Читать книгу Unschuldsengel - Petra A. Bauer - Страница 7
EINS
ОглавлениеTIEF ATMET ER den Duft ihrer lockigen Haare ein, fühlt ihre weiche Haut. Weiß und makellos, beinahe wie das seidene Laken, auf dem sie ausgestreckt liegt. Seine Hand streicht ihren schmalen Körper entlang, der ihm gerade die ersehnte Entspannung verschafft hat. Er spürt ihren Bauch. Fest und glatt, genau so, wie er es wünscht, ohne die kleinste Wölbung.
Ein tiefer Seufzer entfährt ihrer Kehle. «So schön», haucht sie, «so schön.» Sie dreht sich zu ihm, schlägt die Augen auf. «Ich möchte ganz dir gehören. Vollkommen!»
Ihre Smaragdaugen strahlen diesen besitz ergreifenden Glanz aus, den er schon öfter gesehen hat. Sie darf nicht weiter reden, darf nicht sagen, was andere vor ihr sagten. Er verschließt ihren roten Mund mit einem langen Kuss. Als beide kaum noch Luft bekommen, lässt er von ihr ab. Er lauert, hofft, sehnt sich danach, ihre dummen Gedanken weg geküsst zu haben.
Sie lächelt ihn an. «Ich will den Rest meines Lebens mit dir verbringen.» Sie sieht dabei so glücklich aus. Weich und selig.
Seine Mimik gefriert. Gleich wird sie es sagen. Wird sagen, was alle gesagt hatten. Er sieht, wie sich ihre Lippen bewegen, die blutroten, feuchten Lippen, die er eben noch heiß küsste und die nun Worte formen, die er nur sieht, aber nicht hört. Hochzeit, ehrbare Frau, Kinder, Familie. Er küsst sie wieder. Ihre weichen Lippen ekeln ihn an. Blutrote Lippen. Blut. Das ist es – Blut!
Er weiß, was nun zu tun ist. Er weiß es immer. Sie haben es ihm gesagt. «Lass uns ein Spiel spielen», sagt er sanft. Frauen lieben Spiele. Alle tun das. Es ist so einfach, fast eine Beleidigung für ihn.
Sie kichert, als er ihr die Augen verbindet und ihre Welt im Dunkel versinkt. Sie kichert noch immer, als er ihre Hände mit einem Seidenschal an die Bettpfosten bindet. Sie windet sich in lustvoller Erwartung dessen, was da kommen wird.
Dann wartet er ab, tut gar nichts.
Ihr Kichern weicht einem unsicheren Lächeln. «Bist du noch da?» Sie hebt ihren Kopf, als blicke sie sich suchend um, doch die Augenbinde lässt keinen Lichtstrahl durch.
Er genießt die Unsicherheit in ihrer Stimme, hört die leichten Angstvibrationen hinter den Worten. Er sieht sie hilflos ans Bett gefesselt. Ihre Antwort soll sie bekommen. Er stopft ein Tuch in ihre Kehle, damit sie seine Erwiderung stumm hinnimmt.
Sie weiß nun, dass er noch da ist, aber sie soll es auch spüren. Noch wartet er ab, bis ihre Pein sich steigert, bis er ihre Angst riechen kann. Dann beginnt das Spiel mit einem wahnsinnigen Schmerz unterhalb ihres Bauchnabels. Teuflisch. Lustvoll. Bestialisch. Er ist sich sicher, dass das Wort bestialisch den Grad ihrer Qual angemessen beschreibt. Er dreht das lange Messer genüsslich in ihrem unwürdigen Fleisch herum, bevor er es heraus zieht, um es an anderen Stellen durch die porzellan farbene Haut zu jagen. Das Farbspiel gefällt ihm in diese m Stadium am besten, wenn der Kontrast noch gut zu sehen ist. Rot und Weiß. Wie Rosen im Schnee. Später verteilt sich das warme Blut überall. Wonnig patscht er darin herum, doch wenn alles rot ist, bietet es ihm keinen wahren Genuss mehr. Er liebt Kontraste, Gegensätze, das Unvereinbare. Wenn sich die Unterschiede auflösen, wenn das Fleisch nicht mehr von der Umgebung zu unterscheiden ist, nimmt er den Frauen stets die Augenbinde ab. Er sieht ihnen in die flehenden Augen und lässt das kühle Eisen langsam durch ihren Hals gleiten, wo eine letzte blubbernde Fontäne das Ende ihres Lebens anzeigt.
Auch heute sieht er ruhig ihrem Todeskampf zu, wäscht sich dann sorgfältig das Blut von den Händen, zieht sich an und verlässt die Wohnung für immer. Er wird sich keiner Frau mehr nähern. Den Engel, den er suchte, gibt es nicht.