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Оглавление»Wer ist das?«
Georgia LaPiere, als ihr Sonny Bono vorgestellt wurde
»Der Mann, den ich heiraten werde!«
Cher zu Georgia LaPiere
Sonny Bono kannte damals im Musikgeschäft von Los Angeles beinahe alle, und beinahe alle kannten ihn, aber der Job, den er machte, war nicht sonderlich befriedigend für ihn. Natürlich, er war endlich in der Plattenbranche, aber Phil Spector benutzte ihn als Laufburschen. Zwar war er offiziell in der Promotionsabteilung beschäftigt, aber Spector schickte ihn auch hinaus, um das Firmenauto auf einen anderen Parkplatz zu stellen, Besorgungen zu erledigen oder im Background-Chor im Studio mitzusingen. Phil Spector war ohnedies der Ansicht, dass er »für den Chor nicht teure Sänger« bezahlen müsse, »sondern bloß Leute brauche, die ein bisschen Lärm machen können«.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss Sonny Bono erkannt haben, welche Chancen sich ihm mit Cher boten. Ihr Talent als Sängerin hatte er festgestellt, und die Tatsache, dass sie, jung und unfertig, offenbar nur darauf wartete, von ihm zu einem Star modelliert zu werden, war ihm auch nicht verborgen geblieben.
»Das Musikgeschäft, das ich durch Sonny kennenlernte, fing an, mir Spaß zu machen«, sagte Cher später über jene Zeit. »Ich brauchte aber einen Mentor, der mir weiterhelfen konnte.« Und wer wäre ein besserer Mentor gewesen als Sonny Bono?
Das Studio von Phil Spector, Gold Star, war ein beliebter Treffpunkt für Künstler, die sich in Los Angeles aufhielten, und es war da beinahe Tag und Nacht die Hölle los. Man saß auf engstem Raum herum, trank, rauchte und quatschte. Und wenn einer gebraucht wurde, sprang immer wieder jemand ein. Sonny musste sich auch öfter mal als Musiker betätigen, und man erzählt sich die Geschichte, dass Phil Spector Cher einmal im Aufnahmeraum herumhocken sah und sie anherrschte: »Kannst du singen?« Worauf Cher mit den Achseln zuckte und antwortete: »Ein wenig.« »Dann beweg dich schleunigst hinters Mikrofon, du bist als Chorgirl engagiert.« Ob es nun so lief oder anders, fest steht, dass Cher bei den größten Hits des Gold-Star-Studios mitsang: Bei Da Do Ron Ron, Then He Kissed Me und He’s Sure the Boy I Love von The Crystals, bei Darlene Loves Wait Till My Bobby Gets Home und The Boy I am Gonna Marry. Auch bei vielen Ronettes-Platten sang Cher im Hintergrund mit. Dabei hielt Phil Spector besonders am Anfang nicht allzu viel von Chers Stimme. Spector war versessen auf Mädchen mit einem klaren, geschmeidigen Timbre, Cher hatte dagegen eine harte, erwachsene Stimme. Aber mit der Zeit gewöhnte er sich an das Timbre, und wenn man sich die Songs, die damals entstanden, aufmerksam anhört, merkt man, dass Cher bei den Aufnahmen immer mehr stimmliches Gewicht bekam und ihre Stimme immer deutlicher hineingemixt wurde.
So gut die Karriere des Mädchens Cherilyn auch anfing, die Mutter machte ihr einen Strich durch die Rechnung. »Eines Tages«, erinnerte sich später Georganne LaPiere, die Schwester von Cher, »brachte Cherilyn einfach Sonny mit zu uns nach Hause. Er sah irgendwie … anders aus, als Mutter sich das vorgestellt hatte. Er trug sein Haar bereits lang und rannte ganz in Leder gekleidet herum. Als unsere Mutter ihn zum ersten Mal sah, sagte sie: ›Wer ist das?‹, und Cher antwortete einfach: ›Der Mann, den ich heiraten werde.‹« Georgia LaPiere flippte in diesem Moment völlig aus. Ein Mann, wesentlich älter als ihre Tochter, ohne einen – in ihren Augen – vernünftigen Job, der noch dazu eine Frau und eine Tochter hatte und so herumrannte, das war einfach zu viel. Noch dazu fühlte sie sich von Cher hintergangen, weil die ihr doch so lange vorgespielt hatte, bei einer Freundin zu wohnen. Sonny sagte damals: »Ich glaube, Ihre Tochter sucht nicht nur einen Mann, sondern auch einen Vater. Ich werde ihr alles geben, was sie braucht.«
Das war Wasser auf die Mühlen von Georgia LaPiere. Insgeheim hatte sie sich den Töchtern gegenüber stets schuldig gefühlt, weil sie so häufig die Männer wechselte und damit Cherilyn und Georganne das Gefühl der Beständigkeit nahm. »Als Sonny nun sagte, Cher suche auch nach einem Vater«, berichtet Georganne, »war alles zu spät.« Das schlechte Gewissen machte sich bemerkbar, und die Mutter herrschte Sonny an: »Mir ist gleich die Ähnlichkeit zwischen Ihnen und Chers Vater aufgefallen. Aber das möge der Himmel verhüten, dass meine Tochter auf solch einen Mann hereinfällt. Ein schrecklicher Gedanke, dass mein Schicksal sich bei meinem Kind wiederholen könnte!«
Chers Mutter geriet total aus dem Häuschen. Sie verlangte von Cher, sofort aus Sonnys Wohnung auszuziehen. Mehr noch: Sie verbot ihrer minderjährigen Tochter jeden Umgang mit dem älteren Mann und stellte sie vor die Wahl, entweder wieder nach Hause zu kommen oder in einem Erziehungsheim für Mädchen untergebracht zu werden.
Cher entschied sich für das Heim, wo sie es allerdings nicht lange aushielt. Besonders die letzten Monate des freien Alleinlebens hatten sie geprägt. Und nun sollte sie sich den strengen Regeln und dem Zwang des Heimlebens unterwerfen? Zu allem Überfluss waren die meisten anderen Mädchen in der Anstalt ziemlich kaputte Typen. Viele von ihnen waren bereits mehrmals von daheim weggelaufen, andere hatten Bewährungsstrafen abzusitzen, wieder andere kamen aus völlig zerrütteten Familien. Cher zog sich – so gut das eben ging – von den anderen zurück. »Ich saß die meiste Zeit allein mit meinem Kofferradio da und lauschte, ob vielleicht irgendein Song kam, bei dem ich mitgemacht hatte, oder ob ich vielleicht Sonnys Stimme hören konnte.« Im Grunde war das Radio ihre einzige Verbindung zur Außenwelt. Nur hin und wieder gelang es ihr, sich davonzustehlen und Sonny anzurufen.
Für Cher war das wohl die bis dahin schlimmste Zeit ihres Lebens. Gerade, als sie die ersten Schritte ins Show-Biz tun wollte, schien alles wieder vorbei zu sein. Als der Mann ihrer Träume endlich anfing, sie wahrzunehmen, wurde sie von ihm getrennt. »Durch das Leben meiner Mutter war ich immer der Meinung gewesen, der Märchenprinz, von dem meine Schulfreundinnen geschwärmt hatten, sei tatsächlich nur ein Märchenprinz. Aber als ich Sonny kennenlernte, wusste ich, dass es ihn wirklich gibt.«
Und nun war alles zu spät. Als ihre Mutter merkte, dass Cher Sonny auch während der Trennung nicht vergessen hatte und dass beide immer noch heimlich miteinander telefonierten, beschloss sie, einen noch größeren räumlichen Abstand zwischen Salvatore Bono und Cherilyn zu bringen, und übersiedelte mit ihren Töchtern von Kalifornien nach Arkansas. Cher hasste Arkansas, und zu ihrem Glück benutzte der damalige Ehemann ihrer Mutter die Gelegenheit des Alleinseins dazu, die Scheidung von Georgia einzureichen. So musste die Mutter – widerstrebend zwar, aber doch – zurück nach Los Angeles, um die Formalitäten mit dem Anwalt zu erledigen.
Georgia LaPiere wollte im Grunde all ihre eigenen versäumten Chancen in der Person ihrer Tochter nachholen. Sie drängte Cher, das Schauspielstudium wieder aufzunehmen. Cher sprach bei Jeff Corey vor und wurde tatsächlich – als jüngstes Mitglied – für seinen Pasadena-Playhouse-Workshop akzeptiert.
Aber Cher ging zu keiner einzigen Unterrichtsstunde. Sie wusste nicht recht, wie ihre Zukunft aussehen sollte, sie rebellierte gegen die Wünsche von Georgia – und sie traf sich immer wieder heimlich mit Sonny, der sie drängte, den Gedanken an die Schauspielerei aufzugeben und in die Musikbranche einzusteigen.
Sonny war sich auch in Chers Abwesenheit mehr denn je darüber bewusst, dass das junge Mädchen seine große Chance für eine Karriere war. Er wusste nur zu gut, dass seine eigene Stimme für einen Welterfolg, von dem er träumte, nicht gut genug war, und er setzte auf das ungewöhnliche Timbre des zarten dunkelhaarigen Mädchens mit den hochstehenden Backenknochen. Er schleppte also Cher immer, wenn er sie heimlich treffen konnte, zu Phil Spector und versuchte, ihn zu überreden, eine Solo-Platte mit Cher aufzunehmen.
Einmal, es war Anfang 1964, brachten zwei Komponisten, Pete Anders und Winnie Poncier, einen Song vorbei, der sich an die zu dieser Zeit in den USA herrschende Beatles-Hysterie anhängte: Ringo, I Love You. Im Text machte ein Mädchen dem Schlagzeuger der Beatles, Ringo Starr, eine Liebeserklärung. Ein nichtssagendes Liedchen, dem man die Spekulation, sich an den Ruhm der vier Liverpooler anzuhängen, vom ersten Ton an anhörte. Cher war hin und her gerissen. Einerseits sah sie ihre Chance, mit einer Single endlich ins Rampenlicht treten zu können, andererseits war sie bereits Profi genug, um zu merken, dass Ringo, I Love You nicht so stark war, um eine Anfängerkarriere zu tragen. Sonny sagte ihr: »Du kannst dir mit einem Flop deinen Namen kaputt machen. Also suchst du dir am besten irgendeinen Phantasienamen. Wenn’s klappt, prima. Wenn’s schief geht, nimmst du dir einen neuen.«
Im Februar 1964 kam der Song bei Annette-Records heraus, die Sängerin nannte sich Bonnie Jo Mason und weder das Lied noch die Interpretin wurden in den USA von irgendjemand richtig wahrgenommen. Man kannte Chers tiefe Stimme nicht und viele meinten, ein Mann würde das Liebeslied singen. »Ich war ziemlich fertig«, erzählte Cher, »dass meine erste große Chance danebengegangen war.« Viele Jahre später sagte Cher in einem Interview mit dem Spiegel: »Die Radios wollten den Song nicht spielen. Ich habe ja eine tiefe Stimme und es gab Leute, die glaubten, da sänge ein schwuler Mann dem Schlagzeuger der Beatles ein Liebeslied. Das war nichts Neues. Schon in der Highschool hatte es Probleme im Chor gegeben. Die Stimmen der Mädchen waren hoch gewesen, die der Jungs tief. Ich hatte draußen bleiben müssen. Mein Selbstvertrauen war nie sehr groß.«
So problematisch auch Chers musikalisches Debüt war, im Privatleben hing Chers Himmel jedoch voller Geigen: Sie war bis über beide Ohren in Sonny Bono verliebt. Am 21. Oktober 1963 hatte das Gericht von Kalifornien die Scheidung von seiner ersten Frau Donna ausgesprochen, es war ein relativ friedliches Verfahren gewesen. Entweder wusste Donna wirklich nichts von Cherilyn oder sie wollte sich den Skandal sparen oder Sonny möglichst schnell loswerden, jedenfalls wurde in den ganzen Verhandlungen der Name der jungen Geliebten ausgespart.
Zu dieser Zeit drehten Elizabeth Taylor und Richard Burton gerade den Monumentalfilm Cleopatra, und die ganze Welt nahm Anteil an der Liebesgeschichte der beiden Hollywoodstars, die während der Studioarbeiten ungeniert miteinander turtelten und ihre Beziehung – trotz anderweitiger Bindung – nie verheimlichten. Sonny war von dieser Love Story völlig hingerissen und redete Cher ein, sie müssten sich von nun an »Caesar and Cleo« nennen. Er fing auch an, Cher im normalen Leben »Cleo« zu rufen. Cher fand das ganz witzig, bewies es ihr doch einmal mehr die Liebe und Aufmerksamkeit von Sonny, aber als alle Freunde und Bekannte weiterhin stur bei Sonny & Cher blieben, ließ Sonny seinen Plan, sich und Cher einen Künstlernamen zuzulegen, wieder fallen.
Während der ganzen Zeit hatte Sonny Bono seine Arbeit als Komponist nicht aufgegeben. Gemeinsam mit Jack Nitzsche schrieb er damals ein Lied, das der erste wirklich große Erfolg von Salvatore Bono werden sollte: Needles and Pins, interpretiert von Jackie DeShannon. (Später nahmen auch The Searchers sowie Bobby Vee und Gary Lewis die Nummer auf.) Phil Spector akzeptierte Sonny zum ersten Mal als ernsthaften Musiker, die Einspielergebnisse der Single hatten ihn letztendlich überzeugt. Aber da Spector Experimente verabscheute, drängte er Sonny, künftighin auch alle weiteren Songs gemeinsam mit Jack Nitzsche zu erarbeiten, um an Needles and Pins anzuschließen.
Sonny Bono hatte jedoch kein Interesse, seine geschäftliche Zukunft von einem anderen Songschreiber abhängig zu machen, er setzte verbissen auf das Talent von Cher und spielte zum ersten Mal ernsthaft mit dem Gedanken, eine eigene große Firma aufzuziehen und nicht mehr für Phil Spector zu arbeiten, sondern ihm Konkurrenz zu machen.
Der Misserfolg von Chers Ringo, I Love You war eine gute Gelegenheit, die Zusammenarbeit mit Phil zu beenden. Und nachdem der nicht gerade extrem großzügige Phil Geld bei dem Projekt verloren hatte, legte er Sonny nichts in den Weg, als dieser sich von ihm trennen wollte.
Freunden von damals schien es, als sei die junge Cher dem gewieften Geschäftsmann Sonny völlig verfallen gewesen. Er fuhr große Autos und redete immerfort von weitreichenden Plänen. Cherilyn, damals extrem mager, das lange schwarze Haar zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden und meist in Schwarz gekleidet, saß still dabei, wenn Sonny sich unterhielt, kicherte nur manchmal und wartete darauf, dass er ihr hin und wieder Anweisungen ins Ohr flüsterte, die sie wortlos befolgte.
Cher hatte immer noch Verbindung zu Gilbert LaPiere, einem ihrer Stiefväter und einem sehr wohlhabenden Banker, den sie gern mochte und der ihr auch weiterhin zugetan war, nachdem er sich von ihrer Mutter getrennt hatte. Einmal bestand der Plan, dass Gilbert LaPiere eine riesige Promotionskampagne für Cher finanzieren sollte. Sie wollte eine Single machen, für die ihr Ex-Stiefvater aufkommen sollte. Es war die Rede von 40.000 Dollar, die das kosten sollte. Wie es schien, war Gilbert ehrlich vom Talent seiner Stieftochter überzeugt, jedoch dürfte ihm Georgia am Ende das Vorhaben ausgeredet haben. Sonny: »Sie sagte ihm, das sei Kinderzeug, und er könne besser sein Geld gleich beim Fenster hinauswerfen.«
Für die Branche war es zu jenem Zeitpunkt unübersehbar, wie sehr Sonny Bono immer noch von seinem ehemaligen Arbeitgeber Phil Spector beeinflusst war. Er hatte sich angewöhnt, so wie Phil zu reden, und er kleidete sich auch ähnlich.
In der Musikszene in Kalifornien war man ziemlich eng miteinander befreundet. Darlene Love, Brian Wilson von den Beach Boys, Sonny, die Rolling Stones – man traf sich häufig, ging zusammen essen oder auf einen Drink. Cher nahm, um Geld zu verdienen, eine ganze Menge Angebote für Background Vocals an. Ihre Stimme wurde immer sicherer und stärker, oftmals gab es Probleme, weil sie die Sänger, die sie unterstützen sollte, mit der Kraft ihres Gesangs übertönte. Sonny versuchte selbst alle möglichen Wege, um populär zu werden: Gemeinsam mit Cher machte er unter dem Pseudonym »Caesar and Cleo « Platten, Cher nahm solo Baby Don’t Go auf, und im November 1964 bekamen Sonny & Cher ihr allererstes gemeinsames Engagement im Purple Onion Night Club in Los Angeles.
Die größten Stars der Zeit waren Ike und Tina Turner, die an dem Abend auch den Hauptteil der Show bestritten. Die geballte Sexualität, die Tina Turner auf der Bühne verkörperte, und die – in den aufbrechenden 1960er Jahren – wilde, zeitgemäße Musik der beiden Stars, lockte hunderte Leute an. Damals waren Ike und Tina auch bei Phil Spector unter Vertrag. Es ist heute bereits Legende, wie Tina, die im Sommer 2013 ihren deutschen Lebensgefährten Erich Bach heiratete, den Hit River deep Mountain high in den Gold Star Studios aufnahm. Man erzählte sich, dass sie in der Hitze des Gefechts so in Rage gekommen sei, dass sie sich vor aller Augen die Bluse vom Leib gerissen und mit nacktem Oberkörper, nur im BH, weitergesungen habe. Ike hatte damals öfter Auseinandersetzungen mit Phil Spector. Während Spector von der Ausdruckskraft Tina Turners beeindruckt war und überzeugt schien, dass sie über kurz oder lang ein Weltstar werden würde, hielt er von ihrem Mann Ike nie sehr viel. Es gab sogar Platten, auf denen Ike zwar als Interpret genannt wurde, aber keinen Ton gesungen hatte, weil Phil ihn aus dem Studio geworfen hatte und seinen Part von Background-Sängern machen hatte lassen.
Phil Spector konnte sehr brutal werden, wenn er sich mit einem Künstler zankte. Er hatte immer griffbereit die Pistole bei sich und zögerte nicht, im Studio herumzuballern, um den anderen Angst zu machen. Er war Genius und Monster in einer Person, schizophren und aggressiv, und er wurde zu einer Haftstrafe von 19 Jahren verurteilt, weil er 2003 die Schauspielerin Lana Clarkson erschossen haben soll. Al Pacino spielte Jahre später in einer Hollywood-Produktion den Musikproduzenten, der mit den Jahren sich immer skurriler benahm, seine Glatze mit verrückten Perücken bedeckte und in drei Ehen vier leibliche Kinder hatte und fünf weitere Kinder adoptierte. Phil Spector hatte seinen ersten Hit im Alter von 18 Jahren geschrieben: To Know Him Is To Love Him. Phillip Harvey Spector, 1934 in New York als Sohn russischer Emigranten geboren, dominierte die Musik der 1960er Jahre und produzierte die ersten Soloalben von George Harrison und John Lennon, die jeweils Welterfolge wurden.
Damals, im Herbst 1964, waren die dunkelhäutigen Turners in Kalifornien viel prominenter als Sonny & Cher, und Cher erinnerte sich, zu welch einem Desaster der erste Auftritt von ihr und Sonny wurde: »Die Leute im Publikum wollten Tina und Ike sehen. Sie hatten wahrscheinlich noch nie zuvor von uns gehört. Sie saßen gelangweilt da und gähnten mir ins Gesicht.« Cher hatte Bedenken, überhaupt auf die Bühne zu gehen, sodass sie Sonny mit sanfter Gewalt hinausdrängen musste.
Beim ersten Mal traten die beiden im Geschwister-Look auf: Sie in einem beigen Ensemble, dazu Schuhe mit sehr hohen Absätzen, und er in einem passenden, gleichfarbigen Anzug. Für den Auftritt bekamen Sonny & Cher ungefähr hundert Dollar. Kurz darauf folgte ein anderes Engagement in Long Beach, als Anheizer für Tom Jones.
Die beiden kamen zu der Zeit ganz gut über die Runden. Sie wohnten im Penthouse von Chers Mutter am vornehmen Beaumont Drive von Los Angeles und sparten so das Geld für eine eigene Behausung. Cher: »Mutter hatte sich zwar mit Sonny als meinem Lebenspartner nicht abgefunden, aber sie nahm ihn in Kauf, um mich in ihrer Nähe zu wissen.«
Bei ihrer ersten Konzerttournee waren sie im Vorprogramm von Dave Clark Five und The Animals. Sie bekamen 350 Dollar Gage pro Woche und hatten in 45 Tagen mehr als dreißig Auftritte zu absolvieren. »Teilweise«, erinnerte sich Sonny, »waren es lausige Hallen mit einem unmöglichen Sound-System. Wir spielten nicht in den besten Konzertsälen, sondern oft in irgendwelchen größeren Hinterzimmern, und jeder musste sehen, wie er an sein Geld kam.«
Wenn Rock ’n’ Roll angesagt war, flippten die Fans oftmals aus. Cher: »Wir konnten damals kaum ein Konzert beenden, weil es unten zu irgendwelchen größeren Schlägereien zwischen den Zuschauern kam. Wir packten einfach unsere Gage und hauten ab.« Die Begleitbands der Stars wechselten von Ort zu Ort, genauso die Leute, die für den Sound und die Beleuchtung verantwortlich waren. Das Schlimmste waren für Cher aber ohne Zweifel die langen Fahrten im Tourbus. »Jeder hat ein Transistorradio dabei«, beklagte sie sich einmal, »und jeder hört einen anderen Sender. Es ist grauenvoll laut. Sie suchen dauernd rum, weil sie natürlich nur die eigenen Hits hören wollen. Dazu kommt, dass der Bus nie gesäubert wird. Es riecht furchtbar, und in jeder Kurve fliegen die Sodaflaschen und die Bierbecher durch die Gegend. Viele von den sogenannten Stars sind in Wirklichkeit Schweine, sie sind zu faul, auf den nächsten Aufenthalt zu warten und pissen ungeniert in den Bus.«
Teilweise kam es bei den Touren zu obskuren Szenen. Ein paar der Musiker waren versessen darauf, Souvenirs aus den Hotels mitzunehmen, und Sonny berichtete, dass öfter viele Meilen hinter der Stadt ein Polizeiauto auftauchte und den Bus durchsuchte, weil Hotelmanager den Diebstahl eines Gemäldes oder eines Radios angezeigt hatten.
Wann immer die anderen Bandmitglieder anfingen, Rauschgift zu rauchen oder zu schnupfen, zog Cher sich zurück. Sie machte Zeit ihres Lebens einen weiten Bogen um alle Betäubungsmittel. »Ich nehme nicht einmal eine Kopfschmerztablette«, sagte sie einmal. »Das, was die anderen als das Verführerische am Rauschgift empfinden, dass man unkontrolliert wird, dass man high wird, macht mir Angst.« Zweifelsohne war ihr richtiger Vater John Sarkisian ein abschreckendes Beispiel für sie. Sarkisian trank, nahm Rauschgift, war unzuverlässig und völlig haltlos. Eigenschaften, die Cher verhasst sind. Und deshalb erinnern sich auch Freunde von früher, dass Cher viele Band-Mitglieder links liegen ließ. Eine Freundin sagt: »Sie galt vielleicht als arrogant, aber sie war nicht arrogant. Sie hatte einfach mit den Leuten, die Rauschmittel zum Überleben brauchten, nichts am Hut.« Als Halbwüchsige hatte Cher einmal zwei starke Aufputschtabletten genommen. Sie hatte völlig die Kontrolle über sich verloren und gemeint, sterben zu müssen. »Das war sicherlich das erste und letzte Mal«, hatte sie damals geschworen.
Die harten Tage im Tourbus und die nicht minder anstrengenden Nächte auf oder hinter einer Bühne in der Provinz gaben Cher trotz ihrer jungen Jahre eine große Sicherheit. Sie lernte, sich auch in Extremsituationen auf der Bühne zu bewegen, und sie lernte, mit der Stimme hauszuhalten. Eine unbezahlbare Schule für junge Sängerinnen, die oftmals während der Karriere feststellen, dass ihnen die richtige Technik fehlt und sie ihre Stimme dadurch ruinieren.
Aber es war, das spürte Cher deutlich, jetzt an der Zeit, einen Hit zu landen. Und Sonny & Cher landeten ihren Hit.