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DIE „GEFÄHRLICHSTEN MENSCHEN“ IN DER „LUSTIGSTEN STADT DER WELT“

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Das Ende der Inflation am 16. November 1923 hat alles verändert. Die Bühnen Berlins befinden sich in einer völlig neuen Lage. Geld ist knapp, die Leute geben es nur noch für das Nötigste aus. Eine Theaterkrise tritt ein.

Mehr aus Verlegenheit – Zeit für lange Proben ist keine – eröffnen die Rotters Ende November 1924 im Lessing-Theater mit einer Neuauflage des Stücks Das weite Land von Arthur Schnitzler, das sie bereits 1921 aufgeführt haben. Neu kommt die legendäre Adele Sandrock hinzu, die im Wien der 1890er-Jahre mit Schnitzler in einer kurzen Liebesbeziehung lebte. Oskar Kanehl führt Regie.

Nun aber, wo sie im ehrwürdigen Lessing-Theater alles scheinbar Anstößige unterlassen, wird ihnen ausgerechnet dies zur Last gelegt. Bedauernd äußert sich Franz Köppen in der Berliner Börsen-Zeitung: „Ich hätte gewünscht: Rotters hätten an diesem Punkt die Kritik (die zu 99 Prozent gegen sie ist) mundtot gemacht, vielmehr: zu sich herübergezwungen. Durch die Wahl eines neuen Stückes, das den Stempel unserer Zeit trägt. Durch Besetzung mit Schauspielern, die Neues zu sagen haben. Aber sie blieben im sicheren Port. Greifen wieder auf einen alten Schnitzler zurück. Und besetzen ihn mit einem Senioren-Konvent von Mimen. Die Folge: sie machen uns gleichgültig. Gegen sie zu wettern, den 99 Prozent wäre es eine Lust gewesen. Und ein paar Mutige (müde der schon mechanischen Rotter-Beschimpfung) wären zu ihnen gestanden; hätten allem Geheul gegenüber ohne Scheu bekannt: wir nehmen Gutes und Neues und Wagemutiges an, vom wem es auch kommt. Nun aber: kein Neuland; ein schlecht gelüftetes, dumpfes Museum.“166

Der Kritik missfällt das vermeintlich Brave nicht weniger als das vorher Freche. Danach bringen sie Mrs. Dot von W. Somerset Maugham unter der Regie von Georg Altmann. Fritz Engel im Berliner Tageblatt bezeichnet es als „Lustspiel für Tanten und sittige Backfische“: „Viele Beispiele gibt es, wie unsere Bühnen wieder ins Totgesagte zurückgleiten und auf den Friedhöfen vergessener Literatur herumschnüffeln. […] Denen, die einwenden: ‚Aber es war lustig! Und es wurde doch so herzig gespielt!‘, darf man sagen, dass, wenn es nur auf Lustigkeit ankommt, Berlin die lustigste Stadt der Welt, und unsere Zeit die lustigste aller Zeiten ist. Sie hat auch alle Veranlassung dazu. Und gespielt wird in Berlin immer gut, fast immer und überall. Wem das genügt, und es genügt dem Publikum von heute noch mehr als stets dem Publikum, dem werde bestätigt, dass sich unter Georg Altmanns Leitung sehr frische und amüsante Kräfte auftraten. […] Der Beifall? Fragt ihr noch?“167

Fritz und Alfred Rotter sehen ein, dass sie am Lessing-Theater vorläufig an ihre Grenzen stoßen – sich mit dem Haus verhoben haben. Sie müssen es pachtweise wieder aus der Hand geben: vorerst an die Direktion Arthur Hellmer, der aber „an derselben Bühne zusammenbrach“, wie Jhering rückblickend vermerkt,168 und dann an Heinz Saltenburg, der 1930 ebenfalls scheitert, worauf sie es dann, unter inzwischen gänzlich veränderten Umständen, selbst wieder zu bespielen beginnen.

Auch das Zentraltheater verpachten die Rotters jetzt bereits durch Vertrag vom April 1924 für die kommenden Spielzeiten. Vielsagend nimmt Jhering dazu Stellung: „Die Theater werden neu verpachtet, unterverpachtet, geschlossen, wiedereröffnet. Bewegung ist da. Aber die Bewegung der Verlegenheit.“169

Als hätte Alfred Rotter es gespürt, dass angesichts der Konkurrenz des Films sowie der gefestigten Staatstheater und der Hörspielsendungen im Rundfunk ein großes Haus auf die Dauer mit Schauspielen und Komödien nicht zu füllen ist, hat er, kaum im Besitz der Spielerlaubnis für das Lessing-Theater, die Theaterabteilung im Polizei-Präsidium am 1. Dezember 1924 darum ersucht, die erteilte Konzession „für musikalische Werke (Oper, Operette, Revue) zu erweitern“.

Doch die Umwandlung des Lessing-Theaters in ein Operettentheater wird verweigert. Dabei erklärt selbst ein Komponist der Moderne wie Kurt Weill 1925: „Seit Jahrzehnten ist die Operette die begehrteste und darum rentabelste künstlerische Unterhaltungsstätte, weil sie dem Geschmack weitester Volkskreise entspricht, weil sie alles enthält, was die Masse begehrt: Humor, Dramatik und Sentimentalität – Wort, Tanz und Musik.“170


Alfred, Gertrud und Fritz Rotter auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs, vermutlich im Sommerurlaub um 1930

Fritz und Alfred Rotter

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