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Rumpelfußball

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Es war einmal ein armer Bergmann, der hatte einen Sohn, der war Fußballtrainer und, so wie er, ein Schalker. Eines Tages, der Zufall wollte es so, kam er mit dem Präsidenten des DFB ins Gespräch, und um vor ihm besser dazustehen, sagte er zu ihm: „Ich habe einen Sohn, der ist Trainer, der kann aus jedem Amateur einen Nationalspieler machen.“ Der Verbandspräsident sprach zum Schalker: „Das würde mir gefallen. Wenn dein Sohn das wirklich draufhat, so wie du sagst, dann bring ihn morgen zu mir in die DFB-Zentrale, da werd ich ihn mal testen.“

Als nun der junge Mann zu ihm gebracht ward, führte er ihn in die Commerzbank-Arena nebenan, voll mit unfähigen Frankfurter Balltretern, gab ihm eine Pfeife und einen Fußball und sprach: „Jetzt mach dich an die Arbeit, und wenn du diese Amateure hier bis morgen früh nicht zu Nationalspielern gemacht hast, so werde ich dir deine Trainerlizenz entziehen.“ Darauf schloss der Präsident die Arena selbst zu und ließ den Trainer allein mit den Spielern zurück.

Da saß nun der arme Schalker und hatte keine Ahnung, wie er seine noch junge Trainerkarriere retten sollte. Er verstand rein gar nichts davon, Amateure auf das Niveau von Nationalspielern zu bringen, und mit jeder Minute bekam er mehr Angst, bis er schließlich vor lauter Verzweiflung leise – und so weit abseits, dass ihn niemand von den Spielern sehen konnte – zu weinen anfing.

Da ging auf einmal die Tür auf, und ein kleines, schwarz-gelb gekleidetes Männchen trat herein und sprach: „Guten Abend allerseits. Warum heulst du so?“ – „Ach“, antwortete der junge Mann und deutete auf den Platz mit den Frankfurter Würstchen, „ich soll diese Amateure hier über Nacht zu Nationalspielern machen und habe keinen Plan, wie ich das anstellen soll.“ Sprach der Borusse: „Was gibst du mir, wenn ich sie dahin bringe?“ – „Mein neues Smartphone“, sagte der junge Schalker.

Das schwarz-gelbe Männlein nahm das Handy, trat damit vor die Frankfurter Kicker und – Hacke, Spitze, eins, zwei, drei, viermal in die Pfeife getrillert – gab es ein knallhartes Konditionsprogramm mit Zirkeltraining und Medizinbällen. Dann holte er eine Tafel hervor und – Hacke, Spitze, eins, zwei, drei, viermal in die Pfeife getrillert – gab es eine ordentliche Taktikschulung über das Verhalten in der Viererkette, knallhartes Pressing und das Spiel ohne Ball.

So ging es weiter bis zum Morgen, da war den Frankfurtern alles Amateurhafte ausgetrieben. Sie waren taktisch auf der Höhe, fit wie ein Turnschuh, und ihre Ballbehandlung war geradezu brasilianisch. Bei Sonnenaufgang kam schon der DFB-Präsident, und als er die Spieler sah und wie sie mit dem Ball umgingen, da staunte er und freute sich, aber sein Herz wurde nur noch gieriger, und er sah schon die EM- und WM-Trophäen in seiner Vitrine. Er ließ den Sohn des Schalkers in ein anderes großes Stadion bringen, das Rhein-Energie-Stadion, wo die Kölner noch weniger mit dem Ball anzufangen wussten als die Frankfurter zuvor, und der Präsident befahl ihm, auch diese Dilettanten in einer Nacht zu Nationalspielern zu formen, wenn ihm sein Job lieb wäre.

Der junge Mann wusste sich nicht zu helfen und weinte wieder im Verborgenen, da ging abermals die Tür auf und der kleine Borusse erschien und sprach: „Was gibst du mir, wenn ich dir diese Amateure zu Nationalspielern mache?“ – „Mein Auto, ist zwar nur ein Gebrauchtwagen, hat mich aber nie hängen lassen“, antwortete der junge Trainer. Das schwarz-gelbe Männchen nahm das Auto, und – Hacke, Spitze, eins, zwei, drei, viermal in die Pfeife getrillert – hatte es die Kölner Narren bis zum Morgen auf Nationalmannschafts-Niveau gepuscht.

Der Präsident freute sich über alle Maßen bei dem Anblick, hatte aber immer noch nicht genug. Also ließ er den Sohn des Schalkers in ein noch größeres Stadion bringen, die Allianz-Arena, und sprach mit Blick auf die völlig talentfreien Münchner Ballathleten: „Die musst du in dieser Nacht noch auf Vordermann bringen. Gelingt es dir aber, so sollst du offiziell Bundestrainer werden.“ Wenn’s auch nur der Sohn eines armen Bergmanns ist, dachte er, einen besseren Trainer finde ich auf der ganzen Welt nicht.

Als der junge Mann allein war, kam das schwarz-gelbe Männlein zum dritten Mal wieder und sprach: „Was gibst du mir, wenn ich dir auch die Kicker hier trainiere?“ – „Ich habe nichts mehr, das ich dir geben könnte“, antwortete der Schalker. „So versprich mir, wenn du Bundestrainer wirst, deinen ersten Schalker Nationalspieler.“ Wer weiß, wohin das noch führen soll, dachte der Sohn des Schalkers und wusste sich in seiner Not auch nicht anders zu helfen: Er versprach also dem Borussen, was dieser verlangte, und das schwarz-gelbe Männchen machte abermals aus unfähigen Amateuren Nationalspieler. Und als nun morgens der DFB-Präsident kam und alles so vorfand, wie er es sich gewünscht hatte, so setzte er eine Pressekonferenz an und gab die Verpflichtung des bis dato in der Öffentlichkeit noch völlig unbekannten Schalkers als neuen Bundestrainer bekannt.

Ein Jahr später nominierte er mit Stolz seinen ersten Schalker Spieler für ein Länderspiel. Der Trainer hatte den Borussen längst vergessen, da trat dieser plötzlich in die Kabine und sprach: „Nun gib mir, was du versprochen hast.“ Der Bundestrainer erschrak und bot dem schwarz-gelben Männlein alle Reichtümer und Positionen an, die der DFB zu bieten hatte, wenn er ihm den Stürmer nur lassen wollte. Aber der Borusse sprach: „Nein, ein lebender, echter Spieler ist mir lieber als alle Trophäen dieser Welt.“ Da fing der Bundestrainer an, schrecklich zu jammern und zu lamentieren bei dem Gedanken, dass sein Schalker Jung ein Borusse werden sollte, bis das Männchen schließlich Mitleid mit ihm hatte: „Drei Tage, bis zum Ende der Transferperiode, will ich dir Zeit lassen“, sprach es, „wenn du bis dahin meinen Namen weißt, so soll der Spieler ein Schalker bleiben.“

Die ganze Nacht lang dachte der Bundestrainer an alle Namen, die er jemals gehört hatte, und telefonierte mit jedem Scout rund um den Globus. Sie sollten sich erkunden nach jedem Namen, den es sonst noch gäbe. Als am nächsten Tag der Borusse kam, fing er an mit Szepan, Kuzorra, Libuda, Thon und sagte nacheinander alle Namen auf, die ihm einfielen, aber bei jedem sprach das schwarzgelbe Männlein: „Nein, so heiß ich nicht.“

Am zweiten Tag erkundigte er sich im Süden der Republik, wie die Leute da genannt würden, und sagte dem Borussen die ungewöhnlichsten und seltsamsten Namen vor: „Heißt du vielleicht Schweinsteiger oder Badstuber oder Beckenbauer?“ Aber er antwortete immer: „Nein, so heiß ich nicht.“ Am dritten Tag rief ein Scout auf dem Handy zurück und erzählte: „Neue Namen habe ich keinen einzigen finden können, aber wie ich an einem alten Ascheplatz vorbeikomme, wo schon lange kein Ball mehr gekickt wurde, da sah ich eine kleine Baracke, und vor der Baracke brannte ein Feuer, und um das Feuer sprang ein gar zu lächerliches Männchen im schwarz-gelben Trikot herum, das hüpfte auf einem Bein und schrie:


Da kann man sich vorstellen, wie erleichtert der Bundestrainer war, als er den Namen hörte, und als kurz darauf der Borusse hereintrat und fragte: „Nun, Herr Bundestrainer, wie heiß ich?“, fragte er erst: „Heißt du Kuntz?“ – „Nein.“ – „Heißt du vielleicht Kalz?“ – „Nein!“ – „Heißt du etwa Rumpelfußball?“ – „Das hat dir der Teufel gesagt, das hat dir der Teufel gesagt!“, schrie das schwarzgelbe Männchen und stieß mit den Stollen unter seinem rechten Fußballschuh vor Zorn so tief in die Erde, dass es bis zu den Adduktoren hineinfuhr. Dann packte es in seiner Wut seinen schwachen linken Fuß mit beiden Händen und riss sich selbst mitten entzwei.

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