Читать книгу Cher - Die Biografie - Peter Lanz - Страница 7

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»Als ich Cher zum ersten Mal traf, wusste ich, dass aus ihr einmal etwas ganz Großes werden würde.«

Sonny Bono über seine Frau

»Er war ganz in Schwarz gekleidet und trug schwarze Stiefel mit sehr hohen Absätzen. Wahrscheinlich meinte er, zu klein zu sein.«

Cher Bono über ihren Mann

1962 war das Jahr, in dem Marilyn Monroe Selbstmord beging. John Huston drehte mit Montgomery Clift den berühmten Freud-Film. Und Liz Taylor lernte Richard Burton kennen. Es kam zur Kuba-Krise, in Deutschland wurde die erste Antibaby-Pille verkauft, und im US-Bundesstaat Mississippi konnte Schwarze nur an die Universitäten, weil Bundestruppen sie vor aufgebrachten Weißen schützten. In Hamburg trat zur Eröffnung des »Star-Clubs« eine neue Band aus Liverpool auf die Bühne, die sich »The Beatles« nannte.

Cherilyn Sarkisian-LaPiere hatte gemeinsam mit einer Freundin ein Apartment in einem Hochhaus an der Fountain Avenue in Hollywood gemietet. Sie wechselte damals ihre Jobs schneller als ihre Wäsche, nirgendwo hielt sie es lange aus, sie schien gehetzt, ziellos, ohne Perspektive zu sein. Sie hatte verschiedene Freunde, aber es war nichts Ernstes darunter.

Salvatore Philip Bono war so ganz anders als die Jungs, die sich für sie interessierten. Er war bereits 27 Jahre alt, verheiratet und hatte eine Tochter, Christy. Trotz seiner verrückten Aufmachung – »Als ich ihn zum ersten Mal sah, dachte ich, Prinz Eisenherz kommt daher«, erinnert sich Chers Schwester – war Salvatore »Sonny« Bono ein außergewöhnlich höflicher Mann, auf die 16-jährige Cher muss er wie der typische Kavalier der alten Schule gewirkt haben. »Er stand auf, wenn ich zum Tisch kam, er hielt mir die Tür auf, er half mir in den Mantel, alles Dinge, die ich von den jungen Männern, mit denen ich Umgang hatte, nicht kannte.« Sonny hatte damals ein Verhältnis mit dem Mädchen, das sich das Apartment an der Fountain Avenue mit Cher teilte. Er selbst wohnte gleich nebenan. Cher begegnete ihm zum ersten Mal in einem Restaurant am Sunset Strip. »Ich wusste nicht, wer Sonny war, außer, dass er oft mit meiner Freundin herummachte, aber jedermann im Restaurant schien ihn zu kennen. Alle sagten, das sei ›Sonny‹. Und ich schwöre, als er zur Tür hereinkam – ein schmaler Kerl mit schwarzen Haaren, Stiefeln und so einer goldenen Kette ums Handgelenk –, da verblassten alle um ihn herum.«

Cher fühlte sich augenblicklich von Sonny Bono angezogen. Um sein Interesse zu wecken, machte sie sich älter. »Ich sagte ihm, ich sei schon 19.« In den folgenden Wochen suchte sie jede sich bietende Gelegenheit, um Sonny zu begegnen.

Eines Abends war sie mit einem Jungen verabredet, aber nach einiger Zeit hielt sie es nicht mehr aus und sagte, sie habe Kopfschmerzen und möchte nach Hause gehen. Sie ging dann noch hinüber zu Sonny und läutete an dessen Wohnungstür. Sie hörte Stimmen dahinter, aber niemand öffnete ihr, und sie schloss daraus, dass er mit einem Mädchen in der Wohnung war und nicht gestört werden wollte. In dem Moment spürte sie den Stachel der Eifersucht: »Ich war schrecklich deprimiert.«

Bei einem Interview mit dem Frauenmagazin McCalls sagte Cher später: »Ich wusste von Anfang an, dass er ein Mann ist, der Frauen versteht. Ich weiß noch, wie ich ihn zum ersten Mal bewusst in dem Restaurant gesehen habe – er war ganz in Schwarz gekleidet und trug schwarze Stiefel mit sehr hohen Absätzen. Wahrscheinlich meinte er, zu klein zu sein.« Sonny Bono hatte tatsächlich immer Angst, nicht ernst genommen zu werden. Er war nicht besonders groß, und als jüngstes von drei Geschwistern hatte er auch daheim in Detroit, Michigan, Schwierigkeiten, sich durchzusetzen. »Er kämpfte immer um Selbstbestätigung«, erinnern sich Freunde von damals.

Als Sonny sieben Jahre alt war, zog die Familie nach Los Angeles. Sein Vater Santo bekam einen Job als Fließbandarbeiter, und Sonny absolvierte in Inglewood die Schule. Wie bei Cher ging auch bei den Eltern von Sonny die Ehe bald auseinander. Das schreckte Sonny aber nicht davon ab, selbst sehr früh zu heiraten: Am 10. November 1954, mit 19 Jahren, ehelichte er eine gewisse Donna Rankin. Es war eine echte Liebesheirat, die Braut ein Jahr jünger als der Bräutigam. Die anfänglichen Befürchtungen von Sonnys Eltern, die beiden würden so früh heiraten, weil ein Baby unterwegs sei, erwiesen sich als falsch, Tochter Christy kam erst vier Jahre später zur Welt.

Salvatore Bono wollte »immer etwas tun, was mit Musik zu tun hat. Ich wollte Songs schreiben, ich wollte Geld verdienen«. Deshalb ging er von der High School ohne Abschlussprüfung ab: »Meine Eltern haben es mir übel genommen, sie fühlten sich enttäuscht von mir. Aber ich wollte es so.« Er wurde Laufbursche bei einem Krämer, dann Kellner und Gehilfe bei einem Fleischer. Eine Weile fuhr er auch Lastkraftwagen.

Im Grunde lief für ihn alles schief: Er hatte Jobs, die ihn schrecklich langweilten, Musik hörte er höchstens im Radio, wenn Bill Haley sein Rock Around The Clock sang, und Geld verdiente er auch viel zu wenig, um sich und seiner Frau einen ausreichenden Lebensunterhalt sichern zu können. Harold Battiste, ein ehemaliger Lehrer, arbeitete bei Specialty Records am Sunset Boulevard. Er war der erste, den Sonny um eine Chance bat. »Er blieb mit seinem Truck einfach vor meinem Büro stehen, kam herein, grüßte freundlich und begann mir von den Songs, die er geschrieben hatte und die er noch schreiben wollte, zu erzählen.«

Battiste war ein Vollblutmusiker. Zuletzt hatte er als Jazzer in New Orleans gelebt und er spürte sofort, wie besessen Sonny Bono von allem war, was mit Musik und dem Plattengeschäft zu tun hatte. »Dazu hatte er noch das, was man Charisma nennt. Er war sehr charmant, viel gewandter, als man das einem Truck-Fahrer zutraute, und er verstand es, wirklich jeden innerhalb kürzester Zeit von dem, was er sich in den Kopf gesetzt hatte, zu überzeugen. Es dauerte nicht lange und ich war felsenfest der Meinung, Sonny sei der beste Komponist weit und breit.«

Bei der Firma Specialty Records sah sich Sonny am Ziel seiner Wünsche, und er verstand es tatsächlich, Harold Battiste dazu zu bringen, ihm einen Job zu geben. Sonny Bono bewies mit der Zeit, dass er ein gutes Gefühl dafür hatte, welche Songs zu welchem Sänger passten, und so bekam er die Aufgabe, neue Kompositionen zu hören und gute Stücke dem einen oder anderen aus dem Stall von Specialty Records zuzuordnen. Ausgenommen davon war einzig Little Richard, der damals bereits so populär war, dass er als Star der Firma ein eigenes Betreuerteam hatte, das sich nur um seine Titel kümmerte.

Ein anderer Künstler von Specialty Records, aber lange nicht so berühmt wie Little Richard, war Sam Cooke. Sonny schlug ihm damals vor, das Lied I’ll Keep Coming Back to You aufzunehmen. Cooke akzeptierte, der Song wurde ein Superhit mit mehr als einer Million verkaufter Singles – und Sonny hatte seinen guten Riecher fürs Plattenbusiness bewiesen. Aber in Los Angeles genügte das damals allein nicht. Freunde, die ihn in den späten 1950er Jahren kannten, erinnern sich: »Vielleicht deshalb, weil Sonny die Leute im Gespräch so schnell überzeugen konnte, hatte er es so schwer – jeder erwartete nach seinen blumigen Worten weiß Gott was von ihm. Aber am Ende war er halt auch nicht der Tausendsassa, als den er sich gern hinstellte, sondern eher ein Luftikus.«

Er sah damals aus wie Millionen anderer junger Männer auf der ganzen Welt: Das relativ kurz geschnittene schwarze Haar mit Pomade nach hinten frisiert, Lederjacke, enge Jeans, spitze Schuhe. Harold Battiste: »Es gab Hunderte Sonnys in Kalifornien, und die meisten endeten in irgendeinem Krämerladen als Verkäufer.«

Jeden Cent, den er verdiente, steckte Sonny Bono damals in seine Karriere. Songs, die Battiste nicht akzeptierte, brachte er in zwei eigenen Firmen auf den Markt. Unter den Pseudonymen Ronny Sommers und Don Christy sang er auch selbst. Allerdings beachtete kaum jemand seine Platten. Ein Lied von ihm, She Said Yeah, war in der Urfassung ein ziemlicher Reinfall, wurde aber viele Jahre später, als die Rolling Stones den Song noch einmal einspielten, ein echter Hit. Ein anderes Lied von Sonny Bono aus der damaligen Zeit, das er mit Don und Dewey herausbrachte, Ko Ko Joe, wurde 1963 von den Righteous Brothers aufgenommen und platzierte sich als Remake gleich an der Spitze der Charts. Mag sein, dass Sonny Bono damals einfach dem Geschmack seiner Zeit voraus war und die Menschen nicht recht zu schätzen wussten, welche Ohrwürmer Sonny Bono ihnen servieren konnte.

Einmal, es muss 1958 gewesen sein, hatte Sonny Bono ein Schlüsselerlebnis. Er trat abends öfter mal in Konzerthallen auf, um seine Songs vor Publikum vorzutragen. »Und da saß ich in der Garderobe und an der Wand hingen Fotos von all den Stars, die schon mal da aufgetreten waren. Ich musste immer daran denken. Endlich kam ich an die Reihe, ging hinaus, nahm das Mikrofon in die Hand – und plötzlich war da wieder das Bild von Elvis Presley aus der Garderobe. Und im selben Moment war es mir, als säße ich jetzt da unten bei den Zuschauern und könnte mich selbst sehen. Und ich sagte mir, verdammt, Bono, willst du wirklich ein Sänger werden? Hast du ehrlich das Zeug dazu?«

Mit der Zeit wurde Sonny in der Plattenindustrie von Südkalifornien ein fester Bestandteil: ein Mann, der das Gespür für Lieder hatte und der vor allem seine Künstler besser »verkaufen« konnte als jeder andere. Wenn er von einem der viel gehörten Radiosender eingeladen wurde, über einen der Sänger von Specialty Records zu plaudern, konnte man sicher sein, dass am anderen Tag die Plattenverkäufe sprunghaft anstiegen. Sonny, das war ein Typ, der Eskimos Kühlschränke verkaufen konnte.

Genau so einen Mann suchte Phil Spector, der Besitzer von Philles Records. Viele der ganz großen Stars waren bei Philles Records unter Vertrag – The Crystals, Bob B. Soxx and the Blue Jeans, Darlene Love und natürlich The Ronettes.

Phil Spector selbst war ein genialer Geschäftsmann, er war knallhart, emotionslos, und er hatte wenige Freunde. Als der gebürtige New Yorker erkannte, dass die neue, erfolgreiche Musik in den 1950er Jahren im Westen der Vereinigten Staaten gemacht wurde, übersiedelte er mit seinem Büro nach Los Angeles. Seine Maxime lautete: »Es gibt nur zwei Menschentypen – Gewinner und Verlierer.« Er selbst zählte sich selbstverständlich zu den Gewinnern. Obwohl nicht mehr ganz jung, wirkte er immer noch jungenhaft, er war klein gewachsen, schlank, flink. Phil Spector strahlte in Verhandlungen eine eisige Kälte aus. Er hatte die Angewohnheit, seinen Gesprächspartnern nicht in die Augen zu sehen.

Spector machte seine besten Geschäfte mit schwarzen Musikern, er setzte schon früh auf Soul. Und sein Gefühl trog ihn nie. Als er mit seiner späteren Ehefrau Veronica Bennett Be my Baby aufnahm, »wusste ich bereits, dass das ein Welthit wird«, sagte Spector später.

Veronica – genannt Ronnie – war ein einfaches Mädchen aus Brooklyn, ehe Spector sie mit den Ronettes entdeckte und ihnen Musikstoff für eine Weltkarriere gab. Zusammen mit Ronnie waren noch ihre Schwester Estelle und die Cousine Nedra Talley aus Harlem bei den Ronettes. Die Mädchen hatten eine merkwürdig anmutende Angewohnheit: Sie nahmen ihre Platten nur in völlig abgedunkelten Studios auf. Ronnie Spector sagte später darüber: »Ich konnte mich einfach nicht konzentrieren und Emotionen freilegen, wenn ich dauernd all die Kabel, Mikrofone und Bandmaschinen im Auge hatte.« Phil Spector, der ansonsten für Spleens wenig übrig hatte, gestand seiner späteren Ehefrau alle möglichen Marotten zu. Er selber hatte auch einen Tick: Er ließ in die Auslaufrille der Platten immer seinen und den Vornamen seiner damaligen Frau, Annette, eingravieren. Als er dann Ronnie kennenlernte und Be my Baby aufnahm, fehlte zum ersten Mal Annettes Name auf der Platte … The Ronettes landeten einen Hit nach dem anderen. Sie nahmen Walking in the Rain auf und Do I Love You?.

Phil Spector kümmerte sich über alle Maßen um das Mädchentrio, und bald war in der Branche klar, dass der Erfolg nicht so sehr auf der einzigartigen Stimme von Veronica Bennett beruhte, sondern vor allem dem Marketinggeschick von Phil Spector zu verdanken war. Als die Beatles auf Amerika-Tournee gingen, verstand es Spector, ihnen The Ronettes als Vorgruppe aufzuschwatzen.

Der knallharte Geschäftsmann Spector war von seiner neuen Liebe Veronica völlig gefangengenommen. Er überschüttete sie mit Geschenken, kaufte ihr die teuersten Juwelen, richtete ein riesiges Haus für sie ein, las ihr jeden Wunsch von den Augen ab – und versuchte, sie ganz nach seinem Geschmack zu formen.

Während The Ronettes populäre Musik machten, musste Ronnie – Phil nannte sie immer mit ihrem vollständigen Namen Veronica – daheim ausschließlich klassische Musik hören. Er verbot ihr auch, allein oder mit Freunden auszugehen. Phil nahm Ronnie voll und ganz in Besitz und wachte eifersüchtig mit Argusaugen über sie.

Dieser Phil Spector, den Sonny Bono damals kennenlernte, imponierte Sonny vom ersten Moment an. Zu jener Zeit dürfte sich auch bereits bei ihm der Plan abgezeichnet haben, genauso wie Phil Spector mit Hilfe einer talentierten Sängerin, die er an sich binden wollte, all das geschäftlich zu verwirklichen, was ihm bisher versagt geblieben war.

Sonny Bono war – im Gegensatz zu Phil Spector – ein Typ, der es verstand, sich schnell Freunde zu machen. Er war hilfsbereit, bis zu einem gewissen Grad zuverlässig und nie verlegen, wenn es darum ging, mit kleinen Aufmerksamkeiten Vorteile zu erlangen. Kam er frühmorgens in ein Rundfunkstudio, um wieder mit den Disc Jockeys über neue Sänger zu reden, brachte er heißen Kaffee und Brötchen mit. Ein Kollege von damals: »Phil dachte nie über den Tag hinaus. Wenn ihm etwas nicht passte, brach er alle Brücken hinter sich ab, ohne daran zu denken, dass er vielleicht einmal wieder drüberlaufen müsse. Sonny dagegen baute schon weitsichtig die Brücken zu einem Zeitpunkt, als er sie noch gar nicht brauchte.«

Als Sonny Bono zum ersten Mal mit Cher zusammentraf, wäre er nie auf die Idee gekommen, dass sie die Frau sein könnte, die sein Leben völlig verändern und mit ihm gemeinsam die erträumte Weltkarriere machen würde.

Sonny näherte sich der elf Jahre jüngeren Cherilyn eher zurückhaltend und äußerst vorsichtig an. »Er war der erste Mann in meinem Leben, der einfach nur nett war, ohne gleich mehr von mir zu wollen«, sagte Cher später in einem Interview mit dem Frauenmagazin McCalls. »Ich hatte immer das Gefühl, dass er Frauen besser verstünde, als andere Männer das tun. Ich konnte mit ihm sprechen, und er hörte zu. Das war eine neue Erfahrung für mich.«

Damals, mit 16, war Cherilyn kein unbeschriebenes Blatt mehr. Die häufig wechselnden Ehemänner ihrer Mutter bewiesen ihr, dass es nicht verwerflich sein konnte, mit mehreren Männern Beziehungen einzugehen. »Irgendwann dachte ich, Prinzen gebe es nur im Märchen. Im wirklichen Leben müsse man eben sehen, wie man zurechtkomme.«

Cher verheimlichte nie, dass sie ihr erstes sexuelles Erlebnis mit 14 Jahren gehabt hatte. Während ihre Freundinnen damals davor zurückgeschreckt waren, einem Jungen »alles zu geben«, und sich mit Petting im Auto begnügt hatten, hatte Cher den Nachbarsjungen in ihr Bett mitgenommen. In einem Interview mit dem US-Playboy sagte sie 1988: »Er machte mich so lange an, bis ich einfach sagte, los, lass es uns tun. Ich empfand gar nichts dabei, und nach einer Weile fragte ich, ob das jetzt alles gewesen sei. Er sagte Ja. Na fein, sagte ich, dann können wir ja nach Hause gehen.«

»Mein zweiter war 35. Ich war verrückt nach ihm. Er war der Geliebte meiner Mutter, war blond, einen Meter neunzig groß. Ich wollte immer ganz nahe bei ihm sein – wie eine Erwachsene. Ich bin dann einfach zu ihm ins Bett gekrochen. Robert war großartig.«

Bevor sie Sonny Bono traf, war Cher auch Warren Beatty, dem späteren Bonnie & Clyde-Star und Frauenhelden, sehr nahe gekommen: »Meine Freundinnen waren verrückt nach ihm«, sagte sie in dem Playboy-Interview, »aber er suchte sich mich aus. Was für eine Enttäuschung für die. Technisch war er ja gut, aber in mir rührte sich nichts.«

Cher war 16 und fuhr in einem geliehenen Skylark nach Hollywood. Hinter Schwab’s Drugstore rammte sie fast ein Lincoln. Der Fahrer folgte ihr. »Er fuhr hinter mir auf einen Parkplatz und ich war auf Hundert. Ich sprang aus dem Auto und herrschte ihn an: ›Bist du völlig verrückt geworden? Du hättest mich fast gerammt!‹ Dann erkannte ich ihn erst. Es war Warren Beatty.« Warren Beatty war damals noch nicht der Hollywood-Superstar, zu dem er später werden sollte. Filme wie Bonnie & Clyde, Shampoo oder Dick Tracy, die ihn weltberühmt machten, standen noch bevor. Doch Warren hatte bereits in drei oder vier großen Filmen mitgespielt, war der Bruder von Shirley McLane und galt schon damals in der Filmbranche als Womanizer. »Tut mir leid«, sagte Beatty, »ich hatte keine Ahnung, dass Sie sich gefährdet fühlten. War es wirklich so knapp?« Er grinste. Cher fragte: »Hast du wenigstens eine Zigarette für mich?« »Nö, aber ich kann zur Tankstelle laufen und eine Packung besorgen.«

Als er mit den Zigaretten zurückkam, stellte er sich vor. »Ich heiße Warren. Wollen wir etwas essen gehen?« Zuerst wollte Cher ablehnen, aber dann dachte sie daran, dass Georgia völlig verrückt nach Warren Beatty war und genauso Chers engste Freundin Penny. Und das gab den Ausschlag, die Einladung anzunehmen. »Dann könnten wir zu mir fahren, ich hab genug zu essen daheim«, sagte Warren Beatty. Cher fuhr hinter ihm her nach Truesdale. Beatty bewohnte dort, wie es sich für einen Star gehörte, eine großzügige, weiße Villa mit einem ausladenden Swimmingpool. Beatty lebte zu der Zeit mit Natalie Wood zusammen, die aber offensichtlich gerade nicht im Haus war. Er brachte Käse, Crackers und Coke und küsste Cher.

»Am anderen Morgen erzählte ich meiner Mutter, Warren Beatty getroffen zu haben. Ich sagte ihr auch, dass wir etwas gegessen hätten. Die anderen Details ließ ich weg.« Kurze Zeit später rief Warren Beatty selbst an, um sich bei Georgia zu entschuldigen, dass Cher erst so spät heimgekommen war. Wie Cher es erwartet hatte, war die Mutter ganz aus dem Häuschen. »Wie ist er so? Hat er Humor? Ist er in Wirklichkeit auch so gutaussehend wie auf den Fotos?« Als Cher ihrer Freundin Penny von dem nächtlichen Abenteuer erzählte, guckte die sie an, als wäre sie eine Fremde. »Es schien, als wäre nicht nur Warren berühmt, sondern plötzlich auch ich.«

Cher hatte Warren Beatty ihr wahres Alter, sie war vor zwei Wochen 16 geworden, verschwiegen. Als er anrief, verriet es ihm Georgia. »Ist das wahr?«, fragte Warren Beatty Cher. Kleinlaut sagte sie Ja. »Okay. Das macht gar nichts«, antwortete der damals 25-Jährige. In ihrer Autobiografie schreibt Cher: »Er war für mich der berühmte, charmante Filmstar, mit dem ich ausging und Sex hatte. Das war aber nicht wirklich ich selbst: Ich war später nie mehr so. Nicht aus moralischen Gründen, aber Sex ohne Liebe geht bei mir nicht. Ich brauche einfach das Gefühl im Herzen, um wirklich glücklich zu sein.« Als acht Monate später Warren einmal Cher anrief und sie zum Essen einlud, lehnte Cher ab. Sie sagte ihm, sie habe sich in einen anderen Mann verliebt. In Sonny. Er antwortete: »Fantastisch. Und wie ist es mit Essen heute Abend?«

Bei Sonny Bono machte Cherilyn eine völlig neue Erfahrung: Sie schien ihm anfangs völlig einerlei zu sein. »Ich wusste damals, dass ich nicht die landläufige Schönheit war, aber dennoch waren die Männer hinter mir her. Ich habe dieses Lächeln, das ich von meiner Mutter geerbt habe, und ich habe sehr schöne, ausdrucksstarke, braune Augen.« Aber weder das verführerische Lächeln noch die schmachtenden Blicke der 16-Jährigen schienen Sonny Bono sonderlich zu imponieren. Er war nett zu ihr, doch er deutete nie an, mehr als nur ihre Freundschaft zu wollen.

Wenn sie einmal gemeinsam ausgingen, bestellte er das Dinner für beide. »Die Jungs, die ich bis dahin gekannt hatte, ließen mich bestellen.« Einmal fragte ihn Cher, ob der Mond die Rückseite der Sonne sei. »In der Schule«, entschuldigte sie sich dabei lächelnd, »habe ich nie sonderlich aufgepasst.«

Ein kurzes Zwischenspiel in einer Schauspielschule in Los Angeles langweilte sie, sie wollte nicht erst lange lernen, sondern rasch berühmt werden. Genau zu jener Zeit trennte sich Sonny Bono von seiner Ehefrau. Es war keine spektakuläre Scheidung, die beiden hatten sich einfach auseinandergelebt. Sonny war eine ganze Weile seine eigenen Wege gegangen und nun zog er einen Schlussstrich unter das Kapitel Ehe und suchte sich ein kleines Apartment. Dazu kam, dass sich Sonny an und für sich nur für ältere Frauen interessierte. Er war 27, Frauen, die ihn reizten, mussten dreißig Jahre und älter sein.

Als Chers Freundin damals Los Angeles verließ, um in einer anderen Stadt einen Job anzunehmen, verlor Cher auch ihre Zimmergenossin. Was besonders betrüblich war, da Cher selbst ihr Geld unregelmäßig mit allerlei Aushilfsarbeiten verdiente und sich berechtigte Sorgen machte, wie sie in Zukunft die Miete aufbringen könne. Also weinte sie sich eines Tages bei Sonny aus.

»Der einzige Ausweg, den ich sehe, ist heim zu meiner Mutter zu gehen«, sagte Cher zu Sonny, »und das wäre für mich die fürchterlichste Niederlage meines Lebens. Ich will einfach auf eigenen Beinen stehen und nicht bei meiner Mutter angekrochen kommen und um einen Schlafplatz betteln.« Damals war das Verhältnis zwischen den beiden Frauen sehr gespannt. Georgia LaPiere war zu einem Gutteil eifersüchtig auf die junge Frau, der die Welt noch offen zu stehen schien, während sie selber ihre Karriere und ein großes Stück ihres Lebens hinter sich hatte. Sie machte Cher, bei allen Freiheiten, die sie ihr ließ, auch immer wieder Vorhaltungen wegen der Männergeschichten oder des fehlenden Ehrgeizes im Job.

Sonny hatte eine Reihe von Affären, aber er hatte seit der Trennung von seiner Frau mit keinem anderen Mädchen zusammengewohnt. »Wenn du kochen kannst und die Wohnung sauber hältst, kannst du für eine Weile zu mir ziehen«, bot er ihr an. Cher verstand nichts vom Kochen und stellte sich auch mit dem Putzlappen nicht besonders geschickt an, aber sie sagte natürlich sofort zu und zog zu Salvatore Bono. »Meine Mutter hätte nie akzeptiert, dass ich zu einem Mann ziehe, der um so viel älter und noch nicht einmal richtig geschieden war. Ich sagte ihr deshalb, ich würde mit einer Freundin, einer Stewardess, zusammen hausen. Immer wenn Mutter ihren Besuch ankündigte, schaffte ich rasch Sonnys Zeug zu einem Nachbarn und erzählte meiner Mutter, die Stewardess sei gerade wieder weggeflogen.«

In den ersten Wochen des Zusammenlebens gab Sonny Cher immer wieder zu verstehen, dass er kein sonderliches Interesse an ihr hatte. Einmal sagte er ihr sogar ganz offen: »Hör mal, besonders attraktiv bist du ja nicht gerade.« Im Gegensatz zu den späteren Jahren legte die blutjunge Cherilyn wenig Wert auf ihr Äußeres, sie lief die meiste Zeit in zerschlissenen Jeans und ausgeleierten T-Shirts herum, band das Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und zog oft nicht mal Schuhe an, sondern lief barfuß durch die Straßen. Sonny erkannte auch bald, dass es mit ihren Kochkünsten nicht weit her war. Hatte er Hunger, musste er ihr Geld geben, und sie besorgte ein paar Hamburger oder ein Sandwich im Delikatessenladen. Sie träumte von einer Karriere – aber sie tat nichts dafür. Sie hing nachts bei allen möglichen Partys herum, schlief lange und liebte es, wahllos die Programme im Fernsehen anzugucken.

Es war eine ganz und gar verrückte Zeit: Während die Welt von einer sexuellen Revolution – die sich überall bemerkbar machte – redete, lebten Sonny und Cher brav wie Bruder und Schwester in einer Wohnung. Cher: »Wir schliefen sogar im selben Zimmer, allerdings in getrennten Betten. Und monatelang passierte tatsächlich nichts zwischen uns.«

Mag sein, dass beide einfach Angst davor hatten, ihre Freundschaft könnte zerbrechen, sobald sie ein Liebespaar geworden waren. Sonny: »Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Cher mehr brauchte als nur einen Liebhaber. Sie hatte einen Vater, einen Bruder und einen Geliebten nötig.« Einmal erwachte Cher mitten in der Nacht und fühlte sich sehr deprimiert. Sie hatte schlecht geträumt und fing an, leise zu weinen. »Was ist?«, fragte Sonny schlaftrunken. »Nichts, ich fühle mich bloß beschissen«, antwortete Cher. Und nach einer Weile fragte sie: »Kann ich zu dir ins Bett kommen?« »Wenn du möchtest …«, antwortete Salvatore Bono halbherzig. In dem Moment begann eine Love Story, die die ganze Welt in ihren Bann ziehen sollte. Es war eine Liebesgeschichte so ganz nach dem Geschmack der Generation von damals, ein Auflehnen gegen die Konventionen, die Eltern – und alles mit viel Musik.

Sonny & Cher, das sollte bald zu einem untrennbaren Synonym werden – wie Coca & Cola oder Rolls & Royce.

Cher - Die Biografie

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