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1.2 Erdbeben

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Methode zur Erkundung geologischer Strukturen

Man unterscheidet Seismologie, die sich mit dem Studium von Erdbeben beschäftigt, von Seismik, die als Methode zur Erkundung geologischer Strukturen im Untergrund mit Hilfe künstlich erzeugter Erschütterungen dient.

Wadati-Benioff-Zonen

Erschütterungen, die in Vorgängen im Erdinneren, manchmal allerdings auch in nur wenigen Metern oder Kilometern Tiefe ihren Ursprung haben, nennen wir Erdbeben. 90 % aller Beben sind sog. Tektonische Beben, 7 % sind Ereignisse im Zusammenhang mit Vulkanismus, und 3 % kommen durch Einsturz unterirdischer Hohlräume zustande, die auch durch Bergbau bedingt sein können. Die Erde bebt aber eigentlich ständig, so ereignen sich etwa 100.000 Beben pro Jahr, die meisten aber im Bereich der Ozeane und dort besonders an Plattengrenzen und Kontinentalrändern. Die meisten dieser Erschütterungen werden nur durch Instrumente registriert, die selbst Ebbe und Flut und die Bewegungen schwerer Fahrzeuge erkennen können. Bei tektonischen Beben werden durch plattentektonische Prozesse in langen Zeiträumen sehr langsam aufgebaute Spannungen plötzlich freigesetzt, teilweise in Form von Wärme, vor allem aber durch Erdbeben. Sie sind in Subduktionszonen besonders häufig, wo an den sog. Wadati-Benioff-Zonen ozeanische unter kontinentale Platten mit unterschiedlich steilen Winkeln abtauchen (Pazifik-Rand), außerdem entlang von großen Blattverschiebungen (San-Andreas-Störungsbereich) bzw. den ozeanischen Transformstörungen. An der Erdoberfläche äußern sich Erdbeben in Form elastischer Wellen von unterschiedlicher Charakteristik. So lassen sich zunächst Raumwellen von Oberflächenwellen unterscheiden, außerdem Primär- von Sekundärwellen, die durch ihre Laufzeiten definiert sind: Primär-(P-)wellen kommen beim registrierenden Seismographen früher an als Sekundär-(S-)wellen. S-Wellen sind Scherwellen, die sich in flüssigem Material nicht fortpflanzen können (s.u.).

Herdtiefe

Geographisch sind mit 70 % aller tektonischen Erdbeben vor allem die Kontinentalränder im Umkreis des Pazifiks betroffen, an Plattenrändern allgemein ereignen sich etwa 95 % aller Beben, 25 % liegen im Bereich von Alpen, Mittelmeer und Himalaya und der Rest verteilt sich auf mittelozeanische Rücken und kontinentale Riftzonen, außerdem kennt man Beben auch von kontinentalen Intraplattenbereichen. Nach der Herdtiefe unterscheidet man Flachbeben (0–70 km), mitteltiefe Beben (70–300 km) und Tiefherdbeben (ab 300 km): unterhalb von etwa 700 km entstehen keine Erdbeben mehr, weil die Gesteine hier bereits wieder plastisch reagieren, der Ausgleich erfolgt durch Fließvorgänge, sodass sich keine entsprechenden Spannungen mehr aufbauen können.

Skalen

Magnitude

Erforschung von Erdbeben

Die Auswirkungen auf Natur und menschliche Siedlungen wurden früher meist anhand der 1902 eingeführten Mercalli-(Cancani-Sieberg-)Skala beschrieben, die die makroseismischen Auswirkungen in 12 Stufen angibt, die von „nur von Seismographen registrierbar“ bis zu „starken Veränderungen an der Erdoberfläche“ reichen. Diese Mercalli-Skala erfasst die Intensität eines Bebens. Anhand der beschreibbaren Schäden bzw. Veränderungen lassen sich damit durch einfache Beobachtungen Bereiche etwa gleicher Zerstörung voneinander abgrenzen, in deren Zentrum dann das Epizentrum lokalisierbar ist (Isoseisten). 1935 kam die von Beno Gutenberg und C. Francis Richter entwickelte Richter-Skala, die die Stärke in Form der sog. Magnitude angibt. Das Verfahren erforderte Seismographen mit einer definierten Ampi ituden-Charakteristik und war zunächst für das westliche Nordamerika entwickelt worden: die Messwerte führen zu einer Lokal-Magnitude, mit der Flachbeben in Epizentralentfernungen von weniger als 1000 km einigermaßen verlässlich erfasst wurden. Bei weitergehender Anwendung liefert die Richterskala allerdings nicht in allen Fällen verlässliche Werte. Diese Skala ist logarithmisch aufgebaut, sodass mit jeder höheren Stufe die Energiefreisetzung im Hypozentrum um das zehnfache höher ist: man hat inzwischen festgestellt, dass dies im Falle stärkerer Beben nicht mehr genügend genau ist. 1977 wurde deshalb von dem Japaner Hiroo Kanamuri die Momenten-Magnituden-Skala eingeführt, die ein Skalarprodukt aus Größe der Bruchfläche, der mittleren Verschiebung der Gesteinsblöcke und dem Schermodul des Gesteins zusammenfasst. Letztlich geben diese Magnituden Auskunft über das Maß der bei einem Erdbeben freigesetzten Energie, was gelegentlich auch durch den Vergleich mit der Sprengkraft von Hiroshima-Atombomben ausgedrückt wird. Die Erforschung von Erdbeben ist eine Domäne der Geophysik. Die Komplexität der Prozesse beschreiben eigene Fach- und Sachbücher (z.B. Bolt 1988, Schneider 2004).

Seismographen sind im Prinzip Pendel

Das Hypozentrum bzw. der Herd ist der Bereich, in dem sich innerhalb der Erdkruste die aufgestauten Spannungen ruckartig entladen und in Form von Wellen abgestrahlt werden: dort wo sie die Oberfläche erreichen, spricht man vom Epizentrum. Im Falle der tektonischen Beben ereignen sich diese Prozesse an Gesteinsgrenzen, an denen eine meist sehr langsame vorangegangene Verschiebung von Blöcken in horizontaler, vertikaler oder dazwischenliegender Richtung stattgefunden hatte. Beim Überschreiten des Reibungswiderstandes zwischen den Gesteinsblöcken kommt es dann zum scherenden Bruch. Die Vorgänge werden bis heute einigermaßen befriedigend mit der Elastic-Rebound-Theorie erklärt, die der Seismologe H.F. Reid 1910 in der Folge des verheerenden Bebens, das 1906 San Francisco zerstört hatte, entwickelt hat. Die Theorie lässt sich mit einem einfachen Küchen-Experiment verdeutlichen, das der US-amerikanische Seismologe Bruce A. Bolt beschrieben hat: Man zieht die Oberfläche eines Wackelpuddings mit den Fingern in zwei entgegengesetzte Richtungen auseinander und schneidet dann einen Ritz in die Puddingoberfläche. Dieser wird sich schnell ausbreiten und den Pudding entlang einer Linie in zwei Hälften trennen. Sobald man loslässt, springen diese wieder in ihre Ausgangsposition zurück, wobei man beobachten kann, wie die damit verbundenen Erschütterungen den ganzen Pudding durchlaufen, und genau das passiert auch bei einem Erdbeben. Infolge entlang einer Störungsfläche langsam aneinander vorbeigleitender Krustenblöcke bauen sich über längere Zeiträume hinweg Spannungen auf, die sich beim Überschreiten der Scherfestigkeit ruckartig entladen. Dabei werden unterschiedliche Wellentypen abgestrahlt und man muss berücksichtigen, dass die Raumwellen auf ihrem kilometerlangen Weg oft unterschiedliche Gesteine durchlaufen und an Grenzflächen reflektiert oder gebrochen werden können, ehe sie am Epizentrum auf der Erdoberfläche ankommen. Deren Geschwindigkeit ist abhängig von den Gesteinen: bei Lockersedimenten ungefähr 4 km/s, bei Gneisen um 6 km/s und bei Basalt etwa 8 km/s. Für die Lokalisierung von Erdbeben braucht man möglichst drei Seismographenstationen (mit nur einer ließe sich lediglich die Entfernung bestimmen): aus den Ankunftszeiten der P-Wellen lässt sich mittels Triangulation dann die Herdposition ermitteln. Heute stehen dafür zahlreiche Stationen zur Verfügung, die eine genauere Lokalisierung des Herdes gestatten. Seismographen sind im Prinzip Pendel, die einwirkende Wellen in drei Dimensionen erfassen. Die Geometrie des Herdes wird meist vereinfachend punktförmig dargestellt, man muss aber davon ausgehen, dass sie entsprechend den geologischen Gegebenheiten eher eine Fläche bildet, an deren Oberfläche an verschiedenen Stellen zusätzlich unterschiedliche Reibungsverhältnisse herrschen. Erdbebenwellen laufen im oberen Bereich der Erdkruste bis in den Bereich unterhalb der Moho mit Geschwindigkeiten in der Größenordnung von einigen km/sec (<6 bis >8 km/sec), aber nicht alle laufen gleich schnell. Die Grenze zwischen Erdkruste und Mantel, die Moho, lässt sich etwa an einer Zunahme der P-Wellengeschwindigkeiten von 7 auf 8 km/s definieren. Man unterscheidet Raumwellen und Oberflächenwellen und bei den Raumwellen noch P-Wellen (Primärwellen, weil sie als erste von den Seismographen registriert werden), die sich ausbreiten wie Schallwellen und S-Wellen. P-Wellen führen zu einem abwechselnden Verdichten und Auseinanderziehen der Materie (engl. deshalb push & pull), während bei den S-Wellen die Teilchen auf und ab oder hin und her schwingen wie bei einem Springseil. Das sind Scherwellen, die sich in flüssiger Materie nicht fortpflanzen können. Auch die den Wasserwellen im Ozean vergleichbar sich bewegenden Oberflächenwellen werden nach ihrer Schwingungsart weiter in Love- und Raleighwellen unterteilt (Abb. 6). Sie sind für die größten Zerstörungen verantwortlich.

Dauer von Beben

Ganz entscheidend für das Ausmaß der Zerstörungen ist auch die Dauer des Bebens: Am Karfreitag 1964 hatte ein Radiosprecher in seiner einsam gelegenen Sendestation in Alaska ein landschaftsveränderndes Beben erlebt, das etwa 2,5 Minuten lang anhielt. Dabei wurde der Strand entlang einer etwa 1000 km langen Subduktionszone, die dem Inselbogen der Aleuten parallel verläuft, um 10 m angehoben. Das Ausmaß der Zerstörungen an der Erdoberfläche ist meistens eng an den geologischen Untergrund gebunden. Vor allem Lockersedimente in Erdbebengebieten sind eigentlich immer ein ungeeigneter Baugrund, insbesondere dann, wenn Tonminerale beteiligt sind, die thixotrope Eigenschaften haben, d.h., sich bei Erschütterungen schlagartig wie Flüssigkeiten bewegen (Quicktone). In den Subduktionszonen kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: Infolge der langsam abtauchenden ozeanischen Platten erhöht sich der Porenwasserdruck in den Gesteinen, was deren Scherfestigkeit herabsetzt. Wasser wirkt hier offenbar als Schmiermittel. Mit einem solchen Mechanismus lassen sich auch die Beben im Gefolge der Flutung großer Stauseen und dem Einpressen von Wasser in tiefere Bohrungen erklären, auch die neuerdings im Zusammenhang mit Geothermiebohrungen beobachteten Erschütterungen scheinen damit in Zusammenhang zu stehen.


Abb. 6: Unterschiedliche Typen von Erdbebenwellen, die auch die Bewegungen der Bodenteilchen andeuten (aus Rothe 2008, verändert nach Mannheimer Forum 1988/89).

Vorhersage von Erdbeben

Eine Vorhersage von Erdbeben ist trotz intensiver Forschungen bisher praktisch nicht möglich, weil zu viele Faktoren beteiligt sind. Die 2012 erfolgte Verurteilung der sieben italienischen Katastrophenexperten im Zusammenhang mit dem Beben in Aquila in den Abruzzen (2009) zu hohen Haftstrafen ist deshalb absurd und hatte entsprechende weltweite Reaktionen nicht nur seitens der Wissenschaftler zur Folge.

Erkundung geologischer Strukturen im Untergrund

Seismische Wellen lassen sich durch Sprengungen, Schall/Luftdruckwellen (air gun) oder Vibrationen erzeugen und zur Erkundung geologischer Strukturen im Untergrund verwenden. Das hat große praktische Bedeutung für die Exploration von Kohlenwasserstofflagerstätten, aber auch in der Meeresgeologie, wo man anhand solcher seismischer Profile Strukturen in bisher unerreichbarer Auflösung kartieren kann: entsprechende Arbeiten gehen heute jeder wichtigen Bohrung voraus. Die Technik ist inzwischen soweit, dass man mit 3D-Seismik, die allerdings große Rechnerkapazitäten erfordert, auch bereits bekannte Lagerstätten auf dem Festland mit großem Erfolg neu untersucht. Prinzipiell wird dabei zwischen Reflexions- und Refraktionsseismik unterschieden: bei ersterer werden die Wellen an Gesteins- bzw. Zustandsgrenzen reflektiert, bei letzterer registriert man gesteinsbedingte Geschwindigkeitsänderungen.

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