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5. Kapitel

»O nein!« Entsetzt stürzte Emma wenig später auf ihr Bett zu und hob mit spitzen Fingern die hellgelbe Tagesdecke mit dem Blümchenmuster an, auf der ein nasser Fleck mit bräunlichen Rändern prangte. »Otter!«

Was denn?

Der Hund stand neben dem Bett und wedelte unsicher. Emma ließ die Decke wieder fallen und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. »Das gibt Ärger.«

Du hast mich doch selber hier reingeschickt.

»Emma, ich wollte dich noch fragen ...« Andrea blieb in der Tür stehen und blickte mit schmalen Augen auf die Tagesdecke. »Was ist das denn?« Sie kam näher und betrachtete den nassen Fleck genauer. »War Otter etwa wieder auf deinem Bett? Und warum hat er alles schmutzig gemacht? Das kann doch unmöglich nur von nassen Pfoten stammen!«

»Nein«, gab Emma zögernd zu. »Wir waren am Dorfanger und da ...«

»Er ist in den Weiher gesprungen, stimmt’s?«, fragte Andrea. Ihre Stimme wurde lauter. »Und ich habe jetzt die Schweinerei. Die Tagesdecke war gerade frisch gewaschen, und jetzt schau sie dir an!«

»Was ist hier los?« Mit finsterer Miene betrat Karl das Zimmer und erfasste mit einem Blick, was geschehen war. »Wusste ich es doch! Hab ich nicht gesagt, dass der Hund nichts auf dem Bett zu suchen hat? Schau dir diesen Fleck an, Emma! Glaubst du, deine Mutter ist eure Waschmagd?«

»Aber so schlimm ...«, begann Emma vorsichtig, brach jedoch ab und zog den Kopf ein, als sie der wütende Blick ihres Vaters traf.

»Habe ich gesagt, der Hund gehört nicht auf das Bett oder nicht?«

»Ja.«

»Und hatte ich nicht Recht damit?«

»Ja, aber...«

»Dieser Hund ist einfach unmöglich und kein bisschen erzogen. Morgen rufe ich im Tierheim an und frage, wann wir ihn zurückbringen können.«

»Das stimmt doch nicht.« Nun begehrte Emma doch auf. »Otter ist gut erzogen. Er geht bei Fuß, macht Sitz und Platz und hört auch sonst aufs Wort. Er ist doch nur verrückt nach Wasser. Deshalb könnt ihr ihn doch nicht einfach abschieben. Wir wollen ihn behalten, Tommi und ich! Und Mama mag ihn auch, oder?« Auffordernd blickte Emma ihre Mutter an.

»Na ja, also ich ... Er macht schon eine Menge Dreck, Emma.«

»Das glaube ich nicht!« Emma traten die Tränen in die Augen. Sie wischte sie wütend weg, doch sogleich quollen weitere nach. »Ich will Otter nicht weggeben! Ihr seid so gemein zu ihm, dabei hat er gar nichts Schlimmes gemacht.«

»Nun mach aber mal einen Punkt!«, brüllte Karl, doch Andrea fasste ihn am Arm und dirigierte ihn zur Tür. »Komm, heute Abend lösen wir das Problem doch nicht. Emma, ich würde sagen, du gehst jetzt zu Bett. Und Otter verschwindet in seinem Korb im Flur!«

Ich geh ja schon. Warum sind denn auf einmal alle wieder so furchtbar böse auf mich?

Otter, der die Auseinandersetzung aufmerksam, jedoch mit angelegten Ohren verfolgt hatte, zog den Schwanz ein und tapste zu seinem Schlafkorb, wo er sich umständlich zusammenrollte.

»Gute Nacht, Otter«, raunte Emma ihm zu, bevor sie ihre Zimmertür schloss, und er wedelte ihr noch einmal leicht zu, als habe er alles verstanden.

Gute Nacht, liebe Emma.

Traurig löschte Emma das Deckenlicht und ließ sich im Schein der Nachttischlampe auf die Bettkante sinken, stand jedoch gleich wieder auf und ging zum Fenster. Zunächst war die Dunkelheit draußen undurchdringlich, doch nach einer Weile konnte sie mehr und mehr Umrisse erkennen. Den Vorgarten, den Gartenzaun mit dem geschlossenen Tor, dahinter die Straße, an deren Rand hier und da Autos parkten. Der Himmel war noch finsterer also sonst, denn es war Neumond. Nur vereinzelt blinkten zwischen hohen Wolkenfeldern ein paar Sterne.

Während Emma sinnierend zu ihnen hinaufblickte, schien sich plötzlich einer der Sterne von seinem Platz zu lösen und bewegte sich mit einem langen Schweif quer durch die Finsternis.

Emma sah ihm gebannt nach. »Eine Sternschnuppe«, flüsterte sie entzückt und erinnerte sich sofort, was man ihr früher über Sternschnuppen erzählt hatte.

Obwohl sie sich ein bisschen albern vorkam, schloss sie die Augen und wünschte sich ganz fest, dass Otter bei ihnen bleiben durfte.

Als sie die Augen wieder öffnete, war die Sternschnuppe verschwunden.

Achselzuckend und leicht amüsiert über sich ging Emma zu Bett.

Einige Tage lang blieb alles relativ ruhig, nicht zuletzt, weil der Schnee wieder wegtaute und eine strahlende Wintersonne Wiesen und Wege soweit abtrocknete, dass alle Schlammlöcher und Wasserpfützen verschwanden. So konnte Otter gar nicht in Versuchung kommen, sich irgendwo zu wälzen und schmutzig zu machen. Emma und Tommi achteten zudem darauf, sich bei ihren Spaziergängen mit ihm so weit wie möglich von Bächen und Teichen fernzuhalten.

Karl hatte sich etwas beruhigt und glücklicherweise nicht mehr daran gedacht, das Tierheim anzurufen. Auch staunte er nicht schlecht, als Otter begann, ihm allmorgendlich nach seinem Rundgang durch den Garten die Tageszeitung aus der Zeitungsrolle mitzubringen.

»Dann bist du ja am Ende doch noch zu etwas nütze«, rang er sich ein Lob ab und tätschelte Otters Kopf.

Danke, dass du so nett zu mir bist, Herrchen!

Otter wedelte leicht mit seiner Rute und leckte Karl die Hand.

»Ja, ja, schon gut«, wehrte Karl ihn ab und schlug die Zeitung auf. Doch um seine Mundwinkel zuckte es, als er spürte, wie Otter es sich mit einem wohligen Seufzen auf seinen Füßen bequem machte.

Ein Weihnachtshund auf Probe

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