Die Zeit im Karzer bot ihnen ausreichend Gelegenheit, sich für ihr unwürdiges Verhalten gegenüber ihrem späteren König eimerweise Asche aufs Haupt zu streuen.

In seiner ersten Rede ans bayrische Volk nach seinem Ausflug auf den Großen Widderstein schwadronierte König Ludwig IV. davon, eines seiner wichtigsten Anliegen wäre die Herstellung der territorialen Vollständigkeit Bayerns. Die Bürger hatten zwar nicht das Gefühl, als würde etwas fehlen, aber ihr Regent würde schon wissen, wovon er sprach, schließlich war er nicht umsonst König, da konnte man ein ordentliches Quantum Weisheit ohne weiteres voraussetzen.

In seiner zweiten Rede ans bayrische Volk sprach Ludwig dann von herrlichen Tälern, über denen bald die weißblaue Fahne wehen möge. Das war schon konkreter, aber immer noch nicht so, dass man ihn in allen Ecken des Königreichs verstanden hätte. Vielleicht, so fragte sich manch wohlmeinender Untertan, meinte Ludwig das ja metaphysisch, auf einer Ebene, die einem normal begabten Bayern nicht zugänglich war. Immerhin hatte sich Ludwig IV. bei seiner Krönung ausdrücklich zu den Lebensprinzipien Ludwigs II. bekannt, also konnte man eine gewisse Seelenverwandtschaft getrost unterstellen.

Doch in seiner dritten Rede ans bayrische Volk blieb für Metaphysik kein Platz mehr. Ludwig IV. sagte wörtlich:

„Das Kleinwalsertal muss bayrisch werden.“

Erleichtertes Aufatmen im Land der Bayern. DAS meinte Ludwig also. Das verstand nun wirklich jeder.

Entsetztes Einatmen in Österreich. Das verstand nun wirklich niemand.

In Wien beschloss man, erst einmal Ruhe zu bewahren und die seltsamen Anwandlungen des bayrischen Königs nicht weiter zu kommentieren. Man wusste ja von seinen Ausfällen als Abgeordneter, die damals auch niemand ernst genommen hatte. Wahrscheinlich würde in Kürze sowieso kein Mensch mehr davon reden.

Natürlich kam es anders.

Es dauerte nicht lange, bis die Rhetorik des Königs erste Früchte trug, indem nämlich in nächtlichen Aktionen die Grenzsteine zwischen Bayern und dem Kleinwalsertal ausgegraben und fein säuberlich und mit weißen und blauen Rauten bemalt vor dem Rathaus zu Mittelberg aufgestapelt wurden. Von wem, war nicht festzustellen, beziehungsweise wollte auch niemand feststellen. Auf Neuschwanstein freute man sich unverhohlen über diese Aktion. Schön, wenn das Volk sich so engagiert und ideenreich mit der eigenen Sache identifizierte. Aber daran hatte Ludwig von vorne herein nicht gezweifelt.

Die Nadelstiche häuften sich. Graffitis fanden sich bald überall im Kleinwalsertal, an Buswartehäuschen, an Liftstationen, selbst an Kirchen. Das Kleinwalsertal ist bayrisch stand da zum Beispiel zu lesen oder Österreich raus! Mit der Rechtschreibung nahmen es die Sprayer dabei nicht so genau, ob aus Unwissen oder absichtlich. Kleinwallsertal, Kleinwalserthal, Klein-Walser-Tal, alles was die Dose hergab, wurde gesprüht.

Die Bevölkerung des Tales war macht- und hilflos. Man organisierte zwar private Wachtrupps, aber außer dass mal ein besoffener Jugendlicher aus Oberstdorf dabei erwischt wurde, wie er eine drei Meter lange Schablone auf dem Fahrrad zu seinem Tatort transportieren wollte, oder jemand sich bei einem Anschlag in mondloser Nacht versehentlich selbst in die Augen sprayte und anschließend greinend und blind einem Wachtrupp in die Arme stolperte, waren die Einsätze in der Regel nicht sehr erfolgreich.

Parallel zu diesen unkoordinierten Aktionen arbeitete Ludwigs Generalstab an Plänen, auf welchem Wege man am ehesten des Kleinwalsertals habhaft werden könnte. Leider liefen sämtliche Vorschläge auf eine unfriedliche Lösung hinaus. Ludwig quittierte das mit einem Achselzucken. Wenn es halt nicht anders ging, dann sollte es so sein. Gott mit dir, du Land der Bayern. Immerhin stand es schon so im Bayernlied, welches Ludwig nach dem Ausscheiden Bayerns aus der Bundesrepublik Deutschland als Nationalhymne für sein Königreich übernommen hatte, und an dieser Aussage gab es beim besten Willen nichts zu rütteln. Und darüber hinaus: War weiß-blau nicht die Farbe des Himmels? Zeichen über Zeichen.

Ludwig verstand die Österreicher sowieso nicht. Was wollten sie denn mit diesem Tal, das sie höchstens aus der Luft oder eben über Bayern erreichen konnten. Ein Anachronismus. Doch, eigentlich verstand er die Österreicher schon, schließlich war das Kleinwalsertal eine touristische Gelddruckmaschine, die Steuern sprudelten fleißig, und zwar sprudelten sie in Richtung Wien, nicht in Richtung München. Noch dazu kamen auch die meisten Besucher aus Bayern oder Deutschland. Das war nicht richtig.

Ludwig wusste aus Erkenntnissen seines Geheimdienstes, dass die große Mehrheit der Talbewohner einen Verbleib bei Österreich vorzog. Diese Haltung war Ludwig ganz und gar unbegreiflich. Wie konnte jemand NICHT zu Bayern gehören wollen? Anscheinend mussten die Walser zu ihrem Glück gezwungen werden.

Aber dafür waren Regenten ja da.

Zum Zeichen seines guten Willens ließ Ludwig zunächst ein Schreiben an die Regierung in Wien aufsetzen, in der er kurz und leicht verständlich die Bedingungen für eine friedliche Übergabe des Kleinwalsertals an Bayern formulierte. Auf eine Begründung für sein Ansinnen verzichtete Ludwig ganz ungeniert, denn die Zugehörigkeit des Kleinwalsertals zu Bayern war ja offensichtlich, musste also nicht weiter rechtfertigt werden.

Der österreichische Bundeskanzler Qualtinger war außer sich: Was sich denn dieser blaublütige Depp da auf seiner Zuckerbäckerburg eigentlich einbilde?! Dass er, Qualtinger, sage: Bitte gern?! Dass er ihm schnell mal ein Stück Land über die Grenze schiebe, wie eine Schale Erdnüsse über den Tresen?! Immerhin hatte Österreich das Kleinwalsertal dereinst regulär erworben. Aus seiner Schulzeit wusste Qualtinger noch, dass ein Bayernherzog seinerzeit beim Watten mit Baron Alfons von Dornbirn alles auf eine Karte gesetzt und neben ein paar tausend Gulden auch das Tal an jenen verspielt hatte.

Nachdem er seine Wut auf ein verträgliches Maß hatte abklingen lassen, ließ Qualtinger über seinen Botschafter in München in dürren, aber wohlgesetzten Worten bestellen, dass die österreichische Regierung auf solche Unverschämtheiten nicht zu reagieren beabsichtige und sich weitere derartige Zeugnisse bayrischer Arroganz verbitte.

Diese Replik führte zur umgehenden Ausweisung des österreichischen Botschafters, dies wiederum zur Ausweisung des königlich bayrischen Botschafters aus Wien.

König Ludwig unternahm noch ein paar halbherzige Versuche, die Österreicher umzustimmen, doch weder die Aussicht auf eine verbilligte Maß auf dem Oktoberfest für österreichische Staatsbürger über siebzig noch das Angebot eines Gratis-Zwetschgamännlas auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt für alle in Mittelfranken geborenen Österreicher konnte die Regierung in Wien überzeugen.

Um des lieben Friedens Willen bot Österreich sogar selbst ein paar kleinere Kompensationen an, die Ludwig den Verzicht auf das Kleinwalsertal schmackhaft machen sollten, doch der lehnte kategorisch ab.

„Ich möcht‘ das Kleinwalsertal“, sagte Ludwig gebetsmühlenartig.

Und genauso gebetsmühlenartig sagte die österreichische Regierung: „Naa.“

Aufgrund der mangelnden Einsicht auf österreichischer Seite sah sich König Ludwig gezwungen, die Mobilmachung anzuordnen. Er rief seinen Bruder Gustl und den Oberbefehlshaber der bayrischen Truppen, General Stangl, zu sich.

„Herr General, mein lieber Gustl“, hub Ludwig an, „unsere österreichischen Nachbarn haben uns jetzt ja alles Mögliche an Kompensation angeboten, ihre Hälfte der Zugspitze, mautfreie Benutzung der Brenner-Autobahn, sie würden sogar ab und zu einen unserer Ski-Abfahrtsläufer aufs Stockerl lassen. Aber das interessiert mich alles nicht. Ich will das Kleinwalsertal. Die Österreicher wollen’s mir nicht geben, also muss ich es mir holen.“

„Willst du das wirklich durchziehen, Ludwig?“ fragte Gustl.

„Ja natürlich! Wovon rede ich denn die ganze Zeit? Das Kleinwalsertal gehört zu uns, geographisch, geschichtlich, emotional. Und Gottes Wille ist es sowieso. Schließlich habe ich mein Amt auch von Gottes Gnaden, also sollte ich am ehesten wissen, was sein Wille ist. Willst du jetzt kneifen oder was?“

„Nein nein. Ich wollte bloß sicher gehen, dass du weißt was du tust.“

„Das weiß ich. – Wie viel Zeit wird die Mobilmachung in Anspruch nehmen, Herr General?“

„Mindestens vierzehn Tage, eher mehr.“

„Gut. Dann veranlassen Sie das.“

„Jawohl, Euer Majestät.“

„Und du, Gustl, setzt mir mal eine schön formulierte Kriegserklärung auf. Ich weiß zwar, dass man heutzutage einen Krieg nicht mehr erklärt, sondern ihn einfach anfängt, aber ich finde, so eine Kriegserklärung ist eine schöne Tradition, und an der möchte ich gerne festhalten. Aus dem Internet kannst du dir sicher ein paar Vorlagen runterladen. Ich will auch nichts Aggressives, schließlich sind die Österreicher unsere Nachbarn. Immer schön höflich bleiben, Wiener Schmäh, du weißt schon.“

Gustl tat wie ihm geheißen und legte seinem Bruder zwei Tage später den Entwurf seiner Kriegserklärung vor:

Wir Ludwig, von Gottes Gnaden bayrischer König, verordnen auf Grund des Artikels 1 der königlich bayrischen Verfassung im Namen des Reichs was folgt:

Da die österreichische Regierung die ihr vom Königreich Bayern gestellte Forderung angelegentlich des Kleinwalsertals nicht in befriedigender Weise erfüllt hat, sieht sich das Königreich Bayern in die Notwendigkeit versetzt, selbst für die Wahrung seiner Rechte und Interessen Sorge zu tragen und zu diesem Ende an die Gewalt der Waffen zu appellieren. Bayern betrachtet sich daher von diesem Augenblicke an als im Kriegszustande mit Österreich befindlich.

„Passt“, sagte Ludwig. „Ein bisschen geschwollen, aber der Qualtinger wird’s schon verstehen.“

„Die spinna, die Bayern!“ fluchte Bundeskanzler Qualtinger fassungslos. In seinen schweißnassen Händen hielt er die bayrische Kriegserklärung, die ihm soeben per Einschreiben mit Rückschein zugestellt worden war. Ludwigs Bruder Gustl hatte zwar gemeint, ein Sonderkurier wäre der Bedeutung dieser Sache eher angemessen, aber Ludwig fand, damit würden sich die Österreicher bloß unnötig wichtig vorkommen.

„Und dann auch noch mit der Post! - Oder Moser? Die spinna doch.“

Generalleutnant Moser nickte mit hochrotem Kopf, wobei ihm der Schweiß in kleinen Bächen über Gesicht und Körper rann. Das lag nur zu einem kleinen Teil am ohnmächtigen Zorn, der ihn angesichts dieser Nachricht erfasst hatte. Vor allem schwitzte Moser, weil er zusammen mit Bundeskanzler Qualtinger bei 90ºC in der Sauna saß.

Qualtinger hielt Besprechungen mit seinen Ministern und Mitarbeitern gerne in der Sauna ab, er liebte das. Moser hasste es. Und nicht nur er. Er kannte keinen Kollegen und schon gar keine Kollegin, die Qualtingers Spleen etwas hätte abgewinnen können. Niemand hatte Lust, den Regierungschef im Adamskostüm zu sehen. Mit seinem stattlichen Bauch und den ausgeprägten Brüsten gab er wahrlich kein schönes, geschweige denn respektheischendes Bild ab.

Qualtinger fand, dass die Sauna eine ungezwungene Gleichheit zwischen den Partnern herstellte, die so leichter zu einer gemeinsamen Gesprächsebene finden konnten. Das entbehrte nicht einer gewissen Logik. Er hatte sogar schon einmal überlegt, auch Treffen mit ausländischen Abordnungen in der Sauna abzuhalten. Das konnte ihm sein Umfeld allerdings mühelos ausreden, indem es das Bild eines nackten afrikanischen Potentaten auf dem Lattenrost heraufbeschwor und dazu Statistiken zur Größe des durchschnittlichen schwarzafrikanischen Gemächts ins Feld führte. Diesem unfairen Vergleich wollte sich Bundeskanzler Qualtinger dann lieber nicht aussetzen und beließ es dankbar bei innerösterreichischen Saunagängen.

Bayern betrachtet sich daher von diesem Augenblicke an als im Kriegszustande mit Österreich befindlich.

Was ist das denn für eine Sprache? Das haben die doch irgendwo abgeschrieben“, fuhr Qualtinger fort.

„Garantiert“, pflichtete ihm Generalleutnant Moser bei und wischte sich den Schweiß aus den Augen. „Auf so einen Schmarrn kommt nicht einmal der Ludwig selber.“

Die beiden starrten noch eine Weile auf die in schnörkeliger Handschrift verfasste Kriegserklärung, als vermuteten sie in ihr eine Fata Morgana, die sich im nächsten Augenblick in der Hitze auflösen würde. Schließlich, da sie ihnen diesen Gefallen nicht tat, sagte Bundeskanzler Qualtinger:

„Dann müssen wir wohl auch mobil machen, Moser.“

In beiden Nationen standen jeweils circa 40.000 Mann unter Waffen, aus geographisch leicht nachvollziehbaren Gründen fast ausschließlich den Land- und Luftstreitkräften zugeordnet. Nur auf dem Bodensee unterhielt sowohl Österreich als auch Bayern eine kleine Marineeinheit, die aber eher der disziplinären Vollständigkeit diente als dem militärischen Nutzen.

Allerdings war von vorne herein nicht daran gedacht, reguläre Truppen in den Kampf um das Kleinwalsertal zu schicken. Bilder von fahnengeschmückten Särgen und tränenreich trauernden Angehörigen konnte weder König Ludwig noch Bundeskanzler Qualtinger gebrauchen, denn die Bürger wurden solcher Bilder schnell überdrüssig und forderten bald die Einstellung jeglicher Kampfhandlungen, was dem Sinn eines Krieges energisch zuwider lief.

Man darf sich also die Mobilmachung der bayrischen und österreichischen Truppen nicht vorstellen, wie man sich landläufig eine Mobilmachung vorstellt. Der ‚Krieg‘ zwischen dem Königreich Bayern und der Republik Österreich sollte eher archaisch ausgefochten werden, unter Einsatz schlichter körperlicher Gewalt, ganz ohne Waffen: Die beiden verfeindeten Nationen einigten sich auf eine verschärfte Variante des Watschntanzes.

Sowohl Bayern als auch Österreich verfügten über zahlreiche Vereine, die sich dem Watschntanz verschrieben hatten, dem traditionell berührungsfreien Watschntanz versteht sich. Die Mobilmachung bestand also nur darin, die Vereinsvorstände zu einer Lagebesprechung einzuberufen, sie mit den politischen und geschichtlichen Hintergründen vertraut zu machen und ihnen die kriegsbedingte Notwendigkeit eines Vollkontakts zwischen Hand und Wange nahezubringen. Abgerundet wurde das Ganze mit einem flammenden Appell an das heimatliche Ehrgefühl.

Die Vorstände der Watschntanzvereine riefen daraufhin ihre Mitglieder zusammen, gaben das zuvor Gehörte in ihren eigenen Worten weiter und rundeten das Ganze mit einem flammenden Appell an das heimatliche Ehrgefühl ab.

Nur wenige der Tänzer widersetzten sich der Mobilmachung und traten aus ihrem Verein aus. Die meisten aber waren begeistert, aus patriotischen Gründen, vor allem aber vom neuen Tanzstil, dem Hand-Wangen-Vollkontakt.

Sofort begann man in den Vereinen mit intensivem Tanztraining. Hatte man sich bisher höchstens alle vierzehn Tage getroffen, so geschah dies nun täglich nach Feierabend. Es wurde getanzt und gewatscht, gewatscht und getanzt. So manche Trainingswatschn geriet dabei außer Kontrolle und sorgte für eine deftige Schlägerei unter den Tänzern, doch hatte man sich meist schnell wieder unter Kontrolle und vergaß bei einer Maß Bier oder einem Viertel Roten die zuvor zugefügte Erniedrigung. Schließlich ging es hier um Höheres.

Selbst die beiden einzigen Watschntanzvereine aus Franken und der Oberpfalz nahmen begeistert an der Mobilmachung teil. In Nordbayern wurden die Trainingseinheiten sogleich drastisch erhöht, aber ob man letztendlich zum Einsatz kommen würde, war noch offen. General Stangl plante, die nordbayrischen Truppen als Einsatzreserve in der Hinterhand zu behalten. Außerdem war er sich nicht sicher, ob bei denen der unbedingte patriotische Wille vorhanden war, den er bei den oberbayrischen und schwäbischen Verbänden voraussetzen konnte. Das sagte er den Franken und Oberpfälzern natürlich nicht. Sogar der einzige Watschtanzverein nördlich des Thüringer Walds, der Berliner Verein Au Backe, bot sich für einen Einsatz an, aber General Stangl lehnte dankend ab. Was für ein Bild ergäbe das von den bayrischen Streitkräften, wenn ausgerechnet ein preußischer Watschntanzverein den Österreichern die entscheidende Niederlage beibrächte.

Auf österreichischer Seite verfuhr man genauso. Zwar war der Watschntanz hier nicht ganz so verbreitet wie in Bayern, doch die Kopfzahl der ausgehobenen Truppen sollte ausreichen, den bayrischen Kriegstreiber in die Schranken zu weisen. Generalleutnant Moser hatte keine Probleme, genügend Wehrwillige zu mobilisieren.

Nachdem die bayrische Militärführung dem Berliner Verein Au Backe eine Abfuhr erteilt hatte, trug dieser nun Generalleutnant Moser seine Dienste an. Doch auch Moser lehnte ab. Zu sehr noch saß der Stachel der drei Schlesischen Kriege in seinem österreichischen Fleisch, als dass er sich schon 250 Jahre später mit dem einstigen Erzfeind Preußen verbündet hätte.

Kleinwalsertal

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