Читать книгу ...auf Dienstreise - Peter Weiermann - Страница 5
Essen
ОглавлениеWie das bei vielen Menschen eben ist, wenn sie gefragt werden, wie es denn im Urlaub gewesen sei, dann wird erstmal ausführlich über das Essen berichtet, als wäre dies der wichtigste Teil des Urlaubs. Mal ehrlich, so ganz falsch ist dies ja auch wieder nicht. Das Essen ist schließlich ein elementarer Bestandteil. So liegt es natürlich auf der Hand, dass bei meinen Schilderungen das Essen nicht zu kurz kommt.
Einmal haben wir einen großen Auftrag erhalten und werden am Abend, wie das manchmal so gehandhabt wird, von dem Kunden zum Essen eingeladen. Mein Kollege und ich mit weiteren 7 oder 8 chinesischen Kunden. Bereits die Organisation der Hinfahrt mit mehreren Autos gestaltet sich als lautstark und chaotisch. Im Restaurant angekommen werden wir in ein kleines Séparée mit einem riesigen runden Tisch geleitet. Es soll für mich, der ich bislang gegenüber jeglichen Meeresfrüchten, welche nicht eindeutig als Fisch zu identifizieren sind, sowieso eine Abneigung hege, eine besondere Herausforderung werden. Wir werden zu einem sogenannten Hot-Pot-Essen eingeladen. Naja, denke ich, so schlimm klingt dies jetzt erst mal nicht. Als Apéro gibt es natürlich Schnaps zu trinken, man will sehen, ob wir auch trinkfest seien. Die Chinesen lieben das heavy-drinking, als gäbe es keine andere Abwechslung. Ich bekomme den Eindruck, als wäre es eine Schande, kein Alkoholiker zu sein. Dennoch halte ich mich zurück, weil auf leeren Magen und so. Auf dem Tisch steht ein großer, in der Mitte geteilter Topf mit zwei kochenden Flüssigkeiten. Die Bedienung balanciert mehrere Tabletts auf den Armen, welche gefüllt sind mit etwas, das aussieht wie in Streifen geschnittene Gedärme mit gelb-grünlich schimmernder Patina. Dieses undefinierbare Etwas wird in den Topf geschüttet und etwas Gemüse kommt dazu. Alleine bei dem Anblick und dem Gedanken, dass ich davon essen müsse, bekomme ich schon Schweißausbrüche. Ich spüre die prüfenden Blicke, die auf uns lasten, als wären wir bei der zukünftigen Schwiegermutter zum Essen eingeladen. Wie verhalten sich diese Langnasen jetzt. Meinem Kollegen ergeht es ähnlich, was mir der Schrecken sagt, der in seinem Gesicht geschrieben steht. Nun was jetzt? Ich entscheide mich erst mal dafür, ein zahnbechergroßes Glas Schnaps auf Ex zu trinken, natürlich zur Freude der Anwesenden. Dies benebelt meine Sinne und Innereien etwas, wobei mir zusätzlich der Gedanke weiterhilft, dass in dieser kochenden Brühe schließlich sämtliche Bakterien abgetötet sein müssten und somit keine Vergiftungserscheinungen auftreten dürften. Die beiden Flüssigkeiten unterscheiden sich jeweils in sehr scharf und unbeschreiblich scharf, was mir in diesem Fall entgegenkommt. Eine weitere kulinarische Chinaerfahrung mache ich in einer Lokalität, die an eine Metzgerei mit Riesen-Aquarium erinnert, welches jedoch alles andere als normale Fische beinhaltet. Überdimensionale Würmer, Tiere mit seltsam langen Fühlern und – entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise –andere Elemente sehen aus wie schwimmende, schneeweiße Penisse. Einfach nur total eklig. Unsere Delegation begibt sich stracks zu diesen Aquarien, ich hinterher. Meine Befürchtungen bestätigen sich, als man mir verständlich macht, dass ich mir davon mein Essen zusammenstellen soll. Meine Vorstellungskraft reicht nicht aus, um auch nur irgendetwas von dem, was hier herumschwimmt, überhaupt jemals essen zu können. Lieber würde ich verhungern, ehrlich. So schleiche ich etwa 10 Minuten hin und her und her und hin und muss dabei auch immer um einen seltsamen großen, schwarzen Haufen herumgehen, der am Boden liegt und den ich erst gar nicht bewusst wahrnehme, so sehr klebt mein Blick an diesem tauchenden Ungeziefer. Als ich bemerke, dass sich dieser Haufen bewegt, erschrecke ich sehr und sehe erst dann genauer hin. Ochsenfrösche. Mein Magen zuckt unwillkürlich zusammen und signalisiert mir, dass er mit alledem überhaupt nicht einverstanden ist. Wie ein Zeichen vom Himmel finde ich in einem Regal dann doch noch etwas Essbares: Eine Art Süßspeise, steamed bread. Aufgeschäumtes süßliches Brot, für welches ich mich nach einer gefühlten Ewigkeit entscheide, zum Unverständnis meiner chinesischen Begleiter. Mir schmeckt es aber ganz gut.
Die Geschichte mit den frischen Austern in China als Abschiedsessen vor der Heimreise, die mir einen unvergesslichen Heimflug bescherte, möchte ich hier nur erwähnen, aber nicht weiter vertiefen. Ich glaube, Sie können Ihrer Fantasie ruhig freien Lauf lassen. Das Ergebnis kommt dem Verlauf meines Erlebens sicherlich recht nahe.