Читать книгу Gut, dass es Oma und Opa gibt - Peter Neysters - Страница 8

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Eine neue Generation: die jung(geblieben)en „Großeltern“

Es gab einmal eine Zeit, da strickte die Großmutter an einem Strumpf, hatte eine große Brille auf und erzählte Märchen. Und die Enkelkinder saßen zu ihren Füßen und lauschten andächtig ihren Worten. So die sozialromantische „Generationenidylle“, wie sie die heutigen Großeltern noch aus den Schulbüchern in Erinnerung haben ...

Es gab einmal eine Zeit, da riefen schon kleine Kinder (nicht nur) älteren Leuten den Spottnamen „alte Oma“ oder „alter Opa“ hinterher und machten sich über sie lustig. Alt hieß für sie klapprig und „von gestern“ ...

Und heute, in unserer Zeit, erzählen Kinder über ihre Großeltern: „Meine Oma spielt Tennis – mein Opa joggt jeden Morgen – meine Oma surft im Internet – und mein Opa klettert auf die Pflaumenbäume, viel höher als ich ...“

Zwischen diesen Zeiten liegen gerade mal einige Jahrzehnte oder kaum mehr als zwei Generationen. Heute erleben die Enkel ganz „neue“ Omas und Opas: modern frisiert, chic gekleidet, aufgeschlossen für neue Ideen, toleranter und hilfsbereiter gegenüber der nachwachsenden Generation. Großeltern sind jung und vital, unternehmungslustig und mobil. Was heißt hier schon Oma und Opa ...?

Als die Oma 79 Jahre alt wurde, meinten ihre Kinder und Enkelkinder: „Oma, du bist nun zu alt, um noch allein in der großen Wohnung zu leben.“ Sie besorgten ihr einen Platz im benachbarten Seniorenheim. Nun stand ihr 80. Geburtstag kurz bevor. Ihre ganze Familie hatte sich zur Geburtstagsfete angesagt. Da mailte die Oma ihren Lieben:“ Fühle mich für eine solche Feier zu alt. Bin für drei Tage nach Rom zum Papst geflogen, fühle mich dazu noch jung genug.“

Die Alten sind nicht mehr die Alten

Früher starben die Alten früh; heute werden sie ihrem Namen gerecht: Sie werden „richtig“ alt. Sie leben nicht nur immer länger, sondern auch immer besser. Noch nie standen die Chancen für eine ganze Generation so gut, geistig gesund und körperlich topfit ein wirklich hohes Alter zu erreichen. Die Zeit, in der die Menschen schwerkrank und gebrechlich werden, hat sich immer weiter in die späten Jahre verschoben. Denn die Lebenserwartung der Menschen hierzulande hat sich innerhalb eines Jahrhunderts fast verdoppelt. Und mit ihr hat sich – im Wortsinn – auch die Erwartung an das Leben erhöht, mitunter gar „überhöht“.

Die 60er sind die am stärksten wachsende gesellschaftliche Gruppe. In naher Zukunft wird jeder Dritte bei uns über 60 sein und dabei noch fast ein Drittel seines Lebens vor sich haben: die 60-jährigen Frauen noch etwa 25 Jahre, die 60-jährigen Männer noch gute 20 Jahre. Statistisch gesehen kommen jedes Jahr noch drei Monate dazu ...

Alle wollen alt werden, aber älter? Man wird 60 oder 70, fühlt sich höchstens gerade mal wie 50 oder noch jünger. Und man freut sich über jedes Lob, das einem bescheinigt, noch vergleichsweise jung zu sein, geradezu jugendlich auszusehen. Zwischen kalendarischem und gefühltem Alter liegen oft Welten. Je älter der Mensch, desto größer die Differenz! Und umso größer die Versuchung, dem Alter ein Schnippchen zu schlagen.

Es ist schon paradox: Mit zunehmendem Alter glaubt man sich immer jünger zu fühlen (oder fühlen zu müssen). Alt werden und jung bleiben – wer wünschte sich das nicht?! Solange ein solch „gutes Gefühl“ oder ein solch „sehnlichster Wunsch“ den tatsächlichen Alterungsprozess nicht verdrängen wollen, können sie sogar Lust und Neugier wecken auf den neuen, noch weithin unbekannten Lebensabschnitt. Dann können die neugewonnenen Lebensjahre wirklich zum persönlichen Gewinn werden. Dann wird die stetig steigende Lebenserwartung im wahrsten Sinne des Wortes noch einiges vom Leben erwarten lassen. Dann ist „Alt werden ein Geschenk des Himmels“, so Henning Scherf in einem Interview.

In diesem Sinne können wir uns durchaus „jung (er-)halten“ und einiges dafür tun, ohne jedoch krampfhaft „jung bleiben“ zu müssen ...

Beim Namen fängt es schon an ...

„Worte“, so meinte einst die amerikanische Schriftstellerin Virginia Woolf, „leben nicht so sehr im Wörterbuch, sondern vielmehr im Geist.“ Aber der „Zeitgeist“ meint es nicht gut mit dem Alter, bevorzugt eher die Jugend. Mit der Überschätzung der Jugendlichkeit ist oft genug eine abschätzige Bewertung des älteren Menschen verbunden. Sprache kann verräterisch sein: die Eigenschaft des Wortes alt ist weithin negativ besetzt. Der alte Geizhals, die alte Hexe, der alte Halunke, das alte Quatschweib, der alte Faulpelz, die alte Jungfer – alles eindeutig nicht gerade die angenehmsten Typen ...

Was uns dagegen hoffen lässt, ist ein Gang ins Antiquariat, ins Museum, in den Weinkeller oder ins Konzert. Je älter die Bücher, die Bilder, der Wein, desto kostbarer (und teurer) sind sie. Je älter die Geige, desto besser ihr Klang. Das Alter hat, wie alles im Leben, zwei Seiten.

Wir altern nach dem Bild, das wir uns von uns selbst machen oder von anderen machen lassen. 60 Jahre oder 65 – wer bin ich dann? Die Klage über den Verlust an Jugendlichkeit verkennt den Gewinn an Altersweisheit. „Was ein Alter im Sitzen sieht, kann ein Junger nicht einmal im Stehen erblicken“, behauptet eine alte Lebensweisheit aus Afrika. 60 Jahre oder 65 – wer bin

Beim Namen fangen die Schwierigkeiten schon an: Silver Surfer, Best Ager, Golden Oldie, Generation Silver Sex, Jungsenioren, Generation 60 plus? Das Wort alt wird hier tunlichst vermieden. Wer will auch schon zum „alten Eisen“ gehören? Neuerdings spricht man von den „Jungen Alten“ ... (die einige Jahrzehnte zuvor noch als „Uralte“ gegolten hätten).

ich dann nach „getaner Arbeit“ in Familie und Beruf? Der Ruhestand ist die Zäsur in der Lebensbiografie eines Menschen, einer der schwierigsten Lebensübergänge. Wohl zu Recht ist die Rede von einer Lebenswende: Das Leben wendet sich, verändert sich, wird völlig anders als vorher. Wendepunkte stellen die Weichen im Leben neu und verleihen dem Lebenslauf eine neue Richtung.

Aber wohin? Die gesellschaftlichen Vorstellungen, Leitbilder und Normen zur Gestaltung des „dritten Lebensdrittel“ sind noch sehr diffus und wenig gefestigt. Es fehlen die Vorbilder vorhergehender Altersgenerationen. Das Alter ist vom Alter her jungen Datums. Wir werden alt, aber wie wird man alt ...?!

Ein unglaublicher Zeitwohlstand

Es ist wie im „Niemandsland“: Das Alte ist nicht mehr, das Neue ist noch nicht da. Wir wissen nicht so recht, wo es lang geht, was uns erwartet, wohin das alles führt. Jeder Übergang bedeutet Abschied von bisher Vertrautem und Liebgewonnenem, aber zugleich auch Aufbruch in eine (noch ungewisse) Zukunft mit neuen Lebensperspektiven und Lebensmöglichkeiten. „Wenn sich eine Tür schließt, dann öffnet sich stets eine andere. Deshalb sollten wir den Verlusten hinter der geschlossenen Tür nicht so sehr nachtrauern, dass wir die Chancen verpassen, die uns hinter der soeben geöffneten Tür erwarten“, ermuntert wohl zurecht der französische Schriftsteller André Gide.

Und hinter dieser Tür liegt heute ein unglaublicher Zeitwohlstand nie gekannten Ausmaßes! In der Zeit der Erwerbs – und Familientätigkeit herrschte oft Zeitnot. Das Leben wurde bestimmt von der Hinwendung nach außen, wie erwachsen werden, einen Beruf erlernen, einen Lebenspartner finden, eine Familie gründen und Kinder erziehen, ein Haus bauen und die Existenz sichern. Was blieb da im Zeit- und Kräftebudget noch übrig für sich und die Familie ...?

Am glücklichsten sind die Menschen jenseits der 60, behaupten amerikanische Forscher. In Deutschland glaubt angeblich die Mehrheit, dass ihr Lebenshöhepunkt um die 60 Jahre liegt. Von wegen „die paar Jahre noch“.

Der Ruhestand jedoch versetzt uns in die „Regellosigkeit“ des Alltags und in die „Zeitlosigkeit“ des Lebens. Nun verfügen wir selbst über unsere Zeit, können, ja müssen wir unser Alltagsleben ganz neu strukturieren und vor allem eigenhändig gestalten. Weithin unabhängig von sozialen Zwängen und reinen „Äußerlichkeiten“ können wir uns – mit einer Wende nach innen – nun mit den wichtigeren Dingen des Lebens beschäftigen. Und mit zunehmendem Alter mehr und mehr mit den „letzten Dingen“.

Das alles bedeutet keineswegs Flucht aus dieser Welt oder Abkehr von den Notwendigkeiten des alltäglichen Lebens. Wohl aber eine Umkehr zu mehr Lebenssinn und Lebensqualität, wie sie Reisen, Musik, Kunst, Spiel, Stille oder ehrenamtliche Tätigkeit erschließen helfen. In diesem Sinne bringt Alter eine neue Lebenszufriedenheit ... und der Ruhestand verspricht dann wirklich innere Ruhe und Gelassenheit, mitunter auch Mäßigung und Genügsamkeit.

Man lernt nie aus

Der alte Lebenszyklus hat sich längst überholt: in Kindheit und Jugendzeit zu lernen, als Erwachsener zu arbeiten und im Alter sich im wohlverdienten Ruhestand auszuruhen. Lernen und Bildung, Wissensdurst und Lebensneugier durchziehen das gesamte Leben und prägen zusehends auch das Alter. „Man lernt nie aus“, zumal in Zeiten der Schnelllebigkeit und des rasanten Wandels.

„Alter wird zunehmend ein biografisches Projekt, das der individuellen Gestaltung und Sinngebung bedarf“, so die Prognose des Deutschen Zentrums für Altersfragen (DZA). Eine ungeheure Herausforderung, aber auch eine Riesenchance für die ältere Generation. Das Ziel dürfte klar sein: ein aktives, erfülltes Leben, das die nächsten 20 bis 25 Jahre spannend und interessant bleiben lässt. Wir haben noch Leben vor uns und nicht (nur) hinter uns. Fürs Taubenfüttern sind wir einfach noch zu jung ...

Lernen im Alter bedeutet keineswegs weiterarbeiten im alten Stil oder in neue Hektik und Betriebsamkeit verfallen. Der Rede vom „Unruhestand“ liegen oft genug Versäumnisängste zugrunde. Jetzt, im Alter, scheint wohl „letzte Gelegenheit“ zu sein, mit aller Macht Versäumtes nachzuholen oder lange Zeit Aufgeschobenes schleunigst in die Tat umzusetzen. Diese Lebenshast führt dazu, dass nichts mehr gründlich getan und nichts mehr richtig genossen werden kann.

„Während der Flug der Vögel uns tagsüber ziellos vorkommt, scheinen sie gegen Abend immer ein Ziel wiederzufinden. Sie fliegen auf etwas zu. So vielleicht auch wir am Lebensabend ...“, so die Vermutung des französischen Philosophen Albert Camus.

Neue Lebensziele erschließen auch neue Lebensmöglichkeiten. Die „jungen“ Großeltern sind nicht mehr so sehr auf Kinder und Kindeskinder fixiert. Schließlich haben sie ihre eigenen Pläne, gehen auf Reisen, holen ein Studium nach, frönen ihren Hobbys, überwintern in südlichen Gefilden. Das alles hat nichts mit einem „Selbstverwirklichungstrip der Alten“ zu tun. Wohl aber mit einer Autonomie im Alter, die gelegentlich schon einmal kollidiert mit den familiären Erwartungen einer allzeit abrufbaren Unterstützung und Hilfestellung.

Großeltern „springen“ nicht sofort und zu jeder Zeit, aber sie springen ein, wenn es die Situation erfordert. Sie stehen sozusagen „in Rufweite“ (i.R.) und bilden so ein Sicherheitsnetz. Ihr „Enkel-Engagement“ ist weniger eine Frage der Zeit, vielmehr die einer intensiven Zuwendung. Und darin sind die vermeintlich so „egoistischen Alten“ unschlagbar. Heute mehr denn je, da erstmals in der Geschichte der Menschheit die meisten Großeltern erleben, wie ihre Enkelkinder aufwachsen, ja erwachsen werden.

Altersweisheiten

 Auch mit sechzig kann man noch vierzig sein – aber nur noch eine halbe Stunde am Tag (Anthony Quinn).

 Keine Grenze verlockt mehr zum Schmuggeln als die Altersgrenze (Robert Musil).

 Im Alter bereut man die Sünden, die man in seiner Jugend nicht begangen hat (William Somerset Maugham).

 Alt werden ist natürlich kein reines Vergnügen. Aber denken wir nur an die Alternative (Robert Lembke).

 Wer im Alter noch herzhaft lacht, macht sich bei seinen Erben unbeliebt (Aristoteles Onassis).

 Ich bin nun in ein Alter gekommen, in dem ich mein Hörgerät nötig habe, um zu fragen, wo meine Brille ist (Tina Turner).

 Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider: er nimmt jedes Mal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen: in der Meinung, sie passten heute noch auf mich (George Bernard Shaw).

 Das größte Übel der heutigen Jugend besteht darin, dass man nicht mehr dazugehört (Salvador Dali).

 Kinder und Kindeskinder sind nicht nur ein Trost für das Alter, sondern auch ein Mittel, es schnell zu erreichen (Roberto Benigni).

Gut, dass es Oma und Opa gibt

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