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II. Die Berufsbildung als erste Aufgabe
ОглавлениеDie erste und vordringlichste Aufgabe der öffentlichen Schule (Volks-, Fortbildungs- und höheren Schule) ist also die Berufsbildung oder doch die Vorbereitung auf den Beruf. Das scheint zunächst mit der gegenwärtigen Auffassung der allgemeinen Schulen in vollständigem Widerspruch zu stehen. Allein kein Geringerer als Pestalozzi selbst war durch und durch von dieser Anschauung erfüllt, obwohl ihm als letztes Ziel gleich mir die allgemeine Menschenbildung vor Augen schwebte. Nie wird Pestalozzi müde, diese erste und vorwiegende Aufgabe zu betonen. Dem „Bücherleben“ der Schule stellt er das „Berufsleben“ gerne gegenüber. „Wenn ein Bauernknabe nur mit dem Vater täglich ins Feld geht, an seinem gewöhnlichen Tun, soweit er kann, teilnimmt, und bei Haus und Hof, in Arbeit und Spiel, das, was seine Kameraden gewöhnlich tun, auch mitmacht, so genießt er dadurch geradezu die Bildung, die er nötig hat, um bei Haus und Hof, in Holz und Feld sich als der gebildetste, der verständigste, der brauchbarste und fleißigste Bauernknabe hervorzutun.“ (Seyffarthausgabe IX, 236.) „Man kommt immer früh genug zum Vielwissen, wenn man lernt recht wissen, und recht wissen lernt man nie, wenn man nicht in der Nähe, bei den Seinigen und bei dem Tun anfängt.“ (Seyffarthausgabe IV, 90.) „Reiner Wahrheitssinn bildet sich in engen Kreisen, und reine Menschenweisheit ruht auf dem festen Grund der Kenntnis seiner nähesten Verhältnisse und der ausgebildeten Behandlungsfähigkeit seiner nähesten Angelegenheiten.“ (Seyffarthausgabe III, 314.) Ja, er löst sich als Kind seiner Zeit nicht einmal von dem Gedanken los, daß der Beruf seines Zöglings in dem Stande aufgehe, in dem er geboren ist. Große Teile seines Schwanengesanges, in welchem er die Erfahrungen und pädagogischen Anschauungen seines Lebens zusammenfaßt, sind von dieser Auffassung der ersten Aufgabe der Volksschule erfüllt. Bei den sehr viel einfacheren Verhältnissen seiner Zeit lag auch kein Gedanke näher als der, die innere Organisation der Volksschule den Zwecken des Standes anzupassen, aus dem die Zöglinge genommen waren und in den sie naturgemäß wieder hineinwuchsen.
Diese Verhältnisse haben sich in den verflossenen hundert Jahren geändert. Nicht nur, daß die Stände als fixierte Schichten der Staatsorganisation verschwunden sind, auch die Arbeitsverhältnisse, wie sie namentlich die Industrie gebracht hat, lassen eine rein berufliche Gestaltung der elementaren Volksschule, welche die Zwecke der Menschenbildung im Auge haben muß, im allgemeinen als unmöglich erscheinen. Nichtsdestoweniger bleibt auch heute der elementaren Volksschule die Aufgabe der Vorbereitung auf den zukünftigen Beruf des Zöglings zugewiesen. Die ungeheure Mehrzahl aller Menschen im Staate steht im Dienste der rein manuellen Berufe, und dies wird für alle Zeiten Geltung haben. Denn jedes menschliche Gemeinwesen hat ungleich mehr körperliche als geistige Arbeiter nötig. Auch die Neigungen und Begabungen der Menschen liegen zunächst durchaus nicht auf den Arbeitsgebieten rein geistiger Tätigkeit, sondern der manuellen Arbeit. Aus ihr hat sich ja im Laufe der Kultur die geistige Arbeit überhaupt erst entwickelt. Das Handwerk ist nicht nur die Grundlage aller echten Kunst, sondern auch die Grundlage aller echten Wissenschaft. Eine öffentliche Schule, die auf geistige wie manuelle Berufe vorzubereiten hat, ist daher schlecht organisiert, wenn sie keine Einrichtung hat, die praktischen Neigungen und Fähigkeiten des Zöglings zu entwickeln. Sie ist um so schlechter organisiert, als ja auch in der ganzen Entwicklung des Kindes die körperliche und manuelle der geistigen vorangeht, als insbesondere in der Zeit vom 3. bis 14. Lebensjahre die Instinkte und Triebe für manuelle Betätigung durchaus vorherrschen. Für Schulen, die nur für rein geistige Berufe vorbereiten sollen, wie dies bei einer alten Gruppe der höheren Schulen der Fall ist, für Menschen, die, nachdem ihre Instinkte für manuelle Tätigkeit im wesentlichen erloschen sind, wenn sie ihre Schuldigkeit für die Entwicklung des normalen Gebrauchs der Glieder und der Sinnesorgane getan haben, fast ausschließlich unter der Macht der intellektuellen Triebe stehen, für solche erachte ich Erziehungseinrichtungen zur manuellen Betätigung (von rein körperlichen Übungen im Interesse einer gesunden Lebensführung abgesehen) in keiner Weise notwendig. Da es Menschen dieser Art gibt und auch Berufe, denen sie sich von selbst zubewegen, so kann ich mir daher auch wohlorganisierte „Arbeitsschulen“ denken, die keinerlei manuelle Betätigung in irgendwelchen besonderen Werkstätten oder auch nur abseits von besonderen Werkstätten mit irgendwelchem Unterrichtsbetrieb verbunden kennen.
Für alle anderen Zöglinge aber sind Schulen, die solcher Einrichtungen entbehren, schlecht organisierte Schulen. Insbesondere muß jede Volksschule aus den angestellten Erwägungen heraus irgendwelche praktische Arbeitsplätze, Werkstätten, Gärten, Schulküchen, Nähstuben, Laboratorien haben, um auf ihnen systematisch die Neigungen für manuelle Tätigkeit zu entwickeln, den Zögling zu gewöhnen, immer sorgfältiger, ehrlicher, gewissenhafter, durchdachter die manuellen Arbeitsprozesse auszuführen. Nur so wird eine der Hauptgrundlagen seiner späteren und durch die Fortbildungsschule direkt aufzugreifenden Berufsbildung geschaffen, nämlich die frühzeitige Gewöhnung an wohlüberlegte, mustergültige, solide, ehrliche, mit einem Worte, sachliche manuelle Arbeit. Anders ausgedrückt (um mich eines der bekannten Schlagwörter zu bedienen): In der wohlorganisierten öffentlichen Volksschule muß der Arbeitsunterricht auch als ein in sich geschlossenes Unterrichtsfach auftreten. Dieser Arbeitsunterricht als Fach ist nicht eine „Entweihung“ der Volksschule, sondern ihr größter Segen. In Bayern ist seit mehr als hundert Jahren in einer großen Zahl von Mädchenklassen der Arbeitsunterricht als Fach eingeführt, in München seit fast fünfzig Jahren in nicht weniger als durchschnittlich drei Stunden in der Woche, und keinem Menschen ist es bis heute nur im Traum eingefallen, diesen Unterricht, der ruhig für sich seine eigenen geschlossenen Bahnen läuft, als eine Entweihung der Mädchenschule zu betrachten und aus dem Lehrplan der Mädchenvolksschule zu streichen. Nun wird man vielleicht einwenden: Stricken, Nähen, Leibwäsche herstellen und sie ausbessern ist der Beruf fast aller Mädchen. Aber nicht alle Knaben ergreifen den gleichen manuellen Beruf. Das ist richtig. Aber daraus zu schließen, daß man deswegen überhaupt keinen systematischen Arbeitsunterricht in den inneren Organismus der Schule eingliedern darf, ein solcher Schluß steht ungefähr auf der gleichen Höhe wie der, daß, weil nicht alle Menschen die gleiche Nahrung vertragen, man ihnen am besten gar keine Nahrung gibt.
Noch vor hundert Jahren, da der Geist Pestalozzis in den deutschen Schulverwaltungen lebendig war, war es selbstverständlich, nicht bloß für alle Mädchen, sondern auch für alle Knaben Arbeitsschulen und Arbeitsunterricht zu fordern. Und wenn auch die Verfügungen in den napoleonischen Wirren und in der nachher das Haupt erhebenden Reaktionszeit nicht ausgeführt wurden, so zeigen sie doch zunächst eine in dieser Hinsicht die Gegenwart überragende Einsicht und redlichsten Willen. Der Allerhöchste Erlaß des Kurpfalzbayrischen Generalschulendirektoriums von 1803 an die Lokalschulkommissionen Bayerns ist ein schönes Beispiel hierfür. „Gewisse technische Fertigkeiten sind jedem Menschen mehr oder minder notwendig. Darum ist es notwendig, daß überall Arbeitsschulen für Knaben und Mädchen angelegt und mit Lehrschulen in Verbindung gebracht werden. Von diesen Schulen sollen auch jene nicht freigesprochen werden, von denen es vorauszusehen ist, daß sie einstens nicht notwendig haben zu arbeiten, um sich zu ernähren; denn abgesehen vom Wechsel des Glücks, wodurch viele geerbten Reichtum verlieren, so ist es immer gut, daß jeder lerne, den Vorzug zu schätzen, sich selbst den notwendigen Unterhalt erwerben zu können und jenen gehörig zu achten, der durch Arbeitsamkeit und Kunstfleiß sich einen Wohlstand zu verschaffen versteht.“ Dabei waren in jenen Zeiten noch Familienwohnsitz und Arbeitsstätte des Vaters eng verbunden, und die Jugend wuchs nicht auf, wie heute fast ausnahmslos in unseren großen Städten, ohne die häusliche Schule der Arbeit, ja ohne auch nur den kümmerlichsten Einblick in die manuelle Arbeit des Vaters zu gewinnen und vom Zauber ihres Segens erfaßt zu werden.
Wesentlich tiefer noch gräbt um die gleiche Zeit der Leiter des Frankfurter „Philantropins“, Jakob Molitor, ganz in Pestalozzischen Gedankengängen sich bewegend. Man glaubt, in John Dewey’s „School and Society“ von 1901 zu lesen, wenn man in seiner Abhandlung „Über die bürgerliche Erziehung“ die Sätze findet: „Es ist der größte Fehler unserer heutigen Erziehung, daß sie die Kinder mit allem bekannt macht, was in der Ferne liegt, und in demjenigen ganz unwissend läßt, was sich in ihrer Nähe befindet. Deshalb ist zwischen dem Leben und unserer Schule jetzt so eine ungeheure Kluft. Die Schule ist eine eigene fremde Welt, in der das Kind ganz andere Dinge hört, als es im Leben sieht … Die lebendige Kraft der alten Erziehung beruhte darauf, daß sie mit den Umgebungen anfing … Unter dem Gewühle von reger Tätigkeit, mitten unter den Geräten und Werkzeugen der Arbeit … wächst das Kind des Landmannes und des Handwerkers empor. Es siehet und höret von Jugend auf, und was es siehet und höret, wirkt lebendig und kräftig auf seinen Sinn. Der Acker, die Werkstätte wird ihm der Mittelpunkt seiner Welt und seines Daseins, der Punkt, um den sich alle Gedanken drehen, an den sich alle Begriffe anknüpfen, von dem sie ausgehen und wohin sie alle zuletzt wieder zurückkehren … Sie (die Schule) sollte, so wie es in dem Gange des Lebens immer geschieht, überall mit der Praxis beginnen und aus ihr die Theorie entwickeln … Man darf nie aus dem Auge verlieren: die Kinder von Jugend auf mit ihrem künftigen Stande und dessen Verhältnissen und Beschäftigungen bekannt zu machen, und solchergestalt deren Gegenstand jederzeit zum lebendigen Mittelpunkt aller Betrachtungen zu machen.“ Muthesius, der in einem Artikel „Fortbildungsschule und Volksschule“ in den Pädagogischen Blättern neuerdings auf Molitor hingewiesen hat, glaubt sicher, daß Molitors Schrift Goethe bei der Abfassung der pädagogischen Provinz in Wilhelm Meisters Wanderjahren fruchtbare Anregungen gegeben hat, nachdem Bettina Brentano ihn mit Molitors Schriften bekannt gemacht habe. Das ist um so wahrscheinlicher, als Goethes Anschauungen über Erziehung zu allen Zeiten in der gleichen Richtung sich bewegt hatten, wie ich an anderer Stelle zeigen konnte.
Der Zweck der vorbereitenden Erziehung für den manuellen Beruf liegt indes nicht in der Einführung in die Arbeitsprozesse, Werkzeuge, Maschinen und Materialien eines bestimmten Berufes, ebensowenig wie der Zweck der vorbereitenden Erziehung für einen geistigen Beruf in der Übermittlung von Kenntnissen für den zukünftigen Beruf besteht. Hier wie dort liegt der Zweck der vorbereitenden Erziehung in der Gestaltung der Organe, die für die Ausbildung des Berufes notwendig sind, in der Gewöhnung an ehrliche Arbeitsmethoden, an immer größere Sorgfalt, Gründlichkeit und Umsicht und in der Erweckung der rechten Arbeitsfreude. Wer in irgendeiner systematischen Beschäftigung (mit Holzarbeit z. B.) diese Qualitäten erworben hat, der besitzt sie und wendet sie bei jeder manuellen Arbeit an, die der spätere Beruf bringt, genau ebenso wie derjenige, der im Latein oder in der Mathematik seine logische Denkfähigkeit, seine Gewissenhaftigkeit und Wahrheitsliebe entwickelt hat, sie besitzt und anwendet, wenn er auch später nicht Philologe, Mathematiker oder Naturwissenschaftler wird, sondern Jurist, Historiker oder Philosoph. Ja die Übertragung dieser in einer manuellen Arbeitserziehung erwachsenen Qualitäten auf manuelle Arbeiten anderer Gebiete ist sehr viel gesicherter als die Übertragung erworbener Qualitäten auf geistigen Arbeitsgebieten, wo nicht selten Vorurteile, Parteimeinungen, religiöse Bindungen usw. verhindern, die auf einem Gebiete sich auswirkende Kraft der Wahrheitsliebe und des logischen Denkens in gleicher Rücksichtslosigkeit auf anderen Gebieten schaffen zu lassen.
Aus der ersten Aufgabe der öffentlichen Schule, der Aufgabe der Vorbereitung für die Berufsbildung, ergibt sich also mit Notwendigkeit für die Organisation der Volksschule die Forderung des fachlichen, systematisch sich entwickelnden Arbeitsunterrichts, und diese Notwendigkeit wird verstärkt durch den Umstand, daß auch die geistige Entwicklung der Massen mangels frühzeitiger hervorragender intellektueller Begabung unweigerlich auf den Boden der Erziehung durch manuelle Arbeit gestellt werden muß. Nun verlangen aber auch die manuellen Berufe, vor allem die gelernten Berufe, schon wegen der Verflochtenheit ihrer Interessen mit den Interessen des Staates auch die Beherrschung der primitiven Kulturwerkzeuge des Lesens, Schreibens, Rechnens, Zeichnens, die wir etwa mit dem, wenn auch nicht ganz zutreffenden Ausdruck „geistige Fertigkeiten“ zusammenfassen können. Sie verlangen den Besitz von körperlicher Gesundheit und gewisse Einblicke in die Gesetze der Natur und der eigenen hygienischen Lebensführung, zu welchem Zwecke Leibesgymnastik und Naturkunde zu wesentlichen Bestandteilen des Volksschullehrplans gemacht werden müssen. Das sind Forderungen, auf die hier nicht weiter einzugehen ist. Dagegen ist zu betonen:
Je inniger die Entwicklung der geistigen Fertigkeiten mit der Entwicklung der manuellen Fertigkeiten im Fachunterricht verbunden werden kann, desto glücklicher ist die Organisation der Volksschule, desto ungezwungener und sicherer entwickeln sich auch die geistigen Fähigkeiten.
Wüßte man von allen Kindern rechtzeitig, welchem Berufe sie sich nach Neigung und Begabung zuwenden, wären nicht so viele Kinder in der Berufswahl vom Zufall oder vom Herkommen abhängig, würden nicht bei einer so großen Anzahl von Kindern infolge der Arbeitsverhältnisse ihrer Eltern oder aus anderen Gründen bestimmte Arbeitsinteressen sich überhaupt erst spät oder nie entwickeln, so wäre die beste Organisation der Volksschule die, welche die Kinder nach Gruppen ihres zukünftigen Berufes zusammenfassen und, ohne diese Schule zur Berufsschule zu machen, ihren aus der ersten Aufgabe entspringenden Teil der Schularbeit als Vorbereitung für den kommenden Beruf organisieren würde. Würden sich vollends die in dieser Schule zusammengefaßten gelernten Berufe der Schüler mit denjenigen Berufen decken, denen auch ihre Eltern nachgehen, so ließe sich in dieser Schule auch jenes Organisationsideal verwirklichen, nach welchem die Schule nicht ein Fremdkörper im Leben des Kindes sein soll, nicht etwas von der täglichen Arbeit im häuslichen Kreise Isoliertes, sondern ein diese häusliche, tägliche Arbeit des Zöglings aufgreifendes, sie veredelndes, geistig aufhellendes Bildungsorgan des Staates. Dann könnte der Lehrer, wie Pestalozzi im Schweizerblatt meint, „sein Nebenwerk in des Vaters Arbeit so hineinflechten, wie ein Weber seine Blumen in ein ganzes Stück Zeug hineinwebt“. Aber keine dieser Bedingungen ist im allgemeinen gegeben, höchstens noch in rein ländlichen oder in wirtschaftlich primitiven Verhältnissen. In den meisten Fällen, jedenfalls in den Schulen der großen Städte, muß die Volksschule auf diese Konzentration verzichten. Dagegen kann die Fortbildungsschule diesem Ideal der Organisation in hohem Grade nachkommen, wie das Beispiel Münchens zeigt.
Aber auch wenn die Volksschule, so wie sie gegenwärtig möglich ist, in den meisten Fällen ihre Arbeit nicht mit der praktisch gerichteten Tätigkeit des Hauses und der Familie verweben kann, von der Forderung, die praktischen Interessen, die so ganz und gar das Seelenleben des Volksschülers, des noch werdenden Menschen, ausmachen, soweit als möglich zum Mittelpunkt der Unterrichtstätigkeit zu machen, kann sie nicht befreit werden. Ihre vornehmste Aufgabe bleibt alsdann, zu sehen und zu sorgen nicht bloß, wie sie diese praktischen Interessen zum Nutzen des späteren Berufslebens vertiefen und ausbauen kann, sondern vor allem, wie sie die mit aller praktischen Arbeit verbundene rein geistige Aktivität entwickeln und so den Übergang von bloß praktischen Interessen zu theoretischen Interessen für alle jene vermitteln kann, deren Veranlagung diese Entwicklung ermöglicht. „Es ist ein Gemeinplatz“, sagt John Dewey in seinem Buche „Interest and Effort“ (Houghton Mifflin Company, Boston 1913, S. 83), „daß das Grundprinzip der Naturwissenschaften mit der Relation von Ursache und Wirkung auf das engste verbunden ist. Aber das Interesse an dieser Beziehung setzt zunächst auf rein praktischem Gebiet ein. Irgendeine Wirkung wird beabsichtigt, und alle Aufmerksamkeit richtet sich auf die Bedingungen, welche diese Wirkung erzeugen. Zunächst herrscht das Interesse an der Erfüllung des beabsichtigten Zweckes vor. Aber in dem Maße, als dieses Interesse verflochten wird mit wohldurchdachten Bemühungen, den Zweck trotz aller entgegenstehenden Schwierigkeiten und Hindernisse zu erreichen, wird das Interesse am praktischen Zwecke oder an der praktischen Wirkung notwendigerweise übertragen auf das Interesse an den Mitteln (eben den Ursachen), die die Wirkung zustande bringen. Wo handwerkliche Arbeit, wo Gartenarbeit, wo Kochprozesse usw. mit Verständnis (das heißt mit beständiger Überlegung von Ursache und Wirkung) durchgeführt werden, ist es eine verhältnismäßig einfache Sache, das zunächst rein praktisch gerichtete Interesse umzuwandeln in ein Interesse für Versuche um bloßer Entdeckungen willen. Sobald jemand interessiert ist an einem Problem als einem Problem, an Untersuchungen und Studien um der Lösung des Problems willen, dann ist das Interesse bereits rein theoretisch geworden.“
Unsere allgemeinen öffentlichen Schulen nehmen wenig oder gar keine Rücksicht in ihren Lehrplänen auf diesen Fundamentalsatz aller geistigen Entwicklung, die immer und überall von praktischen Interessen zu theoretischen vorwärts schreitet. Sie haben bis heute die Befriedigung der praktischen Interessen selbst da ausgeschlossen, wo die Masse der Schüler nur in seltenen Fällen überhaupt über praktische Interessen in ihrer geistigen Entwicklung hinausschreitet. Sie glaubt schon Großes getan zu haben, wenn sie bei der Einführung in ihrem vom sonstigen Leben des Schülers isolierten theoretischen Unterrichtsbetrieb an Vorstellungen aus dem praktischen Leben anknüpft. Das ist der größte Mangel, der unseren allgemeinen Schulen anhaftet.