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2.2 Warum ist Consumer Neuroscience wichtig?

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»Die Tatsache, daß das Gehirn die physikalische Grundlage menschlichen Denkens ist, wird heute allgemein akzeptiert«

B.F. Skinner (1978, S. 18)

Wie bereits erwähnt, besteht die zentrale Annahme der Neuroökonomik und der Consumer Neurosciene darin, dass mit einem permanenten Voranschreiten der Neurowissenschaften auch eine verbesserte Erklärung des menschlichen Verhaltens im wirtschaftlichen Kontext möglich wird. Im Wesentlichen besteht die Aufgabe der Consumer Neuroscience darin, die erklärte Varianz bestehender Theorien durch die Integration einer neuer theoretischen Perspektive zu erhöhen. (Grosenick et al. 2008; Kenning, Plassmann 2008; Knutson et al. 2007). Dabei werden auf dieser zunächst deskriptiven Ebene grob zwei Formen menschlichen Verhaltens unterschieden: Zum einen geht es im Bereich der Individual Consumer Neuroscience um individuelles Verhalten. Dies kann z. B. die Wahrnehmung eines Individuums von bestimmten ökonomisch relevanten Stimuli (z. B. Preisinformationen) bedeuten. Daneben geht es im Bereich Social Neuroscience um das menschliche Verhalten in sozialen Kontexten. Da in modernen Ökonomien Kooperationen gang und gäbe sind, spielt diese Verhaltensform im ökonomischen Alltag eine große Rolle. Hier angesiedelt sind bspw. Studien, die sich mit der interpersonalen Vertrauensbildung, mit Fairness, Altruismus und ganz allgemein mit kooperationsrelevanten Fragestellungen beschäftigen. Viele der entsprechenden Erkenntnisse wurden dabei erst in den letzten Jahren gewonnen. Sie bilden den Gegenstand des Kapitels 6.2.


Insert 1: Vergleich von EEG und Befragung (Quelle: Marketing Research, Nr.1/2009, S. 5)

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht immer gleich offensichtlich ist, beinhalten diese beiden Forschungsgebiete oft auch betriebswirtschaftlich relevante Implikationen. Dies mag dann in der betrieblichen Praxis auch dazu führen, dass Unternehmen in der Lage sind, ihr Marketing weiter zu entwickeln, indem es ihnen auf der einen Seite gelingt, bestehende Bedürfnisse der Kunden besser zu erkennen, zu verstehen und zu befriedigen (Reimann et al. 2011). Damit ließen sich dann gegebenenfalls auch die nach wie vor hohen vermuteten Ineffizienzen im Marketing reduzieren und ein Beitrag zum Forschungsgebiet der Marketing Metrics leisten (Patterson, Pauwels 2008).

Auf der anderen Seite könnten die entsprechenden Theorien aber auch zu einer verbesserten Marktbearbeitung (Marktsegmentierung) sowie zu neuen Maßnahmen der Differenzierung (Marktpositionierung und -differenzierung) führen, die betriebswirtschaftlich sinnvoll wären. Insofern betrifft Consumer Neuroscience nahezu alle Bereiche der marktorientierten Unternehmensführung. Vielleicht besonders treffend formulieren die beiden US-amerikanischen Marketingwissenschaftler Ravi Achrol und Phillip Kotler (2011) diesen Aspekt in ihrem Beitrag »Frontiers of the marketing paradigm in the third millenium« wie folgt:

»To be a skilled consumer researcher may mean one has to be half a neurophysiologist with expertise in, for example, fMRI besides the latest in research design and statistical method.«

Das damit angesprochene Forschungsfeld der Commercial Consumer Neuroscience ( Insert 1) werden wir im Kapitel 6.3 vertiefend diskutieren. Es beherrscht zugleich oft noch die öffentliche Diskussion des Themas, die zum Teil kontrovers geführt wird. Vieles, was in der Diskussion an Bedenken geäußert wird, ist jedoch eher allgemein marketingskeptisch und wenig spezifisch. Es verwundert daher nicht, dass das Thema sowohl in der Öffentlichkeit als auch im akademischen Kontext an Bedeutung gewinnt (Fugate 2007; Hubert, Kenning 2008; Lee et al. 2007; Plassmann et al. 2007a). So widmeten sich verschiedene Konferenzen und Zeitschriften dem Thema und die Anzahl der in führenden Marketingzeitschriften publizierten Studien und Artikel hat sich vervielfacht ( Abb. 4 sowie Lee et al. 2007). Darüber hinaus hat die renommierte Association of Consumer Research einen neuen content area code für die in diesem Gebiet angesiedelten Arbeiten eingeführt.

Zentral für das Verständnis der diesen Entwicklungen zugrunden liegenden Phänomene und Diskussionen ist jedoch der Erwerb grundlgender Kenntnisse der wichtigsten Strukturen und Funktionen des Kaufentscheidungsorgans. Diese Kenntnisse sollen im folgenden Kapitel 3 vermittelt werden.

Wiederholungsfragen zu Kapitel 2:

1. Was versteht man unter dem S-O-R-Paradigma? Aus welchen Komponenten bestehen die entsprechenden Modelle typischerweise? Nennen Sie jeweils ein Beispiel für einen (nicht) kontrollierten Stimulus.


Abb. 4: Überblick über die Entwicklung von neurowissenschaftlich orientierten Publikationen in international führenden Marketingzeitschriften (in Anlehung an Plassmann et al. 2012)

2. Diskutieren Sie die Vor- und Nachteile der dem S-O-R-Paradigma folgenden Modelle.

3. Inwiefern unterscheidet sich der Ansatz der Consumer Neuroscience vom S-O-R-Paradigma?

4. Beschreiben Sie den Versuchsaufbau sowie die zentralen Ergebnisse der fMRI-Ultimatum Game-Studie von Sanfey et al. (2003). Warum ist diese Studie besonders bedeutsam?

5. Was ist das Ziel der neuroökonomischen Forschung?

6. Schildern Sie mit eigenen Worten welchen neuen Ansatz die Neuroökonomik verwendet, um das in Frage 5 erwähnte Ziel zu erreichen. Inwiefern erscheint Ihnen die Erreichung dieses Ziel realistisch und wünschenswert?

7. In welche Teilbereiche kann man die Consumer Neuroscience derzeit unterteilen? Grenzen Sie die Teilbereiche voneinander ab.

8. Warum handelt es sich beim Begriff »Neuromarketing« um einen Misnomer?

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