Читать книгу Was macht das Stinktier im Kofferraum? - Phil Callaway - Страница 13

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4 Lektionen auf dem Eis

Neulich ging ich zu einem Boxkampf, und dann wurde plötzlich ein Eishockeyspiel daraus.

RODNEY DANGERFIELD

Als kleiner Junge war ich fest davon überzeugt, dass die Erwachsenen mich tot sehen wollten. Zum einen haben sie mich in die Welt des Eishockeys eingeführt (ein Spiel für steif gefrorene Menschen, die bereit sind, alles zu tun, um wieder warm zu werden). Sie haben uns scharf geschliffene Kufen an die Füße geschnallt, uns Stöcke und ein hartes Gummigeschoss, auch Puck genannt, in die Hand gedrückt, und uns dann auf glattes Eis gestellt. Und was haben sie dann gemacht? Sie haben sich hinter einem Schutzzaun versteckt, um zu beobachten, was dann passiert. Über die Jahre brach ich mir beim Eishockey zweimal die Nase (der kleine Trainingsunfall aus Kapitel 2 nicht mitgerechnet). Im Laufe der Zeit hatte ich mir jede einzelne Rippe irgendwann einmal gebrochen. Aber ich begann, dieses Spiel wirklich zu lieben.

Seit ich dem Schiedsrichter bis zum Knie reichte, war ich schon sportbegeistert.

In Kanada, wo ich aufgewachsen bin, ist Eishockey Staatsreligion. Kinder und Erwachsene gehen gleichermaßen einmal in der Woche, manchmal sogar jeden Tag zum Gottesdienst in die örtliche Eishalle und beklagen sich nie, dass die Predigt zu lang ist. Im Winter zog ich mir jeden Morgen die Schlittschuhe an, stolperte die Straße hinunter, dass die Funken in alle Richtungen sprühten, bis ich zu unserer Freiluft-Eisfläche kam. Dort lernte ich schon mit drei Jahren, mit den Großen Hockey zu spielen. Ich lernte, mich mit dem Puck zwischen den besten Spielern hindurchzuschlängeln und mit größter Präzision zu schießen. Ich lernte auch, wie man mühelos über eine Eisfläche gleitet, manchmal auch auf dem Po, oder ich krachte Kopf voraus in die Bande und wachte erst am nächsten Mittwoch verwirrt wieder auf.

Vielleicht liegt es daran, dass ich den Puck ein paar Mal zu oft abbekommen habe, aber ich vermisse diese Zeiten.

Damals war Samstag Badetag. Vom Ältesten bis zum Jüngsten stiegen wir der Reihe nach in die Badewanne, um uns den Dreck der ganzen Woche vom Leib zu schrubben. Das war eine der Gelegenheiten, bei denen es nicht von Vorteil war, der Jüngste zu sein. Bis ich an der Reihe war, war das Wasser, vorsichtig ausgedrückt, schon ziemlich trüb, und ich konnte es kaum erwarten, mich im Wohnzimmer mit den anderen ums Radio zu setzen und den kanadischen Eishockeyspielen zu lauschen. Oh, wie ich das Grölen der Menge liebte. Und die Spannung in der Nachspielzeit. Wenn die Namen der Spieler genannt wurden, weckte das Träume von Ehre und Ruhm: Gordie Howe, Frank Mahovlich, Bobby Orr, Phil Callaway. Ich stellte mir tatsächlich vor, wie der Kommentator mit aufgeregter Stimme hastig rief: »Es ist Callaway, der da übers Eis saust … er durchbricht die Verteidigung … er schießt … Toooooor! Oh Mann, so etwas Aufregendes habe ich nicht mehr gesehen, seit die Alliierten in der Normandie einmarschiert sind!«

Ich war mir ganz sicher, dass das meine Bestimmung war, und verfolgte meinen Traum mit vollem Einsatz.

Schon bald spielte ich in einer echten Mannschaft, in einem echten Eisstadion, mit echten Helmen, um unsere echt harten Schädel zu schützen. Während der Rest der Welt noch schlief, gingen wir jeden Samstagmorgen in eine leere Eishalle, um zu spielen. Manchmal schaute ich dann zu der leeren Zuschauertribüne auf und stellte fest, dass sie gar nicht so leer war. Mein Vater war da. Irgendwie hatte er nach einer anstrengenden Arbeitswoche noch die Kraft aufgebracht, sich aus dem Bett zu wälzen, um mir zuzuschauen. Mein Vater schien zu glauben, dass ich mehr Talent hatte als die Toronto Maple Leafs und die New York Rangers zusammen, und das ließ er auch alle wissen, indem er laut schrie, wenn ich ein Tor schoss (was in jenem Jahr zweimal vorkam) und mit seinen großen Lederhandschuhen klatschte.

Ich sehnte mich so sehr danach, seine Handschuhe zu hören, und konnte es kaum erwarten, als Profi zu spielen. Dann würde ich Mama und Papa zu den Spielen fliegen lassen, ihnen Karten in der ersten Reihe kaufen, direkt hinter den Spielerbänken. Sie könnten dem Trainer bei schwierigen Entscheidungen helfen.

In jenem Jahr gewannen wir nur ein Spiel (weil der Torwart der gegnerischen Mannschaft nicht kam), aber mein Vater hat mir immer Mut gemacht.

»Mein Sohn«, sagte er immer auf dem Heimweg vom Eisstadion, während er meine schwere Ausrüstung trug und ich den Hockeyschläger, »du bist nicht der Erste, der gegen eine Wand rennt.« Dann zählte er alle möglichen Menschen aus der Geschichte auf, die zunächst versagt hatten: Thomas Edison machte zweitausend vergebliche Versuche, bevor er die Glühbirne erfand. Henry Ford ging fünf Mal pleite, bevor es ihm gelang, ein Auto zu bauen.

»Aber Papa«, widersprach ich, »unser Ford Meteor springt nicht an. Deshalb gehen wir ja zu Fuß.«

»Mein Sohn«, sagte er unbeirrt, »mach dir darüber keinen Kopf. Du musst es nur machen wie die Briefmarke: Du musst einfach dranbleiben, bis du am Ziel bist.«

In der zehnten Klasse blieben wir dran, hatten unsere erste siegreiche Saison und gewannen die Bewunderung von ein paar Hundert Teenager-Mädchen. Dieses Jahr war ein Meilenstein für mich. Es geschah etwas, das meine Zukunftsträume für immer veränderte.

Das war so.

Ende März. Das Endspiel. Es war ein Ereignis von solcher Bedeutung für unsere kleine Stadt, dass unser Eisstadion mit Millionen, oder zumindest einigen Hundert Zuschauern gefüllt war, die ihre Stars sehen wollten. Als ich durch den Türspalt der Umkleidekabine nach draußen spähte, hatte ich das sichere Gefühl, dass das mein ganz großer Abend würde. Das jahrelange Training würde sich jetzt auszahlen. All die Zuschauer, die auf dem Schwarzmarkt ihre 25 Cent für die Karte bezahlt hatten, würden nicht enttäuscht werden.

Aber im Verlauf des Spiels schmolzen meine Träume immer mehr dahin. Als die Uhr die letzte Spielminute anzeigte, verwandelte sich mein Traum sogar immer mehr in einen Albtraum. Wir lagen 3:2 zurück, als ich aufs Spielfeld ging. Jeden Moment würde die Schlussglocke ertönen und das Spiel zu Ende sein. Wir brauchten ein Wunder. Wir brauchten Phil Callaway.

Und so nahm ich einen Pass aus der Ecke an und schoss den Puck geschickt am Torwart vorbei, der sich der Länge nach aufs Eis warf. Das rote Licht leuchtete auf und die Mädchen drehten durch. Es stand unentschieden, und ich war der Held. Ich hatte das Tor meines Lebens geschossen.

Nur ein Tor konnte noch schöner sein: das Siegtor in der Nachspielzeit.

Während ich in der Umkleidekabine saß und darauf wartete, dass das Eis präpariert wurde, spähte ich durch den Türspalt in die Zuschauermenge. Macht euch bereit, ihr Glücklichen. Heute ist mir das Schicksal wohlgesonnen. Heute ist mein Tag. Ihr werdet noch Jahre an mich denken. Als ich letzte Woche das leere Tor nicht getroffen habe, habt ihr mir Mut gemacht und zugerufen:

Ist schon recht. Ist okay.

Wir lieben dich trotzdem, Callaway.

Aber heute Abend wird das nicht vorkommen. Heute brauche ich euer Mitleid nicht. Heute will ich nur euren Beifall. Donnernden, überschwänglichen, bewundernden Beifall.

Und tatsächlich erzielte ich nach etwa fünf Minuten Nachspielzeit das Siegtor. Dieser Moment ist in meiner Erinnerung jederzeit abrufbar, manchmal sogar in Zeitlupe. Der Puck rutschte auf das Tor zu, ich hechtete vorwärts und versuchte verzweifelt, sein Ziel zu besiegeln. Die Zuschauer sprangen auf, als ich den Puck über die Torlinie schob.

Die rote Lampe leuchtete auf.

Die Zuschauermenge grölte.

Die Mädchen schrien.

Aber sie jubelten nicht wegen mir.

Ich hatte nämlich soeben ein Eigentor geschossen.

An die nächsten sechs oder sieben Jahre meines Lebens kann ich mich kaum noch erinnern. Ich weiß noch, dass ich schnurstracks in die Umkleidekabine geflüchtet bin und mir ein weißes Handtuch über den Kopf geworfen habe. Und ich kann mich noch an die Kommentare erinnern: »Mach dir keinen Kopf, okay? Das hätte jedem passieren können … wenn er so unkoordiniert ist.«

Ich zog mir das Handtuch über die Ohren, um das Gelächter nicht zu hören. Dann zog ich meine Schlittschuhe aus und hängte sie an den Nagel – für immer.

Ich konnte nicht wissen, dass Basketball-Star Michael Jordan aus seiner Schulmannschaft fliegen würde, dass Louis L’Amours erster Western von 350 Verlegern abgelehnt wurde, oder dass Albert Einstein einfache mathematische Gleichungen nicht lösen konnte (seine Frau half ihm bei der Steuererklärung). Es hätte mir vielleicht geholfen zu wissen, dass der Manager der Radioshow Grand Ole Opry zwölf Jahre zuvor einen Nachwuchssänger nach einer Vorstellung rausgeschmissen und ihm geraten hatte, wieder Lastwagenfahrer zu werden. Aber Elvis Presley wurde trotzdem Sänger.

Doch in jener Nacht dachte ich nicht an Elvis.

Ich verließ nur vollkommen erschüttert das Eisstadion.

Als ich nach Hause kam, ging ich geradewegs in mein Zimmer. Mein Vater hatte wegen einer heftigen Grippe nicht zum Spiel kommen können.

»Wie war es?«, fragte er, als er in der Tür zu meinem Zimmer stand. Er studierte mein blasses Gesicht und ahnte die Antwort schon.

»Ach, Papa«, sagte ich mit gesenktem Kopf. »Das kann ich dir nicht sagen. Du bist ohnehin schon krank.«

Ich ließ mich aufs Bett fallen, verschränkte die Hände hinterm Kopf und starrte an die Decke. Mein Vater kam herein, setzte sich neben mich aufs Bett und sagte nichts.

»Hast du schon mal was so Dummes gemacht, dass du dir sehnlichst gewünscht hast, die Zeit um 24 Stunden zurückdrehen zu können und den Tag noch mal von vorne anzufangen?«, sagte ich.

»Na ja«, meinte mein Vater, »ich habe einmal mit einer 22er den Scheinwerfer des alten Mr. Henderson zerschossen … und dann habe ich …«

Zum ersten Mal seit Jahren unterbrach ich meinen Vater mitten im Satz. Dann setzte ich mich auf, vergrub das Gesicht in den Händen und erzählte ihm alles: wie schockiert die Zuschauer waren, wie peinlich es in der Umkleidekabine war, mein Spiel, an das man sich zu meiner Schande für immer erinnern würde. Ich wagte nicht, ihm ins Gesicht zu schauen. Das Gesicht eines stolzen Vaters, der große Träume für seinen jüngsten Sohn gehabt hatte.

Eine Minute lang herrschte Schweigen. Dann legte mein Vater mir die Hand aufs Knie und tat das Letzte, was ich in diesem Moment erwartet hätte: Er fing an zu lachen.

Und ich konnte kaum glauben, was ich dann tat … Ich lachte mit ihm.

Es war das Letzte, mit dem wir beide gerechnet hätten, aber es war das Beste, was wir tun konnten.

Inzwischen sind mehr als 20 Jahre vergangen, seit Vater und ich auf meiner Bettkante gesessen und zusammen gelacht haben. In meiner Erinnerung ist es der Abend, an dem ich beschloss, wieder Eishockey zu spielen. Ich spiele selbst heute noch Eishockey. Mit den Jahren ist es mir sogar gelungen, ein paar Tore zu schießen – und zwar ins richtige Tor. Aber keines dieser Tore war je so denkwürdig wie jenes Tor in der Nachspielzeit. Es wird mich mein Leben lang daran erinnern, dass die größten Siege im Leben oft in unseren Niederlagen errungen werden.

Noch Jahre danach wachte ich manchmal nachts schweißgebadet auf, weil ich von jenem Tor in der Nachspielzeit geträumt hatte, aber sobald ich mich dann an die Hand meines Vaters auf meinem Knie erinnerte, musste ich von einem Ohr bis zum anderen grinsen. An jenem Abend habe ich etwas entdeckt, das selbst die schwersten Lasten leichter erscheinen lässt.

Es ist die einfache Tatsache, dass ich einen Vater habe, der mich liebt, ganz gleich, was ich getan habe, ganz gleich, wo ich war, ganz gleich, wie schlimm es gerade steht. Jesaja hat das sehr schön ausgedrückt:

Berge mögen einstürzen und Hügel wanken,

aber meine Liebe zu dir wird nie erschüttert …

Das verspreche ich, der Herr, der dich liebt!

JESAJA 54,10

Ich habe es schon tausendfach erlebt. Diejenigen, die wissen, wo man sie findet, entdecken auch angesichts überwältigender Tragödien oder unüberwindlicher Hindernisse Freude. Mein Vater war sich dessen vielleicht nicht bewusst, aber an jenem Abend hat er mir einen Einblick in das Wesen meines himmlischen Vaters gegeben, der von unschätzbarem Wert ist. Er hat mir sein Mitgefühl, seine Vergebungsbereitschaft und seine Gnade gezeigt. Er hat mir einen himmlischen Vater gezeigt, der verrückt ist nach seinen Kindern, und der gerne lacht.

Was macht das Stinktier im Kofferraum?

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