Читать книгу Ein Weihnachtshund auf Probe - Petra Schier - Страница 9

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4. Kapitel

»Also das gibt es doch wohl nicht!«, rief Karl, als er eine knappe Stunde später einen Blick in Emmas Zimmer warf.

»Was ist denn?« Emma rieb sich verschlafen die Augen.

Herrchen! Der ist aber wütend. Was ist denn jetzt wieder los?

»Runter vom Bett!«

»Hä?«

»Schmeiß den Hund vom Bett! Er macht doch alles schmutzig.«

Ich bin doch ganz sauber!

»Aber er hat doch nur ...«

»Nee! Das darfste doch gar nicht!«, quiekte Tommi dazwischen, der neugierig aus seinem Zimmer gekommen war. »Otter soll nicht ins Bett, das weißte doch!«

Otter hatte sich mittlerweile aufrecht hingesetzt, doch als er Karl mit bösem Gesicht auf sich zukommen sah, sprang er rasch auf den Boden, duckte sich und wischte zwischen Karl und Tommi hindurch aus dem Zimmer.

Ich geh ja schon. Seid doch nicht alle so laut und böse! Was hab ich denn gemacht?

»Mensch Papa, sei doch nicht so.« Enttäuscht stand nun auch Emma auf und faltete ihre Tagesdecke. »Otter hat mich doch nur ein bisschen getröstet.«

»Getröstet?« Karl sah seine Tochter verständnislos an. »Ein Hund hat nichts im Bett zu suchen.«

»Ja, ja, toll. Jetzt hast du ihn verjagt«, grollte Emma. »Ich nehme ihn mit nach draußen.« Sie griff nach ihren Stiefeln und schlüpfte hinein. »Spazieren.«

»Es ist schon dunkel, und in den Nachrichten haben sie über Holzdiebe berichtet, die nicht weit von hier ihr Unwesen treiben. Geh also nicht so spät noch in den Wald, ja! Außerdem gibt es in einer halben Stunde Abendessen.«

»Bis dahin sind wir zurück.« Vergrätzt ging Emma hinaus, holte die Leine und verließ mit dem erfreuten Otter das Haus.

Hey, spazieren gehen! Da sag ich nicht nein. Aber warum gehen wir gerade jetzt? Ist Herrchen auch auf Emma böse?

Andrea schaute ihrer Tochter hinterher, dann stieg sie langsam die Treppe hinauf. »Es geht ihr nicht gut. Sie hat Liebeskummer.«

»Der Hund war in ihrem Bett!«, brummte Karl und fuhr sich durch sein dichtes Haar, das die gleiche kastanienbraune Farbe aufwies wie das seiner Tochter.

»Ich weiß.« Andrea gab ihm einen Kuss. »Das ist doch nicht so schlimm gewesen.«

»Aber wenn er sich daran gewöhnt ...«

»Es gibt schlimmeres. Du weißt doch, wie Emma ist. Sie brauchte jemanden zum Ankuscheln. Und da ist mir Otter wesentlich lieber als dieser Andy, der sie so enttäuscht hat.«

»Andy-Schmandy?« Tommi feixte, fing sich jedoch einen strafenden Blick seiner Mutter ein.

»Kein Wort darüber!«

»Ach Mann!«

»Ich meine es ernst, Tommi! Hilf mir lieber in der Küche.«

»Nee ...«

»Tu, was deine Mutter sagt!« Karl drohte seinem Sohn scherzhaft mit dem Finger.

»Naaa guuut.«

Während Tommi widerwillig hinter Andrea in die Küche trottete, lief Emma mit Otter durch die ruhigen Straßen des Dorfes. Die Luft war klar und eiskalt, jeder Atemhauch produzierte eine dichte weiße Wolke. Es hatte ein wenig geschneit, gerade genug, dass Wege und Dächer weiß überpudert waren. Die Fenster der Häuser und Wohnungen waren hell erleuchtet und mit Lichterketten und weihnachtlichen Fensterbildern dekoriert. Emma liebte den Advent und den neuen Brauch, alles so richtig zu schmücken. Vor einem Vorgarten blieb sie stehen und be­wunderte die aus Drahtgestell geformten und mit Hunderten von kleinen Glühbirnchen beleuchteten Figuren von Rentieren, die den Weihnachtsmann auf seinem hoch mit Geschenken beladenen Schlitten zogen. So etwas wollte sie nächstes Jahr auch gerne vor dem Haus haben. Sie musste Papa unbedingt fragen.

Was ist denn da so interessant? Sind doch nur leblose Figuren, die viel zu grell leuchten.

Otter hatte sich brav abwartend neben sie gelegt und stand erst auf, als sie sich wieder in Bewegung setzte.

»Hast du das gehört?« Emma blickte zum Himmel hinauf und ruckelte dabei unwillkürlich an der Leine, sodass Otter unwillig den Kopf schüttelte.

Was denn? Dieses Klingeln und Klimpern? Musst du mich deshalb am Halsband zerren?

»Das hört sich an wie Glöckchen. Wo das wohl herkommt? Oder haben die Leute mit dem Weihnachtsschmuck irgendwo einen Bewegungsmelder mit Tonband?« Sie sah zurück auf den beleuchteten Rentierschlitten. »Wirklich keine schlechte Idee zu Weihnachten. Ob so was teuer ist?«

Lass uns weitergehen. Da vorne riecht es interessant, da waren andere Hunde!

Otter lief ein paar Schritte voraus und blickte Emma auffordernd an.

»Wo sollen wir jetzt hingehen?«, sprach sie ihn an, und er sah aufmerksam zu ihr auf. »Eine Runde um den großen Wildacker?«

Ja, gerne! Da ist es schön.

»Aber ich habe meine Taschenlampe vergessen. Da draußen ist es stockfinster.«

Na und? Ich finde den Weg mit links.

Otter schnaufte und schüttelte sich. Dann reckte er seine Nase nach rechts.

Wie wäre es mit dem Dorfplatz? Da riecht es immer so gut nach anderen Hunden.

»Zum alten Dorfanger? Da ist doch jetzt nichts mehr los. Aber gut.«

Emma ging in die Richtung, die Otter ihr gewiesen hatte. »Auf der Wiese kann ich dich ein wenig von der Leine lassen. Aber lauf mir nicht weg, ja!«

Nee, ich laufe nie weg. Aber hier riecht es so gut!

Otter bellte leise und sprang übermütig über die nur von wenigen Laternen beleuchtete Dorfwiese. Emma sah ihm belustigt zu, wie er sich um sich selbst drehte und hinter den Atemwölkchen her jagte, die er selbst ausstieß.

Von der Straße her wurde das Geräusch eines Motorrollers laut.

Was ist das denn? Muss das Ding so laut sein? Da bleibe ich lieber weg. Stinken tut es auch noch. Hier hinten ist es viel interessanter.

Als Emma sich umdrehte, sah sie den Fahrer auf sich zusteuern.

Er hielt neben ihr und nahm den Helm ab. »Hallo, Emma, was machst du denn hier?«

»Hi, Stefan. Das könnte ich dich auch fragen.« Emma lächelte dem großen blonden Jungen gleichmütig zu. »Ich bin mit unserem Hund unterwegs, musste mich ein bisschen abkühlen.«

»Hm.« Stefan nickte. »Schade, dass du heute Nachmittag so schnell weg warst. Wir hatten noch ’ne Menge Spaß. Wegen Andy hättest du nicht abhauen brauchen.«

»Er hatte mich eingeladen!«, protestierte Emma heftig. »Wie hättest du dich da gefühlt?«

»Weiß nicht.« Stefan zuckte mit den Achseln. »Er ist halt ein Volldepp.«

»Und was machst du um diese Zeit hier?«, wechselte Emma das Thema, obwohl sie ihn lieber abgewimmelt hätte.

»Ich hab Daniela aus der Sechsten nach Hause gebracht. Sie ist eine Freundin meiner kleinen Schwester.«

»Aha.« Emma nickte und sah sich um. »Wo ist Otter?«

Nicht weit entfernt hörte man leises Plätschern.

»O nein!« Emma fasste sich an den Kopf. »Auch das noch.«

»Was noch?« Stefan sah sie verständnislos an.

»Otter ist in den Weiher gesprungen! Mein Vater flippt aus, wenn er das merkt. Ich muss los. Otter!«, rief sie und rannte über die Wiese in Richtung des Entenweihers. Hinter sich hörte sie den Motorroller anspringen, und Augenblicke später fuhr Stefan neben ihr her.

Am Teich angekommen rief sie noch einmal: »Otter! Wo bist du? Komm sofort her!«

Keine Panik, ich bin doch hier.

Wieder plätscherte es, und dann knisterten die wintertrockenen Gräser der Uferböschung. Otter tapste auf sie zu, das Fell klitschnass und triefend. Er hechelte und blickte sie so fröhlich an, dass es aussah, als würde er lachen.

Wollt ihr nicht auch mal? Ach nein, ihr Menschen mögt ja kein kaltes Wasser. Ihr wisst gar nicht, was euch entgeht!

»O je.« Kopfschüttelnd ging sie neben dem Hund in die Hocke. »Du sollst doch nicht immer ins Wasser springen. Wie soll ich dich denn jetzt bloß wieder trocken kriegen?«

Warum? Ich trockne doch von selbst.

»Macht er das öfter?« Stefan beugte sich ebenfalls zu Otter hinab und strich ihm über den Kopf. »Das Wasser ist eiskalt. Bestimmt friert der Weiher in den nächsten Tagen zu. Wird er davon nicht krank?«

Emma zuckte mit den Schultern. »Ich glaube nicht. Er ist so wild aufs Baden, dass er bestimmt schon abgehärtet ist. Mein Vater dreht durch, wenn er ihn so sieht.«

»Warum? Ist doch nur Wasser«, wunderte Stefan sich.

»Aber Otter macht dauernd das Haus dreckig. Mein Vater ist stinksauer deswegen und hat gesagt, er bringt ihn zurück ins Tierheim, wenn das nicht aufhört.«

»Das ist übel.« Nachdenklich sah Stefan auf Otter hinab, der jetzt aufstand und sich heftig schüttelte.

Siehste, bin schon fast wieder trocken.

»Igitt!« Emma sprang zur Seite, musste jedoch kichern.

»Ich hab hier so ein kleines Handtuch, das ich immer benutze, um den Rollersitz trocken zu reiben, wenn es geregnet hat.« Mit wenigen Schritten war Stefan bei seinem Zweirad und holte das Tuch aus einer kleinen Tasche hervor. »Damit kriegen wir ihn nicht ganz trocken, aber vielleicht wenigstens ein bisschen.«

Emma nickte erfreut. »Das ist nett von dir.« Sie nahm das Handtuch und begann, Otters Kopf, dann seine Beine und Füße abzurubbeln. Der Hund ließ es sich anstandslos gefallen und leckte ihr immer wieder übers Gesicht.

Na gut, das macht auch Spaß.

Wieder kicherte sie. »Hör auf, mich zu waschen!« Sie erhob sich. »Mehr geht leider nicht.« Bedauernd wrang Emma das nasse Tuch aus und übergab es Stefan, der es grinsend wieder einpackte.

»Du solltest noch ein Weilchen mit ihm herumgehen, dann trocknet er vielleicht wieder.«

»Oh, verdammt!« Emma blickte auf ihre Armbanduhr. »Wir essen gleich, ich muss nach Hause!«

»Na dann viel Glück, wegen deinem Vater, meine ich.«

»Danke für das Handtuch«, antwortete Emma und sah Stefan zu, wie er auf seinen Roller stieg und den Helm aufsetzte.

»Kein Problem. Wir sehen uns in der Schule.« Er hob noch einmal die Hand zum Gruß, ließ den Motor an und fuhr langsam über die Wiese davon.

Nachdenklich blickte Emma ihm nach und dann auf Otter hinab, der erwartungsvoll neben ihr saß. »Was soll ich denn Papa erzählen, wenn wir heimkommen? Du bist wirklich unmöglich, Otter. Komm jetzt, mir wird kalt.«

Das ist das Problem mit euch Menschen. Ihr habt kein warmes Fell. Diese künstlichen Fellschichten, in die ihr euch immer einwickelt, sind einfach nicht so gut.

Mit einem fröhlichen »Wuff!« folgte Otter ihr und hielt sich brav an ihrer Seite, bis sie zu Hause ankamen.

Die Familie saß bereits in der Küche beisammen. Emma zog rasch ihre Jacke aus und scheuchte Otter die Treppe hinauf.

»Muss mich kurz waschen!«, rief sie über die Schulter. »Komm, geh in mein Zimmer, bis du wieder trocken bist«, flüsterte sie dem Hund zu und schloss die Tür hinter ihm.

Okay. Ich weiß zwar nicht, was ich hier soll, aber schön warm und gemütlich ist es in deinem Zimmer allemal.

Dann ging sie ins Bad, drehte kurz den Wasserhahn auf und wieder zu und gesellte sich dann zu den anderen an den Esstisch.

»Wo ist der Hund?«, fragte Karl sie prompt.

»Äh, ich glaube, nach oben gegangen.« Betont gelangweilt zuckte Emma mit den Achseln. »Bestimmt hat er sich in seinen Korb gelegt und schläft. Wir sind ganz schön gerannt.«

»Aha.« Karl blickte durch die Küchentür in den Flur. »Was ist das denn?« Mit gerunzelter Stirn stand er auf und ging in den Flur. »Er hat ja überall Pfotenabdrücke hinterlassen, sogar auf der Treppe! Ist er etwa wieder ...«

»Es hat geschneit, und die Wege sind ganz nass«, warf Emma schnell ein. »Das trocknet doch wieder.«

Karl sah sie argwöhnisch über den Rand seiner Brille an, ließ es jedoch dabei bewenden und setzte sich wieder.

Andrea sah zwischen ihrem Mann und ihrer Tochter hin und her und verkniff sich einen Kommentar.

Ein Weihnachtshund auf Probe

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