Читать книгу Tod im Verlies - Peter Weber - Страница 4
Kapitel 2
ОглавлениеObwohl Wolff mit Eva noch einen anregenden Abend bis spät in die Nacht genossen hatte, erwachte er früh am Morgen. Rasch erledigte er seine Morgentoilette, trank seinen Kaffee und begab sich zum Gerichtsmedizinischen Institut. Er hoffte der zuständige Pathologe hatte schon Informationen über die Todesursache von Reinhard Strobel für ihn. Da Wolff immer an das Gute in der Welt glaubte, und die Bequemlichkeit liebte, wünschte er sich entgegen seinem Bauchgefühl eine natürliche Todesursache.
„Hallo Herbert, ein schöner Morgen nicht wahr?“, begrüßte ihn der Gerichtsmediziner fröhlich. Dr. Johannes Seliger sah aus, als käme er frisch aus dem Urlaub, und dies, obwohl er die ganze Nacht über gearbeitet hatte. Wolff wusste, dass der Arzt Kraft aus seiner Tätigkeit schöpfte. Der Totenbeschauer liebte es, medizinischen Detektiv zu spielen. Je komplizierter sich das Auffinden einer Todesursache darstellte, umso glücklicher wirkte der Rechtsmediziner.
„Guten Morgen Johannes, meine Nacht war recht kurz und Deine? Hast Du schon etwas für mich? Du wirkst so glücklich.“ antwortete Wolff.
„Ja komm mit, ich zeige Dir etwas.“, frohlockte Dr. Seliger. Sie betraten den Raum, in dem die Obduktionen stattfanden. Da der Pathologe gerade erst mit seiner Arbeit fertig geworden war, lag die mit einem Tuch bedeckte Leiche von Reinhard Strobel noch am Seziertisch. Eine Putzfrau hatte bereits begonnen, den Platz um die Liege zu säubern. Dr. Seliger vertrieb sie mit einem kurzen Handzeichen: „Die versteht kein Deutsch.“, sagte er, als ihn Wolff verdutzt ansah. „Aber ich will trotzdem nicht, dass sie vielleicht etwas mitbekommt.“
„Gut. Was hast Du entdeckt?“
Der Rechtsmediziner zog das Tuch vom Leichnam, Wolff erkannte die hastig vernähten Schnitte, die der Arzt im Laufe der Untersuchungen durchführen hatte müssen. Dr. Seliger drehte den Kopf leicht zur Seite. Er deutete auf einen kleinen Kreis im Bereich der Halsschlagader.
„Siehst Du diesen winzigen Punkt in der Mitte der Markierung?“ Wolff beugte sich zu dem Toten hinunter und betrachtete den gesamten Bereich innerhalb der Markierung. Sein ungeübtes Auge konnte nichts Ungewöhnliches erkennen. Als er seine mangelnden Entdeckungskünste dem Pathologen eingestand, reichte ihm dieser eine Lupe. Erst jetzt erkannte Wolff einen winzigen roten Punkt in der Mitte des Kreises.
„Willst Du damit andeuten Strobel ist vergiftet worden? Das muss ja ein starkes Mittel gewesen sein. Durch die dünne Nadel kann der Täter nicht viel Substanz injiziert haben.“, wollte er vom Arzt wissen.
„Keine voreiligen Schlüsse, Herbert. Es ist ihm etwas gespritzt worden. Aber es war kein Gift, sondern Luft. Die eigentliche Todesursache war ein Schlaganfall, der durch die Gasblase im Blut ausgelöst wurde. Meiner Meinung nach hat der Täter genau gewusst, dass er nur eine geringe Luftmenge benötigt, um den Tod herbeizuführen. Aus der Gasmenge im Blut des Toten schließe ich auf 3-5 ml Luft, die der Mörder ihm verabreicht hat. Aufgrund der geringen Menge konnte er auch eine äußerst dünne Nadel verwenden, die eine Blutung fast nahezu ausschloss.“
„Und wie hast Du das entdeckt? Wollte der Täter eine natürliche Todesursache simulieren?“ unterbrach Wolff den Bericht des Gerichtsmediziners.
„So wie der Stich ausgeführt wurde, gehe ich davon aus, dass hier jemand mit medizinisch-anatomischem Fachwissen am Werk war. Die Spritze wurde nahe dem Übergang zu einer Gehirnaorta des Verstorbenen gesetzt und der Täter scheint gewusst zu haben, dass sofort das Atemzentrum im Hirn betroffen werden wird. Er wollte einen schnellen Tod. Dem Killer war es egal ob wir einen Mord feststellen können oder nicht. Als ich eine Computertomografie des Gehirns gemacht habe, ist mir klar geworden, dass ein Schlaganfall die Todesursache sein musste. Und dann habe ich nach den Ursachen geforscht. Der Tote war körperlich in gutem Zustand und es fanden sich keine Gründe für diese plötzliche Apoplexie. Ich habe das Gehirn genauer untersucht und dabei den Lufteinschluss in der Arterie festgestellt. Anschließend musste ich nur noch den Weg der Gasblase nachvollziehen und habe den Einstich gefunden. Dem Täter muss klar gewesen sein, dass unsere genauen Untersuchungen die Todesursache ergeben werden. Es war ihm egal. Für mich steht fest, dass entweder ein Profikiller oder ein teuflischer Arzt diese Tat begangen hat.“, schloss der Pathologe seinen Bericht ab.
„Wann bekomme ich Deinen Bericht schriftlich? Ich werde aufgrund Deiner mündlichen Aussagen die Staatsanwaltschaft und den zuständigen Untersuchungsrichter noch heute von Deiner Ansicht, dass es Mord war, unterrichten. Hast Du DNA-Spuren gefunden? Oder irgendetwas anderes?“
„Leider, bis auf den Einstich war der Tote, was Spuren anbelangt so vollkommen rein wie eine Jungfrau. Der Mörder hat wahrscheinlich einen Mundschutz und sicher Handschuhe getragen. Der Bericht ist morgen fertig.“
„Danke“, sagte Wolff und griff zu seinem Mobiltelefon. Er rief den für den Fall zuständigen Untersuchungsrichter an und bat ihn kurzfristig um einen Termin, der in zwanzig Minuten am Gericht stattfinden sollte.
Pünktlich betrat Wolff das Büro des Richters: „Guten Morgen Euer Ehren, Servus Hans“, begrüßte er seinen Freund.
„Servus Herbert, darf ich Dir den zuständigen Staatsanwalt Mag. Wolfgang Mayer vorstellen.“
„Guten Morgen Herr Mayer.“, grüßte Wolff den Anwesenden und reichte ihm dabei die Hand.
Mag. Mayer übersah die Geste geflissentlich und antwortet: „Guten Morgen Herr Wolff und für Sie Herr Magister Mayer, wenn ich bitten darf.“
„Sehr gerne, wenn Sie darauf bestehen Herr Magister Mayer, mein Name ist Dr. Herbert Wolff, das heißt für Sie in Zukunft Herr Dr. Wolff." Vom Schreibtisch des Richters Johann Neubauer war ein herzhaftes Lachen zu hören. An die Adresse des Staatsanwaltes gerichtet erläuterte er: „Dr. Wolff ist Absolvent der juristischen Fakultät der Universität Wien und arbeitet für die Kriminalpolizei. Nicht jeder Jurist wird Richter, Staats- oder Rechtsanwalt. Für manche ist auch Platz im Polizeidienst. Gut die Herren haben sich bekannt gemacht. Was hast Du für mich Herbert?“, fragte der Richter.
„Reinhard Strobel ist eindeutig ermordet worden. Ihm wurde Luft in die Halsschlagader gepumpt. Durch die ganz feine Nadel, die der Täter verwendet hat, ist auch kaum Blut geflossen. Dr. Seliger geht von einem Profikiller oder satanischen Arzt aus.“
„Ein Profikiller? Das war sicher diese Nutte, die bei ihm war.“, wurde Wolff in seinem Vortrag vom Staatsanwalt unterbrochen. Ein Seitenblick zu Hans verriet ihm, dass der Richter Mag. Mayer eine kleine Lektion vergönnte. Wolff nahm diesen Gedanken auf und wandte sich dem Staatsanwalt zu: „Frau Huber und Frau Strobel haben ein wasserdichtes Alibi. Sie haben sich mit dem Barkeeper im Klub unterhalten, als Reinhard Strobel ins Jenseits befördert wurde.“
„Wahrscheinlich wussten die beiden warum. Die werden einen Killer beauftragt haben. Nehmen Sie die beiden fest. Im Verhör wird die Nutte schon gestehen.“
„Herr Mag. Mayer, haben Sie sich gerade selber zugehört. Aus den Reaktionen der beiden Damen ist nicht zu schließen, dass diese mit dem Tod von Strobel etwas zu tun haben. Oder glauben Sie, dass Frau Huber -und so möchte ich, dass die Dame auch von Ihnen angesprochen wird – aus einem schlechten Gewissen heraus mit der Wiederbelebung begonnen hat. Vielleicht ist Frau Strobel auch vor Freude schreiend aus dem Raum, in dem ihr toter Gatte hing, gelaufen und ihr Nervenzusammenbruch ist auf die Ausschüttung von Glückshormonen zurückzuführen. Wir stehen erst am Anfang der Ermittlungen Herr Mag. Staatsanwalt, und es ist für keinen von uns hilfreich wenn Sie irgendwelche Verdächtigungen in den Raum stellen, nur weil das Opfer in Begleitung einer Prostituierten und seiner Ehefrau im Swingerklub war. Aufgrund der Aussage von Frau Huber, wollte Frau Strobel den masochistischen Fetisch ihres Gatten kennenlernen, um ihre Ehe zu retten. Und da glauben Sie an einen von ihr bezahlten Killer?“
„Die beiden stecken sicher unter einer Decke, die haben das gemeinsam ausgeheckt!“, widersprach Mayer dem Polizisten.
„Haben Sie Vorurteile Herr Magister, nur weil Frau Huber als Domina ihr Geld verdient und die andere Dame ihren Gatten in einen Klub begleitet hat, den Sie vielleicht auch gerne aufsuchen würden.“
„Was fällt Ihnen ein! Wollen Sie mir etwas unterstellen? Machen Sie lieber Ihre Arbeit und bringen Sie mir die Ehefrau und diese Nutte!“, schrie Mayer den Kriminalisten lauthals an.
„Bitte um Ruhe meine Herren“, unterbrach Richter Neubauer den Streit.
„Herbert, bitte erkläre mir Deine nächsten Schritte?“
„Wir werden das Büro vom Strobel durchsuchen, seine Bankkonten durchforsten, seine Ehefrau und seine Angestellten befragen. Der Notarzt hat sie gestern für nicht vernehmungsfähig erklärt. Wir könnten auch die Konten von Frau Huber prüfen, ob wir ungeklärte Geldbewegungen finden.“
„Dann tun Sie das!“, unterbrach Mayer den Vorhabensbericht.
„Lassen Sie mich bitte ausreden Herr Magister. Da Frau Huber - bedingt durch ihren Beruf - über große Bargeldeinnahmen verfügt, und sie im Gespräch einen intelligenten Eindruck hinterlassen hat, heben wir uns diese Prüfungen für einen späteren Zeitpunkt auf. Hans stellst Du mir bitte einen Durchsuchungsbeschluss für das Büro vom Strobel aus. Wir werden dort hoffentlich Unterlagen finden, die uns zu Bankverbindungen führen.
Sobald uns alle Daten betreffend dieser Konten vorliegen, bitte ich Dich, die entsprechenden Öffnungsbeschlüsse zu veranlassen. Frau Strobel wird von mir morgen Vormittag befragt werden.“ Durch das Läuten seines Mobiltelefons wurde Wolff unterbrochen. Da es sich um eine offizielle Nummer handelte, nahm er das Gespräch an.
„Entschuldigung, den Durchsuchungsbeschluss für Strobels Büro kannst Du Dir sparen Hans. Das ist jetzt ein Tatort und die Spurensicherung ist schon vor Ort. Ich werde gleich hinfahren und mir einen Überblick verschaffen.“
„Bis später Hans. Es war mir keine Ehre Herr Magister Mayer. Auf Wiedersehen.“, verabschiedete sich Wolff.