Читать книгу Mord nach W.E.G. - Peter Jokiel - Страница 4
2 Lorenz
ОглавлениеIm Handumdrehen wurden mir also durch Gaby’s Schwangerschaft alle Entscheidungen abgenommen.
Am nächsten Tag kam Herr Bachmeier wie versprochen wieder und ich sagte ihm dass ich sein Angebot gerne annehmen würde. Sofort zückte er auch schon sein Handy und redete mit Kriminalrätin Wachter. An der Art wie dieses Gespräch verlief, glaubte ich rauszuhören, dass die beiden mehr waren als nur gute Kollegen. Ging mich aber natürlich nichts an und so hielt ich lieber die Klappe.
Als ich zwei Wochen später wieder zum Dienst erschien war eigentlich schon alles in trockenen Tüchern. Der Versetzungsantrag inklusive Beförderung war schon bewilligt worden und man erwartete mich in der Pressestelle im Polizeipräsidium am Jakobsplatz.
Als ich da ankam, waren alle Zweifel, ob die Entscheidung nun richtig war oder nicht, wie weggeblasen. Ich war nur noch beeindruckt. Sehr schickes und großes Büro, das ich mir zwar mit einem Kollegen teilen musste, jedoch kein Vergleich zu der Rumpelkammer die ich sonst mit den Kollegen teilte. Hier war alles vom Feinsten. Nachdem Frau Wachter mich sehr herzlich begrüßt hatte, stellte sie mich dem Team vor das aus insgesamt 6 weiteren Kollegen bestand.
Sie erklärte mir im groben wer für was zuständig ist und raunte mir leise zu wie gut mein Bericht vom „Einsatz Gostenhof“ bei allen angekommen sei, sogar bis hinauf in die Chefetage.
Diese ganze Aktion stand ja auch tagelang in der Zeitung und da hat sie natürlich persönlich mit der Presse gesprochen. Sogar im Fernsehen hatte sie einen kleinen Auftritt. Also alles in allem, schien ich es gar nicht so schlecht getroffen zu haben.
So weit so gut, das Ganze liegt jetzt knapp drei Jahre zurück und ich komme mit dem Job und allen Kollegen, Chefs sowie allen Dienststellen und natürlich der Presse ganz gut zurecht. Durch meine Aufgaben, nämlich die Polizei so gut wie möglich bei allem aussehen zu lassen, bekomme ich es mit allen möglichen Leuten zu tun und bin mittlerweile bekannt wie ein bunter Hund. Ich bin inzwischen ganz gut vernetzt und kenne Gott und die Welt, wie man so schön sagt.
Mein Sohn wird nächsten Monat 2 Jahre alt und ist mein ganzer Stolz. Alles läuft richtig gut, so dass meine Frau und ich schon über ein zweites Kind nachdenken. Es könnte nicht besser sein, eigentlich. Denn so gut wie alles läuft, macht sich doch ein wenig Sehnsucht breit. Einfach mal wieder selber ermitteln, einfach mal wieder echte Polizeiarbeit. Das geht mir in letzter Zeit immer mehr ab. Darüber kann ich natürlich mit meiner Frau nicht reden, würde nur miese Stimmung machen.
Also wieder ab ins Büro und Statistiken erstellen oder sich um die PR Aktion kümmern, „Komm zur Polizei„. Ja, auch wir haben Nachwuchsmangel.
Heute kommt dann aber doch alles anders. Unsere Chefin, Frau Wachter, kommt zu mir und bittet mich zur Verkehrspolizei rüberzufahren. Gerade eben ist eine junge Frau mit dem Auto überfahren worden und der Fahrer ist unerkannt geflohen. Die Presse hat schon Wind davon bekommen und will erste Informationen. Zwar keine schöne Sache aber auch keine große Sache, reine Routine. Also mach ich mich auf den Weg in die Wallensteinstraße zum Polizeipräsidium West, wo die Verkehrspolizei ansässig ist und ich lasse mir vom Dienststellenleiter, Herrn Birkner, schon mal den Unfallhergang schildern. Ich schreibe mir die wenigen Fakten auf, die im Moment bekannt sind und bespreche mit Herrn Birkner was wir mitteilen sollten und was lieber noch nicht. Im Moment sieht alles nach einem Unfall mit Fahrerflucht aus. Leider mit tragischem Ausgang, aber leider auch Routine.
So instruiert gehe ich zu den Pressevertretern und berichte sachlich über den Unfallhergang: „Meine Damen und Herren, leider wurde heute um 10:45 eine 34 Jahre alte Frau Opfer eines Verkehrsunfalls in der Sulzbacher Straße. Die Verletzungen waren so gravierend dass sie noch an der Unfallstelle verstarb. Der Fahrer des Unfallwagens beging Fahrerflucht und wird momentan im ganzen Stadtgebiet gesucht. Es handelt sich laut Zeugenaussagen um einen dunklen SUV, wahrscheinlich schwarz mit getönten Scheiben. Alle zur Verfügung stehenden Kollegen fahnden nach diesem Fahrzeug. Leider kann ich Ihnen momentan keine weiteren Einzelheiten bekannt geben, gebe Ihnen jedoch gerne wieder Auskunft, sobald es weitere Informationen gibt. Vielen Dank für Ihr Verständnis.„.
Natürlich werde ich sofort von der kleinen Meute mit Fragen bombardiert, jedoch kann und will ich jetzt noch keine Details weitergeben.
Da mich mittlerweile alle Journalisten, die über Polizeimeldungen berichten, kennen, wissen sie auch, dass weiteres Nachbohren keinen Erfolg haben würde.
So begnügen sich die Schreiberlinge vorerst mit dem wenigen und hoffen, dass ich später mit mehr Infos rausrücken würde.
Also gehe ich wieder ins Büro von Herrn Birkner und wir hoffen beide, dass die Fahndung Erfolg haben würde. Wir haben natürlich schon ein paar mehr Details zum Fahrzeug, aber das wollte ich der Presse nicht auf die Nase binden. Jedenfalls noch nicht.
Leider war die Fahndung bisher nicht von Erfolg gekrönt. Weder das Auto noch der Fahrer konnten ermittelt werden. Das ist zwar nicht unbedingt so, wie ich mir das gewünscht habe, jedoch bin ich ziemlich sicher, dass spätestens in ein paar Tagen der Fahrer samt Fahrzeug gefunden wird. Wir haben leider keine genaue Beschreibung des Fahrers. Eigentlich wissen wir nur, dass es wahrscheinlich eine Frau mittleren Alters sein sollte und der Wagen eventuell ein SUV Mercedes ist. Das sind nicht allzu viele Anhaltspunkte, aber die Aufklärungsquote liegt bei Fahrerflucht immerhin bei über 90 %. Am nächsten Tag steht mein Telefon nicht mehr still. Die Presse will natürlich alle möglichen Informationen und ich habe alle Hände voll zu tun, uns trotz ausbleibenden Fahndungserfolgs so gut dastehen zu lassen, wie´s eben geht.
Gott sei Dank fällt mir das irgendwie gar nicht schwer. Nicht nur, weil ich ganz gut mit Menschen umgehen kann sondern auch meist immer was gut habe bei unseren Journalisten.
Wenn man sich schon etwas länger kennt, und meistens sind es ja immer dieselben Leute, ist es einfacher eine persönliche Verbindung aufzubauen. Schon öfter hat sich der eine oder andere Kontakt ausgezahlt. Trotzdem musste ich schon mit Engelszungen reden, um bei jedem den richtigen Ton zu treffen. Natürlich musste ich auch mit etwas mehr Informationen rausrücken als mir lieb war.
Im Anschluss an die Pressekonferenz habe ich erst mal eine kurze Berichterstattung bei meiner Chefin, Frau Wachter. Das Übliche, wie weit sind die Ermittlungen, was geben wir an die Öffentlichkeit etc. Nach einer Stunde ist die Sitzung wieder vorbei und ich habe für heute die Nase gestrichen voll.
Da läutet mein Handy und mein Kumpel Heinz ist dran „Servus Peter, sag mal kannst Du später mal bei mir vorbeischauen? Da ist doch gestern eine Frau überfahren worden. Also da muss ich Dir unbedingt was dazu erzählen“.
So rechte Lust habe ich zwar heute nicht und möchte ihn schon lieber abwimmeln und an die Kollegen verweisen die den Fall bearbeiten. Aber irgendwie lasse ich mich dann doch breitschlagen und sagte zu.
Da meine Frau mit unserem Sohn bei ihren Eltern vorbeischauen wollte, und das erfahrungsgemäß immer etwas länger dauert, habe ich sowieso Zeit für einen kleinen Plausch und ein kühles Bier. Heinz wohnt nur zwei Straßen von mir entfernt in einer netten Wohnanlage mit Eigentumswohnungen und ich bin jetzt doch schon gespannt, was er auf dem Herzen hat.
Ich kenne Heinz nun schon seit gut fünf Jahren und lernte ihn und seine Familie auf einem unserer jährlichen Straßenfeste kennen. Daraus hat sich im Laufe der Zeit eine Freundschaft entwickelt. Leider habe ich die aber in letzter Zeit etwas schleifen lassen. Seit eben unser Sohn auf der Welt ist, habe ich nicht mehr so viel Zeit für ein Feierabendbier.
Nach einer herzlichen Begrüßung und dem üblichen Small Talk kommt Heinz zur Sache: „Hör mal Peter, die Frau die gestern überfahren wurde, das war doch meine Verwalterin die Frau Vogel, stimmt’s? “
„Mensch Heinz, Du weißt doch, dass ich Dir keine Infos über laufende Ermittlungen geben kann. Aber O.K, Du hast Recht, es war Frau Vogel. Wenn sie Deine Anlage auch verwaltet hat, brauchst Du eine neue Hausverwaltung.“ entgegnete ich.
„Du glaubst ja gar nicht, was für eine Aufregung hier bei uns herrscht. Jeder hat hier so seine Vermutung, kannst Du dir ja denken. Aber eines glaube ich mit Sicherheit, das war nie und nimmer ein Unfall.„ meint Heinz.
Jetzt bin ich doch neugierig geworden. „Und wie kommst Du darauf?“ fragte ich. Ich hätte lieber nicht fragen sollen, denn jetzt kommt ein nicht enden wollender Vortrag. „Also, ich kann Dir mal eines über unsere tolle Hausverwalterin erzählen. Die hat jedem immer schön ins Gesicht gelächelt, aber hinten rum hat sie einem eiskalt das Messer in den Rücken gerammt. Ich sag Dir, viele Freunde hatte die nicht.
Ich kenne auf jeden Fall keinen, der auch nur im Entferntesten mit ihr zu tun hatte und ihr nicht die Pest an den Hals gewünscht hätte. Jeder sagt hier, wer auch immer sie überfahren hat, der hat ein gutes Werk vollbracht. Du solltest mal mit ein paar Nachbarn reden, um Dir ein Bild von ihr zu machen. Da gibt es ein paar Leute, die wirklich erleichtert sind von ihrem Ableben.“
Bevor sich Heinz noch in Rage redet, unterbrach ich ihn in seinem Monolog. „Kannst Du mir irgendwas Konkretes darüber sagen, oder ist das alles nur so allgemein?“ möchte ich jetzt doch wissen.
Jetzt ist mein Freund in seinem Element. „Ich weiß auf jeden Fall, dass die Abrechnungen der Wohnungen nie so richtig gestimmt haben. Bei mir ging es noch einigermaßen, aber bei einigen hat die so richtig zugeschlagen. Das war immer alles schwer nachzuvollziehen, einige Eigentümer wollten schon Klage gegen sie einreichen. Jedoch kannst Du dir nicht vorstellen, was das für einen Kraftakt bedeutet. Zuerst musst Du einen Anwalt haben der auch wirklich was vom W.E.G. ( Wohnungseigentumsgesetz )Recht versteht und dann brauchst du Geduld bis du einen Gerichtstermin bekommst. Da vergeht mal ganz locker ein ganzes Jahr. Das kann einen schon mürbe machen.
Die wenigsten kennen sich doch mit dem Wohnungseigentumsgesetz aus. Zwar kaufen viele gerne ihre Wohnung, kümmern sich aber nicht um Gesetze und Vorschriften. Und wenn Du denkst dass deine Abrechnung nicht stimmt oder du gegen Abstimmungen der anderen Eigentümer bist, dann wirst du schnell feststellen wie mächtig so eine Verwaltung sein kann. Zwar kann man die auch verklagen, ist aber gar nicht so einfach und dauert auch schon mal ziemlich lange. Zumal solche Verfahren nicht leicht zu gewinnen sind. Meistens läuft es sowieso auf einen Vergleich hinaus.
Ich habe mal von einem gehört, der Frau Vogel verklagt hat, aber das würde der auch nicht nochmal machen. Der ist zum Schluss dann doch lieber weggezogen. Da brauchst Du schon Nerven und das ist bestimmt nichts für unsere Rentner die lieber ihre Ruhe haben wollen. Wenn ich nicht sowieso planen würde, nächstes Jahr meine Wohnung zu verkaufen, würde ich es mir überlegen eine Sammelklage mit ein paar Nachbarn zusammen zu starten. Ich weiß von drei Nachbarinnen, alles sehr betagte alleinstehende Witwen, die von den Jahresabrechnungen sehr betroffen sind. Da wollte die Frau Vogel meiner Meinung nach nochmal extra Abkassieren und mit den Rücklagen soll auch was nicht stimmen. Also mir kommt das alles schon länger suspekt vor.
Nur unser Beirat hat immer felsenfest zu ihr gehalten und die Menge der Wohnungsbesitzer bei jeder Versammlung wieder eingelullt.“
„Das ist ja alles ganz nett und trifft wahrscheinlich auch so zu wie Du es eben geschildert hast „, entgegnete ich ihm, „aber das alles ist doch noch kein Motiv um jemanden um die Ecke zu bringen. Da braucht es schon mehr als nur eine vermeintlich falsche Abrechnung oder irgendwelche Gerüchte über die angesparten Rücklagen der Wohnanlage. Also mit so einer Vermutung brauche ich erst mal nicht bei den Kollegen von der Mordkommission aufschlagen, da benötige ich schon etwas mehr als das. Außerdem gibt es im Moment keinen Anhaltspunkt um von etwas anderem auszugehen, als von einem Verkehrsunfall mit Todesfolge und Fahrerflucht.“
Das ist zwar nicht unbedingt das, was mein Kumpel hören wollte, er gibt sich aber erstmal damit zufrieden. Nachdem wir noch ein weiteres Bier getrunken haben, machte ich mich langsam auf, nach Hause zu gehen.
An der Tür verabschiede ich mich von meinem Freund und verspreche, mich wieder zu melden, sollte ich etwas Neues über den Fall hören oder wieder mal ein Bier trinken wollen. Letzteres schätzte ich als wahrscheinlicher ein.
Nachdem ich zu Hause eintraf, freute ich mich dass meine Frau und mein Sohn bereits zu Hause waren. Jetzt wollte ich erst mal abschalten und mein Familienglück genießen. Als ich meinen Sohn etwas später ins Bett bringe und er nach einem Gute Nacht Lied sofort einschläft, erzählte ich Gaby von meinem Treffen mit Heinz. Natürlich musste ich genau berichten was mein Freund alles erzählt hat und ich kam mir irgendwie vor, als würde ich gerade verhört werden. Ein bisschen muss ich jetzt schon schmunzeln, obwohl ich glaube, dass dies jede Ehefrau mit ihrem Mann so macht, war ich überzeugt dass meine Frau bei uns auf dem Präsidium, eine tolle Verhörspezialistin abgeben würde.
So würde ich ihr das zwar nie sagen, aber sie hat schon ein Talent dafür, alles aus einem raus zu kitzeln. Nach dem Ende meiner Geschichte, meinte sie: „Wie gut, dass wir in unserem eigenen Haus wohnen. So eine Wohnanlage ist doch bei so vielen Eigentümern immer ein Streitherd. Jeder hat immer wieder was zu meckern oder will was anderes repariert haben. Da haben wir es schon besser getroffen. Bei uns bin ich die Verwaltung und das ist auch gut so.“
Na ja, mal ganz ehrlich, welcher Mann würde in so einem Moment wiedersprechen wollen. „Also mein Schatz, wenn das so ist, dann stelle ich hiermit den Antrag unseren Plan von einem Geschwisterchen für unseren Prinzen weiter zu verfolgen und zwar jetzt und im Schlafzimmer.“
Diesem Vorschlag kam meine selbsternannte Frau Verwalterin auch gleich nach und somit hatte ich eine wunderschöne Nacht.
Am nächsten Tag ging ich rundum zufrieden ins Büro und war schon gespannt, ob es mittlerweile Neuigkeiten gegeben hat. Leider ist dem nicht so und dementsprechend ist die Lage etwas angespannt, um es milde auszudrücken.
Kaum bin ich eingetroffen, da wird schon eine Besprechung von meiner Chefin anberaumt. „Meine Herren, ich muss Ihnen ja nicht die Ernsthaftigkeit der Lage erklären.“ Tolle Einleitung von Frau Wachter, denk ich so, das kann ja heiter werden. „Nicht nur, dass wir weder den Fahrer noch das Fahrzeug ermitteln konnten, wir haben auch sonst nichts was wir der Presse einstweilen mitteilen könnten. Noch sind wir zwar nicht in der Luft zerrissen worden, aber um 10 Uhr ist eine kleine Pressekonferenz und wenn wir nichts vorlegen können dann Gnade uns Gott. Hat irgendwer Vorschläge wie wir aus diesem Schlamassel einigermaßen glimpflich rauskommen können?“
Natürlich hat keiner von uns eine wirklich zündende Idee. Nach gut einer Stunde beendet Frau Wachter die Besprechung ziemlich ergebnislos. Beim Hinausgehen aus dem Sitzungsraum bitte ich meine Chefin um ein kurzes Vieraugengespräch.
„Also Herr Bosch, was möchten Sie mir denn mitteilen was Sie nicht eben vor den Kollegen sagen wollten?“.
„Ich wollte vor den Kollegen nichts sagen, da ich leider nichts Konkretes beisteuern kann. Aber wenn Sie mich fragen wie wir die Presse irgendwie beschäftigen können, würde ich den Versuch wagen, die Unfalltheorie etwas zu erweitern. Das bedeutet, wir sollten unser Unfallopfer etwas genauer unter die Lupe nehmen und den Fall von der Mordkommission untersuchen lassen. Ich weiß, das ist zwar im Moment noch nicht auf dem Plan, würde uns aber Zeit verschaffen bei der Presse. Wir sagen einfach, dass aufgrund einiger neuer Aspekte in alle Richtungen ermittelt wird. Außerdem glaube ich, dass da nicht alles so glasklar ist, wie es auf den ersten Blick scheint.“
Meine Chefin sieht mich erstaunt an und meint: „ Wissen Sie etwas, was noch nicht bekannt ist, oder ist das ein Schuss ins Blaue?“.
„Also um ehrlich zu sein, ist das ein reines Bauchgefühl, dass an der ganzen Sache mehr dran sein könnte. Die Presse erwartet eine Stellungnahme und am besten einen Fahndungserfolg und wir können nicht wirklich was anbieten. Wenn wir aber andeuten, in alle Richtungen zu ermitteln und uns so etwas mehr Zeit verschaffen können bevor wir in der Luft zerrissen werden, haben wir vielleicht Glück und können doch noch was liefern. Einen Versuch wäre es wert. Noch dazu, wenn wir den Journalisten von den Nürnberger Nachrichten eine Exklusivstory zusagen, denke ich, dass wir nicht gleich in Grund und Boden geschrieben werden.“
„ Herr Bosch, selbst wenn Sie Recht haben sollten und an der Sache mehr dran sein sollte als vermutet, können wir nicht so einfach Exclusivstorys zusagen. Das verbietet ja schon das Pressegesetz, wie Sie bestimmt wissen „. bekam ich schroff zur Antwort.
„ Selbstverständlich bin ich mit dem Pressegesetz vertraut und würde dies ja auch nicht brechen wollen. Da wir aber sowieso bei der Herausgabe von Informationen bei allen Zeitungen, Radio und dem Franken Fernsehen anrufen, ist es durchaus legitim bei den Nürnberger Nachrichten anzufangen.
Frau Wachter kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen und sagte darauf „Tja, mein lieber Herr Bosch, dann schlage ich mal vor dass Sie dies so in die Wege leiten und im Interesse von uns allen hoffe ich, dass sich Ihr Bauchgefühl nicht irrt.“
Nach diesen netten Worten gehe ich erst mal in unsere kleine Küche und mache mir eine Tasse Kaffee. Mit meiner dampfenden Lieblingstasse bewaffnet, auf der ein Bild meines Sohnes eingebrannt ist, setzte ich mich an meinen Schreibtisch und überlegte, was ich jetzt zuerst tun soll.
Natürlich hatte ich mir schon vor dem Gespräch mit meiner Chefin einen Plan überlegt. Nun denke ich nochmal nach, wie ich den Chef der Mordkommission am besten überzeugen kann, in diesem Fall eine Ermittlung einzuleiten.
Da er mir aber noch einen Gefallen schuldig ist, bin ich mir jedoch sicher, dass er mir ein paar Minuten seiner kostbaren Zeit opfern wird.
Vor einiger Zeit war bei der Verfolgung eines Verdächtigen von einem seiner Leute von der Schusswaffe Gebrauch gemacht worden.
Der Kollege hat zwar danebengeschossen, aber es schlug doch ein wenig Wellen. Bei so was ist dann immer schnell von der Verhältnismäßigkeit die Rede und in der Presse kommt man selten gut dabei weg.
Jedoch gelang es mir, aus einem Schuss auf einen unbewaffneten Verdächtigen einen korrekten Warnschuss zu machen und alle kamen mit einem blauen Auge davon. Da es nicht viele Personen wussten und der Staatsanwalt diese Version ebenfalls geschluckt hatte, schrieb die Presse sogar einen Vorzeigeartikel über die Mordkommission.
Nachdem ich meinen Kaffee ausgetrunken hatte, telefonierte ich mit Herrn Fischer, dem Leiter des Morddezernates. Wie gesagt, wir hatten in der Vergangenheit schon gut miteinander zusammengearbeitet und ich hoffte, dass er mich wenigstens anhört und nicht gleich wieder auflegt, sobald er weiß, was ich von ihm wollte.
Zu meinem Glück hatte er Zeit für mich und bat mich, ihn in seinem Büro aufzusuchen. Gesagt, getan und schon saß ich zehn Minuten später mit Herrn Fischer und einem weiteren Kollegen von der Mordkommission zusammen.
Ich kannte ja Herrn Fischer bereits und wusste noch, was er für eine hagere Figur hat. Neben seinem Kollegen sieht er aber regelrecht dürr aus. Was ihm jedoch an körperlicher Masse fehlte, machte er durch analytisches Denken locker wieder wett.
Er begrüßte mich freundlich und stellte mir seinen Kollegen, Kriminalhauptkommissar Köster, vor. Ein Typ um die 40 mit sportlicher Figur, leicht schütterem Haar und sympathischer Erscheinung.
Nachdem ich beide begrüßte und mich für den schnellen Termin bedankte, fing ich an meine Geschichte zu erzählen.
„Wie Sie ja bereits wissen, wurde gestern eine 34 jährige Frau von einem Fahrzeug erfasst und tödlich verletzt. Im Moment wird fieberhaft nach dem Fahrzeug, wahrscheinlich ein SUV eventuell ein Mercedes, sowie dem Fahrer, hier könnte es sich laut Zeugenaussagen auch um eine Frau handeln, gefahndet. Leider immer noch ohne Erfolg. Die Presse macht uns die Hölle heiß und wir sehen im Augenblick ziemlich blöd aus. Blöd ist hier noch untertrieben. Gegenwärtig wird noch von einem Unfall mit Todesfolge sowie Fahrerflucht ausgegangen. Ein paar Tage kann ich unsere Lieblingsjournalisten noch vertrösten, aber dann muss ich Farbe bekennen.
Entweder wir haben dann einen Fahndungserfolg und idealerweise die ganze Aufklärung des Unfalls oder wir stehen noch viel blöder da als jetzt.“.
Der Dezernatsleiter, Herr Fischer, und Kriminalhauptkommissar Köster hörten mir aufmerksam zu, ohne mich zu unterbrechen.
Im Gegenteil, Herr Köster machte sich bereits Notizen. So fuhr ich mit meiner Erklärung fort. „Zwar gibt es momentan keinerlei Anhaltspunkte, dass dies ein Fall für die Mordkommission ist, ich möchte Sie jedoch trotzdem bitten, sich den Fall etwas genauer anzuschauen. Zum einen möchte ich später sagen können, sollten wirklich alle Stricke reißen, wir haben alles versucht und nichts vergessen. Außerdem könnte wirklich mehr an der Sache dran sein. Noch dazu hört es sich auch nach draußen, also eben für die Presse, besser an, wenn wir sagen können wir ermitteln in alle Richtungen“.
Nun meldete sich Herr Köster zu Wort und fragte mich ganz ungeniert: „Herr Bosch, bitte eine ehrliche Antwort, machen Sie das, um vor dem Polizeipräsidenten nicht in Grund und Boden gestampft zu werden oder haben Sie wirklich einen konkreten Verdacht?“. „Um ganz ehrlich zu sein spiele ich auf Zeit mit der Presse, wie schon gesagt. Außerdem will ich nicht vorm Chef dastehen wie ein Trottel. Aber zusätzlich habe ich so ein Gefühl, dass da doch mehr hinter dem Unfall stecken könnte.“ gab ich als Antwort. Jetzt sagte auch Herr Fischer was zu der Sache, „Herr Bosch, ich denke, Sie haben die Situation ehrlich beschrieben und wir werden die Sache genauer unter die Lupe nehmen. Keiner von uns möchte sich hinterher Vorwürfe machen, wir hätten etwas übersehen oder waren nicht gründlich genug.“
Da war ich dann doch etwas überrascht, dass das so einfach gegangen sein soll, lasse mir aber nichts anmerken. Ich hatte mich schon auf endlose Diskussionen eingestellt, aber so ist es doch gleich viel entspannter.
„Haben Sie noch irgendwelche Informationen oder einen begründeten Verdacht in dieser Sache, die Sie uns mitteilen können?„ fragte mich Herr Köster.
Nun erzählte ich von der Unterhaltung mit meinem Kumpel Heinz und dessen Vermutung, dass bei der Hausverwaltung, die unser Opfer führte, nicht alles mit rechten Dingen zuging.
Ich konnte das Ganze wenigstens so darstellen, dass es sich nicht wie das übliche Gerede von Nachbarn anhörte, sondern einer Überprüfung wert zu sein schien. Nachdem ich mit meiner Erzählung fertig war, meinte Herr Köster „Wir halten also mal fest: Frau Vogel, 34 Jahre alt, Hausverwalterin, nicht verheiratet, keine Kinder und auch sonst keine engere Verwandtschaft, wurde gestern Opfer eines VU`s (Verkehrsunfall) und erlag Ihren Verletzungen.
Der Fahrer des Fahrzeuges ist immer noch flüchtig. Die Verwaltung die sie betrieb war also unter Umständen nicht ganz astrein und Sie denken bzw. hoffen, dass hinter der Sache mehr stecken könnte. Also ein bisschen dünn ist das zwar schon Herr Kollege, aber vielleicht haben Sie ja Recht und es könnte doch was dran sein. Und wie sagte schon Friedrich Schiller, ‚Wer nichts wagt der darf auch nichts hoffen‘.„.
„Im Moment fühle ich mich eher wie Sokrates der sagte, ‚Ich weiß, dass ich nichts weiß‘.„. Mit diesem philosophischen Abschluss verabschiede ich mich von Herrn Fischer und Herrn Köster und verspreche, mich zu melden, sobald ich Neuigkeiten habe. Umgekehrt natürlich genauso.
Nach diesem doch erfreulichem Gespräch gehe ich noch kurz bei meiner Chefin vorbei, um sie auf dem Laufenden zu halten. Danach habe ich die grandiose Idee etwas früher Feierabend zu machen und mit meinem Sohn auf den Spielplatz zu gehen. Außerdem will ich noch einen kleinen Strauß Blumen für meine Frau besorgen, man muss ja nicht immer bis zum Geburtstag warten.
Was soll ich sagen, die Idee kommt natürlich sowohl bei meinem Sohn als auch bei meiner Frau richtig gut an. Und beim Sandbuddeln auf dem Spielplatz, umgeben von einer Horde Kinder aus der Nachbarschaft, bekommt man auch mal den Kopf wieder frei.
Am Abend rufe ich dann doch noch bei meinem Freund Heinz an und hake nochmal nach wegen der Gerüchte über Ungereimtheiten bezüglich der Hausverwaltung und ganz speziell über Frau Vogel. Zu meiner Überraschung kann mir Heinz mittlerweile sogar mehr als nur Gerüchte liefern. Da gab es eine etwas ältere Nachbarin die von Frau Vogel sogar richtig bedrängt wurde. Einzelheiten solle mir aber dann doch lieber die Dame persönlich erzählen. Zwar wohne ich nicht in der Wohnanlage, bin aber seiner Nachbarin trotzdem schon mal über den Weg gelaufen und weiß genau, von wem er da spricht.
Nachdem mir Heinz noch die Telefonnummer mitteilte, rufe ich auch gleich bei Frau Probst an.
„Schönen guten Abend Frau Probst„, meldete ich mich am Telefon „hier spricht Bosch, sie wissen schon, ich bin der Freund von Ihrem Nachbarn Heinz Seeler.“
„Ja, Sie sind doch der nette Polizist, das ist aber eine Freude dass Sie mich anrufen“, antwortete sie wirklich erfreut.
„Liebe Frau Probst, wie Sie ja wissen, wurde Ihre Verwalterin Opfer eines Verkehrsunfalls. Herr Seeler meinte, Sie hätten mir eventuell etwas über die Frau Vogel zu erzählen.“, führte ich das Gespräch gleich auf den Punkt.
Jetzt ist sie nicht mehr zu bremsen: „Ja, das können Sie mir aber glauben, dass ich über unserer Verwalterin was zu erzählen hab‘. So eine ausgeschamte und hinterfotzige Person wie die war, das können Sie sich gar nicht vorstellen“.
Bevor Sie mir noch überschnappen kann, entgegne ich ihr: „Liebe Frau Probst, gerne würde ich Sie morgen besuchen und Sie erzählen mir das alles in Ruhe.„ Da habe ich jetzt was gesagt. Jetzt ist sie erst Recht aus dem Häuschen.
„Kommen Sie doch morgen Nachmittag, ich back uns einen Kuchen und ich erzähl Ihnen alles, was ich weiß.“ freute sich Frau Probst.
Irgendwie bereue ich zwar auf einmal, dass ich überhaupt angerufen habe, denn auf ein Kaffeekränzchen habe ich eigentlich keine Lust. Da ich aber Frau Probst als eine zwar ältere, ich schätze sie so auf 75 Jahre, aber genauso patente Dame kennengelernt habe, sagte ich zu. Aus der Nummer wäre ich sowieso nie und nimmer rausgekommen.
Ich hoffte nur inständig dass sich der Besuch auch lohnen wird, denn ein paar Fakten zusätzlich zu den Gerüchten, wären mehr als wünschenswert.
Am nächsten Tag klingle ich pünktlich um 15 Uhr bei Frau Probst an der Haustür.
Freudig öffnet sie mir die Tür und ich zeige ihr noch bevor ich eintrete, meinen Dienstausweis. „Aber Herr Bosch, das ist doch nicht nötig ich kenne sie doch.„ entgegnet sie mir. „Ich weiß Frau Probst, aber erstens ist es Vorschrift und zweitens die Macht der Gewohnheit„ antworte ich.
Nachdem ich eintrat glaube ich, mich in einer Zeitreise zu befinden. Die ganze Wohnung ist im Stil der 80er Jahre eingerichtet.
Eiche rustikal Schrankwand im Wohnzimmer inklusive mit der ganzen Brockhaus Enzyklopädie, ein Monster von einem Röhrenfernseher, von der Decke hängt keine Lampe sondern ein Lüster, natürlich mit den originalen Glühbirnen, der wahrscheinlich als Flutlichtanlage durchgegangen wäre und im Gang fehlt natürlich auch nicht das gute alte Wählscheibentelefon, akkurat auf einem weißen selbstgehäkelten Deckchen und das Ganze auf einem kleinen Schränkchen im Biedermeierstil.
Ich fühle mich in meine Kindheit zurückversetzt und erinnere mich daran, dass es bei meiner Oma früher genauso aussah. Allerdings ist das schon gute 30 Jahre her.
Als ob Frau Probst meine Gedanken lesen könnte, sagt sie zu mir: „Ja mei, ich kann mich halt von den Sachen nicht trennen, seit mein Mann gestorben ist.„
„Macht gar nichts Frau Probst, ich find es richtig gemütlich bei Ihnen“. antwortete ich ihr und das ist keineswegs gelogen. Obwohl alles vom Zeitgeist längst überholt ist, kann man augenscheinlich vom Boden essen. Nachdem ich im Wohnzimmer auf einer Polstercouch Platz genommen habe, die mich zu verschlingen drohte, kommt meine Gastgeberin auch schon mit Kaffee um die Ecke. Der Apfelkuchen stand schon am Tisch und lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Als Frau Probst den Kaffee eingeschenkt hat, komme ich ohne Umschweife auf den Grund meines Besuches zu sprechen: „Also liebe Frau Probst, Sie sagten gestern am Telefon, Sie hätten mir etwas über Frau Vogel zu erzählen. Was genau ist denn passiert?“
Jetzt kommt sie wieder in Fahrt: „Stellen Sie sich mal vor, die wollte doch glatt meine Wohnung kaufen. Die war hinter mir her, wie der Teufel hinter der Seele. Da ich ja keine Kinder habe und mein Mann ja schon lange tot ist, dachte die sie könnte mich irgendwie einlullen und mir die Wohnung für ein Trinkgeld abluchsen. Dauernd kam sie vorbei und ging mir schon reichlich auf die Nerven, die dachte ich wäre eine alte senile Schachtel und sie hätte ein leichtes Spiel mit mir. Als sie dann irgendwann begriff, dass das nicht funktioniert, hat sie mir gedroht. Plötzlich kam sie mit überhöhten Nebenkostenabrechnungen und wollte eine Sonderzahlung bei der nächsten Versammlung durchsetzen, für irgendwelche Reparaturen die es gar nicht gebraucht hat. Das mit der Sonderzahlung hätte mich dann schon getroffen, so einfach habe ich keine 5000 Euro.
Soviel wollte die nämlich als Sonderumlage durchsetzen, für was aber genau habe ich nicht verstanden. Aber dass sie die Macht dazu gehabt hätte, steht für mich außer Frage. Das hat die genau gewusst und darauf spekuliert, dass ich dann doch verkaufen muss. So eine war das und unser Beirat hat ihr immer schön die Stange gehalten. Außerdem wäre das erst der Anfang gewesen, die wäre mit immer neuen Forderungen angekommen. Heute wäre es ein neuer Aufzug und morgen die Dachsanierung und so weiter. Also ich weine ihr keine Träne nach.“
Ich hörte ihr aufmerksam zu und lasse sie erst mal ausreden. „Sie meinen also, Frau Vogel wollte sie über den Tisch ziehen, um es mal auf den Punkt zu bringen?“
„Darauf können Sie Gift nehmen! Die war alles, nur keine nette Person. Die hatte mehr als nur zwei Gesichter und machte nichts ohne persönlichen Vorteil.“, kam von Frau Probst als Antwort.
Nachdem ich mir noch ein zweites Stück Kuchen genommen hatte, fragte ich Frau Probst: „Haben Sie über die Sache irgendwelche Schriftstücke? Vielleicht ein schriftliches Kaufangebot oder irgendwas Ähnliches?“
Jetzt strahlte meine Frau Probst förmlich. „Natürlich, die wollte doch sogar gleich zum Notar mit mir. Stellen Sie sich nur vor, die wollte nur 50.000 Euro für die Wohnung bezahlen. Das ist kein Angebot gewesen, das war eine Frechheit. Ich habe gleich mal bei der Frau Schindler vom dritten Stock angerufen. Wissens, die Tochter von der Frau Schindler ist doch Immobilienmaklerin und die hat mir dann gesagt dass unter 150.000 Euro da gar nichts geht.“ Gerade jetzt, wo doch sowieso die Immobilienpreise richtiggehend explodieren. Jetzt redet sich Frau Probst schon etwas in Rage und ich versuchte sie wieder zu beruhigen. „Könnten Sie mir die Unterlagen bitte mal zeigen?“, fragte ich vorsichtig nach.
Sofort geht sie zu ihrem Massivholzmonsterschrank und holt einen Vorvertrag aus der Schublade. Daraus geht eindeutig hervor, dass Frau Vogel die 4 Zimmer Wohnung zum Preis für 50.000 € kaufen wollte. Zum Glück hatte sich Frau Probst nicht kleinkriegen lassen und hat nicht unterschrieben.
„Ja wie hat denn Frau Vogel reagiert, als sie merkte, dass das wohl nichts werden würde mit dem Kauf?“, wollte ich noch wissen.
„Also das war ja das allerschärfste, kann ich Ihnen sagen. Bis dahin war unser Hausmeisterdienst ja immer freundlich, auf einmal aber war da ein neuer Mitarbeiter von denen und der hat mich immer ganz komisch angeredet wenn er mich sah. Ich hatte schon den Eindruck dass der auf mich wartet und mir Angst machen wollte“, erzählte Frau Probst weiter.
Jetzt wird es auf einmal spannend und vor allem hat das schon eine ganz spezielle Qualität. „Was hat denn der Mitarbeiter von ihrem Hausmeisterdienst zu Ihnen gesagt, dass Sie verängstigt hat?“, hakte ich nochmal nach.
„Ja der hat mir immer gesagt, dass ich in meinem Alter doch schon besser im Heim aufgehoben wäre, wenn mir z.B. im Waschkeller was passieren würde, dann wäre es doch schon schade um mich“, so zitierte Frau Probst den Hausmeistergehilfen.
Jetzt wollte ich es aber schon genau wissen: „Können Sie mir den Mann beschreiben und würden Sie ihn wiedererkennen?“
Leicht beleidigt hält sie mir eine kleine Standpauke: „Lieber Herr Bosch, ich bin zwar schon etwas älter aber kann noch sehr gut sehen und hören. Natürlich kann ich Ihnen den Mann beschreiben und ich würde ihn jederzeit wiedererkennen. Der ist aber seit dem Unfall von Frau Vogel nicht mehr in unserer Anlage aufgetaucht.“
Jetzt erhalte ich eine astreine Beschreibung eines ca. 30 jährigen Osteuropäers, oder wie Frau Probst ihn nannte: „Ein Russe halt„.
Eigentlich sollte so ein Typ gut zu finden sein: Tätowiertes Spinnennetz am Hals und große Narbe an der Wange.
Ich habe mir alles notiert und stecke mir das Schreiben über den Vorvertrag noch ein. So verabschiede ich mich ganz herzlich von Frau Probst und verspreche, mich wieder bei ihr zu melden und sie natürlich auch auf dem Laufenden zu halten.
Langsam wird meine Liste derer, die ich auf dem Laufenden halten soll, immer größer.
So wie sich der Fall im Moment darstellt, steckt also doch mehr hinter der Sache und die Unfalltheorie mit Fahrerflucht könnte sich auch noch als etwas ganz anderes herausstellen. Ich nehme mir vor, morgen meine neuen Erkenntnisse mit dem Kollegen Köster vom Morddezernat zu teilen und ebenso mit der Presse zu sprechen. Zwar will ich noch nicht zu viel verraten, jedoch für einen Aufschub mit Aussicht auf eine größere Story würde es auf jeden Fall reichen.
Mir reicht es auch für heute, also mache ich Feierabend.
Da mir der Apfelkuchen noch im Magen liegt, bin ich froh, dass meine Frau etwas Leichtes zum Abendessen vorbereitet hat. Es gibt Fisch mit Risotto und Feldsalat, einfach ein Traum. Außerdem ist heute wieder mal Krav Maga Training angesagt und das mit meinem Kumpel Dominik.
Da ich seit der Geburt meines Sohnes nicht mehr regelmäßig trainiere, freue ich mich auf den Abend. Sich mal wieder richtig auspowern und mal sehen was man noch drauf hat ist nicht nur gut für die Figur, sondern auch fürs Ego. Krav Maga ist eine israelische Selbstverteidigungskunst und mit keiner Kampfsportart zu vergleichen. Das Training ist nicht nur härter, es ist auch vielseitiger und auf alle möglichen Angriffe hin ausgerichtet. Es gibt keine vorgeschriebenen Formen die zu beherrschen sind, sondern es geht nur darum, sich mit Härte und Hirn jedem erdenklichen Angriff entgegen zu stellen bzw. diesen abwehren zu können.
Das Training findet im Sport Centrum in der Schüblerstraße, hinter dem Business Tower statt und als ich auf den Parkplatz fahre weiß ich sofort, dass Dominik schon da ist. In ganz Nürnberg gibt es keinen zweiten knallroten 65er Mustang.
Nach knapp zwei Stunden Schinderei und einer ausgiebigen Dusche setze ich mich mit Dominik an die Bar und wir kommen natürlich auch auf meinen Fall zu sprechen. „Verstehe ich das jetzt richtig“, fängt er an, „Du bist zwar immer noch unser Polizeisprecher, ermittelst aber trotzdem?“
Da er ebenfalls bei der Polizei ist, kennt er natürlich auch die Strukturen und weiß, dass das eigentlich so nie und nimmer gehandhabt wird. „Du scheinst ja bei einigen Leuten einen großen Stein im Brett zu haben“, meinte er.
So ganz kann ich ihm da gar nicht widersprechen, denn ich weiß genau, dass ich eine ganze Menge mehr Freiraum habe, als es eigentlich üblich ist. Nachdem ich ihm meine Erkenntnisse erzählt habe und er mir aufmerksam zuhörte, meint er nur, „Ich werde mal sehen, ob ich deinen Russen nicht auftreiben kann. „
Jetzt könnte man denken er schaut sich eben ein bisschen mehr um wenn er auf Streife ist. Aber jeder der Dominik kennt weiß, sollte der Verdächtige sich in unserem Viertel noch rumtreiben, dann findet er ihn auch. So ein kleines Mauseloch gibt es gar nicht, dass sich unser Mann vor Dominik darin verstecken könnte. Da bin ich mir sicher.
Wenn er nicht schon in der Maschine nach Novosibirsk sitzt, hat er jedenfalls ganz schlechte Karten. Sorgen muss ich mir um meinen Freund auch nicht machen, wenn überhaupt, dann tut mir schon eher der Russe ein wenig leid, sobald er auf Dominik trifft. Dominik war nicht nur ein erstklassiger Krav Maga Kämpfer, er war auch kurz davor seine Gradierung als Trainer zu erlangen. Ich bedankte mich für seine Hilfe und wünschte ihm viel Erfolg.
Mit diesen Worten verabschieden wir uns voneinander und ich mache mich auf den Heimweg, in der Hoffnung dass meine Frau noch nicht schläft und vielleicht auch noch nicht müde ist. Man weiß ja nie, was der Abend noch so bringt.
Als ich am nächsten Tag im Büro aufschlage, gehe ich erst mal zu meiner Chefin, Frau Wachter, um die neuen Erkenntnisse zu besprechen.
Nach meinen Ausführungen über das Kaffeekränzchen mit Frau Probst und meinem Plan, wie ich vorhabe, mit der Presse umzugehen, bemerke ich ein leichtes Schmunzeln.
„Sieht so aus, als hätte sich Ihr Bauchgefühl nicht geirrt„, meint Frau Wachter, „Und das mit der Hinhaltetaktik der Journalisten inklusive möglicher erweiterter Hintergrundstory scheint ja auch zu funktionieren. So weit, so gut. Aber bitte vergessen Sie nicht, dass Sie Polizeisprecher sind und ermitteln gehört nicht zu Ihren Aufgaben. Haben wir uns verstanden?“
Jetzt bin ich doch etwas angefressen. „Natürlich sind mir meine Aufgaben durchaus bewusst, Frau Wachter. Da ich jedoch durch persönlichen Kontakt zu Bewohnern der Anlage, welche von Frau Vogel verwaltet wurde, erst auf Unregelmäßigkeiten aufmerksam gemacht wurde, wäre es zweckdienlich den Kontakt weiter zu nutzen um die genauen Hintergründe an das Licht zu bringen. Natürlich werde ich mich nicht bei der Mordkommission einmischen, jedoch glaube ich kaum, dass ohne meine Wenigkeit der Ermittlungsstand schon so weit fortgeschritten wäre.“
„Ist ja schon gut, so war es ja auch wieder nicht gemeint, Herr Bosch. Sie müssen nicht gleich an die Decke gehen. Am besten Sie geben ihre Erkenntnisse an den Kollegen Köster weiter und sollte er noch Fragen haben oder ihre Hilfe benötigen, so denke ich, werden Sie ihn nach bestem Wissen und Gewissen unterstützen.
Bitte sind Sie vorher aber noch so gut und rufen bei unseren Nürnberger Nachrichten an und versuchen die von Ihnen angestrebte Vereinbarung mit dem Leiter des ‘Polizeiberichtes‘ zu treffen. Da ich weiß, dass ich mich auf Sie verlassen kann, werde ich Ihnen etwas Spielraum geben und hoffen dass es sich lohnt“.
Nach diesen aufmunternden Worten verabschiede ich mich aus dem Büro meiner Chefin und weiß nicht gleich, ob ich mich jetzt ärgern sollte oder ob ich mich einfach mal am Arsch lecken lassen sollte. Ich entschied mich für letzteres.
Nach dem Telefonat mit den Nürnberger Nachrichten und noch ein paar üblichen Verdächtigen wie z.B. dem Lokalfernsehen, habe ich mir wieder etwas Zeit und Wohlwollen erschlichen und hoffe nur dass ich das nicht noch bereuen werde. Ich wusste genau, dass es mit meiner geplanten Exklusivstorie eine Gradwanderung sein würde und ich es auf jeden Fall schon geschickt anstellen musste um nicht von anderen Pressevertretern in der Luft zerrissen zu werden. Wie ja immer so schön heißt, des einen Freud ist des anderen Leid. Aber ich hatte da schon eine ungefähre Vorstellung wie ich das bewerkstelligen wollte. Dazu kam ja auch, dass es im Moment noch gar nicht allzu viel zu berichten gab. Jedoch hoffte ich doch sehr dass sich dieser Zustand bald änderte. Und die Hoffnung stirbt ja bekanntlich immer zuletzt.