Читать книгу Die Soliamit-Krise - Pia Fauerbach, Peter R. Krüger - Страница 12

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Kristallklare Nacht

Die Phönix schwebte beinahe lautlos über die Oberfläche des Planetoiden. Einzig der sirrende Antrieb war zu vernehmen, doch war das Geräusch keineswegs störend. Da der Planetoid selbst eine natürliche Geräuschkulisse erzeugte, welches dem Ton des Antriebs in gewisser Weise ähnlich war, verbanden sich beide Klänge auf nahezu harmonische Weise miteinander.

Liane Chryss und James Smith folgten ihrer Order, die ihnen ihr Commander aufgetragen hatte, ohne die jüngsten Geschehnisse an Bord der JAGELLOVSK zu ahnen. Die Kommunikation war seit etwa einer Stunde unterbrochen, doch bislang deutete nichts darauf hin, dass die anderen Besatzungsmitglieder in irgendwelchen Schwierigkeiten stecken könnten.

So waren die beiden vollauf damit beschäftigt, den Planetoiden zu erkunden und seine Position über die Astrodatenbank zu bestimmen.

„Der Ausschlag bei dieser Anzeige hier ist merkwürdig“, unterbrach James die Ruhe, die seit einiger Zeit in der Phönix herrschte. Beide Besatzungsmitglieder konzentrierten sich auf ihre Aufgabe und hatten deshalb eine Weile kein Wort mehr miteinander gewechselt.

Als Liane mit einem kurzen Schreckensruf die Luft einzog, sah er sie erstaunt an, bis sie sogleich erklärte: „James, du hast mich erschreckt. Ich war so tief in der Triangulation versunken.“ Jetzt kicherte sie verlegen. „Tut mir leid. Ich weiß ja, dass wir hier gemeinsam im Beiboot sitzen, aber ich ...“

„Mach dir keine Gedanken darüber“, unterbrach er sie und musste ebenfalls lächeln. „Das ist ganz normal. Aber guck dir mal diese Anzeige an! Da stimmt doch irgendetwas nicht.“ Mit einem Finger deutete er auf das holografische Display.

Liane beugte sich zu ihm herüber und runzelte kurz darauf ihre Stirn.

„Du hast Recht. Das ist nicht normal. Behalte das im Auge, ja? Ich muss nur eben die Positionsbestimmung beenden.“

Er fixierte die Anzeige, während er versuchte, mehr von ihr darüber zu erfahren. „Liane, ich bin Arzt und kein Planetologe. Was hat das zu bedeuten?“

Doch sie ließ sich nicht beirren. „Das untersuchen wir gleich. Lass mich das hier mal eben beenden.“

„Mal eben“, murmelte er unzufrieden vor sich hin, beließ es dann aber dabei. Er entschloss sich, die Phönix in eine Position zu bringen, aus der sie die Ungleichmäßigkeiten der Analysesensoren gut überprüfen und nötigenfalls beobachten konnten. Doch nur einen Moment später normalisierte sich die Anzeige, als wäre nichts passiert.

„Es ist weg“, maulte er. Er war sich sicher, dass sie irgendeine Erkenntnis aus der Anzeige erhalten hätten, wenn nicht er, sondern Liane oder besser noch Professor Bilmen Okan an der Anzeige gesessen hätte.

Doch Liane schien das nicht zu kümmern. Offenbar war ihre Neugier nicht angefacht worden, denn sie tat seine Äußerung nur mit einem lapidaren „Schade“ ab, während sie sich weiterhin auf die Positionsbestimmung konzentrierte.

James überlegte, ob es besser gewesen wäre, wenn Bilmen mit in der Phönix gesessen hätte und kam schnell zu der Überzeugung, dass sich der Professor auf die seltsamen Daten gestürzt hätte. Doch andererseits gab es derzeit keinen besseren Platz für ihn selbst. Als Mediziner hätte er weder beim Mineralabbau helfen können, noch wäre er bei den Arbeiten an Bord der JAGELLOVSK hilfreich gewesen. Innerlich musste er Walt zustimmen, dass es am besten war, Liane bei dieser Außenmission zu begleiten. Doch Hilfsarbeiten auszuführen und darauf zu warten, dass sich jemand anderes um etwas kümmerte, woran er gerade arbeitete, das war etwas, mit dem er nicht gut umgehen konnte.

Seine Konzentration ließ nach. Er starrte Löcher in die Luft und sah nacheinander aus den runden Fenstern der Phönix. Liane war derart in ihre Arbeit vertieft, dass sie vermutlich nicht einmal merken würde, wenn er plötzlich sanft entschliefe.

Das wäre wirklich Ironie des Schicksals, dachte er, wenn der Bordarzt unbemerkt vor Langeweile stirbt.

Zu seiner eigenen Überraschung ertappte er sich daraufhin, dass er sich vorstellte, wie eine technische Fehlfunktion Liane verletzte und sich dadurch herausstellte, dass es der weiseste Entschluss des Commanders war, den Bordarzt mit in diese Phönix zu setzen. Kein anderer hätte dann so gut helfen können wie er.

„Ein Königreich für ein Pferd“, seufzte er gelangweilt.

„Was meinst du?“ Die Art, wie sie nebensächlich fragte, ließ ihn vermuten, dass sie seine Worte gar nicht richtig gehört hatte, sondern nur, dass er ein Geräusch gemacht hatte.

Während er erneut aus einem der Fenster sah, um die kristallklare Dunkelheit zu betrachten, antwortete er gelangweilt: „Ach, nichts.“

Das Ganze konnte noch stundenlang so weitergehen. James hatte sich den Dienst beim Sternenlicht Sicherheitsdienst anders vorgestellt. Während sich die meisten SSD-Mitarbeiter vermutlich aufregende Abenteuer, gefährliche Aufklärungsmissionen oder spannende Geheim- operationen erwarteten, war es sein Ziel, der Mannschaft eines Kreuzers der ORION-Klasse die bestmögliche medizinische Hilfe zu gewährleisten. Dafür war er ausgebildet worden und genau das war es, was er wollte. Natürlich gehörte zur Ausbildung auch grundlegendes Wissen über verschiedene andere Bereiche dazu. Technik, Raumfahrt, Kommunikation, Diplomatie, Schusswaffengebrauch und auch die Grundlagen der Bedienung aller Bordsysteme. Schließlich musste sich die Besatzung in einem Notfall allein helfen können, auch wenn einer der Spezialisten aus irgendeinem Grund nicht zur Verfügung stand.

Aber selbst, wenn ihm manche der Unterweisungsthemen während seiner Ausbildung weniger interessiert hatten, so stellte er sich die Situationen, in denen er dieses Wissen hätte gebrauchen können, doch wesentlich aufregender vor.

Sich in einer Phönix vor einem Display zu langweilen, auf dem nichts geschah, war so ziemlich das Letzte, was er sich als Aufgabe hätte vorstellen können.

Er stieß einen Seufzer aus und wollte gerade dazu ansetzen, etwas zu Liane zu sagen, als ein erneuter Ausschlag anzeigte, dass sich das Phänomen von eben wiederholte.

Flugs kontrollierte er die Lage der Phönix und versicherte sich dadurch, dass sie noch immer dieselbe Position innehatten.

„Da ist es wieder!“ Mit einem Mal waren alle trüben Gedanken wie weggewischt.

Doch Liane war weniger begeistert. „Ach, James. So beende ich nie die Berechnungen. Warum kannst du nicht einfach ...“. Doch was auch immer sie hatte sagen wollen, blieb ihr im Halse stecken, als sie ebenfalls auf das Display sah.

Mit einer fast schon kindlichen Neugier folgte James einer plötzlichen Eingebung und programmierte die Analysesensoren auf einen ganz speziellen Algorithmus um. Unterdessen stand Liane auf und sah aus einem der runden Fenster hinaus. Er wusste nicht, was sie draußen wahrnehmen konnte, war sich aber sicher, dass ihre Beobachtung mit seiner Vermutung übereinstimmen würde.

„Wie kann das sein?“ Sie sah ihn kurz mit aufgerissenen Augen an und wandte sich sogleich wieder dem Fenster zu. Mit Genugtuung stellte er fest, dass die Astrogation in diesem Moment weniger wichtig für sie war, als das, was sich auf dem Planetoiden tat. „Siehst du das auch? Das ist doch unmöglich!“

„Nicht unmöglich“, konterte er und studierte die eingehenden Daten der Analysesensoren. „Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.“

So schnell, wie es begonnen hatte, hörte das Phänomen jedoch wieder auf. Das Display normalisierte sich und Liane setzte sich wieder auf ihren Platz neben James. In ihrem Blick lag Erstaunen.

James kontrollierte unterdessen die Aufzeichnungen. Mit einem Mal war er glücklich, an Bord der Phönix zu sein, denn hier tat sich unvermittelt etwas auf, das wie für ihn bestimmt zu sein schien.

„Wenn ich es nicht besser wüsste“, meinte er dann und sah Liane direkt an, „würde ich zu einem ganz klaren Schluss kommen.“

Sie strich sich über ihr schwarzes Haar und sah ihn verwundert an. „Weißt du es denn besser?“

„Nein!“, gab er zu. „Aber es klingt so unwahrscheinlich. Und doch ... wir haben es gesehen. Die Steine leben!“

„Wir sollten Walt davon berichten“, schlug Liane vor. Doch gerade, als sie die JAGELLOVSK rufen wollte, fiel ihr ein, dass die Verbindung unterbrochen war. Ihr Blick traf den seinen. „Dann müssen wir zurück.“

„Jetzt?“ James protestierte. „Warum denn? Noch haben wir zu wenig Daten. Lass uns an dieser Stelle verweilen! Du kannst deine Positionsbestimmung beenden, während ich die Umgebung unter uns noch mal genauer kontrolliere. Je mehr wir hier erfahren, desto eher haben wir etwas zu berichten, das uns vielleicht auch weiterhilft.“

„Aber glaubst du nicht, dass die anderen das wissen sollten?“

„Sicher“, stimmte er zu. „Aber erst will ich mehr darüber erfahren, um was es sich hier genau handelt.“

Die Langeweile war wie weggeblasen.

Die Soliamit-Krise

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