Читать книгу Atlan 711: BASTION-V - Peter Terrid - Страница 4

1.

Оглавление

Abrupt geweckt zu werden, war mir im Lauf von zwölf Jahrtausenden schon des Öfteren passiert. Ich war von Erdbeben geweckt worden, und mehr als einmal hatten mich Alarmsirenen aus dem Schlaf gerissen. Aber noch nie in all der Zeit war ich in einem Albtraum erwacht. Niemals zuvor war ich dadurch geweckt worden, dass sich jemand die Frechheit erlaubte, meinen Magen gleichsam als Trampolin zu benutzen. Das erste, was ich beim Erwachen sah, war ein olivfarbener Schemen, der sich auf und ab bewegte und bei jedem Ab mit einem heftigen Ruck auf meiner Magengrube landete. Dem fröhlichen Krähen nach zu schließen, musste es sich um einen jungen Naldrynnen handeln. Das Krähen verwandelte sich in ein empörtes Quieken, als ich mich schnell aufrichtete und nach dem kleinen Plagegeist griff und ihn auch zu fassen bekam. Bei dieser Gelegenheit stellte ich auch fest, dass mir ein weiteres kleines Ungeheuer auf dem Schädel zu sitzen schien.

»Sag ihm, er soll mich loslassen, Großvater«, quietschte der kleine Naldrynne, den ich zwischen meinen Händen hielt.

Rücksichtslos aus dem Schlaf gerissen, brauchte ich einige Zeit, bis ich wirklich begriff, was sich um mich herum abspielte. Unser griesgrämiger Gefangenenwärter aus dem Volk der Naldrynnen hatte sich offenkundig den Spaß erlaubt, eine Horde seiner Kinder oder Enkel mit auf seinen Inspektionsrundgang zu nehmen. Während vier dieser kleinen Naldrynnen sich mit mir beschäftigten, kümmerten sich drei andere darum, den schlaftrunkenen Chipol zu ärgern.

Auch er richtete sich auf und schüttelte den Kopf, um das kleine Pelzungeheuer loszuwerden, das auf seinen Haaren hockte. Unwillkürlich griff ich an meinen Kopf, als ich Chipols Schädel sah. Tatsächlich, auch bei mir waren die Naldrynnen am Werk gewesen. Noch während wir schliefen, mussten sie sich damit beschäftigt haben, unsere Haare zu verknoten, und das hatten sie recht gründlich besorgt. Unter meinen Fingerspitzen fühlte ich einige hundert winziger Knoten, die ich wahrscheinlich erst in tagelanger Arbeit wieder herausbekommen konnte.

»Was soll der Unfug«, schnauzte ich den älteren Naldrynnen an, der sich um uns Gefangene zu kümmern hatte.

Gashdal stieß ein hohes Kichern aus.

»Lass die Kleinen nur«, prustete er. »Was sie mit euch machen, ist nichts im Vergleich zu dem, was euch noch bevorsteht.«

Ich wurde sofort hellhörig.

Obwohl unsere Lage als Gefangene an Bord ausgesprochen hoffnungslos wirkte, hatte ich dennoch den Gedanken an Flucht niemals aufgegeben. Es musste einen Weg geben, die ZYRPH'O'SATH zu verlassen. Die einzigen Lebewesen, die wir bis jetzt zu Gesicht bekommen hatten, waren der alte Naldrynne Gashdal und nun seine Enkel oder Kinder. Mit Gashdal zurechtzukommen, war ausgesprochen schwierig. Er war übellaunig, behandelte uns schlecht und erlaubte sich mitunter einige ausgesprochen boshafte Späße auf unsere Kosten. Aber er hatte einen Vorteil: er war überaus geschwätzig.

Natürlich war ich daran interessiert, wohin die Reise mit der ZYRPH'O'SATH ging, und wenn es jemand gab, der mir weitere Informationen liefern konnte, dann war es Gashdal.

Ich glaubte einen Weg herausgefunden zu haben, auf dem sich mit dem Alten reden ließ; man musste ihn provozieren.

»Pah«, machte ich daher und warf ihm einen seiner besonders ungebärdigen Enkel einfach zu. Chipol sah mich von der Seite an. Gashdal fing seinen Nachkömmling auf und machte, soweit das bei seinem dichten Pelz überhaupt zu sehen war, ein griesgrämiges Gesicht.

»Ihr werdet es erleben«, sagte er trotzig und sah mich dabei herausfordernd an. Ich zuckte mit den Schultern.

»Was erleben?«, fragte ich knapp. Ich stand auf, dehnte und streckte mich, um die Gelenke wieder geschmeidig zu machen.

Unsere Zelle war etwa zwanzig Quadratmeter groß, quadratisch und ziemlich sparsam möbliert. Es gab einen Tisch, zwei Stühle und zwei Pritschen, auf denen wir oft gelangweilt herumlagen, weil wir mit unserer Zeit nichts Besseres anzufangen wussten.

Ich hatte den Verdacht, dass wir in einem Sektor der ZYRPH'O'SATH untergebracht worden waren, der speziell für die Lebensbedürfnisse der Naldrynnen hergerichtet worden war. Das Licht in diesem Raum war ausgesprochen düster, genau passend also für die großen Augen der Naldrynnen, die sehr empfindlich auf Helligkeit reagierten. Auch die Schwerkraft lag ein Stück über dem Wert, den ich gewohnt war, war aber offenkundig erheblich geringer als der Durchschnittswert auf der Heimatwelt der Naldrynnen. Gashdals Enkel jedenfalls hatten einen offenkundigen Spaß an der geringen Schwerkraft. Wie ein Haufen entfesselter Gummibälle turnten sie durch unsere Zelle. Gashdal beobachtete sie mit sichtlichem Vergnügen. Erst als einer seiner Sprösslinge bei einem heftigen Satz gegen seinen Körper prallte und ihn von den Beinen riss, wurde der Naldrynne ärgerlich.

»Lasst diesen Unfug!«, schnauzte er seine Nachkömmlinge an. »Oder ich werde euch zu Halphar schicken.«

Die Kleinen hörten mit ihrer Beschäftigung auf. Der Name Halphar schien sie erschreckt zu haben.

Ich hakte sofort nach.

»Deine Kinder kannst du vielleicht mit Halphar erschrecken«, sagte ich. »Uns nicht.«

Aus den Augenwinkeln heraus konnte ich sehen, wie Chipols Lippen zuckten. Er unterdrückte ein Lächeln. Offenbar hatte er begriffen, welches Spiel ich mit Gashdal zu spielen beabsichtigte.

Gashdal griff sofort nach dem Köder. Wütend starrte er mich an.

»Prahle nicht«, sagte er drohend. »Du wirst Halphar auch noch kennen lernen.«

»Dann führ mich zu ihm«, sagte ich herausfordernd. Gashdal machte eine abwehrende Handbewegung.

»Wenn wir BASTION-V erreicht haben, wird man euch schon zu Halphar bringen.«

BASTION-V war also das Ziel des Fluges der ZYRPH'O'SATH. Und wie der Name mir verriet, musste es mindestens vier weitere Stationen dieser Art geben. Halphar war, vermutete ich, der Herrscher dieser Station BASTION-V. Und die Wirkung, die sein Name bei den kleinen Naldrynnen hervorrief, deutete darauf hin, dass er ein gefürchtetes Lebewesen sein musste.

Ich sah Gashdal herausfordernd an.

»Wir fürchten uns vor dir nicht«, sagte ich, »warum sollten wir uns dann vor einem Naldrynnen namens Halphar fürchten?«

»Halphar«, begann Gashdal heftig, unterbrach sich dann aber sofort. Er machte eine Geste, die auf Erschrecken hindeutete. Ich hatte den Verdacht, dass ihm in diesem Augenblick bewusst geworden war, dass er dabei war sich zu verplaudern. Wahrscheinlich wurde über Halphar bei den Naldrynnen nur hinter vorgehaltener Hand geredet, und auch das gab mir einen Hinweis darauf, dass wir uns vor diesem Halphar in acht zu nehmen hatten. Gashdal jedenfalls schien nicht gewillt, sich weitere Informationen entreißen zu lassen. Mürrisch, wie es seine Art war, stieß er die beiden Näpfe auf den Tisch, die unser Essen enthielten. Es war ein Synthesebrei, der ebenso abenteuerlich schmeckte, wie er bunt schillerte. Hätte uns nicht immer wieder der Hunger geplagt, hätten wir von diesem Zeug keinen Bissen herunterwürgen können.

Gashdal machte sich daran, unsere Zelle zu verlassen. Auf der Schwelle blieb er stehen, drehte sich noch einmal um und sah uns giftig an. Er stieß ein meckerndes Gelächter aus.

»Bald«, sagte er hämisch. »Bald!«

Hinter ihm glitt lautlos das schwere Stahlschott in seine alte Stellung zurück. Mit einem leisen Klicken rasteten die Verschlüsse ein. Wir waren wieder allein.

»Reizende Burschen«, bemerkte Chipol und tastete mit den Fingern nach seinen Haaren. »Wer mag dieser Halphar sein?«

Ich zuckte die Schultern.

»Keine Ahnung«, antwortete ich. »Aber vermutlich kein Zeitgenosse, mit dem leicht umzugehen sein wird.«

Chipol setzte sich an den Tisch und entfernte den Verschluss von seinem Essensnapf. Angewidert verzog er das Gesicht.

»Hoffentlich gibt es in BASTION-V wenigstens ein besseres Essen als hier«, murmelte er.

Ich begann in der Zelle auf und ab zu wandern und überdachte unsere Möglichkeiten. Vorläufig war an Flucht nicht zu denken. Wir hatten keinerlei Möglichkeit, aus unserer Zelle herauszukommen, und bis wir das Ziel erreichten, würde man uns vermutlich auch nicht herauslassen. Vielleicht ergab sich eine Möglichkeit, wenn wir die ZYRPH'O'SATH verließen und zu BASTION-V hinüberwechselten.

Eines jedenfalls schien festzustehen: Ans Leben ging es uns vorläufig nicht. Das hätten bereits die Naldrynnen besorgen können, wenn sie es vorgehabt hätten.

Vermutlich würde man uns, sobald wir BASTION-V erreicht hatten, zunächst einmal gründlichen Verhören unterziehen. Aus mir würde Halphar dabei wahrscheinlich nicht sehr viel herausbekommen. Alle Tricks und Kniffe der Verhörtaktik hatte ich vor mehr als zehntausend Jahren bereits gelernt; auch auf diesem Gebiet war Fartuloon, der Bauchaufschneider, ein vortrefflicher Lehrmeister gewesen.

Es fragte sich nur, wie lange Halphar sich mit einem verbalen Frage-Antwort-Spielchen begnügen würde. Früher oder später würde er bemerken müssen, dass mir auf diese Art und Weise nichts zu entlocken war, und dann war es sehr leicht möglich, dass er zu härteren Methoden griff.

Chipol sah mir bei meinem Marsch auf und ab in der Zelle amüsiert zu.

»Worüber grübelst du nach?«, fragte er mich.

Ich zögerte, ihm eine Antwort zu geben. In meinem Fall war ich mir sicher, Halphar eine gehörige Zeitlang Widerstand bieten zu können, aber was war mit Chipol? Gewiss, der junge Daila war tapfer, mutig und beherrscht, aber er war vor allem auch jung und auf diesem Gebiet sehr unerfahren. Ein Meister dieser Kunst wie Fartuloon hätte sicherlich nicht lange gebraucht, um sich gerade diese Eigenschaften Chipols zunutze zu machen und ihn zu überlisten. Aber das konnte und wollte ich Chipol nicht sagen.

»Ich überlege, wie es weitergehen wird«, log ich daher.

Chipols Gesicht zeigte, dass er sich keine Sorgen machte.

»Irgendwie wird es schon weitergehen«, murmelte er mit vollem Mund.

*

Die ZYRPH'O'SATH brauchte erstaunlich lange, um BASTION-V zu erreichen. Immer wieder fiel das Schiff aus dem Überraum zurück in den Normalraum, flog eine Weile mit knapper Lichtgeschwindigkeit und setzte dann zu einem neuen Hyperraumsprung an. Mein Logiksektor fand für diese zahlreichen Flugunterbrechungen eine Reihe von Erklärungen. Eine bestand darin, dass das Zielgebiet extreme kosmonavigatorische Schwierigkeiten aufwies. Dem stand allerdings gegenüber, dass die Hyperraumflugphasen recht lang ausfielen. Die zweite Erklärung bestand darin, dass BASTION-V weit abgelegen war und der Flug entsprechend lange dauern musste. Die letzte Interpretation des Extrahirns kam zu dem Schluss, dass der Kommandant der ZYRPH'O'SATH diese Manöver absichtlich flog, um uns keinerlei Hinweis zu geben, wo BASTION-V zu finden sein mochte.

Die ZYRPH'O'SATH hatte inzwischen ihr Ziel erreicht, das konnte ich deutlich spüren. Nach einer längeren Flugphase mit Unterlichtgeschwindigkeit musste sie in der Nähe ihres Bestimmungsortes angelangt sein. Der Kommandant flog eine Reihe von Anpassungsmanövern, um die ZYRPH'O'SATH metergenau ans Ziel zu bringen. Zu sehen bekamen wir von diesem Vorgang natürlich nichts. Aber dank langer Erfahrung konnte ich die winzigen Beschleunigungen spüren, die den Rumpf der ZYRPH'O'SATH durchliefen. Als schließlich das gleichmäßige Geräusch des Triebwerks endgültig aufhörte, wusste ich: wir hatten BASTION-V erreicht.

Auf dem Gang wurden Schritte laut. Und wenig später schob sich das schwere Stahlschott zur Seite. In der Öffnung erschienen vier kräftige Gestalten, keine Naldrynnen.

Ich nutzte die Gelegenheit, sie rasch zu mustern.

Die Grundform ihrer Körper war weitestgehend menschenähnlich. Details konnte ich nicht erkennen, da die vier dunkle Arbeitskombinationen trugen, die nur die Hände und die Gesichter erkennen ließen.

Beim Anblick der Gesichter fühlte ich mich sofort an Androiden erinnert. Die vier sahen aus, als seien sie eher Retortenwesen als natürlich entstandene Geschöpfe. Sie wirkten seltsam roh und unfertig, charakteristische Gesichtszüge waren nicht zu erkennen. Ihre Augen blickten stumpf und teilnahmslos.

Einer der vier trat vor und machte eine herrische Geste. Er forderte uns auf, ihnen zu folgen.

Die vier waren unbewaffnet, aber das half uns nicht weiter. Als wir auf den Gang traten, sah ich sechs weitere dieser Gestalten, die dort auf uns warteten, und jeder einzelne hatte die Statur eines Preiscatchers.

Chipol machte ein säuerliches Gesicht und zuckte die Schultern. Widerstandslos folgten wir unseren neuen Wärtern durch die Gänge der ZYRPH'O'SATH. Ich hatte mich nicht geirrt, unser Marsch führte eindeutig zu einer Schleuse, durch die wir BASTION-V betreten sollten. Von den Naldrynnen konnten wir während des Marsches nicht das geringste sehen.

Beim Betreten von BASTION-V fiel mir sofort auf, dass die Schwerkraft hier ein wenig höher lag als an Bord der ZYRPH'O'SATH. Ich schätzte den Wert auf ungefähr 1,2 g.

Auf unserem Weg waren wir an keinem Fenster vorbeigekommen, und auch in der Schleuse gab es keine Möglichkeit, einen Blick von außen auf BASTION-V zu werfen.

Die Schleuse mündete in einem Raum, von dem drei Gänge ausgingen: einer geradeaus, einer zur Rechten und einer zur Linken. Die seitwärts führenden Gänge waren ein wenig gekrümmt, und ich versuchte sofort mit Hilfe des Logiksektors, anhand des Krümmungsmaßes zu errechnen, wie groß die Station ungefähr sein musste. Mein Extrasinn brauchte nur ein paar Sekunden und lieferte mir dann einen groben Schätzwert. Danach war BASTION-V möglicherweise kugelförmig und hatte einen Radius von knapp zehn Kilometern – ein gewaltiges Gebilde also.

Viel Zeit zum Verarbeiten dieser Information blieb mir nicht, denn die Hominiden packten plötzlich zu und zerrten Chipol und mich auseinander. Der junge Daila stieß einen empörten Ruf aus. Sein Protest half ihm nichts, auch nicht sein Versuch, sich loszureißen. Den Körperkräften seiner Wärter hatte er nichts entgegenzusetzen. Wie ein Flickenbündel schleppten sie ihn einfach fort.

Ich unternahm gar nicht erst den Versuch, mich zu wehren, als ich von den Hominiden in den linken Gang geführt wurde. Bei einem Handgemenge hätte ich mir außer Ermüdung und blauen Flecken nichts einhandeln können. Statt dessen nutzte ich die Gelegenheit, soviel wie möglich an Informationen über BASTION-V zu sammeln. Der technische Stand dieser Raumfestung war sehr hoch, soweit ich das erkennen konnte, und alle Anlagen machten einen sauberen und gepflegten Eindruck.

Ein paar Mal kamen wir an Arbeitsgruppen vorbei, die mit Reparatur- oder Wartungsaufgaben beschäftigt waren. In jedem Fall handelte es sich um Angehörige des Volkes, aus dem auch meine Wärter rekrutiert worden waren. Ich hatte sofort den Verdacht, dass sie mit dem Kommando dieser Station nicht sehr viel zu tun hatten. Auf mich wirkten sie eher wie stumpfgeistige Arbeitssklaven. Die meisten wandten nicht einmal die Köpfe, als ich an ihnen vorbeigeführt wurde. Immerhin fand ich Gelegenheit, meine ersten Berechnungen zu überprüfen.

Die Station hatte tatsächlich annähernd Kugelgestalt und einen Halbmesser von ungefähr zehn Kilometern.

Unwillkürlich wanderten meine Gedanken zurück. Ich erinnerte mich an die großen Schiffe des früheren Solaren Imperiums, an die Ultraschlachtschiffe mit ihren zweitausendfünfhundert Metern Durchmesser, und an das gewaltige militärische Potenzial, das diese Schiffe dargestellt hatten.

Wenn die Technik im Inneren von BASTION-V einen ähnlichen Stand erreicht hatte wie die der Terraner, dann gebot der Herr dieser Station über ein beeindruckendes Machtinstrument.

Ich war gespannt darauf, Halphar endlich kennen zu lernen.

Atlan 711: BASTION-V

Подняться наверх