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Kapitel 2 Die Zweite Front

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Eine spanische Abordnung war in London eingetroffen. Die Situation auf der iberischen Halbinsel lief aus dem Ruder. Napoleon Bonaparte hatte erfahren müssen, dass er auch den Nachfolger Karls IV. nicht in seinem Sinne manipulieren konnte. Dieses Mal war kein Manuel Godoy das Problem, sondern die wiedererwachte Beliebtheit des jungen König Ferdinands VII. beim Volke. Obwohl er von Napoleons Gnaden auf den Thron gehoben worden war, bewies er den Spaniern rasch, dass er eigene Entscheidungen traf. Ferdinand wollte die Franzosen aus dem Land werfen. Unter einem Vorwand lockte der Korse den jungen König mit seiner Familie in die französische Stadt Bayonne, an der Grenze zu Spanien. Dort ließ er ihn sofort von Soldaten gefangen nehmen und nach Valençay bringen, dem befestigte Schloss Prinz Talleyrands, seines Außenministers. Am nächsten Tag ließ er dann durch seinen Stadthalter Murat, seinen älteren Bruder Joseph zum König der Spanier ausrufen. Die Absetzung ihres eigenen Königshauses, die heimtückische Gefangennahme des jungen Ferdinand und ein Bonaparte im Escorial waren zu viel für das Volk. Spanien erhob sich. Der Aufstand verwandelte sich schnell in einen blutigen Bürgerkrieg. Neben dem Widerstand in Portugal, war dies das Ereignis, auf das die Regierung Portland gewartet hatte, um General Wellesley den Marschbefehl zu erteilen. Die katholischen Priester hatten schon seit einiger Zeit in ihren geheimen Botschaften an London angekündigt, dass der Volksaufstand bevorstand.

Ende Mai 1808, eine Woche nach dem Eintreffen der spanischen Delegation in England, hatte Pater Robertson seine gesamten Instruktionen für die Mission nach Holstein erhalten und auswendiggelernt. Man befand ihn für einsatzbereit. Oberst Mackenzie würde ihn bis Helgoland begleiten. Robert Canning und Arthur Wellesley waren mit ihrem Spion und seiner brandneuen „Identität“ sehr zufrieden. Das Foreign Office hatte im Geheimen die Dokumente eines vor kurzem verstorbenen Bayern, der in London gelebt und Tabakhandel betrieben hatte aus den Archiven des Register Office entwenden lassen, um Robertson mit einer neuen Identität zu versehen: Adam Rorauer aus Nürnberg.

Mackenzie registrierte Robertson unter seiner neuen Identität als einen in England unerwünschten Fremden, der abgeschoben werden musste, in der Ausländerabteilung des Home Office. Am Geburtstag König Georges III., dem 4.Juni 1808, verließ er dann gemeinsam mit dem britischen Offizier London, um an die Küste zu reiten und von dort mit einem schnellen, kleinen Segelboot unter dänischer Flagge nach Helgoland zu fahren. Arthur war nach Sheerness geritten, um den Priester und Mackenzie zu verabschieden. Der kleine Segler lag an einer versteckten Stelle der Quais, unweit alter, halbverfallender Lagerhäuser, die der Marine gehörten. Schon von weitem hörte der General den dänischen Kapitän laut fluchen.

Günstige Winde brachten Robertson und seinen Begleiter in nur achtundvierzig Stunden nach Helgoland, wo sie dem dortigen englischen Konsul, Nicholas, einen Brief überreichten. Nicholas war nicht nur Diplomat, er war auch einer der besten Agentenführer des britischen Geheimdienstes unter Lord John Russell. Der Konsul stattete den Priester mit den notwendigen Geldmitteln für seine gefährliche Mission aus. Die Instruktionen, die Robertson auswendig lernen musste, gehörten zum konspirativen Brauch. Statt eines Kennwortes, denn der Benediktiner war General de la Romaña unbekannt, lernte er einen Gedichtvers auswendig, von dem Arthur Wellesley wusste, dass der Spanier ihn einmal in Madrid mit dem englischen Botschafter, John Hookham Frere diskutiert hatte. Die Botschaft der britischen Regierung hatte Robertson gleichfalls auswendig gelernt. Dann setzte der Agent, im Schutze der Nacht von Helgoland nach Hamburg über. Ein Schiffer, der einem Hamburger Kaufherren zuarbeitete, der insgeheim ebenfalls mit den Engländern konspirierte, nahm ihn an Bord.

Am Tag nach Robertsons Abfahrt erhielt General Wellesley offiziell das Kommando über ein Expeditionskorps von neuntausend Mann mit dem Bestimmungsort Venezuela. Die Truppen wurden in Cork zusammengestellt. Auch Rowland Hills 90.Infanterie und Freddy Ponsonbys 14.Leichten Husaren war es gelungen sich zu arrangieren, um bereits mit diesem ersten Teil des Feldheers losgeschickt zu werden. Als Arthur die Liste der Offiziere von Hills Regiment durchging, stieß er zu seinem großen Erstaunen auf einen Dr.Lennox, einen Zivilisten von der Universität London, der als Chirurg dieser Einheit gemeldet worden war. Und als Chefarzt für sein gesamtes Expeditionskorps fand er Dr.Hume, einen anderen Zivilisten, der ebenfalls von der Universität London kam und zwei weitere Assistenzärzte, Hale und Freeman. Der gesamte Lehrstuhl des ehrwürdigen Professor McGrigor schien von der Abenteuerlust gepackt worden zu sein. Es war nicht ungewöhnlich, dass Zivilisten in Regimentern als Ärzte dienten, denn die Armee hatte nicht ausreichend Personal in Uniform. Nur die Marine verfügte über einen großen eigenen Sanitätsdienst. Doch dass sich gleich ein ganzer Lehrstuhl auf den Weg in den Krieg machte, war ungewöhnlich. Der General nahm sich vor, ein ernstes Wort mit der 90.Infanterie und mit dem Kriegsminister zu sprechen. Bevor es hierzu kam, streckte General John Moore ihm eine Liste durch die Tür seines Büros im War Office:“ Arthur, ich habe hier fünf Zivilisten unter Professor Sir James McGrigor als Chefarzt als medizinischen Stab zugeteilt bekommen. Das sind lauter waschechte Zivilisten und noch dazu von einem berühmten Lehrstuhl der Universität von London. Hast Du eine Ahnung, was das soll?” Wellesley streckte ihm seine Liste entgegen: “Nicht die geringste Ahnung, mein Freund! Aber ich habe den Rest des Lehrstuhls McGrigor auf meiner Liste stehen. Diese ehrwürdigen und sehr gelehrten Mitglieder der medizinischen Fakultät der Universität London werden geschlossen in Portugal einmarschieren und die Franzosen mit Spritze und Skalpell aus dem Land vertreiben! Was soll’s. Es ist halt ein abenteuerlustiges Völkchen. Aber es sind wirklich phantastische Ärzte. Keine Quacksalber und Knochenbrecher, wie sonst immer.” Moore wollte gerade aus der Tür gehen. “ Übrigens, falls Du Henry Paget vermisst, der kommt mit meinem Nachschub.” Arthur stand auf und schloss die Tür, um ungestört mit Moore zu sprechen. “ Ich weiß, John. Henry hat irgendetwas ausgebrütet, um uns den Rücken freizuhalten. Er muss wohl einen Weg zum steinernen Herzen unseres Oberkommandierenden gefunden haben. Das ist auch der Grund, warum wir so problemlos alle angeforderten Offiziere und Einheiten bekommen haben und Yorks Hofschranzen auf diesen Dokumenten nicht auftauchen. Aber er will mir beim besten Willen nicht verraten, wie er das anstellt. Er hat es sogar irgendwie fertiggebracht, York zu überzeugen, dass Hills, Maitlands und Craufurds Leistungen während des Dänemarkfeldzuges eine Beförderung zum General wert waren. Ich habe hier drei Ernennungsurkunden auf dem Schreibtisch liegen.” Moore legte die Hand auf Arthurs Schulter und lächelte ihn zufrieden an: “Mein Freund, mir ist egal, wie Henry den Alten überredet, solange in Portugal die Burrards, Dalrymples, Erskines und die anderen Halbleichen aus den Horse Guards nicht auftauchen. Und die Nachricht, dass drei gute Männer endlich in den Generalsrang befördert worden sind, lässt mein Herz höher schlagen! Übrigens bekommst Du noch viertausend Mann, die zurzeit auf Gibraltar stehen und wir haben dreitausend Soldaten auf Madeira aufgetrieben, die gleichfalls zu Dir stoßen. Mit sechzehntausend Mann wirst Du Marschall Junot einen ziemlichen Schrecken einjagen.” Wellesley schmunzelte. Dann zog er ein Blatt Papier aus der Tasche. Er hielt es Moore direkt unter die Nase. “Habe ich heute aus Portugal bekommen! Die Blutflecke sind noch ganz frisch.” Englands Agenten in Lissabon war es gelungen, mit Hilfe portugiesischer Widerstandskämpfer einen französischen Kurier in einem Wald bei Coruche abzufangen. Der unglückliche Soldat trug eine verzweifelte Depesche von Junot an Bonaparte bei sich. Interessiert las Sir John, dass der massive, portugiesische Widerstand und die schlechte Versorgungslage für die französische Armee in diesem armen Land den französischen General gezwungen hatte, so gut wie alle Stützpunkte aufzugeben und Truppen zurück nach Spanien zu schicken. Er hielt nur noch zwei Grenzfestungen und die direkte Umgebung von Lissabon. “ Ich reise morgen schon nach Irland ab, John.” Wellesley streckte dem Älteren die Hand entgegen. Moore nahm sie fest in seine beiden Hände. “Gott schütze Dich, mein Freund! Ich weiß, dass Du Junot schlagen wirst. Du hast die besten Infanterietruppen Englands und sie haben unseren erfahrensten General.”

Arthur verbrachte seinen letzten Abend in London gemeinsam mit Sarah bei seinem Bruder Henry. Bis zum Kaffee hatte er es ausgehalten, nicht mit dem Regimentsarzt der 90.Infanterie herauszuplatzen. Um den Schein zu wahren, hörte er sehr interessiert der Schilderung eines neuen Theaterstücks im Drury Lane Theater zu, dass Henrys Frau Charlotte einige Tage zuvor gesehen hatte. Er wollte einfach nur herausfinden, ob Sarah mit der Sprache herausrücken würde, oder ob sie sich vorgenommen hatte, am 20.Juni gemeinsam mit dem frisch beförderten General Hill in Cork aufzutauchen. Doch Dr.Lennox schien sich genauso sehr fürs Theater zu interessieren, wie er.“ Moore und ich haben heute vielleicht eine Überraschung erlebt! Ihr werdet es nicht glauben, York schickt vernünftige Ärzte nach Portugal.” Sarah reagierte nicht. Freundlich nickte sie Arthur zu. “ Wurde auch Zeit, Bruder! Bekommt Ihr Zivilisten?”

“Ja, eine ganze Menge! Nicht einer der Metzger, die wir in Dänemark dabeigehabt haben, steht auf meiner oder Moores Liste! Wir haben ganz ausgezeichnete Chirurgen. Die Soldaten werden wirklich gut versorgt sein.” Sarah rührte sich immer noch nicht. Henrys Frau war dieser militärischen Diskussion müde geworden und wechselte das Thema: “Sarah, meine Liebe! Nächste Woche werden wir einen Musikabend bei uns veranstalten. Möchtest Du uns nicht Gesellschaft leisten? Ein ganz ausgezeichneter Pianist wird für uns spielen. Ein Schüler des Herrn Haydn. “ Sarah fing an sich zu winden: “ Char, das ist ganz lieb von Dir, aber ich muss mich um eines unserer neuen Krankenhäuser kümmern und werde einige Wochen lang nicht in London sein. Es tut mir leid.”

“ Doch nicht zufällig euer neues Krankenhaus in Dublin?” Arthur sah die junge Frau völlig unbeteiligt an. Seit er in die Politik gegangen war, konnte er unwahrscheinlich unbeteiligt aussehen, auch wenn er innerlich beinahe überkochte. Sarah nickte. Sie fühlte sich immer unbehaglicher. Sie hielt einen Moment inne. Dann sah sie Wellesley fest an: “ Du bist ein Schuft! So mit mir zu spielen!” Char und Henry verstanden Sarahs plötzlichen Gefühlsausbruch nicht und blickten einander verwundert an. Arthur versuchte ein empörtes Gesicht zu machen, doch es wollte ihm nicht gelingen: ”Rowland Hill hat einen ganz ausgezeichneten Arzt für seine 90.Infanterie gewinnen können!” Charlotte reichte es. Mussten alle Anwesenden dauernd über den Krieg oder die Armee sprechen. “ Oh, Arthur! Gibt es in Euren Leben eigentlich nichts anderes, außer sich gegenseitig totzuschießen?” Sarah stand auf und legte Henrys Frau beschwichtigend die Hände auf die Schultern: “Liebes, wir reden doch gar nicht über den Krieg. Dein Schwager ist nur ein übler Schuft und hat mir gerade die Überraschung verdorben! Unser gesamter Lehrstuhl wird mit dem Expeditionskorps nach Portugal übersetzen. Der Oberkommandierende hat uns beauftragt, unsere theoretischen Arbeiten über eine Reform des militärischen Gesundheitsdienstes praktisch auszuprobieren und Bericht zu erstatten.” Char machte große Augen.” Sarah, heißt das etwa, dass etwa, dass Du mit diesen schrecklichen Rotröcken mitfahren musst? Wie grauenhaft.”

“ Nicht grauenhaft, meine Liebe! Wahnsinnig interessant für einen Arzt. Wir haben hier so selten Gelegenheit neue Dinge in der Chirurgie auszuprobieren. Ein Feldzug ist für uns Ärzte in dieser Hinsicht geweihte Erde!” Wellesley schüttelte gespielt verzweifelt den Kopf: “ Erst schleicht sich Dr.Lennox hinter meinem Rücken bei der 90.Infanterie ein und dann erklärt sie mir noch unverfroren, dass sie mit meinen braven Soldaten Experimente machen will!“

“Arthur, dein Expeditionskorps wird die medizinisch am besten betreute Truppe sein, die England je gehabt hat. Mit uns gegen Bonny kann nichts mehr schief gehen!” Sarah grinste. Arthur konnte sich das Lachen nicht mehr verkneifen und verschluckte sich grauenvoll an seinem letzten Rest Kaffee. Nach Luft ringend presste er hervor: “Wie John Moore und ich es prophezeit haben. Ihr habt euch vorgenommen, den Marschall Junot und seine Adler mit Spritze und Skalpell aus dem Land jagen. Hoffentlich können unsere zartbesaiteten Wissenschaftler sich überhaupt auf Pferden oder besser, Maultieren, halten! Dieser spanische Dichter Cervantes hatte auch so eine Gestalt in seinem Don Quichotte; Sancho Pansa!” Sarah ließ Chars Schultern los und knuffte Wellesley hart mit ihrer kleinen Faust: “ Du bist nicht nur ein Schuft, sondern auch noch ein richtiges Ekel. Komm Du mir bloß vor die Spritze!” Henry sah seinen jüngeren Bruder über den Brillenrand hinweg verschmitzt an: “ Ich glaube, vor den Franzosen brauchst Du jetzt wirklich keine Angst mehr zu haben, Arthur. Wie ich Sarah kenne, werden all Eure Mediziner schon morgen wissen, dass Du sie mit Don Quichotte und Sancho Pansa verglichen hast. Die ziehen Dir das Fell bei lebendigem Leib über die Ohren.”

Sarah und Arthur verließen Henry und Charlotte Wellesley kurz nach Mitternacht, um noch ein wenig zu schlafen, bevor sie am nächsten Morgen gemeinsam nach Irland aufbrechen wollten. Als sie in Richmond Palace ankamen, war der Stallbursche schon zu Bett gegangen. Arthur nahm Sarah ihre dunkelbraune Stute ab, um sie zu versorgen:“ Ich bin froh, dass Du mitkommst! Weißt Du, es hat mir regelrecht schlaflose Nächte bereitet, Dich verlassen zu müssen! Ich könnte die Einsamkeit nicht mehr ertragen.” Sarah hatte ihre Arme von hinten um Arthur gelegt und flüsterte ihm ins Ohr. “Ich wollte Dich eigentlich in Cork überraschen. Zuerst dachte ich, es ist besser, nicht mitzukommen, um Euch nicht zu belasten. Doch Professor McGrigor hat mir das gemeinsam mit Rowland Hill ausgeredet. Hill meinte, Ihr hättet sowieso Frauen dabei und McGrigor erklärte mir, er könnte wegen einer solchen Lappalie, wie meinem Geschlecht nicht auf einen seiner Assistenten verzichten!”

“ Ist es den beiden denn sehr schwergefallen, Dich zu überreden, Sarah?” Wellesley hatte sich umgedreht und seine Arme ebenfalls um die junge Frau gelegt. Er zog sie ganz nah an sich und blickte ihr tief in die Augen. Sarah schüttelte nur den Kopf und küsste ihn sanft auf den Mund.

Am 20.Juni war General Wellesley bereits in Cork. Offiziell lautete der Befehl immer noch, die Truppen nach Venezuela einzuschiffen. Doch Robert Castlereagh hatte ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit einen Brief zukommen lassen, dass er in den nächsten Tagen offiziell mit einem neuen Marschbefehl rechnen konnte. Den Brief hatte im Auftrag des Herzogs von Richmond ein junger Mann nach Cork gebracht. Richmond bat Wellesley, den Offizier als Adjutanten nach Portugal mitzunehmen, obwohl er wusste, dass der General in dieser Beziehung sehr schwierig war.

Der pausbäckige Neunzehnjährige war der jüngste Sohn des Herzogs von Beaufort. Er brannte so vor jugendlichem Enthusiasmus, gegen Napoleon ins Feld zu ziehen, dass Arthur es nicht übers Herz brachte Lord Fitzroy Somerset nach Hause zurückzuschicken. Zu sehr erinnerte ihn der junge Mann an einen anderen jungen Offizier, der vor langer Zeit einmal genauso verzweifelt auf sein erstes, echtes Kommando gewartet hatte. Wellesley war in Somersets Alter genauso linkisch und unerfahren gewesen, doch damals hatte niemand ihm seine Chance geben wollen. Er erinnerte sich daran zurück, wie unglücklich er gewesen war: Als Adjutant war er in der Festung von Dublin nur ein Salonsoldat ohne Hoffnung auf eine militärische Zukunft gewesen. Heute hatte er die Möglichkeit, besser zu handeln, als die Kommandeure damals ihm gegenüber gehandelt hatten. Still sah er Somerset von oben bis unten an. Der Neunzehnjährige sah zerbrechlich aus, gar nicht wie ein Soldat. Wellesley nickte ihm schließlich zu. “Einverstanden, Leutnant! Melden Sie sich in vierzehn Tagen bei mir zurück! So, und jetzt werden Sie brav nach Hause reiten, sich von ihren Eltern verabschieden und Ihre familiären Angelegenheiten in Ordnung bringen.” Er schrieb ein paar kurze Zeilen an Richmond, erwärmte Siegellack über einer Kerze und tropfte ihn sorgfältig auf die Faltstelle des Papiers. Dann übergab er das Ganze Somerset und schickte ihn fort. Der Junge sah so glücklich aus.

Bereits am nächsten Morgen stand wieder ein junger Mann vor ihm und blickte ihn bittend aus erwartungsvollen Augen an. Lord Westmorlands Sohn, Lord Burgersh war noch jünger, als Somerset - gerade einmal siebzehn Jahre alt.

“Sie sprechen also fließend Spanisch und Französisch, Leutnant?” Burgersh schlug die Hacken zusammen und bejahte die Frage.“ Sie sind noch sehr jung für den Krieg! Wollen Sie nicht vielleicht noch ein oder zwei Jahre warten?” Arthur hatte in Indien zu viele dieser jungen Männer bei ihrem ersten Einsatz sterben sehen. Sie waren unerfahren, manchmal hitzköpfig, manchmal vor Angst erstarrt und machten fatale Fehler. Der Leutnant sah ihn flehend an. ” Oh Sir, bitte, nehmen Sie mich mit. Ich kann doch nicht hier bleiben, während alle meine Freunde mit Ihnen ins Feld ziehen. Man würde mich für einen Feigling halten.” Der General stand auf und legte Burgersh die Hand auf die Schulter. “Das hat nichts mit Feigheit zu tun, mein Junge! Sie sind noch so jung, fast ein Kind! Wenn ich einen Sohn in Ihrem Alter hätte, ich wollte nicht, dass er mitkommt. Der Krieg ist ein schmutziges Geschäft.”

“ Aber, Sir! Sie waren doch auch schon mit siebzehn Jahren bei den Soldaten.”

“ Ich konnte es mir damals leider nicht aussuchen, Burgersh. Doch Sie haben die Wahl. Niemand zwingt Sie. Ihr Vater schreibt, dass Sie ihm in den Ohren liegen und er mich aus diesem Grund bittet, Sie mitzunehmen.” Wellesley versuchte dem jungen Offizier diesen Schritt auszureden. Doch es war hoffnungslos. Lord Burgersh hatte sich in den Kopf gesetzt mit nach Portugal zu fahren. Arthur hatte sich wieder hinter seinen Schreibtisch gesetzt und stützte den Kopf auf die Hände. Wenn er dem Leutnant schon nicht ausreden konnte, in den Krieg zu ziehen, dann wollte er ihn wenigstens an einem halbwegs sicheren Ort in seiner Armee wissen, zumindest solange, bis Burgersh ein wenig Erfahrung gesammelt hatte. “ Mein Junge, ich nehme Sie mit, wenn auch nur schweren Herzens. Doch Sie müssen mir versprechen, Ihre neuen Aufgaben widerspruchslos zu akzeptieren.” Der Leutnant nickte eifrig. “Selbstverständlich, Sir. Heißt das, dass ich wirklich mitkommen darf?”

“ Sie erfahren alles von mir, sobald wir an Bord sind.”

Der Tag der Abfahrt rückte näher und näher. Wellesley war bei der Truppe in Cork. Er mied Dublin, um nicht mit seinem familiären Problem oder Kitty konfrontiert zu werden. Jeden Tag erfand er vor sich selbst eine neue Ausrede, um nicht zu reisen: Die Soldaten mussten noch besser ausgebildet werden, die Versorgung musste reorganisiert werden, die Pferde brauchten Hufeisen, die Ärzte Verbandsmaterial. Sarah war alleine zu ihren Eltern gefahren, um sich zu verabschieden. Der General brachte die Abende meist in Gesellschaft seiner Offiziere zu. Auch Ned Pakenham, sein Schwager war zum Expeditionskorps abkommandiert worden. Doch Arthur vermied es weiterhin, mit ihm alleine zu sein. Ned drängte ihn immer noch zu einer Aussprache über seine Schwester.

Am Tisch der Offiziersmesse drehten die Gespräche sich meist um die letzten Errungenschaften der Kriegstechnik, die das War Office erproben wollte und um das neue Ziel des Feldzuges - Portugal. Die Truppen hatten erst vor wenigen Tagen von Wellesley selbst erfahren, dass es nicht nach Venezuela ging, sondern auf den europäischen Kontinent. Alle waren aufgeregt über die Aussicht, sich mit den Soldaten Bonapartes zu messen. Die Infanterie war in Shorncliffe ausgebildet worden. Sir John Moore hatte Arthur die besten Einheiten geschickt, die seine Truppenschule hervorgebracht hatte. In Woolwich hatte ein Oberst Schrapnell eine neue Munition für die Artillerie entwickelt, die in der Luft explodierte und einen wahren Kugelregen über dem Feind verursachte. Diese Geschoße sollten während des Feldzuges erprobt werden. Und die schottischen Eisenwerke Carron gossen Belagerungsartillerie, die über ein ähnlich großes Kaliber verfügte, wie Napoleons Zwölfpfünder, seine Jolies Filles. Der General erwartete diese neuen Waffen mit dem Nachschub. Trotz des überschwänglichen Enthusiasmus seiner Männer und Offiziere war Arthur innerlich nicht ganz ruhig. Eines Nachts, nur wenige Tage, bevor die Schiffe in See stechen sollten, saß er alleine über einem Buch. Die Kerzen waren weit heruntergebrannt und er konnte die Buchstaben auf dem Papier kaum noch entziffern. Seine Augen hatten gelesen, doch sein Kopf befasste sich nicht mit dem Inhalt. Er stellte sich, wie so oft die Frage, ob er in Portugal nicht an seine Grenzen stoßen würde. Dann konnte die ganze Geschichte nämlich in einer Katastrophe für England enden. Er wusste um die Unzulänglichkeiten seines Feldheeres. Da es offiziell für Südamerika vorgesehen war, verfügte er über viel zu wenig Kavallerie, nur dreihundertfünfzig Reiter. Er hatte keine Zugtiere für seine Geschütze. Vor Ort würde er den Transport seiner Artillerie und seines Belagerungsapparats improvisieren müssen. Und der Nachschub bereitete ihm großes Kopfzerbrechen. Die Truppe würde nur gut kämpfen, wenn er seine Männer anständig mit allem Notwendigen versorgen konnte. Dies hatten seine Feldzüge in Indien ihn gelehrt. Und die Horse Guards und Frederick von York, hatten ihm einen Stellvertreter geschickt. Offiziell für den Fall, dass ihm etwas zustoßen sollte. Inoffiziell hatte Castlereagh ihm anvertraut, dass General Sir Brent Spencer im Auftrag des Oberkommandierenden ein Auge auf ihn werfen sollte und mögliche Schwächen und Fehler nach London melden musste.

Seit der unglücklichen Kampagne in Flandern 1794, hatte Arthur den Franzosen nicht mehr auf dem Schlachtfeld gegenübergestanden. Die Truppen der Revolution waren furchtbare Gegner gewesen. Ein Dutzend Jahre ständiger Siege unter Bonaparte musste diese Männer noch besser und selbstsicherer gemacht haben. Und der Korse schien ein neues, strategisches Konzept entwickelt zu haben. Arthur blies die Kerze aus und verließ leise das Zimmer. Er wollte keinen der anderen Offiziere aufwecken, die ebenfalls im Gasthof “The Black Bull“ einquartiert waren. Lautlos ging er die Treppe hinunter und verschwand durch die Hintertür in der Nacht. Lange lief er ziellos durch Cork. Er musste alleine sein, um nachzudenken. Irgendwann stand er im Hafen. Die große Flotte von Transportschiffen, die seine Männer nach Portugal bringen sollte, lag an den Kais vor Anker. Sie waren bereits beladen. Sie hatten einen beeindruckenden Tiefgang von ihren schweren Lasten. Der Wind rauschte in den Segeln. Monoton schlugen die Taue gegen die hölzernen Masten. Arthur setzte sich auf die oberste Stufe einer steinernen Treppe, die ins Wasser hinunterführte. Seine Würfel waren gefallen. Vielleicht würden die Soldaten Frankreichs seine Männer schlagen. Vielleicht würden Napoleons Marschälle ihn überwältigen, doch es sollte ihnen nicht gelingen ihn auszumanövrieren. Er fühlte, dass er keine Angst vor den Franzosen hatte und dass all ihre Manöver gegen seine standhaften, englischen Infanteristen nichts nützen würden. Viele Befehlshaber anderer europäischer Armeen, waren bereits geschlagen gewesen, bevor sie auf dem Schlachtfeld standen und die erste Kanone abgefeuert wurde. Diese Männer waren von Napoleon so verhext worden, dass sie nicht mehr klar zu denken vermochten. Sie hatten Flüchtigkeitsfehler gemacht. Wellesley bewunderte Bonaparte als einen großartigen Soldaten, doch den Mann Bonaparte fürchtete er nicht. Vor langer Zeit hatte William Pitt ihm einmal erklärt. “Geduld, junger General! Ihre Zeit ist noch nicht gekommen.” Pitt hatte damals Recht gehabt. Arthur hatte das Selbstvertrauen gefehlt. Er hatte damals nicht gewagt sich einzugestehen, dass er zu Lande Großbritanniens fähigster Offizier war. Er hatte es nicht fertiggebracht, seine indischen Siege gerecht zu bewerten. Es war eine falsche Bescheidenheit gewesen. Doch die Situation hatte sich geändert. Er beschloss General Spencer gegenüber klarzustellen, wer dieses Expeditionskorps kommandierte. Er brauchte das Kindermädchen des Oberkommandierenden nicht.

Am 12.Juli 1808 verließ Wellesley Cork an Bord des Transporters H.M.S. Dougal. Doch bereits am nächsten Tag stieg er auf den schnellen Segler H.M.S. Crocodile um. Seine Überfahrt nach Portugal war ein Wettlauf gegen die Zeit geworden. Die geheime Mission von Jack Robertsons in Holstein hatte einen erfolgreichen Abschluss gefunden. Der spanische General Marquis de la Romaña hatte es geschafft sich zusammen mit seinen Soldaten abzusetzen. Er erwartete seinen britischen Kameraden mit insgesamt neuntausend Mann in La Coru?a, an der Atlantikküste. Sie waren direkt unter Marschall Bernadottes Nase entwischt und von einem englischen Konvoi auf der Insel Fören eingeschifft worden. Wellesley wollte so schnell, wie möglich Kontakt zu den Junten in den verschiedenen spanischen Provinzen herstellen. Die Ereignisse in diesem Land hatten sich überschlagen und geboten rasches Handeln. Napoleon hatte sich verschätzt, als er angenommen hatte, dass spanische Volk könnte von seiner Regierung abhängig gemacht werden und würde klaglos den neuen König, Joseph, von Bonapartes Gnaden akzeptieren. Er hatte ebenfalls vergessen, wie wichtig den Spaniern ihre Religion, ihr Glaube an den jungen König Ferdinand VII., ihr Stolz und ihr Widerstandsgeist gegen eine französische Unterjochung waren. Anstatt den Dynastiewechsel demütig zu akzeptieren, entflammten die Spanier in ihrem Hass auf die Franzosen und ihre Machenschaften einen Volkskrieg. Am 1.Mai bereits, hatte Madrid sich gegen die dort stationierten Truppen Murats erhoben. Dieser Aufruhr wurde noch vehementer, als bekannt wurde, dass der französische Kaiser den Befehl erteilt hatte, alle übrigen Mitglieder des Königshauses de Bourbon zu verhaften und nach Frankreich zu verschleppen. Eine Menschenmenge hatte sich vor der Puerta del Sol versammelt um zu verhindern, dass Don Francesco de Bourbon gefangengenommen wurde. Französische Soldaten, die man unbegleitet fand, wurden niedergemetzelt. De Monceys Truppen, die vor Madrid ihr Lager hatten, wurden vom Schwager des französischen Kaisers in die Stadt beordert, um seinen eigenen Truppen zu helfen, den spanischen Widerstand im Blut zu ertränken. Gegen Murat selbst wurde ein Attentat verübt und das Messer des Guerilleros verfehlte sein Herz nur um wenige Zentimeter. Der Attentäter starb mit den Worten “ Viva Espa?a, Viva Ferdinand! “ auf den Lippen. Dann begannen französische Militärgerichte die gefangenen Rebellen abzuurteilen und mit jedem Schuss, der einen Aufständischen niederstreckte, schuf Bonaparte einen spanischen Märtyrer und Helden. Im Lande formten sich verschiedene Widerstandsnester und Militärjunten: Valencia, Asturien, Sevilla. Widerstandsarmeen wurden von den Generälen Ferdinands und von den Familien des spanischen Hochadels ausgehoben. Am 10.Juni 1808 schließlich hatte die Junta von Sevilla über den englischen Gouverneur von Gibraltar König George III. um Militärhilfe im Kampf gegen Frankreich ersucht. Und dies obwohl das Land sich offiziell noch mit England im Krieg befand. Die Spanier im Widerstand, zogen Truppen aus Portugals besetzten Provinzen ab und begannen mit der Junta von Oporto und Don Antonio de Castro, dem patriotischen und allgemein beliebten Bischof von Oporto zu paktieren. Englands Flotte gelang es, vor Cádiz, in einem waghalsigen Handstreich, Napoleons Transportflotte, die auf dem Weg nach Lissabon war, zu kapern. Damit waren Junots Nachschubwege unterbrochen und das arme Land Portugal konnte die Soldaten nicht mehr länger ernähren. Zwar war der größte Teil der königlichen, spanischen Armeen über das ganze Land zerstreut und kaum in der Lage, effektiv zu kämpfen, doch eine dreißigtausend Mann starke Truppe unter dem gemeinsamen Befehl der Generäle de la Cuesta und Blake befanden sich in Galizien und in Andalusien verfügte General Casta?os über eine einsatzfähige Streitmacht. Überall im Land wurden Milizen zusammengestellt und Guerillabanden formierten sich. Napoleon Bonaparte hatte in ein Hornissennest gestochen.

Die H.M.S. Crocodile brauchte für die Überfahrt nur neun Tage. Am 21.Juli 1808 landete General Wellesley in La Coru?a. Die Spanier feierten seine Ankunft. Als er das Schiff verließ, fühlte er sich, wegen der jubelnden Bevölkerung sehr verlegen. Ein einziger Soldat, noch nicht einmal in der Uniform Seiner Majestät, betrat spanischen Boden und eine ganze Stadt schien sich vor Freude zu überschlagen. Arthur hatte bei seinen Gesprächen mit der Junta und General de la Romaña das Gefühl bekommen, dass die Qualität des wahren Patrioten sich hier an seinem Hass auf die Franzosen maß. Sofort schrieb er an Robert Castlereagh, dass es unbedingt notwendig war, alle spanischen Provinzen im Aufstand mit englischem Geld, Waffen und Munition zu unterstützen. Er wusste nun genau, dass diese zweite Front auf der Iberischen Halbinsel Frankreich zerbrechen und damit Europa die Freiheit wiedergeben würde. Die Spanier und Portugiesen waren so voll Hass, dass sie bis zum letzten Blutstropfen kämpfen würden. Der einzige Wermutstropfen in diesem positiven Bild war, dass die Iberer noch wie Dilettanten an den Feind herantraten. Am 14.Juli 1808 hatte Marschall Bessi?res die galizische Armee unter General de la Cuesta bei Medina del Seco blutig geschlagen. Und trotzdem wollte die Junta keine echte militärische Unterstützung von den Briten. Man wollte lediglich Waffen, um die Widerstandsarmeen auszurüsten. Spanischer Stolz ertrug es nicht, von ausländischen Offizieren ausgebildet und kommandiert zu werden. Und der Hochmut der spanischen Generäle verbot es ihnen, vor einem fremden General zuzugeben, dass ihre Taktik und die Ausbildung der Truppen unzureichend waren. Die drei südlichen Provinzen Portugals, die vormals von den Spaniern besetzt waren, hatten sich gegen Frankreich erhoben. Wellesley musste nach Oporto segeln, um dort mit der Junta und dem Bischof die Einzelheiten einer britischen Landung an den Küsten des Landes abzusprechen. Ein Kurier des Geistlichen hatte ihn bereits in Coru?a erwartet. Die Portugiesen drängten Wellesley zu allergrößter Eile drängte und ihr Anführer im Widerstand sicherte ihm jede nur mögliche Unterstützung zu.

Arthur ging gemeinsam mit Jack Robertson an Bord der „H.M.S. Crocodile“. Beide Männer hatten noch keine Zeit gefunden in Ruhe miteinander zu sprechen. Unter Deck war es schwül und dämpfig. Nichtsdestoweniger forderte die Geheimhaltung, dass beide sich an einen Ort begaben, wo sie wirklich ungestört miteinander waren. Wellesley verschloss sorgfältig die Tür seiner Kabine und zündete eine Kerze an. Es gelang ihm einfach nicht, sich an die Enge dieser Schiffe zu gewöhnen und an den fürchterlichen Gestank an Bord. Sein Magen war in Aufruhr und er konnte nichts, von dem was John Dunn auf den Tisch gestellt hatte anrühren. Pater Robertson schien von den äußeren Umständen völlig unberührt und griff herzhaft zu. “Sir Arthur, Sie sollten zumindest ein Gläschen Brandy trinken, um Ihren Magen zu beruhigen. Sie sind leichenblass.” Der General schenkte sich ein Glas ein und trank. Angewidert verzog er das Gesicht. “ Verdammt, ich bin dieses hochprozentige Gebräu gar nicht mehr gewöhnt.” Fluchte er leise. Der Geistliche hob die Kerze und leuchtete Arthur an. “Aber Sie haben wenigstens wieder Farbe bekommen. Los, trinken Sie aus. Es bringt Sie nicht um. Jetzt erzähle ich Ihnen, wie ich de la Romaña überredet habe, mit mir zu kommen.”

Robertson hatte nach seiner Ankunft in Hamburg, durch einen Kaufherren, der für die Briten arbeitete, die Bekanntschaft eines spanischen Geistlichen gemacht. Durch diesen Priester, mit dem er sich auf lateinisch unterhielt, erfuhr er das de la Romañas Hauptquartier auf die Insel Fünen, nach Dänemark verlegt worden war. Bernadotte wollte dem Spanier jede Möglichkeit nehmen, Verrat zu begehen, so unsicher waren sich die Franzosen, was den hohen Offizier anbetraf. Robertson machte sofort Meldung an Mackenzie und Nicholas auf Helgoland. Er hatte beschlossen, unter seiner neuen Identität nach Dänemark zu reisen. Der Hamburger Kaufherr besorgte ihm Zigarren und Tabak, um Robertsons Tarnung als bayrischer Händler noch glaubwürdiger erscheinen zu lassen. Am 18 Juni 1808 landete Dr. Jack Robertson alias Adam Rorauer, Tabakonist aus Nürnberg auf Fünen. Um mit den Spaniern in Kontakt zu kommen, bot er seine Ware besonders preiswert an. Er richtete es ein, sich mit einem Adjutanten de la Romañas auf diesem Wege anzufreunden. Eines Abends, bei einem Glas Bier, eröffnete Robertson-Rorauer dem jungen Spanier seine wirkliche Mission und bat ihn, ein Treffen mit dem General zu arrangieren. Anfänglich war der Adjutant, ein Hauptmann Mendes, wie vor Angst erstarrt und wollte weglaufen. Er dachte, Robertson wäre ein französischer Provokationsagent, der de la Romañas zu einem Schritt verleiten wollte, der Bernadotte die Möglichkeit geben würde, den Andalusier wegen Verrat hinzurichten. Um Mendes zu beruhigen und sein Vertrauen zu gewinnen, musste Robertson ihm seine wahre Identität anvertrauen. Der Priester hatte sein Leben damit in die Hand des Adjutanten gelegt. Am nächsten Abend organisierte Mendes für Robertson-Rorauer einen Verkauf seiner Waren in der spanischen Offiziersmesse. De la Romaña war anwesend. Zu später Stunde nahm der Benediktiner unter einem Vorwand den spanischen General beiseite. Er erzählte ihm, wie durch Canning aufgetragen, von dem Treffen des Generals mit dem britischen Botschafter John Hookham Frere in de la Romañas Schloss in Toledo. Er sprach von der Bibliothek des Andalusiers und von dem Gemälde über dem Kamin, dass St.Peter und St.Johannes vor dem Tor des Tempels zu Jerusalem zeigte und vom Hofmaler Karls III für die Familie des Adeligen gemalt worden war. Dann zitierte er, wie einst Hookham Frere unter diesem Bild, einige Zeilen aus einem Gedicht von Milton. De la Romaña fiel ein und deklarierte das Ende des Verses. Die waghalsige Operation der Engländer war geglückt. Der Andalusier war bereit sich gemeinsam mit den Briten zu schlagen.

Arthur hörte dem Priester so aufmerksam zu, dass er darüber die Hitze in dem engen Raum und seine Seekrankheit völlig vergaß. Nachdem Robertson geendet hatte löste sich seine innere Spannung. Die tiefliegenden, graublauen Augen begannen lebhaft, geradezu vergnügt, zu glitzern. Der Offizier legte seine Hand auf Jacks Arm. “ Sie haben sehr viel für unser Land getan. Ob irgendjemand aus der Regierung Ihnen jemals dafür danken wird, dass Sie Ihren Kopf für uns riskiert haben? Ich weiß es nicht! Aber ich danke Ihnen aus ganzem Herzen und ich verspreche Ihnen, nie zu vergessen, was Sie getan haben.”

“Sir Arthur, Ihre Worte sind mir wichtiger, als alles Lob irgendeiner Regierung in London. Ich weiß, dass Sie eines Tages meinen Glaubensbrüdern zurückzahlen werden, was Sie im Augenblick mit Hilfe unserer Kirche erhalten. Wenn dieser Krieg zu Ende ist...”

“Robertson, wenn ich diesen Krieg aus Versehen überlebe, dann wird es in unserem Land die politische Gleichberechtigung für Ihre katholischen Glaubensbrüder geben. Ich schwöre es Ihnen, so wie ich es dem Bischof von Dublin geschworen habe. Und Sie können sich darauf verlassen, dass ich diesen Schwur eines Tages einlösen werde. Egal, wie teuer es mich politisch und gesellschaftlich zu stehen kommt!” Robertson stand auf und streckte die Hand aus. “Ich werde Sie jetzt verlassen, General. Sie sollten ein wenig schlafen.”

Am 27.Juni 1808 erreichte Arthur Portugal. Der Bischof von Oporto als Vorsitzender der höchsten Junta des unbesetzten Teiles des Landes und Vorsitzender des inoffiziellen portugiesischen Kronrates, stellte ihm sofort Zugtiere und Pferde zur Verfügung. Damit war das größte Problem gelöst. Das Expeditionskorps war ausreichend beweglich, um Junot schon bald zum Kampf stellen zu können. Da alle portugiesischen Festungen am Meer immer noch von französischen Truppen besetzt gehalten wurden und außerdem acht russische Kriegsschiffe unter Admiral Siniavin zu Junots Unterstützung die Tejo-Mündung blockierten, war es unmöglich, die englischen Truppen in der Nähe von Lissabon an Land zu bringen. Der General konnte eine Ausschiffung unter feindlichem Kanonenfeuer nicht riskieren. Darum beschloss er sein Expeditionskorps etwa auf halber Strecke zwischen der Hauptstadt und Oporto, in der Mündung des Flusses Mondego anzulanden, obwohl der schwere Seegang des Atlantiks eine solche Operation sehr gefährlich machen würde. Doch Arthur war überzeugt, dass die Kanonen der Franzosen und ihrer russischen Verbündeten mehr Soldaten das Leben kosten würden, als das Meer. Viele seiner Männer konnten nicht schwimmen, die meisten waren auch noch seekrank. Trotzdem akzeptierte er das Risiko bereitwillig. Auch die Mondego-Mündung wurde von einer alten Festung bewacht, doch im Gegensatz zu allen anderen Küstenfortifikationen, war Figuera de la Foz in der Hand portugiesischer Rebellen. Die Studenten der Universität von Coimbra hatten erst vor wenigen Tagen die französische Garnison in der Nacht überrascht, entwaffnet und vertrieben. Nach der Landung würden die Briten sofort ihre eigenen Soldaten als Unterstützung zu diesen mutigen, jungen Männern schicken.

Adler und Leopard Teil 2

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