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Der späte Winter war beißend kalt und sonnig. Die Aale schlummerten in ihrem weichen Schlamm am Grunde des Sees und ließen Luftblase um Luftblase nach oben unter das Eis steigen. Dort froren die Blasen fest und waren wie runde Augen, in die er mit dem Hammer hacken konnte, wenn er auf dem Eis war, um Aale zu fangen.

Das Eis war dick wie eine Faust, dann wuchs es nach unten und erreichte die Dicke eines Unterarms. Die Aale hatten nun Frieden vor ihm, durch diesen Eispanzer drang er nicht. Das waren magere Wochen, in denen er in der Mulde Moosbeeren unter dem Schnee ausgrub – es wurden immer weniger – oder hinter Büschen und Grashügeln wartete, um ein Schneehuhn in seinen Bann zu ziehen oder einen Hasen anzulocken. Hoch oben schwebte der Adler und hatte alles im Auge. Das Raubtier hielt sich nicht zurück, sondern schnappte sich die Beute, die schon fast seine war, den neugierigen Hasen, der die Ohren drehte und aufmerksam schnupperte. Gerade, als der Hase näher heranhoppeln wollte, schoß der Adler im Sturzflug herunter, schlug seine Klauen in ihn, warf dem Jungen einen spöttischen Blick zu, erhob sich mit der zappelnden Beute und flog davon, so weit, daß er ihm mit den Augen nicht mehr zu folgen vermochte.

Nur die Forellen ließen ihn nicht im Stich, sie standen in einem tiefen Wasserloch des Quellbachs, mit dem Rücken gleich unter der Oberfläche, und ernährten sich friedlich von kleinem Getier. Man kam gar nicht auf den Gedanken, daß sie auch erschreckt davonschießen und sich so schnell verstecken konnten, als wären sie nie dagewesen. Sie waren gut zu ihm.

Er hatte beschlossen aufzubrechen, kurz bevor Tag und Nacht gleich lang waren. Er wollte für alle Fälle die Bogensehnen mitnehmen, der Aalspeer sollte hierbleiben, bis er zurückkehrte. Speer und Eishammer sollten auf ihn warten, bis er zurückkehrte, um sich niederzulassen und eine Hütte zu bauen.

An einem sonnigen Tag, an dem es taute und tropfte, machte er sich auf den Weg. Er hatte den Waldrand noch nicht erreicht, als ihn der Zaunkönig umschwirrte, der Vogel sah ganz freundlich aus, scherzte ein bißchen mit ihm, aber flog dann zurück zur Hütte, wo er sich auf seinen Zweig setzte und ihm nachschaute. Nun würde der Vogel da sein, wenn er zurückkam, obwohl der Junge einmal seinen Rat nicht beherzigt hatte.

Der Junge streifte durch die schon bekannte Gegend, sah die Dörfer wieder mit den stinkenden Häusern, sah den Rauch, der sich von den Dächern niederschlug und bläulich zwischen den Wänden hing, die Kühe, die an einem Heubüschel kauten und sich nicht bewegten, während eine Bauersfrau daneben kniete und in einen Holzeimer molk. Aus den Türen lugten die Augen der Kinder. Männer waren nicht zu sehen, sie waren vielleicht auf der Jagd oder überprüften ihre Fallen.

Plötzlich wurde an einer Hauswand ein kleiner Laden geöffnet, und große Vögel drängten heraus und flogen überall dort hin, wo der Schnee geschmolzen war und sie Samen finden konnten. Das Männchen stellte sich auf und brachte durchdringende Laute hervor, wie er sie nie zuvor gehört hatte, nicht einmal von weitem. Das waren Vögel, die es nicht im Wald gab, größer als Schneehühner, viel größer, und kleiner als Auerhähne, vermutlich so groß wie Birkhühner. Nun hatten die Bauern also neue Tiere dazu gebracht, bei ihnen zu bleiben, Tiere, die allein nicht zurechtkamen und abhängig waren von dem, was die Bauern wollten.

Er gelangte noch vor der Dämmerung zum Bach der Biber. Er richtete sich auf einen Halbschlaf auf einem Baum ein, es war Vollmond, ab und zu wurde ein Biber mit glattem, glänzendem Fell sichtbar, schwamm in dem aufgestauten Bach herum und kroch dann an Land, stolperte zu einem jungen Bäumchen und nagte die Rinde ab, knabberte und kaute hastig, kehrte ins Wasser zurück und verschwand in seinem geheimen Eingang.

Er schlief sehr leicht, hörte alles und spürte ständig den Mond und dessen Widerschein auf dem Bach. Wenn er nicht fror, träumte er, meistens von der Bauerntochter, die sich von ihm entführen ließ und sich in seinen Armen leicht machte. Ganz bis zur Hütte brauchte er sie nicht zu tragen. Wenn sie erst weit genug vom Dorf entfernt waren, würde sie von selbst mit ihm gehen, nur er kannte schließlich den Weg.

Starr vor Kälte klettere er vom Baum, als es am Himmel zu tagen begann. Er ging den Bach entlang bis zum See, wo die Mündung war, und er fand ein Wasserloch, in dem die kleinen Forellen Rücken an Rücken standen. Er schnappte sich eine, biß hinein und aß.

Er folgte dem Ufer des Sees, nirgends war ein Aalfänger aus dem Dorf am Hügel zu sehen. Er roch das Dorf, eine einzelne Rauchsäule stieg über dem Wald auf.

Er mußte auf der Uferseite bleiben, wo das Quellwasser in den See floß und das Eis körnig machte, und auf dem Grund der Wasserlöcher erspähte er große, weiße Muscheln, wie die Mutter sie gesammelt hatte, wenn der See daheim eisfrei war. Das war wie ein süßer Schleim im Mund und sättigte mehr als die salzigen Muscheln, die sie am Sommerplatz beim Fjord oben sammelten.

Er blieb oft stehen und schaute, ob er jemanden sah, und dabei grübelte er vor sich hin. Auf dem See beobachtete er, wie ein weißes, kurzbeiniges Tier mit einem kleinen Schwanz davonwieselte. Es war weit weg, wahrscheinlich ein Hermelin, gerade recht, um daraus eine Mütze zu nähen, hätte die Mutter gesagt.

Eine schöne Mütze für die Bauerntochter.

Er stieg die Böschung hinauf, um näher an das Dorf heranzukommen. Dort war für viele Felder mit kleinen Deichen dazwischen gerodet worden. Der Schnee neben den Deichen war verweht, er lag wie große Zungen auf dem Feld, und aus den Schneewehen ragten steife, kleine Strohhalme, Reste von dem, was hier gewachsen war und von dem die Mutter gesagt hatte, es sei Getreide.

Zwischen den Strohhalmen bemerkte er eine kleine Schar Rebhühner. Daheim hätte er sich eines nach dem anderen gefangen, aber er wagte sich nicht hinaus auf das Feld. Die Hunde der Bauern würden ihn verraten, und dann könnte er später nicht mehr ungesehen zur Quelle kommen.

Es war ein großes Dorf mit vielen Häusern, umgeben von einem hohen, aus Zweigen geflochtenen Zaun. An einigen Stellen gab es Öffnungen, und hier waren Pfade in den Schnee getrampelt. Einer führte vermutlich hinunter zur Quelle, ein anderer in den Wald.

Aus einigen Häusern stieg Rauch, die Kühe brüllten, und die Stimmen der Kinder und Frauen klangen mißmutig und gereizt. Für ein Lachen war es wohl noch zu kalt und zu früh.

Er ging den Waldrand entlang, der das Dorf und die Felder säumte. Da waren mehr Häuser, als er gedacht hatte, und da gab es noch zwei Eingänge und Ausgänge. Drei waren offen, einer geschlossen. In einem der offenen stand ein Mann und spuckte in den Schnee. Er sah auf und betrachtete den Himmel. Dann drehte er sich um und verschwand.

Kurz darauf erklang ein lauter, befehlender Ruf. Zwischen den Häusern wurde viel hin und her gerufen. Vielleicht wollten sie jetzt etwas zusammen machen. Kurz darauf wurde das geschlossene Tor geöffnet, und eine mit Bogen und Speeren bewaffnete Schar kam heraus und schlug den Weg zum Wald ein. Aus diesem Tor waren sie vermutlich auch gekommen, um zu seiner Hütte zu gehen.

Hatten die hier die Hütte angezündet, so daß seine Eltern und seine Schwester verbrannt waren?

Die Hunde folgten ihnen schnüffelnd und kläffend. Bald würden sie auf seine Fußstapfen stoßen. Er hörte, wie die Hunde seine Spur aufnahmen, aber sie wurden zurückgerufen. Er brauchte nicht zu fliehen.

Im offenen Tor erschienen zwei alte Männer, beide mit Stock, wahrscheinlich die einzigen, die noch im Dorf waren. Sie schlossen das Tor hinter sich. Sie gingen zu den anderen Toren und schlossen sie ebenfalls. Nur der Ausgang zur Quelle stand offen. Die Männer blieben vielleicht länger fort.

Jetzt wollte er im Schutze des Waldes dicht neben dem Pfad warten, bis die Bauerntochter mit ihrem Krug auftauchte. Er wollte sehen, wie sie aus dem Tor kam und die Böschung zur Quelle hinunterging, aber ehe sie zur Quelle kam, wollte er ganz in ihrer Nähe sein, um dann, wenn sie den Krug mit Wasser füllte, hervorzutreten. Sie würde das Knirschen des Schnees und das Rascheln des Laubes hören, und wenn sie zu ihm aufschaute, würde er auf der Stelle in ihrem Blick sehen, ob sie ihn wiedererkannte.

So und nicht anders sollte es geschehen.

Das Schiff der Fremden

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